Sigfrid Karg-Elert (1877-1933) ist eine der bizarresten Künstlerpersönlichkeiten des frühen 20.Jahrhunderts und (zumindestens in meinen Augen) einer der spannendsten Orgelkomponisten überhaupt.
Sein Stil wird- immer wieder gerne in die Nähe von Max Reger gerückt - nicht ganz zu Recht, denn Karg-Elerts Kompositionen tragen einen unverwechselbar eigenen Charakter. Während sich seine frühen Werle noch stark von Grieg, dem er in Leipzig begegnete, beeinflußt zeigen, gelangte er nach der Übernahme von neobarocken Elementen und schließlich einer gewissen Orientierung an Debussy, Skrjabin und Schönberg in seinem Spätwerk an und über die Grenzen der spätromantischen Tonalität.
Wolfgang Stockmeier, mit dem auch eine bei jpc erschienene Geamteinspielung von Karg-Elerts Orgelwerken vorliegt, schreibt zu den Choralvorspielen: "Man tut gut daran, immer wieder auf den ungewöhnlichen Rang der 66 Choralvorspiele von Sigfrid Karg-Elert (entstanden etwa 1907 - 1909) innerhalb der Geschichte des Choralvorspiels hinzuweisen. Mit dieser Sammlung hat der Komponist die mehr als hundertjährige Erstarrung einer uninteressant gewordenen Gattung aufgebrochen..."
Einige dieser Choralvorspiele beeindrucken mich gewaltig. Besonders die Nr 47 "Ein feste Burg ist unser Gott" (laut Stockmeier setzt der Komponist hier "Himmel und Hölle in Bewegung") gehört für mich zu den großartigsten Orgelwerken überhaupt.
Weiterhin bin ich begeistert von der ungemein fantasivollen " Homage to Handel. 54 Studies in Variation Form op. 75 B ", in der ein viertaktiges Bassthema von Händel auf die verrückteste Art und Weise (bis hin zum Cluster) variiert wird.
Zu meinen Favoriten zählt außerdem die Orgelsonatine op.74 mit der abschließenden Ciacona, in die ein Fughetto mit drei Themen kunstvoll eingebettet ist, wobei Karg-Elert zusätzlich mit rückläufigen Bewegungen arbeitet. Dieser formal höchst artistische Satz mündet in einen pathetischen Schluß, dessen schillernde Harmonik mich bei jedem Hören erneut an den Rand des Verrücktwerdens treibt....
Ich hoffe auf ein paar weitere Beiträge zu Karg-Elert und seinen Orgelkompositionen!
Viele Grüße
Bernd