Renaissancemusik für Einsteiger - - was empfehlt ihr?

  • hallo,
    jetzt sind vor allem die kundigen hier gefragt; aber auch alle anderen können sich gerne melden.


    so langsam habe ich das alter erreicht 8o , in dem ich mich verstärkt für vokalmusik des späteren mittelalters, der renaissance oder des frühen barock intensiver zu interessieren beginne. dennoch ist bei mir nach max. einer halben stunde noch schluß: getreu dem motto: spannend, ergreifend, interessant, wichtig, kühn, aber irgendwie brauch ich wieder was richtiges :stumm: ... ich weiß, allen ren.-liebhabern wird sich bei dem statement der magen rumdrehen - und ich schäme mich ja, aber es ist halt so. (wahrscheinlich ist ja die musik dieser zeit sogar die 'musik' in 'reinkultur' ...)


    also, nun zum 'praktischen' . natürlich habe ich bereits viele cds, gabrieli, monteverdi, fayrfax (mag ich z.b. sehr!!!) de la rue, lotti, natürlich meinen über alles geliebten allegri, auch einiges von desprez, lasso, etc.pp. in kompilationen.


    aber ich möchte nun doch systematischer vorgehen ..ich habe vor kurzem im radio einen hochinteresanten beitrag über gesualdo gehört (responsorien) ..was wäre denn da zu empfehlen?


    nennungen mit kurzer begründung sehr erwünscht
    herzlichen dank im voraus ...


    jörg


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Ich kenne mich in diesem Bereich auch nicht so toll aus, aber ein guter Start wären wohl Madrigali, z B. von Josquin Desprez oder auch Gesualdo. Da kann man sich an kurzen knackigen Beispielen mit Eigenheiten des damaligen Stils vertraut machen, bevor man dann zu größeren Formen greift, falls man dies anstrebt.


    Was die späte Renaissance angeht, stehen bei mir die Lautenlieder von John Dowland ganz oben. Wunderbare und leicht zugängliche, dabei doch oft raffiniert gesetzte Musik.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Hallo, Jörg!


    Ich taste mich auch gerade an die Renaissance-Musik heran - mit unterschiedlichen Erfolgen.
    Die Marienvesper von Monteverdi finde ich nach wie vor großartig.
    Jüngst habe ich mir die Naxos-CD "Spem in alium" mit Werken von Tallis zugelegt, das höre ich auch gerne, das Titelwerk ist sehr beeindruckend.


    Viele Grüße von Renaissanceeinsteiger an Renaissanceeinsteiger,
    Pius.

  • Jo, Spem in alium ist echt beeindruckend.
    Noch zu empfehlen fände ich auf jedenfall Dufay, weil er für mich sozusagen der Übergang zwischen den mittelalterlichen Experimenten mit polyphonie zur "echten" Polyphonie ist.


    Arcadelt hat auch sehr schöne stücke geschrieben, das besondere an ihm ist, das er irgendwie eine leichtigkeit in seinen Stücken hat.
    Ähnlich wie Chopin, ich weiß doofes Beispiel aber ein anderes fällt mir nicht ein.


    Ausserdem habe ich mal ein magnificat von Willaert gehört, ich weiß leider nicht ob er noch andere geschrieben hat, aber ebenfalls sehr empfehlenswert.


    Sehr schön finde ich auch immer wieder die Werke von Johannes Ockeghem.
    Warum weiß ich nicht, sie lösen bei mir einfach ein Wohlgefühl aus.


    Und natürlich nicht zu vergessen Giovanni Palestrina.
    Also er hatte es wirklich drauf mehrstimmig zu schreiben, und das beste ist, dass man auch wirklich noch den Text versteht.


