• Jazz, das ist nicht nur Musik, sondern auch Großstadt, Existenzialismus, Rotwein, Bars. „Jazzkeller“ trifft das ganz gut. Und dazu gehört auch das Kino.


    Mit JazzFilm meine ich nicht Filme über den Jazz, sondern Filme, die in besonderer Weise das Lebensgefühl des Jazz treffen, möglicherweise sogar Techniken des Jazz für ihr Genre übernehmen. Diese Beispiele sagen sicher mehr als tausend Erläuterungen:


    Louis Malle „Fahrstuhl zum Schafott“ von 1957, unter den Darstellern: Maurice Ronet, Jeanne Moreau und Lino Ventura, und dazu die unvergleichliche Musik des frühen Miles Davis (Cool Jazz).



    Jean-Luc Godard „Außer Atem“ von 1960 mit den Hauptdarstellern Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg, Musik von Martial Solal



    Jim Jarmusch „Coffee and Cigarettes“ von 2003, Musik u.a. von Modern Jazz Quartet, Tom Waits, Iggy Pop und zum Abschluss Mahlers „Ich bin der Welt abhanden gekommen“



    Viele Grüße,


    Walter

  • Hallo Walter,


    interessanter Beitrag.


    Zum letzten Bild:
    links sitzt Iggy Pop, rechts Tom Waits.


    Ich weiß jetzt nicht, ob dieser Film auch dazu gehört.
    Denke aber schon.
    Und zwar gestern auf Premiere "MGM" wieder mal gesehen:
    Martin Ritt, "Paris Blues", von 1961, mit den Darstellern Paul Newman, Sidney Poitier, Louis Armstrong, Joanne Woodward.
    Der Film hat mit Blues wenig bis gar nichts zu tun und beschreibt mit eindrucksvollen Bildern von Paris und dem dortigen Nachtclubleben,
    die Geschehnisse um zwei amerikanische Musiker dort, ihrer Jazz-Musik und ihren Liebeleien.
    Tolle Musik gibts natürlich auch zu hören.

    Liebe Grüße
    der Manfred

  • Hups... sorry, hab die Intension des Threadstartes überlesen... naja, ich lass mal trotzdem stehen. Sorry


    Na dann hier auch noch mal meine Empfehlung: Woody Allen: Sweet and Lowdown. Mit Sean Penn, Uma Thurman und verschiedenen anderen begabten Schauspielern.


    Woody Allens Filme gehen ja oft eine mehr oder weniger symbiotische Beziehung zur Jazzmusik ein, man denke an die New York- und Gershwin-Hommage "Manhattan"... in seinen frühen Klamaukfilmen wie Bananas und Sleeper bringt die Jazzmusik einen nicht unwesentlichen Teil der Komik der Filme mit ein. Wie Ihr ja sicher wisst ist Allen selber ein durchaus begabter und bewährter Jazzklarinettist, jedenfalls trat er zu seinem Privatvergnügen trotz seiner Öffentlichkeitsscheue regelmässig in einem New Yorker Jazzclub als Klarinettist auf. Vor einigen Jahren ging diese Formation sogar auf Welttournee.


    Sweet and Lowdown ist ein Film über Jazzmusik, eine Hommage an Django Reinhardt. Die Figur Emmet Ray in diesem Film ist "der wohl zweitbeste Gittarist der Welt nach Django Reinhardt". Der Film ist ein Portrait über diese schräge, durchaus unsymphatische Figur. Er säuft, ist Kleptomane, kommt mit seinen Frauen und dem Leben nicht zurecht, hat noch einige andere befremdliche Hobbies und Nebeneinkünfte und er hat ein Vorbild und Komplex gleichzeitig: Reinhardt. Doch dieser verschlossene Sonderling macht eben gute Musik, und welche. Da der Film als Pseudo-Dokumentarfilm inszeniert wird, bieten sich sogenannten Jazzexperten und Kritikern (einer gespielt von Allen) die Möglichkeit, philosophische Gedanken über diesen Musiker zu verbreiten. Also auch ein Film über Kunst und Künstler, wie jeder Allen-Film auch ein Film über Allen, seine Kunst und sein den Normen der bürgerlichen Gesellschaft unkonformen Privatlebens. Die Musikauswahl ist großartig. Allen hatte alte Reinhardt-Stücke neu einspielen lassen.


