Bruckner-Dirigenten - gestern und heute

  • Bruckner und kein Ende,


    natürlich zieht ein Thread oft einen andern nach sich, und so haben die letzten Bruckner Threads, wo ja vorwiegend über "Neufassungen" von Bruckner Sinfonien die Rede war, mich animiert darüber nachzudenken, welchen Dirigenten (lebenden und toten) man heute eigentlich Bruck-ner- Kompetenz nachsagt - und warum.


    In meiner Jugend war Eugen Jochum der ungekrönte König der Bruckner-Dirigente - er galt als unerreicht. Nach seinem Tod war er allenfalls umstritten, aber ich glaube seine "Neuentdeckung" steht bevor.


    Es soll hier aber eigentlich nicht allein um Jochum gehen, sondern wer aus heutiger Sicht ein zeitgemäßes Brucknerdirigat anbietet.


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Aus heutiger Zeit würde ich primär den leider auch schon verstorbenen Günter Wand nennen, der ja quasi von Bruckner besessen war, diesen zelebriert und immer wieder an der Interpretation gefeilt hat. Vielleicht auch noch Chailly...


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Hallo Alfred,


    aus der Zeit E. Jochums müßte man wohl auch noch C. Schuricht und W. Furtwängler zu den bedeutenden Bruckner-Dirigenten zählen.
    Aus der Jetztzeit muß man S. Celibidache und im Gegensatz zu ihm M.Gielen nennen.Auch die Aufnahmen mit dem Radio-Sinfonie Orch. Saarbrücken, unter dem Dirigenten: Stanislaw Skrowaczewski finde ich sehr beachtenswert.


    :hello: Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Vielleicht nicht der große Brucknerdirigent, aber ich möchte Herrn Harnoncourt nennen, der meiner Meinung durchaus ein Händchen für Bruckner hat. Ich genieße seine Einspielungen der Sinfonien sehr.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Bei mir war es auch Eugen Jochum und dann noch


    Carl Schuricht
    Günter Wand
    Sergi Celibdache.


    Heute gehört CHRISTIAN THIELEMANN für mich dazu.


    Gruss aus mu. :D

    mucaxel

  • Leider ist bei uns in Mitteleuropa kaum ins Gedächtnis gedrungen, welch unglaublich guter Bruckner-Interpret Gennadij Roschdestwenskij ist. Er hat mit dem Orchester des Kulturministeriums der UdSSR alle neun Symphonien und dazu noch die beiden Frühwerke eingespielt (wie schön, daß sich die russische CD-Box bei der allerersten Symphonie der lächerlichen Angabe "00" enthält). Und diese Einspielung gehört für mich zu den besten, die es gibt.
    Roschdestwenskij läßt nämlich durchaus Pathos zu, aber nie unkontrolliert; die Bläserchoräle strahlen, sind glänzend ausbalanciert.
    Was die Interpretationen Roschdestwenskijs für mich aber heraushebt: Kein anderer Dirigent hat ein ähnliches Gefühl für die vorantreibende Kraft dieser Musik, ihren Energiestau, der zu diesen Entladungen führt.
    Insgesamt ist das ein "moderner" Bruckner, der aber auf die Tugenden der Tradition nicht verzichtet.

    ...

  • Liebe Bruckner-Freunde,


    würde er noch unter den Lebenden weilen, hätte ich Günther Wand genannt, aber auch so werden seine Bruckner-Exerzitien bleiben; Günther Jochum wäre noch zu nennen. Celibidache hat mich nicht immer überzeugt- was aber zugegebenermaßen Geschmacksache ist. Von den Pult-Gottheiten die sich noch nicht im Elysium ergehen:


    Riccardo Chailly


    Nikolaus H.