    Joa, das ist eigentlich so meine Tageskost. Liegt vielleicht daran, weil ich so ein Polyphoniefreak bin.
    Aber ich weiß nicht warum man dafür alt werden muss :baeh01::untertauch:

  • Hallo Jörg,


    freut mich, dass ich auch mal was zurückgeben kann. :]


    Zitat

    vokalmusik des späteren mittelalters, der renaissance oder des frühen barock


    Zuerstmal solltest du dir im Klaren darüber sein, dass du dir da einen gewaltigen Zeitraum vorgenommen hast, auch stilistisch. Das ist in etwa so, also ob du Klassik, Romantik und klassische Moderne zusammen erschlagen wolltest. Freilich ist die Menge an überlieferten Werken umgekehrt proportional zum Alter. Will sagen, aus dem 12., 13. und abgeschwächt auch aus dem 14. Jahrhundert sieht es noch vergleichsweise dünn aus. Oftmals ist die Musik aus dieser Zeit in Sammelhandschriften überliefert, welche keine Auskunft über Komponistennamen geben. Beispiele für solche Handschriften wären: Codex Las Huelgas, Llibre vermell de Montserrat, Codex Calixtinus, Cancionero de Madrid, Codex Faenza, Old Hall Manuskript und natürlich die Cantigas de Santa Maria, die Alfonso X. genannt El Sabio, gesammelt hat.


    Von Stücken aus vielen dieser Handschriften gibt es Aufnahmen. Eine ganze Menge sehr früher Musik hat das Huelgas Ensemble für Sony eingespielt. Dieses Ensemble gehört bei mir zu jenen, von denen ich ungehört Aufnahmen kaufen kann, ohne jemals enttäuscht worden zu sein. Sehr viele Aufnahmen früher Musik hat Mitte bis Ende der 1980er auch das Ensemble Organum bei harmonia mundi gemacht. Einiges davon wurde in deren Wiederverwertungsserie Musique d´abord wiederveröffentlicht. Anderes in nur noch über den Gebrauchtmarkt zu bekommen. Eine weitere Empfehlung sind die Sibyllischen Gesänge, die Jordi Savall in bisher drei CDs vorgelegt hat. Von den Cantigas de Santa Maria von Alfonso El Sabio (1221-1284) gibt es eine Vielzahl von Aufnahmen. Trotzdem sind sicher noch lange nicht alle Stücke davon eingespielt, denn diese Sammlung enthält weit über 400 (!) Stücke. Ich habe nur einige wenige dieser Aufnahmen, gut haben mir davon eine Doppel-CD mit Eduardo Paniagua und seinem Ensemble (bei Sony) und eine Aufnahme mit The Dufay Collective (bei harmonia mundi) gefallen.


    Unter den Musikern, die mit Namen überliefert sind, ist Perotin (1160-1245) wahrscheinlich der bekannteste. Er steht für eine ganze Gruppe von Leuten, die als L'Ecole de Notre Dame bezeichnet wird. Sehr gute Einspielung dieser Werke liegen vom Ensemble Gilles Binchois und natürlich von den Hilliards vor. Einige Generationen später ist dann schon Guillaume de Machault (1300-1377), dessen berühmtestes und musikgeschichtlich bedeutendstes Werk die Messe de Nostre Dame ist. Auch davon gibt´s schon etliche Aufnahmen, hier hat man die Wahl zwischen einigen guten CDs, die teilweise sehr unterschiedlich sein können (Hilliards, Ensemble Organum, Ensemble Gilles Binchois etc.).


    Soviel erstmal zur frühen Musik.
    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

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  • Ich denke auch, dass man mit dem Griff zur Marienvesper (allerdings wohl schon Spätzeit der Renaissance) nichts verkehrt machen kann. Ich habe die Einspielung von Jacobs und die ist wirklich klasse.


    und so schön sieht die CD aus. Darüber hinaus enthält sie ein sehr sehr informatives Booklet.


    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zitat

    Original von Masetto
    Ich denke auch, dass man mit dem Griff zur Marienvesper (allerdings wohl schon Spätzeit der Renaissance)


    Das ist eher schon Frühbarock als Spätrenaissance... Monteverdi weist in seinem Vorwort des Druckes darauf hin, dass er Stilmittel der "prima pratica" (das Überlieferte) und der "seconda pratica" (die neu aufkommenden Stilmittel) in den Stücken dieser Sammlung vereinigt hat bzw. kontrastieren läßt. Die Missa in illo tempore, die im Druck den Stücken der Marienvesper vorangestellt ist, hat Monteverdi beispielsweise noch im reinen Palestrina-Stil komponiert (=prima pratica). In den Psalmvertonungen dann, verbindet er beides, Neues und Althergebrachtes, mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Insofern war Monteverdi ein Neuerer, die nicht totale Revolution betrieben hat, sondern seinen Zeitgenossen Zeit gab, sich an das Neue zu gewöhnen.