  • Hallo Walter,


    ein ganz schön kniffeliges Thema, dass du mit deiner speziellen Frage da in den Raum stellst. Filme mit einem jazzigen Soundtrack gab es viele, besonders in der Nouvelle Vague, aber auch im Hollywood-Kino der späten fünfziger und frühen sechziger Jahre. Selbst das deutsche Kino hatte den Jazz eine Zeit lang für sich entdeckt, so dass Hazy Osterwald ein vielbeschäftigter Mann wurde....


    Dass aber die Kunstform Film sich bei der Kunstform Jazz Anleihen genommen hätte und versucht hat, Elemente in ihre eigene Sprache zu übersetzen? Ich kenne da eigentlich kein befriedigendes Ergebnis. Wobei ich gerade mal nachgeblättert habe und in einem Buch mehr als 200 solcher Filme gefunden habe und ehrlich zugeben muss, nicht einmal 10 Prozent alleine dem Namen nach zu kennen.


    Du wolltest ja eigentlich keinen Film, der sich auch inhaltlich mit dem Jazz beschäftigt. Dennoch möchte ich Round Midnight (1986) von Bertrand Tavernier nennen. Er erzählt zwar vom Leben eines Jazzmusikers (nämlich den gemixten Biografien von Lester Young und Bud Powell), aber ebenso von der Liebe eines Nicht-Musikers für diese Musik. Dass Dexter Gordon die Hauptrolle spielt und auch bestimmt 25 hochkarätige Jazzmusiker (Herbie Hancock, Wayne Shorter, Bobby Hutchesron u.v.a.) mitspielen, macht den Film sehr authentisch und vermittelt viel von dem, was über die eigentliche Musik hinausgeht. Er ist einer der wenigen Filme, die bestimmt mehr als ein Dutzendmal gesehen habe.



    Gruß
    B.

  • Hallo B.,


    leider kenne ich mich bei Filmen nicht genug aus, um hoffe sehr auf weitere Anregungen. Was du über „Round Midnight“ schreibst, klingt interessant, und ich werde versuchen, den Film mal anzuschauen.


    Von einem langen Gespräch gestern abend kann ich nur einige Punkte wiederholen, die sich auf Filmklassiker beziehen. Auch „Casablanca“ mit Bogart von 1942 sollte in diese Kategorie fallen. Das Ambiente im „Cafe americaine“ stimmt, die Musik von Elliot Carpenter ebenso („As Time Goes By“), vor allem aber das von Bogart gespielte Lebensgefühl.



    Nicht dagegen passen die frühen Filme von James Dean. Vielmehr zeigen diese Filme eher den Unterschied zwischen Jazz und Rock’n Roll. Letzterer handelt immer wieder zentral von der ins Leere stoßenden Revolte junger Amerikaner gegen ihre irgendwie ungreifbaren Väter, die sie teils als Autorität wahrnehmen und gleichzeitig deren Autorität vermissen. So kommt es zu extremen Ausbrüchen von Wildheit, die genau so schnell in Überangepasstheit umschlagen können. Das gehört zwar zur gleichen Zeit, ist aber nicht Thema des Jazz.


    Weiter zeigt sich, dass die Schwarzen in den USA offenbar keinen Zugang zum Filmbetrieb hatten. So konnten sie zwar in ihrer Musik einen neuen Stil prägen, doch scheinen komplett Filme zu fehlen, die aus ihrer Sicht das Feeling des Jazz zeigen.


    Abschließend bleibt Roman Polanski zu erwähnen. Dessen noch in Polen gedrehter erster Film „Das Messer im Wasser“ von 1962 mit der Jazzmusik von Komeda kann sicher hier mitgezählt werden. Überhaupt ist das Thema „Jazz aus Polen“ sehr interessant.