    Kent Nagano


    Franz Welser-Möst


    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo,


    ich glaube, daß es viele gute "Bruckner-Dirigenten" gab und gibt, z.B: O. Klemperer, G. Szell, B. Walter, E. Kleiber, K. Böhm., C. M. Giulini, C. Abbado, G. Sinopoli, H. Rögner, C. Paita, etc.
    Ich meine, daß die s.g. Bruckner-Dirigenten von der Schallplatten-Industrie dazu erklärt werden z.B. G. Wand, als er noch in Köln der Leiter des Gürzenich-Orchesters war, hat er Bruckner genau so dirigiert wie später, aber erst im Alter wurde er in Hamburg zum "Bruckner-Dirigenten". Ich bin der Meinung, daß fast jeder gute Dirigent auch ein guter Bruckner-Dirigent ist.


    (G. Wand galt übrigens in seiner frühen Kölner Zeit als Spezialist für damals neue Musik.)


    :hello: Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Ich bin der Meinung, daß fast jeder gute Dirigent auch ein guter Bruckner-Dirigent ist.


    Das wäre die Logik - und doch ist es nicht so.
    Georges Prêtre etwa: Ein hervorragender Dirigent - aber sein Bruckner...Lieber den Mantel des Schweigens darüber breiten.
    Klaus Tennstedt: Sicherlich keine Null, aber sein Bruckner ist gähnend langweilig.
    Zubin Mehta: Ein Routinier, der sogar in seiner Frühzeit eine glänzende Aufnahme der IX. Bruckner machte, später aber so verbiederte, daß sein Bruckner völlig uninteressant wurde.
    Mariss Jansons: Kaum ein Komponist, der von Jansons nicht tiefschürfend interpretiert wurde. Bei Bruckner verfällt Jansons aber in Äußerlichkeiten, die absolut ärgerlich sind ("konzertant" eingesetztes Blech).
    Lorin Maazel: Das ist doch kein schlechter Dirigent - aber hat Bruckner wirklich Filmmusik für religiöse Erbauungs-Schinken komponiert?
    Daniel Barenboim: Er liebt Bruckner - und dirigiert ihn, als würde Bruckner sich selbst parodieren.


    Natürlich wird jeder gute Dirigent eine Aufführung einer Bruckner-Symphonie über die Runden bringen. Aber es ist keineswegs ein Automatismus, daß ein guter Dirigent automatisch auch ein guter Bruckner-Dirigent sein muß.

    ...

  • Hallo Edwin,


    ich meine auch, als erstes muß der Dirigent Bruckner lieben. Toscanini z.B. wäre wohl ein guter Bruckner-Dirigent gewesen, aber er mochte Bruckner wie auch Mahler nicht. Außerdem denke ich, daß es mehrere Deutungsweisen, wie für Mozart, Beethoven, Brahms und die Übrigen auch für Bruckner gibt, und nicht eine allein seligmachende.


    :hello: Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo Herbert,


    ich glaube, es muß über "lieben" hinausgehen. Prêtre etwa liebt Bruckner, aber seine Aufführungen sind jenseitig.
    Ich glaube, der Dirigent braucht etwas wie ein Verständnis für die geistigen Zusammenhänge. Sonst wird eben das daraus, was etwa bei Maazel passiert: Filmmusik, weil Maazel mit der gewissen Herbheit, mit der Verwurzelung der Bruckner'schen Musik in Land und Glauben, seine Probleme hat.
    Es ist sicher kein Zufall, daß Franz Welser-Möst, einer der besten Bruckner-Dirigenten der Gegenwart, aus der gleichen Gegend kommt und auch aus der Religion starke Inspiration schöpft.
    Wand konnte Bruckner sozusagen geografisch anders verwurzeln - aber diese Verwurzelung ist es, die Wands Interpretationen heraushebt.
    Kurt Eichhorn wiederum, ebenfalls ein begnadeter Bruckner-Dirigent, schaffte diese Verwurzelung im Grenzland zwischen Ackerfurche und gotischem Dom ebenfalls.
    Die Dirigenten, die das nicht können, dirigieren Strukturen (was auch interessant sein kann), aber es wird ihnen immer der spezifisch bruckner'sche Geist fehlen.