    Aber prinzipiell hast du Recht, die Marienvesper ist ja inzwischen schon zum Repertoirestück geworden, und das zurecht, und gehört auf jeden Fall zu dem, was der sich für diese Zeit Interessierende anhören sollte.


    liebe Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
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    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • servus klingsor


    die marienvesper kann ich auch uneingeschränkt empfehlen. ich hab allerdings
    die harnoncourt - concentus musicus aufnahme.


    wenn du es weniger besinnlich, sondern eher kurzweilig und deftig, bzw.
    erotisch liebst, kann ich dir folgende aufnahme empfehlen



    The Art of the Bawdy Song
    Lieder v. Purcell, Aldridge, Jones, Weelkes, Ellis, Blow, Cranford, Eccles & anon. Meistern
    Baltimore Consort, Merry Compainions
    (texte sind im beiheft vorhanden)


    faun

    die kritik ist das psychogramm des kritikers (will quadflieg)

  • @ an alle,


    ich danke herzlich für die bislang eingegangenen vorschläge - und hoffe natürlich noch auf mehr :P


    die marienvesper habe und schätze ich natürlich (jacobs) auch die madrigale von monteverdi und d'india (sehr schön!) habe ich .


    ps: kann mir noch einer was zu den frühen engländern ahben. wie ich mal gelernt ahbe sollen sie es ja gewesen sein, die die terz und sexten-seeligkeit in die musik eingeführt haben :D


    ich habe natürlich noch einige fragen zu dem bereits genannten und melde mich später am we nochmals. für jetzt erstmal danke .


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo Klingsor,


    Salisburgensis hat ja schon darauf hingewiesen, dass es etwas schwierig wird, wenn die Sache nicht ein klein wenig eingeschränkt wird.


    Da Du konkret auch nach Gesualdo gefragt hast: würde ich unbedingt empfehlen. Er war mit Sicherheit einer kühnsten Komponisten seiner Generation, dessen Musik einen hohen, emotionalen Gehalt hat und bei dem immer wieder das Ohr auch irritiert wird, echt spannend!


    Wenn Du keine Berührungsängste mit geistlicher Musik hast: Sabbato Sancto (Responsorien) unter Herreweghe bei harmonia mundi, gibts zum Ausprobieren recht preiswert. Mir hat auch gut gefallen: Tenebrae (ebenfalls Responsorien) mit Andrew Parrott und den Taverners bei Sony.


    Alternativ dann natürlich die Madrigale, vielleicht mit "La venexiana".


    Auf alle Fälle ist Gesualdo eine interessante Persönlichkeit gewesen, dessen Lebensweg ja auch immer die Menschen beschäftigt hat (Franz Hummel hat ihm vor einigen Jahren z. B. eine Oper gewidmet).


    Gruss

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  • Hallo,


    ich bin sicher, das thomas bei seiner globalen Empfehlung von Aufnahmen mit dem Huelgas- Ensemble die schon oft hier im Forum genannte Aufnahme " Utopia Triumphans" auch vor Augen hatte. Ich halte sie gerade für Einsteiger als außerordentlich geeignet um zu erleben, welch Wunderwerke aus dieser Zeit existieren.Das Anhören ist für mich wie ein Blick in den Sternenhimmel- das Erleben der aufgehobenen Grenzen von Zeit und Raum!



    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Hallo Stefan,


    ja, diese Aufnahme empfehle ich oft und gerne. Allerdings muß man sich darüber im Klaren sein, dass die meisten der darauf enthaltenen Werke aufgrund der extremen Vielstimmigkeit und der damit verbundenen Klangwucht kaum vergleichbar sind mit den meisten zeitgnössischen Sachen. Das sind sehr außergewöhnliche Werke.


