Kultur in Funk und Fernsehen

  • .... um auch mal was Positives beizutragen:


    Oft beklagen wir uns über die Tatsache, dass unsere Lieblingsmusikrichtung viel zu wenig allgemeine Beachtung findet (was ja nicht ganz unberechtigt ist).


    Aber man sollte auch mal explizit die Tatsache würdigen, dass endlich mal wieder eine komplette (!) mehrstündige Opernübertragung im ersten Programm des deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehens (und natürlich auch im ORF) zur besten Sendezeit gezeigt wird!
    Sowas habe ich (vor der letztjährigen Salzburger Traviata, die aber in der ARD immerhin erst am späteren Abend begonnen hatte) zuletzt bewusst irgendwann in der 1980ern erleben können!
    Dem Vernehmen nach sollen derartige "Opernabende" im Fernsehen in den 1960ern und 1970ern sogar noch viel regelmäßiger stattgefunden haben....


    Ich dachte, ich sehe nicht richtig, als ich in der Woche davor in der TV-Zeitschrift die Ankündigung für diese Opernübertragung gelesen hatte!
    Ein ganzer Abend lang Oper live - erst nach Mitternacht kommt noch irgendwas anderes im ersten Programm - ist das nicht fantastisch?!


    Und ich fürchte fast, dass die Teilnahme der enorm populär gewordenen Darstellerin der Susanna für die Live-Übertragung nicht ganz unmaßgeblich war! Seien wir ihr dafür doch auch einmal dankbar! Das Ganze hatte eine Aura von "Glamour" und gesellschaftlichem Top-Ereignis - ist doch wunderbar!


    Und die Präsentation um die 4 Akte herum ließ doch aus Sicht des "unbedarften" Zuschauers auch nichts zu wünschen übrig - die ARD hat immerhin ihren derzeit populärsten Moderator/ Talkmaster/ undwasweißichnichtnochalles Harald Schmidt hierfür verpflichtet!
    Was ich aus Euren Beiträgen über die ORF-Pausengestaltung gelesen habe, hätte ich mir allerdings auch eher gewünscht, diese gesehen zu haben....


    Wenn man sich über die Art und den Stil von Herrn Schmidts Moderation/ Inhaltsangaben auch streiten kann, muss man sich aber dieser Tatsache einmal bewusst werden:
    Hätte es irgendwer vor 3 Jahren (oder so) für möglich gehalten, dass die ARD im Jahr 2006 die Premiere des Figaro live von den Salzburger Festspielen zur besten Sendezeit in kompletter Länge mit Harald Schmidt als Moderator/ Conferencier übertragen würde??
    Ich ganz sicher nicht.


    Die Tatsache allein ist doch schon ein Grund zur Freude für alle Opern- und Klassikfans: Man wird wahrgenommen und es wird ein Event draus gemacht, das weithin Beachtung findet.
    Wenn aus einer Sache heute ein Event gemacht wird, ist das doch der Ritterschlag schlechthin im heutigen Medienzeitalter. :wacky:


    Weiß eigentlich irgendwer, wie die Einschaltquoten waren? Wenn sie gut gewesen sein sollten, bestünde ja evtl. Hoffnung auf häufigere "Wiederholungstaten" dieser Art im TV...


    Allerdings:
    Evtl. hätte die ARD eine derart prominent im TV-Programm platzierte Live-Übertragung nicht gebracht, wenn hierzulande nicht gerade Sommer- und Ferienzeit wäre und eh keiner daheim vorm Fernseher sitzt... :stumm:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Hallo Marc,


    Zitat Westdeutsche Zeitung online vom 27.07.:


    "Die über vier Stunden lange Live-Übertragung der ARD aus Salzburg mit der Premiere der Mozart-Oper «Le nozze di Figaro» («Figaros Hochzeit») sahen am Mittwoch durchschnittlich 1,50 Millionen Menschen. Das entsprach nach Angaben des Senders in der Zeit von 20.15 Uhr bis 0.32 Uhr einem Marktanteil von 8,1 Prozent."


