Monteverdi: L'incoronazione di Poppea, Jacobs

  • Hallo,


    ich möchte die DVD von Claudio Monteverdis L'incoronazione di Poppea von den Schwetzinger Festspielen 1993 vostellen. Es spielte das Concerto Köln unter der Leitung von René Jacobs. Die Regie führte Michael Hampe. Die Personen und deren Darsteller:


    Patricia Schumann, Poppea
    Richard Croft, Nerone
    Kathleen Kuhlmann, Ottavia, Nerones Gemahlin
    Jeffrey Gall, Ottone, Feldherr
    Harry Peters, Seneca
    Curtis Ryam, Arnalta, Poppeas Amme
    Darla Brooks, Drusilla
    Dominique Visse, Nurtice, Ottavias Amme





    Diese DVD ist ein absolutes Highlight! Ich habe weder an den Sängern, noch am Orchester und auch nicht an der Inszenierung etwas auszusetzen. Es ist alles wunderbar stimmig.


    Fangen wir mit der Inszenierung an. Michael Hampe arbeitet mit äußerst sparsamen Mitteln. Es gibt nur sehr wenige Requisiten auf der Bühne: mal ein Thron, mal ein Lotterbett. Aber ich hatte trotzdem nicht das Gefühl, dass die Bühne leer gewesen sei. Zur stimmungsvollen Inszenierung trägt auch die Beleuchtung das Ihre bei.


    Die Liebesgeschichte zwischen Nero und Poppea wird nicht als romantische Story erzählt, sondern es wird sehr stark herausgearbeitet, dass beide über Leichen gehen - Nerone schickt seine Gemahlin in die Verbannung und Poppea stiftet den Mord an Seneca an - um am Ende zusammenzukommen. Das wirft freilich tiefe Schatten auf diese Liebe, läßt sie aber dadurch nicht zur eindimensionalen romantischen Schnulze verkommen. Die DVD hat mich jedenfalls tief nachdenklich gestimmt, wozu Liebende fähig sein können.


    Ich denke, dass der Regisseur es mit den moralisch "sauberen" Personen gehalten hat. Der Tod Senecas und die Verbannung der Ottavia, obwohl auch sie etwas Dreck am Stecken hat, sind die emotionalen Höhenpunkte der Inszenierung. Dagegen verblassen die Liebesszenen etwas, zumal man immer das Gefühl hat, dass Nerone irgendwie nicht ganz bei der Sache wäre, er wirkt immer etwas unbeteiligt. Eine ganz große Liebe sieht jedenfalls anders aus. Erst ganz am Ende der Oper haben die Nerone und Poppea ein wirklich zu Herzen gehendes Liebesduett.


    Die Sänger sind meines Erachtens hervorragend. Patricia Schumann gibt eine kühl berechnende Poppea, die alles aus rücksichtslos dem Weg räumt, um Kaiserin zu werden. Richard Croft als Nerone singt ebenso toll, wie alle anderen Sänger. Ganz besonders erwähnen möchte ich noch Harry Peters als Seneca. Er spielt sehr überzeugend einen durchgeistigten Philosophen, der auf Nerones Geheiß freudig in den Tod geht. Schade, dass sein Mitwirken schon nach der Hälfte beendet ist.


    Das Concerto Köln spielt unter René Jacobs Leitung ganz hervorragend. Das Orchester läßt Monteverdis Musik lebendig werden, begleitet sensibel die Sänger und glänzt in rein instrumentalen Sätzen. So wünscht man sich eine Monteverdioper!


    Einen Kritikpinkt gibt es dennoch und das sind die deutschen Untertitel. Die sind nämlich lausig, sowohl was die Übersetzung an sich angeht, als auch die teilweise mangelhafte Grammatik. Der Name des Ottone wird da besipielsweise mit Otho übertragen. Ein besonders "schönes" Beispel ist der Satz (von Poppea): Mache mir zu Braut meines Königs.). Peinlich, peinlich! Dazu muß allerdings geschrieben werden, dass ich diese Oper in der Ausgabe der Opernsammlung von DeAgostini habe. Ob das bei der Orginalausgabe von Arthaus auch so ist, weiß ich nicht. Zum Glück kann man ja die Untertitel deaktivieren.



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Salut,


    kaufrausch?


    Wie ist denn da das lasciate mi morire...? ?(


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • hallo, thomas,


    danke für die interessante vorstellung.


    doch eine kleine - beckmesserische ? :D - bemerkung: entweder müßte ottone im 'deutschen' auch als ottone (bzw. nerone ja auch als 'nerone') genannt werden, oder aber eben als otho ...(nicht als otto; jedenfalls zur damaligen zeit). otho (gemahl der poppea sabina), galba und vespasian gehörten im übrigen zu den (kurzfristigen) nachfolgern neros im sog. dreikaiserjahr 69 ; 'otho' ist also richtig ...


    ansonsten glaub ich dir aufs wort, daß da viele fehler unterlaufen sind .... 8o


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo klingsor,


    du hast Recht, die anderen Namen sind auch übersetzt (z.B. Nero statt Nerone), und ich habe wieder was gelernt. :] Was man von der Übersetzung von Eigennamen halten soll, ist freilch eine andere Geschichte.