    Da es in meinem obigen Beitrag mehr um noch frühere Musik als auf der Utopia triumphans-Scheibe ging, hatte ich eher folgende Aufnahmen vom Huelgas Ensemble im Kopf, die aber offenbar nur noch über den Gebrauchtmarkt zu bekommen sind:



    Music from the Court of King Janus at Nicosia (um 1420)




    Febus Avant, Music at the Court of Gaston Febus (um 1380)




    Musik aus dem Codex Las Huelgas (12. & 13. Jh)




    Matheus de Perusio (? - ca 1420 )
    Virelais, Ballades, Caccia




    herzliche Grüße,
    Thomas

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    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hi salisburgensis,
    sind die CDs nciht eher Mittelalter als Renaissance?
    Oder mientest du die jetzt nicht mit extrem vielstimmig? ?(
    Sorry ich steh grad irgendwie auf dem Schlauh ?(

  • notre-dame-epoche, ars antiqua, ars nova gehören nicht zur renaissance.
    letztere beginnt irgendwann in der ersten hälfte des 15. jh.
    die berühmten hauptvertreter findet man in allen musikgeschichten.
    so wie in allen anderen epochen, halte ich es für den einsteiger für am besten, mit diesen zu beginnen. in der renaissance kenne ich selbst aber erst eine ziemlich zufällige zusammenstellung.
    somit schreibe ich jetzt einmal eine zusammenstellung auf, bei der ich selbst nicht alle kenne:


    dunstable, dufay, ockeghem, josquin, de la rue, isaac, obrecht, willaert, janequin, tallis, lasso, palestrina, morales, morley, byrd, victoria, marenzio, gesualdo, g. gabrieli, sweelinck, dowland, hassler, praetorius


    (diese ist im 16. jh. ausführlicher als im 15. jh.)

  • Zitat

    Original von kleinershredder
    Hi salisburgensis,
    sind die CDs nciht eher Mittelalter als Renaissance?
    Oder mientest du die jetzt nicht mit extrem vielstimmig? ?(
    Sorry ich steh grad irgendwie auf dem Schlauh ?(


    Hallo kleinershredder,


    IMO habe ich eindeutig formuliert, aber nochmal für dich zum Mitmeißeln. Der erste Absatz meines Beitrages bezieht sich auf den Beitrag von Oolong (Stefan), der die Utopia Triumphans-CD vorgestellt hat. Die meisten Stücke auf dieser CD sind "extrem vielstimmig". Schaust du dir die Liste der auf dieser CD enthaltenen Komponisten an (Tallis, Porta, Josquin, Ockeghem, Manchicourt, Gabrieli & Striggio), so wird klar, dass es sich dabei um Renaissancemusik handelt.


    Die anderen CDs vom Huelgas Ensemble, die ich darunter gezeigt habe, enthalten jedoch [Zitat by mir] noch frühere Musik als auf der Utopia triumphans-Scheibe. Bezug nehmend auf meinen ersten Beitrag in diesem Thread - da ging es um diese noch frühere Zeitspanne, nämlich das späte Mittelalter - habe ich die dazu passenden Aufnahmen mit dem Huelgas-Ensemble nachgereicht, die ich beim Schreiben dieses Beitrages im Kopf hatte.


    Alles klar?


    herzliche Grüße,
    Thomas



    PS. Noch ein Wort als Moderator:
    Ich bitte dich dringend, deine Beiträge VOR dem posten in Orthographie und Zeichensetzung zu prüfen. Der Beitrag, den du hier gepostet hast, ist diesbezüglich hart an der Grenze des Erträglichen.

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    - H. Heine -

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  • Hallo Thomas,


    vom musikhistorischen Hintergrund her hast Du zweifellos recht, allgemeingültigere, sprich typischere Werke zu empfehlen.Bei einer Frage nach Einsteiger- Empfehlungen gehe ich jedoch eher den anderen Weg, eine besondere Perle zu empfehlen, die Begeisterung leichter erwecken kann. Und ich gebe es zu: wenn es so vorzüglich ausgeführt wird wie beim Huelgas- Ensemble, darfs auch etwas mehr Spectaculum sein. Und DASS es vorzüglich ausgeführt wurde, darin weiß ich uns einig...!


    Übrigens empfehle ich von dieser Scheibe ja nicht vorrangig das " Spem in alium" sondern immer wieder gern das nur 24stimmige " Qui habitat" von Josquin! Ein Traum für alle Ohren!!


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Hallo Stefan,


    ich gebe dir vollkommen Recht! (Was anderes hätte ich von einem 2m-Kerl auch nicht erwartet, als die größten Perlen auszuwählen :D ) Nur muß der Interessierte eben auch wissen, dass es sich um Perlen außerordentlicher Größe handelt.