    War also nicht so dolle... Die Formel "Netrebko + Verdi" hatte da letztes Jahr mehr Erfolg.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat von MarcCologne

    Wenn aus einer Sache heute ein Event gemacht wird, ist das doch der Ritterschlag schlechthin im heutigen Medienzeitalter. :wacky:


    Hallo Marc,


    deine Begeisterung sei Dir ungenommen und ich möchte Dir auch zustimmen, daß man auch ein wenig Dankbarkeit zeigen sollte.


    Allerdings: Wer früher zum Ritter geschlagen wurde, blieb es sein Leben lang. Heutzutage gilt: Was heute hot, ist morgen schrott. Nur wenige Formate haben Bestand, und ich wage zu bezweifeln, daß sich - trotz vielleicht durch AN und vielleicht sogar durch die Musik gewecktes Interesse - ein Opernabend, oder auch generell Musikabend im üblichen Programmalltag etablieren könnte...


    LG
    Wulf.

  • Hallo Wulf,


    was den ORF betrifft, ist es sogar schlimmer: Dort meint man, mit dem Hauptabend-"Figaro" sei der Kulturauftrag erfüllt, den Rest des Jahres reicht's, wenn man Derartiges spät in der Nacht versteckt.


    :hello:

    ...

  • Hallo Wulf,


    nimm den Edwin nicht ganz so ernst. Er negiert einfach, dass es z.B. gestern eine Direktübertragung aus Salzburg im Fernsehen gab und dass bereits am kommenden Freitag die Zauberflöte wieder im Hauptabendprogramm zu sehen sein wird (wenn auch leicht zeitversetzt; aber immerhin: in 10 Tagen zwei Opern-Fernsehübertragungen! Von den ständigen Übertragungen in Ö1 fange ich gleich gar nicht an).


    Und dass die Tatsache, dass der ORF weltweit der Sender mit dem umfangreichsten Kulturangebot ist, für ihn in erster Linie ein Grund zum Raunzen ist, ist eben typisch Österreichisch (in diesem Fall: typisch Wienerisch). ;)


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Hallo vom raunzenden Wiener nach Graz!


    Aber so ganz unter uns: Wenn man den ORF mit Bayern vergleicht (auch im Hörfunk), schneidet er nicht gar so gut ab. Seien wir ehrlich - die Kultur wird zumeist ausgelagert in den 3-sat.
    So ab und zu ein Konzerterl am Vormittag (ja, ich weiß, auch das Neujahrskonzert wird übertragen...) macht für mich das Kraut nicht fett.
    Und zweimal Mozart im Hauptabendprogramm ist meiner Meinung nach auch nicht das große Kulturkonzept.
    Aber vielleicht liegt die wienerische Kultur-Blindheit gegenüber dem ORF daran, daß wir Wiener im "Musikantenstadl" nicht unbedingt Hochkultur sehen, wenn auch manches davon fast wie Richard Strauss klingt.


    :hahahaha: :untertauch:


    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin


    Zitat

    Und zweimal Mozart im Hauptabendprogramm ist meiner Meinung nach auch nicht das große Kulturkonzept.


    Dreimal! Du vergisst den Don Giovanni am 15.8.! 3Sat bringt noch den "Mitridate". Ich will gar nicht darüber diskutieren, ob dreimal Mozart von den Mozart-Festpielen in Salzburg im Mozartjahr ein großes Kulturkonzept ist, aber kein anderer öffentlich-rechtlicher Sender bietet dir diesen Luxus! Wir streiten daher bestenfalls über des Kaisers Bart.


    Und zumindest beim Radio widerspreche ich dir ganz entschieden. Ö1 ist praktisch nicht zu toppen, das ganze Jahr nicht, und jetzt in den Sommermonaten mit 38(!) Übertragungen aus Salzburg schon gar nicht. Darunter "Ascanio in Alba" (5. August, 19.30 Uhr), "La clemenza di Tito" (16. August, 18.00 Uhr), "La finta giardiniera", sowie ein Philharmoniker-Konzert unter Boulez!