    Viele Grüße,


    Walter

  • Zitat

    Original von Walter.


    Was du über „Round Midnight“ schreibst, klingt interessant, und ich werde versuchen, den Film mal anzuschauen.


    Hallo Walter,


    ich dachte, ich erzähle Dir in puncto Um Mitternacht nichts Neues. Wenn Du den Film wirklich noch nicht gesehen hast, empfehle ich ihn dringlichst. In meinen Augen erzählt kein anderer Film so schön über die Innensicht des Jazz, über die Liebe von Außenstehenden zu ihm und wartet gleichzeitig auch noch mit so einer hochkarätigen Creme-de-la-Creme-Besetzung* auf. Dass der Soundtrack zum größten Teil direkt live auf dem Film-Set eingespielt wurde, verleiht dem Film eine zusätzlich authentische Note.
    Der großartige Dexter Gordon war damals für den Oscar für die beste Hauptrolle nominiert, gewonnen hat ihn aber nur Herbie Hancock für den Soundtrack. Also gib Dir einen Ruck, bei JPC kostet die Perle schlappe 9,99 Euro. Zum Glück ist der Film auf DVD auch auf Englisch/Französisch sehbar - ein unbedingtes Muss, da die Synchronisation zwar sehr gut ist, aber viele Dinge doch verloren gehen.


    * wer so mitspielt: Dexter Gordon, Herbie Hancock, Wayne Shorter, Ron Carter, Tony Williams, Billy Higgins, John McLaughlin, Bobby Hutcherson, Pierre Michelot, Palle Mikkelborg, Cedar Walton sowie Philipe Noiret und Martin Scorsese!


    Gespannt auf deine Meinung
    B.

  • Ein weiterer Film, der sich explizit mit Jazz beschäftigt und reichlich Musik bietet, ist Mo Better Blues von Spike Lee aus dem Jahr 1989.



    Lee hatte bis dahin als einer der jungen, wilden Regisseure des schwarzen, amerikanischen Kinos auf sich aufmerksam gemacht. Mit ihm und einigen weiteren Regisseuren rückten teils alltägliche, teils provokante Themen in den Mittelpunkt, die das Leben als Schwarze - vornehmlich in New York schildern. Mit Do the Right Thing gelang ihm in dieser Hinsicht ein großer Wurf, sowohl inhaltlich als auch mit einer innovativen visuellen Frische.


    Mo Better Blues ist leider sein zahn- und harmlosester Film. Eine Geschichte um einen Jazz-Trompeter (gespielt von Denzel Washington), seine Band, seine vertrackten Liebeleien, seinen Absturz und letzten Endes seines...halt - ich will nicht zuviel verraten. Alles in allem eine recht banale Hochglanz-Kitsch-Schmonzette. Aber die Musik ist riesig!!


    Branford Marsalis hat sie mit seiner Band eingespielt. Die Schauspieler agieren sozusagen playback über die zuvor eingespielte Musik. Und sie machen ihre Sache ziemlich famos. Nur der Schlagzeuger der "Film-Band" war nicht zu doubeln. Da wäre nichts zu holen gewesen für einen Akteur, jeder Laie hätte gesehen, dass es playback ist. Also musste Meister-Drummer Jeff "Tain" Watts selbst mitwirken.


    Gefallen an dem Film hat mir, wie die Musik mit der Handlung korrespondiert. So wird eine furchtbare Schlägerei im Hinterhof des Jazz-Clubs parallel geschnitten mit einem irrwitzigen Trompeten-Solo auf der Bühne des Clubs. Oder die reumütige Heimkehr der Hauptfigur zu seiner großen Liebe im strömenden Regen :pfeif: wird von einer wunderbaren Coltrane-Ballade untermalt.


    Als großer Spike Lee-Bewunderer freue ich mich selbst in diesem eher schwachen Film über seine cinematographischen Einfälle, die - in Kenntnis anderer Filme von ihm - viele nette Deja-Vu-Erlebnisse auslösen.


    Keine unbedingte Empfehlung von mir, wegen der Musik aber zumindest sehenswert.


    Gruß
    B.