    Ulli


    Nein, kein Kaufrausch, aber Oper auf DVD fasziniert mich momentan sehr. Ich möchte meinen momentan sehr geringen Fundus diesbezüglich erweitern. Da in diesem Teil von Tamino nicht allzu viel los ist, verfasse ich zu jeder DVD, die ich gesehen habe, einen Beitrag, um die DVD-Ecke etwas zu beleben. Ich habe noch Monteverdis Ritorno d´Ulisse zuhause, bisher ungesehen, das wird dann der nächste Fred.


    Zum Lasciatemi morire; kann es sein, dass du hier was verwechselst? Eine derartige Arie der Poppea kommt nicht vor in der Oper. Poppea hat auch gar keinen Grund, sich den Tod zu wünschen, es tanzen ja alle nach ihrer Pfeife.


    Lasciatemi morire ist der Beginn des Lamento d´Arianna, dem einzigen erhaltenen Stück aus einer weiteren Oper von Monteverdi. Es ist erhalten geblieben, weil Monteverdi es in sein 6. Madrigalbuch aufnahm und eine Bearbeitung auf einen geistlichen Text in den Selva morale e spirituale ("Pianto della Madonna") veröffentlichte. Meines Wissen hat er das Lamento nicht auch noch in seine Poppea aufgnommen.
    ?( ?(



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hallo Thomas,
    schön, dass auch Anderen diese DVD so gut gefällt! Ich glaube, dass es hier perfekt gelungen ist, uns eine der allerersten Opern überhaupt näher zu bringen.
    Besonders eindrucksvoll fand ich übrigens den Countertenor Jeffrey Gall: Seine klagende Stimme macht das Leid, das ihm widerfährt, eindrucksvoll spürbar - hier ist diese etwas exotische Stimmlage wirklich angebracht und stimmig. Und der dunkelhäutige Tenor Curtis Ryam stellt die mütterliche (und ehrgeizige!) Amme so weiblich dar, dass man das "falsche" Geschlecht überhaupt nicht wahrnimmt.
    Dass der Prolog weggelassen wurde - ein Streit unter Göttern, wer in Wahrheit die Geschicke der Welt dirigiert - finde ich eigentlich nicht schlüssig, aber es schadet dem Verständnis nicht wirklich.
    Und schade, dass es sich nicht um einen Live-Mitschnitt vor Publikum handelt, die Aufnahme wirkt so ein wenig steril.


    Von den paar Kleinigkeiten abgesehen: Eine wundervolle DVD, die manche "große" Inszenierung in den Schatten stellt!


    Wolfgang

  • Hallo


    Ich kann mich den lobenden Vorrednern nur bedingungslos anschließen. Ein Prachtstück einer Opernaufnahme. Und ein wunderbares Beispiel dafür, dass eine nicht historisierende Inszenierung ohne neu hinzugedichtetes Beiwerk auskommen kann, um ein Werk auszuloten und ebenso stimmig wie interessant wiederzugeben.


    Da dies meine erste Begegnung mit diesem Werk war, kann ich im Detail noch nicht allzu viel sagen. Kleine Einschränkungen sind verständlich, aber aus der Sache heraus erklärbar. Die Kamera erfüllt ihre Funktion innerhalb der Regie. Das ist keine abgelichtete Aufführung sondern bekommt durch eine sehr gekonnte Kameraführung zusätzlichen Ausdruck. Die Personenführung ist bis ins Detail wunderbar gestaltet, was durch entsprechende Nahaufnahmen unterstrichen wird. Die Bild-Ästhetik ist somit für den DVD-Schauer eine ganz andere als für den Aufführungsbesucher.


    Der Anflug von "Sterilität" kommt meines Achtens eher durch die alte Musik, die von René Jacobs recht genau dirigiert wird. Er, der ja neuerdings bei Mozart angeblich auf Geschwindigkeitsrekorde aus ist, vermeidet hier jeglichen zusätzlichen emotionalen Überschwang. Ich glaube, man muss sich da richtig einhören, um dies zu würdigen. Beim ersten Durchhören wünscht man sich gelegentlich einfach ein bisserl mehr Schwung.


    Dennoch eine absolute Empfehlung!!!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!



  • bei dieser aufnahme störte mich die für meinen geschmack zu schwere, rauhe stimme von rachel yakar als poppea !
    wie klingt die poppea bei jacobs vergleichsweise ?

    "Der moderne Komponist darf seine Werke einzig und allein auf der Grundlage der Wahrheit schreiben."
    Claudio Monteverdi


    "Der Komponist komponiert erstens für sich selbst und zweitens für das Publikum; aber für ein ideales Publikum und nicht für das...welches real existiert"
    Nikolai Rimski-Korsakow


    "Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche."
    Gustav Mahler