    Und damit die Sache nicht zu einseitig wird, gibt es "dazwischen" noch Übertragungen von:


    Ambraser Schlosskonzerte
    Ars Electronica
    Bregenzer Festspiele
    Brucknerfest Linz
    Carinthischer Sommer
    Eggenberger Schlosskonzerte
    Feldkirch Festival
    Festival Allegro Vivo
    Festival Glatt & Verkehrt
    Festival Musica Sacra
    Grafenegger Schlosskonzerte
    Innsbrucker Festwochen
    Internationale Barocktage Stift Melk
    Internationale Haydntage
    Internationales Orgelfest Stift Zwettl
    Jazz Fest Wien
    Jazzfestival Saalfelden
    Kammermusikfest Lockenhaus
    KlangBogen Wien
    Klangspuren Schwaz
    Musikforum Viktring
    Musiktage Mondsee
    Musikwochen Millstatt
    Oberösterreichische Stiftskonzerte
    Schubertiade Schwarzenberg
    styriarte
    Trigonale
    Wiener Festwochen
    Woerthersee Classics Festival


    Du kannst den ganzen Sommer über in Ö1 praktisch täglich ein bis zwei Festspielkonzerte hören. Wem das zuwenig ist, dem ist beim besten Willen nicht zu helfen (d.h. doch, die Regionalstudios bieten noch zusätzliche Konzerte der regionalen Festspiele ;) ).


    :hello:

    Ciao


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  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    vor jahren hatte ich den entschiedenen eindruck, dass wdr3 besser ist als ö1. aber vielleicht hat sich das geändert.


    Inwieferne soll er besser gewesen sein? Es scheint aber zumindest von den Hörern nicht honoriert worden zu sein, denn die Reichweitenwerte von Ö1 sind international unter den Klassik-Sendern einzigartig!


    :hello:

    Ciao


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  • die quote kann für die qualität kein argument sein.
    ich hatte den eindruck, nicht nur wesentlich mehr ernste musik pro tag geliefert zu bekommen, sondern auch einen geringeren "mainstreamanteil".


    ö1 soll sich seither deutlich verschlechtert haben. wdr3 wahrscheinlich auch?

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  • Erwähnenswert finde ich in diesem Zusammenhang - mit dem österrreichischen Fernsehen habe ich aufgrund meiner ungünstigen Lage wenig Berührungspunkte - den überraschenden Kultureinbruch im Privatfernsehen von Sat1 und RTL zur Mitternachtsstunde in Form der Formate "News and Stories" etc. Dort wird zwar meist keine gesamte Oper geboten, aber es wird über das jeweilige Werk mit Dirirgenten, Solisten etc. gesprochen.


    Was haltet ihr von diesem Format?


    :hello:
    Wulf.

  • Hi (@Kurzstückmeister)


    Von welchen Zeiträumen sprichst du da?


    Zitat

    die quote kann für die qualität kein argument sein.


    Na klar doch. Hörer eines Kultursenders sind natürlich zu blöde, um seine Qualität einzuschätzen und bestehen sogar darauf, sich so etwas anzuhören, egal wie schlecht es ist. ;)

    Ciao


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  • Hallo Theophilus!


    Wir sind arg Off topic - vielleicht sollte man daraus einen eigenen Thread machen...?
    Ich beantworte es jetzt einmal hier und lasse die Moderatoren entscheiden: Du hast Recht, wenn es um den Sommer geht, da sind die Festspiele aller Art extrem prominent im Hörfunk, das Fernsehen fischt sich ein wenig Mozart aus dem Salzburger Überangebot (:untertauch: ) - das ist nach dem heurigen Jahr aber mit ziemlicher Sicherheit wieder vorbei.
    Nun gibt's meiner Meinung nach in Österreich aber über die Sommermonate hinaus ein breites Kulturangebot, auch eines, das man im Fernsehen ab und zu zeigen kann. Ich würde mich z.B. freuen, wenn man auch mit "normalen" Konzerten und Opernabenden versorgt würde, die in der Staatsoper oder in Graz oder Linz etc. stattfinden.


    Abgesehen davon: 3 Mal Mozart? Wenn es da ein anderes Konzept gibt, als eben 3 Mozart-Opern auszustrahlen, will ich mir noch heute Beethovens IX. unter Karajan anhören!


    Außerdem finde ich, daß der Kurzstueckmeister Recht hat: Der WDR hat das bessere Programm, nämlich elitärer - und genau das wird natürlich von der Masse nicht honoriert. Wir brauchen doch gar nicht darüber zu diskutieren, welcher Sender die Nase vorne hat, wenn einer die "Zauberflöte" ausstrahlt und der andere z.B. die Uraufführung einer neuen Oper von Rihm.
    Sowas gab's übrigens, lang ist's her, auch im ORF - meist Sonntag vormittag.