    :hello:

    ...

  • Unter denjenigen Dirigenten, die sich sehr um Bruckner bemüht haben, zähle ich Bernard Haitink, der auch in Sachen Bruckner leider recht oft vergessen und unterschätzt wird.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat von Herbert Henn

    ich glaube, daß es viele gute "Bruckner-Dirigenten" gab und gibt, z.B: O.Klemperer, G.Szell, B.Walter, E.Kleiber, K.Böhm., C.M.Giulini, C.Abbado,G.Sinopoli,H.Rögner,C.Paita,etc.Ich meine,daß die s.g. Bruckner-Dirigenten von der Schallplatten-Industrie dazu erklärt werden z.B. G. Wand, als er noch in Köln der Leiter


    Ich glaube, dass der Unterschied der ist, dass bis in die 50er Jahre bzw. vor dem LP-Zeitalter kaum ein Dirigent in erster Linie durch Bruckner-Dirigate berühmt werden konnte. Es waren nur 3 oder 4 Sinfonien (4,7,8 ) wirklich populär, der Komponist wurde noch nicht so hoch eingeschätzt wie heute (so weit ich weiß ist er im romanischen Sprachgebiet immer noch nicht sehr beliebt).
    Jochum war einfach einer, der extrem viel Bruckner auf Schallplatten eingespielt hat (schon etliche Sinfonien mono, dann 2 komplette Zyklen, die ersten kompl. Zyklen?).


    Furtwänglers Bruckner ist so weit ich weiß ausschließlich live, Klemperer hat 4-9 aufgenommen, alle anderen "älteren" der von Dir genannten nur einzelne Sinfonien. (Existiert von E. Kleiber ein Bruckner-Mitschnitt?) Vor dem LP-Zeitalter wurden Dirigenten wohl insgesamt weniger als "Spezialisten" wahrgenommen, oder höchstens sehr allgemein, etwa als Spezialist für deutsche Romantik oder ital. Oper.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Darf ich mal ganz frech in die Runde fragen, was Ihr eigentlich vom Naxos-Tintner als Bruckner-Dirigent haltet? :untertauch: Meist wurde den Aufnahmen ja die mangelnde Qualität der Orchester angekreidet, wofür er nichts kann...
    Und was haltet Ihr von Karl Richter, der Bruckner mehr aus dem Kontext von Bach heraus anging?


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Hallo,


    ich meine, dass Georg Tintners Gesamteinspielung die vielleicht beste Kombination der Qualitäten Interpretation, Klang und Preis ist (wohl die preisgünstigste Digitaleinspielung). Ich kenne erst ein paar der Aufnahmen, aber sie üben eine richtige Faszination aus. Ich bin ihm aber noch nicht auf die Schliche gekommen, er macht nichts Außergewöhnliches, dennoch zieht er den Zuhörer ganz unmerklich in seinen Bann.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat von Theophilus

    Hallo,


    ich meine, dass Georg Tintners Gesamteinspielung die vielleicht beste Kombination der Qualitäten Interpretation, Klang und Preis ist (wohl die preisgünstigste Digitaleinspielung). Ich kenne erst ein paar der Aufnahmen, aber sie üben eine richtige Faszination aus. Ich bin ihm aber noch nicht auf die Schliche gekommen, er macht nichts Außergewöhnliches, dennoch zieht er den Zuhörer ganz unmerklich in seinen Bann.

    Hallo,


    ich habe die Naxos-Box und finde sie ganz gut. Ansonsten nur noch die EMI-GA von Jochum. Bin mal gespannt, ob die Anderen das morgen mit Tintner so stehen lassen :D und ob jemand sich näher mit Richter auseinander gesetzt hat.