    Andererseits können kleinere Perlen natürlich genauso schön und perfekt sein. ;)



    liebe Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
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    - H. Heine -



  • :yes: :yes: :yes:


    Herzliche Grüße
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Guten Tag


    empfehlenswert für Einsteiger wären diese lebhaft gespielten CDs mit Instrumentalmusik der Renaissance


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    mit dem Ensemble "Piffaro The Renaissance Band"


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

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  • Hallo!


    Mein wichtigster musikalischer Vorsatz für 2008 war es ja, mich in der Musik der Renaissance besser zurechtzufinden. Ich habe dieses Jahr auch schon ein paar Renaissance-CDs gekauft. Diese Epoche ist allerdings weiter spärlich in meiner Sammlung vertreten.


    Meine erste CD war IIRC diese:



    Ich sehe inzwischen ein, daß diese Interpretation nciht mehr zeitgemäß ist. Wie auch immer, sie hat mir einen ersten positiven Eindruck vermittelt.
    Zumindest vom Stabat Mater Palestrinas sollte ich mir bald eine andere Aufnahme zulegen.


    Eine weitere CD, die ich schon länger besitze, ist diese:



    Das Spem in alium hat mir auf Anhieb sehr gefallen.


    Große Probleme habe ich mit di Lasso. Ich hatte mal in einem Geschäft mit Riesenauswahl in etliche Lasso-CDs reingehört und es hat mich nix angesprochen. Irgendwann hatte ich mal ungehört diese Doppel-CD gekauft:



    Die Matthäuspassion von di Lasso fand ich sehr enttäuschend - aber um so mehr gefiel mir die Messe von Josquin.


    Ganz frische Neuzufgänge, die mir gut gefallen, sind diese beiden CDs:



    So, damit habe ich bereits über die Hälfte meiner Renaissance-CDs hier untergebracht (wenn man Monteverdi nicht mitzählt, der ist keine reine Renaissance mehr, soviel habe ich inzwischen kapiert).
    Mal sehen, wie es weitergeht...


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Aus meiner Sicht erschweren dem Einsteiger zwei Umstände den Zugang zur Musik der Renaissanse (1400 bis 1620):

    Die hohe Komplexität der Polyphonie und dass es sich meist um gesungene Werke handelt.


    Man muss sich auf diese Musik einlassen. Eine Hörsitzung mit Renaissance-Musik ist eine anstrengende Angelegenheit. Sie kann aber auch Spass machen.


    In dieser preiswerten Sammlung mit Madrigalen der Renaissance bekommt man auf 8 CDs viel geboten. Die King's Singers decken ein grosses Repertoire von A Capella-Renaissance-Musik ab, die in Frankreich, Italien, Deutschland, Flandern, Spanien und England gesungen wurde. Es bestand ein reger musikalischer Austausch zwischen den Regionen. Die Zusammenstellungen sind ein Hörgenuss. Die sechs Sänger wissen das Publikum zu begeistern.


    Dem Einsteiger empfehle ich aus der Box die CD 1: Madrigal History Tour. Die bietet einen guten Überblick mit Highlights aus ganz Europa. Mit der originalen CD hatte ich meinen ersten Kontakt mit gesungener Renaissance Musik. Es war der Beginn einer nicht abbrechenden Beschäftigung mit dieses Musik.


    Meine zweite Empfehlung (auch für Kenner) aus dieser Box: Die CD 8 La Dolce Vita - mit Musik aus Neapel ist prall mit Leben gefüllt. Teilweise mit instrumentaler Begleitung der Gruppe Tragicomedia.


    Die weiteren CDs der Box sind ein Kontinent, den es zu entdecken gilt. Ein Abenteuer der besonderen Art, das den Hörer reich belohnen wird.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich empfehle meinen Schreibtisch. Da gibt es ein ganzes Thema mit dem Titel: "Mille regretz und der Trost der Polyphonie".

    Dieses Thema enthält 23 Beispiele, die die wichtigsten Komponisten vorstellen. Allerdings sind es, wie moderato schon bemerkt hat, überwiegend gesungene Werke, die aber heute im Gegensatz zu früher manchmal mit Instrumenten begleitet werden.