    :hello:

    ...

  • Hallo,


    in Sachen Radio kann ich als armer Norddeutscher nur sagen: Tu felix Austria... Seit ein paar Jahren ist man hier - zumindest dann, wenn man nicht über Zugang zum digitalen Rundfunk verfügt - hinsichtlich qualitativ hochwertiger Musik ziemlich aufgeschmissen. Der früher recht gute Sender NDR 3 mutierte im Laufe eines "Relaunches" zu "NDR Kultur". Der Name aber täuscht. Fußend auf der Erkenntnis, daß Radio heute vor allem als "Begleitmedium" genutzt werde, ist man zu einer Art öffentlich-rechtlicher Kopie von Klassik-Radio geworden. Das heißt also "Wohlfühl-KlassiK" von ca. 1720 bis 1890, allerdings nie ganze Werke, auch wenig Kammermusik und nichts, was den Gelegenheitshörer auch nur im Ansatz verschrecken könnte. Gegen diese Infantilisierung zieht eine Initiative namens "Das ganze Werk" (wehwehweh.dasganzewerk.de) zu Felde mit durchaus großem Medienecho und zum Verdruß der NDR-Gewaltigen. Eine ähnliche Entwicklung findet zur Zeit auf beim RBB in Berlin statt, auch da setzen sich engagierte Hörer gegen die Senderverflachung zur Wehr.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

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  • Hallo GiselherHH,


    Ö1 soll inzwischen auch fast nur noch einzelne Sätze spielen (sagte mir jemand, der ob dieser Umstände zwar verärgert aber immer noch Radio hört).


    :hello:

  • Hallo Kurzstueckmeister!


    Ich bin kein regelmäßiger Ö1-Hörer, aber die zerpflückten Werke halte ich eher für ein Gerücht. Vielleicht macht man das als Füller, aber ein Sendeauftrag ist es mit ziemlicher Sicherheit nicht. Es sei denn, der Satz ist Element einer Sendung, die von vorneherein auch ein "Best of" zulässt ("Pasticcio", leider immer wieder auch "Zeitton" etc.).


    Mein Hauptkritikpunkt ist das Überhandnehmen von Wortsendungen - und die Positionierung schwieriger zu hörender Musik tief in der Nacht. Es geht mir nicht um Stockhausen um 20 Uhr; ich glaube aber, daß es zumindest einmal in der Woche eine Sendung mit modernerer Musik in der Gegend von 20 oder 21 Uhr geben sollte. Mit "modernerer Musik" meine ich dabei Entwicklungen von ca. 1900 bis in die Gegenwart. Ich weiß auch, daß das vor zig Jahren einmal angedacht war, aber fallengelassen wurde.


    Klassik-Berieselungssender sind natürlich die Kehrseite der Medaille, das ist die noch größere Katastrophe. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, daß der ORF weniger macht als er machen könnte.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von observator
    schau doch ins programm!


    jawohl!


    Guten Morgen: Ausschnitte.
    Pasticcio: Ausschnitte?
    Radiokolleg: Ausschnitte?
    styriarte 2006: Ausschnitte?
    Ö1 bis 2: Ausschnitte.
    Apropos Klassik: Komplette Werke.
    Spielräume: Ausschnitte?
    On Stage: No classics ...
    Zeitton: Ausschnitte.
    Calling Mozart: ?
    Klassiknacht: Komplette Werke.


    oje

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  • Hallo Edwin,


    du hast vollkommen Recht, wir sind jetzt arg vom Thema weg, aber es hat sich so ergeben (und für mich die Gelegenheit, in diesem Thread noch zu Wort zu kommen. Denn das eigentliche Thema, und das was hier darüber überwiegend geschrieben wurde, kommentiere ich lieber nicht. Ich habe keine Lust, das halbe Forum gegen mich aufzubringen ;) ).



    Zitat

    Ich würde mich z.B. freuen, wenn man auch mit "normalen" Konzerten und Opernabenden versorgt würde, die in der Staatsoper oder in Graz oder Linz etc. stattfinden.