    Gute Nacht!
    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Ein begnadeter Bruckner-Dirigent, sozusagen der "Vorväter-Generation" war, (hier bislang überhaupt noch nie erwähnt) Lovro von Matacic (1899-1985).
    Unter diesem Dirigenten machte ich sozusagen meine "Ur-Erfahrung" in Sachen sinfonischer Bruckner im Jahr 1970, von dem ich bis dahin nur die Motetten, Messen und das Te Deum kannte:



    Wie an anderer Stelle schon erwähnt, ist Riccardo Chailly der einzige Bruckner-Dirigent von Rang, der auch ein hervorragender Mahler-Interpret ist.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Moin,


    der "spezifisch Bruckner'sche Geist" - ich denke auch, dass mancher ihn hat, mancher diesen Zugang nicht hat. Bei Jochum bin ich mir dessen eigentlich sicher; bei HvK habe ich das Gefühl, dass ihn dieser gute Geist manchmal packte und manchmal verließ (4. und 7.); Celibidache ist mir zu verquast; Wand macht für mein Empfinden alles richtig, lässt mich häufig aber leider irgendwie kalt.


    Überzeugt bin ich, dass Franz Welser-Möst unter den lebenden Dirigenten ein herausragender Bruckner-Interpret ist. Seine 8. mit dem Gustav Mahler Jugendorchester habe ich kürzlich mehr zufällig entdeckt und höre sie mit großer Freude; seine 5. mit den Londonern höre ich zumindest gern. Chailly harrt noch der Entdeckung (kenne und schätze nur seine 8.).
    Wie schon mucaxel möchte ich auch Thielemann hier nennen. Seine 5. empfand ich als extrem spannend.


    Dies sind die beiden Dirigenten, bei denen ich mich am meisten auf neue Bruckner-Einspielungen freuen würde. (Und bei Thielemann immerhin auf sein Berlin-Gastspiel mit den Wienern im kommenden Frühjahr in der Philharmonie.)


    Und wer weiß, vielleicht kommt im Laufe dieser Konzert-Saison noch ein weiterer hinzu: Rattle. Er wird die 4. und die 7. spielen. Da bin ich wirklich mal gespannt. Bei Bruckner'schem Geist würde ich eigentlich nicht automatisch an ihn denken, mal sehen.


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Ich glaube, es gibt "ihn" nicht, weder gestern, noch heute.


    Rozhdestvensky ist mit Sicherheit der Dirigent, der dem Brucknerianer sozusagen "aus einer Hand", d.h. mit ein und demselben Orchester die ganze brucknersche Bandbreite offeriert, nämlich alle Symphonien und darüber hinaus auch die unterschiedlichen Fassungen von 1/3/4 sowie ein 9-Finale-Versuch.
    Wenn man sich an den "russischen" Klang gewöhnt hat (ich meine insbesondere die Bläser, die etwas anders klingen, als bei westlichen Orchestern), dann leifert Roz hier durchweg eine klasse Leistung ab.


    Der zweite, den ich nennen möchte, ist Takashi Asahina, leider hier bei uns wenig bekannt. Ich glaube, von ihm ist alles mitgeschnitten und auf CD veröffentlicht worden, was aufgeführt worden ist. Die Einspielungen mit dem Osaka PO gefallen mir besonders gut.


    Mir ist in meiner doch recht kurzen "Hörlaufbahn" aufgefallen, daß es oft nicht nur die Dirigenten, sondern eher die Orchester sind, aber das ist evtl. ein anderes Thema.


    Die Müchner Philhamoniker, das Royal Concertgebouw Amsterdam, mit Abstrichen das WDR Sundfunkdymphonieorchester Köln und die Staatskapelle Dresden sind m.E. die bedeutendsten Bruckner Orchester.


    Herreweghe sage ich eine gute Zukunft voraus, er mag manchen zur Zeit noch etwas fad erscheinen, aber die Einspielungen werden von mal zu mal besser.


