Sagitt meint:
Dieser thread muss wohl aus Bremen kommen, dem Uraufführungsort des Brahms-Requiems ( 1868- wenngleich nicht in vollständiger Form).
Diese nicht eigentlich liturgische Totenmesse, durch die Brahms seine tote Mutter ehrt, ist ein Kernwerk protestantisch-romantischer Kirchenmusik. Die von Brahms ausgewählten Texte zeigen ihn als Komponisten, der stark in der Tradition der evangelischen Kirchenmusik verankert ist( er hat sich intensiv mit dieser Musik,mindestens seit Schütz beschäftigt).
Norddeutsche Schwere und deutscher Ernst sind mit pietistischer Innigkeit gekoppelt ( Sopranarie).
Es gibt sehr viele Aufnahmen des Werks. An dieser Stelle will ich dreri Aufnahmen kurz ansprechen, nein eigentlich vier, aber vor einer eher warnen. Um damit gleich anzufangen. Gardiner läßt mich völlig unberührt, es wird irgendwie unbeteiligt musiziert. Nicht empfehlenswert.
Sehr berührt hat mich hingegen die Aufnahme von Karajan, Wien 1947 ( eigentlich hatte er ja noch Auftrittsverbot wegen seiner Verstrickungen in den Nazismus). Die Aufnahme ist irgendwie "Trauergesättigt", Menschen waren bei dieser Aufnahme tätig, die gerade dem Krieg entronnen waren und wahrscheinlich doch eher Notl litten ( ist der " dritte Mann"- die gleiche Zeit- nicht irgendwie authentisch ?). Die junge Elisabeth Schwarzkopf singt himmlisch schön( traurig).
Die zweite Aufnahme, die ich hier erwähnen will, ist die Klemperer-Aufnahme mit eben dieser Schwarzkopf, die hier nicht mit Hotter, sondern Fischer-Dieskau ( der direkt nach seiner Gefangenschaft in Italien das Werk in Deutschland gesungen hat, 1947/48 ). Klemperer nimmt, wie es seine Art ist, das Werk sehr streng ( ein wenig denkt man an die Posaunenchöre evangelischer Kirchentage und die Predigten von Superintendenten). Aber das Werk verträgt diese Strenge gut.
Die dritte Aufnahme, die ich jetzt nennen will, ist diejenige von Norrington, seinerzeit mit dem Begräbnisgesang op. 13 gekoppelt (auch so ein ur-evangelisches Werk). Sein Schütz-Choir ist nicht so mächtig wie die Wiener und englischen Chormassen, singt aber wunderbar (man höre die Soloeinleitung im ersten Satz). Lynne Dawson ist eine wunderbare Sopranistin und Olaf Bär kann man anhören. Aber wie Norrington dieses Werk gestaltet, ist schon außerordentlich. Nicht so schwer wie Klemperer, so tod-traurig wie Karajan , eher eine feine Melancholie, wie die freundlichen weißen Marmorengel.
Auf Anregungen und andere Meinung bin ich gespannt.