    Dem stimme ich zu. Und wenn ich daran denke, was es in den 80ern z.B. aus Graz in FS2 zu sehen gabe, könnte ich nostalgisch werden. Jedoch: es ist dies ein Fall, wo die "guten alten Zeiten" definitiv vorbei sind. Es ist eine Sache, was ein Monopolbetrieb glaubt, seinen Sehern an Hochkultur zumuten zu können (oder auch zu wollen), und eine ganz andere, was eine unter Quotendruck gekommene, relativ kleine Sendeanstalt im internationalen Wettkampf sich überhaupt noch getraut. Natürlich ist es eine Schande, wie weit sich der ORF in den 90ern aus (vielleicht großteils eingebildeten) Kostengründen von der Kultur zurückgezogen hat. Zum Glück hatten wir eine Schar aufrechter, die sich bei Ö1 dieser Entwicklung erfolgreich widersetzt haben, und dabei eine beispiellose Erfolgsgeschichte geschrieben haben.


    Das Fernsehen war also weg vom Kulturfenster und ließ Kultur nur in einem für eine "Kulturnation" relativ enttäuschendem Maße vor sich hin köcheln. Aber die subversiven Kräfte der Ö1-Mannschaft und wohl auch das permanente Interesse des Staatsoperndirektors führten 2005 zu einem in diesem Maße kaum zu erwartenden Wiederauferstehen von Musikkultur im Fernsehen. Beginnend mit der Ausstrahlung des Liebestranks zeigte es sich, dass z.B. Oper nicht zwangsläufig dem Quotendruck weichen muss (wie von den Fernsehverantwortlichen beim ORF permanent behauptet wurde), denn sie ist bei mediengerechter Aufbereitung und entsprechender Qualität in der Lage, Quote zu bringen! Und das entgegen allen Vorhersagen! Die Traviata aus Salzburg und heuer der Figaro waren weitere wichtige Schritte auf diesem Weg. Es herrscht im Moment geradezu Aufbruchstimmung, die du jetzt nicht totreden solltest. Es spricht nichts dagegen, dieses Rezept erfolgreich weiterzuführen, solange man es medial gekonnt umsetzt. (Und ich freue mich diebisch dabei, mir dich vorzustellen, wie du mit den Zähnen knirschst, wenn du daran denkst, wem du diesen Aufschwung auch zu verdanken hast! 8) ).



    Zurück zum Rundfunk. Fast wahllos ein paar Gedanken dazu.


    1. Ich verwehre mich entschieden dagegen, dass elitäreres Programm automatisch das bessere ist. Das ist Mumpitz.


    2. Ein Sender hat auf langes Gsicht nur dann eine Existenzberechtigung, wenn er Hörer erreicht. Rundfunk ist per se ein Massenprogramm, auch wenn spezialisierte Sender sich von vornherein auf einen kleineren Hörerkreis beschränken. Auch diesen gilt es zu erreichen. Alles andere ist unrealistisches Wunschdenken.


    3. Die finanziell wesentlich potenteren deutschen Sendeanstalten können es sich leisten, einen ihrer vielen Kanäle für ein relativ kleines Publikum zu betreiben (genauer: sie konnten es). Die Ö1-Mannen haben innerhalb des ORF einen ungleich schwereren Stand. Ein Drittel des Rundfunks verbraucht ein Reklame-freier Sender, der ein reines Kulturprogramm bietet. Und dies muss heutzutage irgendwie rechtfertigt werden. Dieser Balanceakt wird bislang mit überragendem Erfolg vorexerziert, ansonsten gäbe es Ö1 in dieser Form längst nicht mehr.


    4. Dass Ö1 so wenig "elitäreres" bringt, stimmt in Wirklichkeit gar nicht. Es ist allerdings teilweise etwas versteckt. Aber nehmen wir z.B. den Haupt-Operntermin am Samstag 19:30. Da haben wir im Jahr etwa 25 Termine mit gängigem Repertoire, 15-20 interessantes aus den Randbereichen und 5-10 wirkliche Seltenheiten. Das finde ich ein höchst ausgewogenes und dennoch anspruchsvolles Verhältnis. Ich glaube dir, dass du es umgekehrt lieber hättest, aber du bist schlicht und einfach nicht repräsentativ. Man kann für dich kein Radioprogramm machen, man muss einfach eine größere Zielgruppe ins Auge fassen (pace!).