    Dennis Russel Davies ist wohl gerade dabei, den Zyklus der Urfassungen zu komplettieren, allerdings würde ich ihn nicht unbedingt als "den Brucknerdirigenten" bezeichnen.


    Wenn ich drei Namen nennen müsste, wären das bei mir:


    C. M. Giulini
    Heinz Wallberg
    Günter Wand


    Bei den Lebenden steht Christian Thielemann bei mir an erster Stelle.

  • Liebe Forianer,


    ich möchte nachdrücklich auf die beiden späten Bruckner-Aufnahmen von HvK mit den Wiener Philharmonikern hinweisen:



    Es gibt wenige Aufnahmen, die die Partitur so durchleuchten, mit voller emotionaler Emphase gespielt sind und auch noch den großen Spannungsbogen, die Architektur der Musik, so in ein Einklang bringen. Zu erwähnen ist noch Karajans Aufname der 9. Sinfonie mit den Berlinern:


    Im Unterschied zu den o.g. späten Aufnahmen ist diese Einspielung von 1966 extrem auf Klangschönheit getrimmt. Das kann süchtig machen (wenn man's mag), wirkt aber auch ein wenig künstlich und im Studio "geschönt". Bedauerlich, dass HvK diese 9. nicht auch noch mit den Wienern aufgenommen hat. Karajans Gesmateinspielung aller Bruckner-Sinfonien, die ich nicht kenne, stammt ja aus den 70er, also schient er die 9. für DG zweimal eingespielt zu haben? Weiß das jemand?

    Viele Grüße,
    Christian

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo Christian,


    in dem Zusammenhang sollte man auch noch Karajans Aufnahme der 3. Sinfonie (B.Ph. 1981) erwähnen.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo, Stefan !


    Etwas über den Bruckner-Dirigenten Karl Richter Nachvollziehbares auszusagen, ist generell deshalb schwer, da er keines von dessen Werken je auf Schallplatte aufgenommen, sondern nur in Livekonzerten dargeboten hat, die, der Öffentlichkeit entzogen, lediglich als Bootlegs in privaten Fan-Archiven ruhen.


    Vor allem am Pult der Wiener Symphoniker profilierte er sich als dort als gefeierter Bruckner-Interpret (Messe Nr. 3 f-moll, Symphonien Nr. 3 und 4), weswegen man ihn sogar für einen Zyklus, beginnend mit der 5. und weitergeführt durch die 7. und 9. Symphonie, verpflichtet hatte (freilich durchkreuzt von seinem frühen Tod).
    Eine überaus instruktive Würdigung von Richters Wiedergabe der 3. Symphonie (vom Januar 1966) liefert im übrigen der Kritiker der Wiener "Presse", worin er mit Knappertsbusch verglichen wird.


    Richters erstes - und einziges - Münchener Bruckner-Konzert (Symphonie N. 8 mit dem Orchester der Bayerischen Staatsoper) 1957 wurde, gerade weil er darin einen Bogen von Bachs Orgelpolyphonie hin zur "Klangmystik" Bruckners schlug, kontrovers diskutiert und als "Weitsprung von der Orgelbank" diskreditiert; Richter führte Bruckner ab da in Deutschland nicht mehr auf.

    Einmal editiert, zuletzt von Gerd ()

  • Hallo Gerd,


    vielen Dank für die umfangreiche Antwort!!!
    Habe im Rahmen einer Dokumentation über sein Leben und Wirken darüber gehört, wie er an Bruckner heranging und war deswegen sehr neugierig. Allerdings hatte ich selbst nie etwas von ihm in dieser Richtung gehört - jetzt weiß ich auch, warum...


    :hello:
    Stefan


    PS: Scheinbar liegen mehr Mitschnitte von irgendwelchen Konzerten in privaten Archiven herum, als ich je dachte:

    Zitat

    Etwas über den Bruckner-Dirigenten Karl Richter Nachvollziehbares auszusagen, ist generell deshalb schwer, da er keines von dessen Werken je auf Schallplatte aufgenommen, sondern nur in Livekonzerten dargeboten hat, die, der Öffentlichkeit entzogen, lediglich als Bootlegs in privaten Fan-Archiven ruhen.