    5. Ö1 kann mit seiner Masche und etwas Glück sicher noch einige Zeit überleben. Hingegen hört man die Rotstifte, die in der BRD angesetzt werden, bereits bis zu uns her kratzen. Da wird bis in 10 oder 15 Jahren kein Stein mehr auf dem anderen bleiben. Würde mich nicht wundern, wenn du dann schon Probleme hast, überhaupt echte Vergleichsobjekte zu finden.


    6. Es ist immer wieder auffallend zu hören, wie häufig ORF-Tontechniker offenbar selbst Musikliebhaber sind. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ORF-Produktionen klanglich (von relativ wenigen Ausreißern abgesehen) zumeist in Top-Kategorie einzustufen sind (und es werden ja genügend internationale Mitschnitte gesendet, um dies immer wieder feststellen zu können). Da wird offenbar nicht nur ein Job erledigt, sondern wirklich ambitioniert gearbeitet.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus!


    Gut, wenn man die von Dir genannten Vorbedingungen akzeptiert, hast Du mit Deinem Loblied auf den ORF recht.
    Nur in einem Punkt bin ich anderer Meinung: Solange wir eine Rundfunk-Zwangsgebühr zahlen, sollte der Quotendruck beim ORF verschmerzbar sein - zumal auf Ö1, wo es ja auch keine Werbung gibt, also die Quote auch im Business-Bereich vernachlässigbar ist.
    Natürlich darf man nicht das Kind mit dem Bad ausschütten. Eine Sendung wie "Zeitton" um 20 Uhr jeden Tag wäre Mumpitz. Aber eine Sendung pro Woche, die als Sendeauftrag Musik abseits des Mainstream hat (das kann meinetwegen im Mittelalter beginnen und bis in die Gegenwart reichen), sollte sich der ORF auf Ö1 leisten können.


    Das Fernsehen ist eine andere Sache. Wenn ich auf dem einen Sender (ich fantasiere jetzt ein wenig, aber so absurd ist es nicht) die Uraufführung einer Oper aus dem Opernhaus Graz bringe und auf dem anderen eine neue Folge des "Bullen von Tölz", ist mir die Quote für die Oper klar.
    Aber muß es ausgerechnet der "Bulle" sein? Der "Musikantenstadl" oder "Wetter daß..." wird ja auch nicht mit dem "Bullen" konkurrenziert, sondern in der Regel mit einem Gähn-Film. Warum gesteht man das der Oper nicht zu? Wobei ich zwischen TV-fähigen und nicht-TV-fähigen Opern unterscheide. Ich rede ja nicht von Zimmermanns "Soldaten", sondern eher vom "Fliegenden Holländer" etc.


    :hello:


    P.S.: Wem soll ich für Oper im TV dankbar sein? Wenn ich Pamela Anderson als Erste nackte Jungfrau im "Moses und Aron" besetze, hab ich Top-Quoten für Zwölftonmusik. :hahahaha:

    ...


  • Ausschnitte heißt aber praktisch immer ganze Sätze!


    Guten Morgen: Ausschnitte. (meistens; dient als Begleitung beim Aufstehen...)
    Pasticcio: Ausschnitte (wie der Name schon sagt; eine Sendung mit Gesprächen über Musik)
    Radiokolleg: Wissenssendung
    Konzert am Vormittag: styriarte 2006: (Immer ein Konzert, oder der Großteil eines Konzertes; am Ende eventuell aufgefüllt)
    Ö1 bis 2: Gespräch über Musik (zumeist zu aktuellen Anlässen)
    Apropos Klassik: Komplette Werke.
    Spielräume: Neuigkeiten aus der Welt der Musik
    19:30 Abendtermin: für jeden Wochentag ein eigenes Thema, aber immer vollständige Werke (auch Konzerte)
    Spätabendtermin; für jeden Wochentag...(da gibt es auch Neue Musik mit eigener Leiste!)
    Klassiknacht: Komplette Werke.