    Nachdem auf einmal geniale Mozartaufnahmen von Gulda auftauchten und auch Beethovensymphonien von C. Kleiber scheint es doch äußerst interessant zu sein, was für Schätze noch verborgen sind. Kann man darauf hoffen, diese nach Ende der Rechtedauer veröffentlicht zu haben oder dass eventuell sogar vorher Budgetlabels die Rechte erwerben können? Sogar hoch gelobte Opernaufnahmen (z.B. Ring) sollen aus rechtlichen Gründen irgendwo vor sich hinstauben. Weiß darüber vielleicht Jemand genaueres?

    Viva la libertà!

  • Hallo Christian B. und alle Bruckner-Freunde,


    es freut mich das nach so vielen Beiträgen in diesem Thread auch Karajan als Bruckner-Dirigent genannt und hervorgehoben wird.


    Ich habe mir damals als Einzel-CD alle Bruckner Sinfonien mit Karajan nach und nach auf CD gekauft, nachdem ich mit Eugene Jochums Bruckner (auf DG - LP) quasi aufgewachsen bin.
    Jede dieser Karajan-Bruckner-CD´s war ein Erlebnis und hat mich derart begeistert, das Jochum´s Bruckner total verblaste. Welch ein Orchesterklang, welch eine Energie bei Karajan.
    Ja, Du hast es Richtig erkannt, von der Sinfonie Nr.9 gibt es zwei Aufnahmen mit den Berliner PH. Ich habe die Spätere aus den 70ern.


    Ich weiß, das viele Karajan nicht mögen, aber er ist für mich auch heute noch ein zeitgemäßer Bruckner-Dirigent.
    Holger Grinz hat Recht, wenn er schreibt:

    Zitat

    Ich glaube, es gibt "ihn" nicht, weder gestern, noch heute.


    Aber es gibt genügend Auswahl, das sich jeder seinen Bruckner kaufen kann, so wie er ihn liebt.


    In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einen weiteren großen Namen ins Spiel bringen, der bisher für Bruckner nicht genannt wurde:
    Georg Solti / Chicago SO auf Decca
    Die Gesamtaufnahme habe ich vor ein paar Jahren günstig bekommen. Da die Aufnahme der Sinfonie Nr.6 immer schon mein Favorit war und ich von der Aufnahme nur eine Kopie hatte, habe ich gleich alle 10Sinfonien (incl.Nr.0) gekauft. Auch Solti´s Bruckner begeistert mich ähnlich wie Karajan und hat zudem noch die die bessere DECCA-Klangqualität (gegenüber DG) positiv zu bieten. Die Sinfonien Nr.1 - 3 mit Solti sind eine absolute Wucht - einzig die Sinfonie Nr.9 gefällt mir nicht ganz so gut - da greife ich lieber zu Karajan.


    Von den heutigen lebenden Dirigenten kenne ich wenige Aufnahmen die an Karajan, Solti und selbst Jochum heranreichen. Am wenigsten die NAXOS-Tintner-Aufnahmen, die für meine Begriffe in langsamer Langeweile versinken - nein, das ist total nicht mein Bruckner. Das als Antort zu Barezzi´s Frage.


    Von der Erstfassung der Sinfonie Nr.3 gefällt mir Eliahu Inbal sehr gut, obwohl die Präzision im Orchester zu wünschen übrig läßt und auch trotz des langsamen Tempos hat die Aufnahme der Sinf.Nr.3 mit dem Bruckner-Spezialisten Peter Jan Marthe unendliche Begesterungstürme bei mir hinterlassen - ein großartiges Konzert.
    Ich habe in den Bruckner-Thread´s gelesen, das Marthe sehr umstritten ist, aber seine Bemühungen um Bruckner verdienen doch größte Anerkennung und sein Ergebnis kann sich hören lassen.
    Sehr gut gefällt mir die Sinfonie Nr.0 mit Ricardo Chially.


    :hello: Ein interessanter Tipp kam von Edwin mit Roshdestwensky und unterstützend von Holger ! Diese Aufnahmen kenne ich noch nicht. Ich denke das wird meine Welt sein und ich werde diese Aufnahmen zum Kauf im Auge behalten, denn für meine Begiffe muß eine Bruckner-Interpretation nicht aus seiner religiösen Überzeugung heraus dirigiert werden (wie Wand).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat von Gerd

    Richters erstes - und einziges - Münchener Bruckner-Konzert (Symphonie N. 8 mit dem Orchester der Bayerischen Staatsoper) 1957 wurde, gerade weil er darin einen Bogen von Bachs Orgelpolyphonie hin zur "Klangmystik" Bruckners schlug, kontrovers diskutiert und als "Weitsprung von der Orgelbank" diskreditiert; Richter führte Bruckner ab da in Deutschland nicht mehr auf.


    Ist das hier ein anderer Richter?


    Bruckner 4 78/80 Haas


    Richter Berlin Radio S.O. live 7/11/77 Altus CD ALT 068 ................ 72:15 - 22:13 16:06 11:42 21:58

  • Zitat

    Original von Barezzi
    PS: Scheinbar liegen mehr Mitschnitte von irgendwelchen Konzerten in privaten Archiven herum, als ich je dachte:
    Nachdem auf einmal geniale Mozartaufnahmen von Gulda auftauchten und auch Beethovensymphonien von C. Kleiber scheint es doch äußerst interessant zu sein, was für Schätze noch verborgen sind. Kann man darauf hoffen, diese nach Ende der Rechtedauer veröffentlicht zu haben oder dass eventuell sogar vorher Budgetlabels die Rechte erwerben können? Sogar hoch gelobte Opernaufnahmen (z.B. Ring) sollen aus rechtlichen Gründen irgendwo vor sich hinstauben. Weiß darüber vielleicht Jemand genaueres?


    Eine Rundfunkaufnahme der Vierten ist soeben auf CD publiziert worden. Ubnnd natürlich liegt in diversen Archiven von Rundfunkanstalten, Schallplattenfirmen und Opernhäusern noch bergeweise Material, das aus diesen und jenen Gründen der Veröffentlichung harrt(wenn Sie schon "Ring" sagen, kann ich etwa Karajans Bayreuther Aufführung von 1951 nennen oder die inzwischen zumindest teilweise publizierten Aufführungen Erich Kleibers in Buenos Aires). Das wäre allerdings ein Feld für einen eigenen Thread (machen Sie ruhig einen auf...)

  • Günter Wand hat mein Bruckner-Hörverständnis maßgeblich geprägt und wird für mich vorerst Maß aller Dinge bleiben.


    Weitere Dirigenten, die m.E. echte Brucknerspezialisten waren:


    Otto Klemperer
    Carl Schuricht (9. Symphonie!)
    George Szell (3. Symphonie!
    Bernard Haitink
    Wolfgang Sawallisch


    Mit Jochums Brucknereinspielungen konnte ich mich bislang nicht anfreunden, kürzlich habe ich mir die Aufnahmen der DGG auf LP gekauft, hab sie aber noch nicht gehört. Wenig anfreubden konnte ich mich mit Bruckner von


    Giuseppe Sinopoli
    Simon Rattle
    Ricardo Chailly
    Herbert von Karajan
    Kurt Masur


    Gruß, Dieter

  • Ciao, Holger !


    Du hast natürlich recht: die 4. Symphonie, aus dem Großen Sendesaal des SFB seinerzeit sogar live übertragen, habe ich - mea culpa ! - unterschlagen, wobei Richters Familie bzw. sein Sohn sich gegen die
    kommerzielle Verbreitung dieser Aufnahme verwahrt haben, sodaß sie tatsächlich auch nur in geringer Stückzahl verkauft werden konnte.