    Oje??? Vermutlich kann man nichts so gut machen, dass es nicht dennoch Jammerer gibt. Für mich ist das ein prima Programm. Man kann viele internationale Konzerte hören, bekommt wichtige Platteneinspielungen präsentiert, hat Sendungen mit Gesprächen über Musik, Sendungen mit aktuellen Themen (Ö1 bis 2 und 3x wöchentlich ein 90-minütiges Opernkonzert mit meist aktuellem Thema). Fixe Sendeplätze für Jazz, Neue Musik, Chormusik.


    Was Edwin offenbar stört, ist, dass es ein Kultursender und kein Musiksender ist. Wir haben also einige Stunden täglich Wissenssendungen, Literatursendungen und Hörspiele, und etwa zwei Stunden Nachrichten. Man hat "nur" etwa 15h täglich Musik in Ö1...



    Übrigens hat sich meiner Meinung nach im letzten Jahrzehnt die Verteilung zwischen Musik und anderen Sendungen nicht nennenswert geändert. Die Musiksendungen haben sich aber doch ein wenig geändert, es ist jetzt alles themenbezogener, worin ich aber grundsätzlich keinen Nachteil sehe. Änderungen im Programmschema werden aber auch relativ selten und dann meist behutsam gemacht. Ö1 Hörer sind eher Änderungsmuffel. So gab es vor einigen Jahren einen gewaltigen Aufschrei, als nach vielen Jahrzehnten das tägliche Opernkonzert von 13:00 bis 14:00 abgeschafft wurde. Auch ich hielt es für keine gute Idee, es gehörte einfach schon irgendwie dazu! Als Ersatz kam die tägliche Sendung (unter der Woche) "Ö1 bis 2", eine Stunde Musik und Kommentar zu einem aktuellen Anlass (z.B. ein Komponist oder Solist, der gerade Geburtstag hat), und dreimal die Woche ein 90-minütiges Opernkonzert am Nachmittag, ebenfalls themenbezogen. Nachdem die Trauer um das dahingegangene tägliche Opernkonzert verflogen ist, muss man anerkennen, dass die Neuerung entschieden eine Verbesserung darstellt. ;)



    Auffallend ist, dass es kaum mehr Rundfunkbearbeitungen von Theaterstücken gibt. Aber auch im Fernsehen gibt es immer weniger Theater, da leben wir in schlechten Zeiten.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus!
    Der Kultursender Ö1 (im Gegensatz zu einem Musiksender) stört mich nicht wirklich. Mich stört eher die Verteilung der Sendungen. Ich müsste jetzt eine Statistik aufstellen, aber ich glaube nicht, daß ich mich grundlegend täusche, wenn ich sage, daß im Programm von 17 bis 22 Uhr relativ viele Wortsendungen vorkommen. Ich habe auch nichts von einer Stunde zeitgenössischer Musik pro Tag, wenn diese Stunde zu einer Zeit stattfindet, zu der man zwischen abendlichem Zähneputzen und Traummännlein befindet.


    Völlig unklar ist mir, weshalb der ORF seine abendlichen Musiksendungen um 19.30 Uhr beginnt - also genau dann, wenn im Fernsehen die "Zeit im Bild" und damit die IMO beste Nachrichtensendung im gesamten deutschsprachigen Raum wenn nicht in ganz Europa läuft.


    Oder ein konkretes Beispiel: Mich hätte z.B. der Bayreuther "Ring" interessiert. Ich nehme an, ich stehe nicht allein da; und ebenso nehme ich an, daß er von deutschen Stationen aufgezeichnet wurde. Nichts gegen diverse Schubertiaden und Ähnliches im eigenen Land, aber der Blick über den Tellerrand hinaus (und damit meine ich nicht nur die erfreuliche Einrichtung der offenbar im internationalen Austausch gesendeten Konzerte) wäre mitunter schön.


    Den Dramen in Hörspielfassung trauere ich hingegen kaum nach, wenn schon, dann als Bühnenversion im TV.


    :hello:

    ...

  • Harald Schmidt selbst ist für mich ein absoluter Hochgenuss im Fernsehen. Wahrscheinlich der intelligenteste Mann im deutschen Fernsehen. Legändär die Sendungen, in denen er mit Playmobil die Welt erklärt u. ä.. Das hätte er auch mit der Handlung der Oper machen sollen!

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

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  • Zitat

    Original von Theophilus
    Oje???


    Hallo Theophilus!


    Das "oje" bezog sich hauptsächlich auf die vielen Fragezeichen, die der Blick ins Radioprogramm erzeugte. Dennoch halte ich von Programmen, die keine vollständigen Werke bringen, nicht so viel. Und auch von Themenbezogenheit. Als ich vor 5-10 Jahren in Nordrheinwestfalen tagsüber längere Zeit Radio hörte, ein ganzes Werk nach dem anderen, hauptsächlich welche, die ich nicht kannte, habe ich gemerkt, wie es auch sein kann. Die Kommentare kurz und nicht sehr aufdringlich. Was ich in Ö1 in letzter Zeit gehört habe, würde ich eher fast als Entertainment bezeichnen. Selbst in Zeitton sind ganze Werke unerwünscht, ein Freund von mir, dem ein Portrait gewidmet war, und der nur vollständige Werke wollte, hatte keine Chance. Das Komponistengespräch, in das die Ausschnitte eingebettet waren (auch von Werken, die er entschieden nicht wollte), war auch eher eine seichte Plauderei.


    Mir ist schon klar, dass man das auch anders sehen kann, das ist meine Meinung und meine Konsequenz ist, kein Radio zu besitzen.


    :hello:

  • Hallo Edwin,


    ich kann deine Wünsche nachvollziehen. Grundsätzlich könnte man auch beim Programmschema sicherlich Verbesserungen anbringen. Das Problem ist halt, dass es viele Wünsche, aber nur einen Kanal gibt. Egal wie das Ergebnis aussieht, wird der Hörer mit der einen oder anderen Entscheidung unglücklich sein.


    Was Bayreuth betrifft, finde ich es mit dir Schade, dass in den letzten Jahren so wenig vom grünen Hügel zu hören ist. Ich bin über die aktuelle Lage nicht informiert, aber ich erinnere mich dunkel, dass dafür (zumindest in den 90ern) indirekt der Bayerische Rundfunk Schuld trägt. Den Herrschaften in München ist es ohnehin ein Dorn im Auge, dass in Grenznähe viel zu viel Ö1 gehört wird (musste der ORF nicht vor gar nicht so langer Zeit einen neuen Sender leistungsmäßig herunterdrehen, weil er gar so weit in den Freistaat hinein zu empfangen war?), weiters sind sie ja die Erstverwerter für Bayreuth. Der ORF bekommt also möglicherweise aus Sender-politischen Gründen keine Live-Übertragungen zu akzeptablen Konditionen, und irgendwann Nachsenden wollen sie auch nicht.


    Auf der anderen Seite gäbe es für Hörer nicht unwesentliche zusätzliche Probleme. Heuer haben wir aus Salzburg sieben Mozart-Opern und einige Konzerte, viele Konzerte aus anderen Festspielorten, kämen jetzt im gleichen Zeitraum noch eine Handvoll Wagner-Opern dazu, müsste man glatt Urlaub fürs Radio nehmen. ;)


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus,


    aber sind denn in den Zeiten des Internet-Radios die Streitigkeiten um Frequenzen, Reichweiten etc. nicht ohnehin obsolet? Ich habe mir, wo es ging, die Übertragungen direkt aus Bayreuth über Live-Streams aus Polen und Ungarn in akzeptabler Qualität angehört und nicht erst auf den NDR gewartet, der zeitversetzt sendet. Und in einer Stunde schalte ich Ö1 mit "Apropos Oper" ein, da geht´s nämlich um 130 Jahre "Ring" in Bayreuth, und danach höre ich vielleicht nochmal in den Live-"Tristan" rein... :D


    Viele Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo Giselher


    Zitat

    ...aber sind denn in den Zeiten des Internet-Radios die Streitigkeiten um Frequenzen, Reichweiten etc. nicht ohnehin obsolet?


    Im Prinzip ja, nur hat sich das vielleicht noch nicht ausreichend bis in die obersten Etagen durchgesprochen, bzw. brüten sie dort noch darüber, wie sie der Problematik Herr werden. Außerdem haben noch viele Juristen jede Menge Senf in dieser Angelegenheit an den Mann zu bringen, und bis sich die Wogen geglättet und der Nebel verzogen hat, wird es wohl noch ein Weilchen dauern.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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