    Bruckner-Fans kommen dabei zweifellos auf ihre Kosten - zumal Richters Altersstil symphonischen Werken generell zusätzliche Expressivität verleiht -, doch ziehe ich die anderen Werke, die an diesem Abend auf dem Programmzettel standen (Händels concerti grossi op. 6, Nr. 8 und 10) immer wieder zu hören vor - wahrscheinlich habe ich dieses Stück eben deshalb nicht mehr erinnert.


    Reuiger Gruß,


    Gerd

  • Hallo teleton, hallo Bruckner Freunde!


    Nun bin ich erst seit einigen wenigen Tagen Bruckner-Liebhaber, doch es hat mich voll erwischt und ich weiß, das Anton Bruckner zukünftig eine ganz große Rolle in meinem Leben spielen wird. Ich hoffe es ist nicht anmaßend wenn ich jetzt schon ein paar Worte über Bruckner-Dirigenten verliere. Vielleicht ist es ja für die Profis ganz interessant, wie das auf einen Einsteiger wirkt.


    Ich verfüge derzeit über 4 aufnahmen:
    4 Celi
    7 Giulini
    8 Karajan
    9 Giulini


    Nun ist es für mich etwas schwer einzuschätzen da ich nun die Herren mit jeweils unterschiedlichen Werken kennen lernte, aber da ist doch etwas, dass mich sehr erstaunt. Ich liebe die 7 mit Giulini. Das war mein Einstieg. Gestern verzauberte mich Celibidache mit der 4 und von der 9 unter Giulini bin ich schlichtweg fasziniert…


    …nur die 8 unter Karajan nervt! Nun ist mir noch nicht ganz klar, ob es am Werk oder am Karajan liegt. Oder an der Aufnahmetechnik? Ok, der Thread heißt nicht Bruckner für Anfänger, aber ich erhoffe mir einfach, hier vielleicht meinen Bruckner-Dirigenten zu finden. Klar, letztendlich muss ich das alleine durch Hören raus bekommen, aber dieser Thread könnte mich evtl. vor der einen oder anderen Fehlinvestition bewahren.


    Zurück zu meinen bisherigen (spärlichen) Erfahrungen. Was ich jetzt schon an Giulini liebe ist dieses Filigrane, Subtile – Gefühlvolle. Es sind die ruhigen Passagen, die mir durch und durch reingehen. Da hatte doch mal jemand, ich meine es wäre Holger gewesen, lange dieses Bruckner Zitat als Signatur: „Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen.“ Genau das haben sich nach meiner ersten Einschätzung Giulini und auch Celibidache mehr als zu Herzen genommen. Dieses vorsichtige Herantasten bevor es dann auf geht zu unendlichen Höhen. Das ist es was ich liebe und was mir bei Karajans 8ter irgendwie ein wenig fehlt. Er kommt Meiner Ansicht nach oft viel zu früh zur Sache. Aber vielleicht hat die 8te auch nicht so viel Fundament. :untertauch: (ich bin ja noch so ahnungunslos...)


    Was mir an Karajans 8ter auch nervt ist das Blech. Ist mir zu schrill – zu aufdringlich, wobei hier Krajan eher weniger was dafür kann. Dürfte wohl eher an Orchester und Aufnahmetechnik liegen.


    Das ich nicht falsch verstanden werde. Ich bin mir über den Thread-Titel im klaren und möchte auch nicht Karajans 8te diskutieren. Aber vielleicht hat der eine oder andere ähnliche Erfahrungen mit Karajan.


    Liebe Grüße
    GalloNero

    ... da wurde mir wieder weit ums Herz ... (G. Mahler)

  • Hallo Gallo,


    da wäre einmal hilfreich, welche 8. mit Karajan du hast. Davon gibt es mehrere.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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