    Die King´s Singers sind zum Einstieg sehr gut, allerdings auf die Dauer etwas einseitig, weil sie nur 6 Mitglieder haben und immer a cappella singen. Die führenden Ensembles heute sind: Voces8 (da gibt es hier einen eigenen thread von M. Müller), Tenebrae (Nigel Short), The Sixteen, The Tallis Scholars und noch viele andere. Früher gab es nur das Hilliard-Ensemble und das Huelgas-Ensemble, das immer noch existiert und immer noch gut ist. Ich selber habe die Übersicht verloren, denn inzwischen gibt es in jedem Land jedes Jahr neue Ensembles. Eins aber würde ich sagen (und Michael Müller findet das auch): die englischen Ensembles sind nach wie vor an der Spitze.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Lieber Dr. Pingel


    Ich habe mir deine gesetzten You Tube Beiträge in deinem Thread angehört. Mille regretz und der Trost der Polyphonie


    Ich kenne alle Werke. Die überwiegende Anzahl deiner Beispiele sind etwas für Kenner finde ich.

    Als wesentlich für Einsteiger sehe ich die Verfolgbarkeit der Melodie. Im Thread geht es um Renaissance-Musik. Dass der überwiegende Teil gesungene Werke sind, mag für manche eine Hürde darstellen.


    Wer sich noch nie mit

    Polyphonie (die verschiedenen Stimmen werden selbstständig linear geführt und die melodische Eigenständigkeit der Stimmen hat Vorrang vor der harmonischen Bindung)


    im Gegensatz zu


    Homophonie (Satztechnik, bei der die Melodiestimme hervortritt und alle anderen Stimmen begleitend zurücktreten, was heute aus jedem Radio zu hören ist)

    beschäftigt hat, wird sich nicht zurechtfinden und ist schnell überfordert. Bei zu komplexen Partituren wird das für das ungeübte Ohr sehr anstrengend. Das Mitlesen in den mitlaufenden Partituren ist hilfreich.


    Der Klangrausch der Striggi-Messen oder Thomas Tallis Spem in alium für 40 bis 60 Stimmen ist überwältigend. Das kann einen Einsteiger begeistern. Die heutigen Aufnahmegeräte und Aufnahmetechnik bewältigen eine solche Masse an Stimmen. Hier wurden die sechs Sänger der King's Singers ideal abgemischt.



    Mit sechs Stimmen kommt man in den überlieferten Partituren sehr gut zurecht. Ensembles mit Männerstimmen sagen mir mehr zu als gemischte Formationen. Der spezifische Klang der Countertenöre gehört für mich zu den Renaissance-Werken. Das ist eine Frage des Geschmackes.


    Die folgenden, von mir ausgewählten Werke haben alle einen Vorteil: Sie sind kurz.


    Zunächst hat man sich auf die andere Klanglichkeit einzustellen. Festo riso von Pietro Antonio Giramo mit instrumentaler Begleitung finde ich einen guten Einstieg. Es hat Schwung.



    Orlande de Lassus' Lied Matona, mia cara, mi follere canzon bietet die Verfolgbarkeit der Stimmen. Der Refrain erleichtert das Strukturieren.




    Jacob Arcadelt Il bianco e dolce cigno sowie




    Orlando Gibbons The Silver Swan sind weitere Annäherungen an die Polyphonie.


    .

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  • Grundsätzlich würde ich dir zustimmen, dass man mit einfacheren Sachen anfängt. Aber auch die komplizierteren können wirken, auch wenn man die Struktur nicht versteht. Bei Striggio und vor allem bei "Spem in alium" von Tallis, der bei mir noch ansteht, ist es auch für einen versierten Hörer kaum möglich, die einzelnen 8 Chöre zu je 5 Stimmen zu verfolgen. Aber das ist in dem Fall auch nicht nötig, weil es auf den rauschhaften Klang ankommt, wie du treffend bemerkt hast. Aber auch bei einem komplizierteren Stück wie "Ne irascaris" von Byrd (Empfehlung: Voces8 und Stile antico) kann man die vertonte Empfindung nachvollziehen, wenn man den Text mitliest. Da kann man auch beim ersten Hören, zunächst bei den homophonen Stellen (Sion deserta..) und dann beim Schluss den Gesamttonus einer verzweifelten Klage heraushören (Jerusalem desolata est). Beim dritten Hören versteht man immer mehr, welche Stimmen was singen.

    Ein anderes Stück, was sich zum Einstieg eignet, weil es auch viele homophone Elemente enthält, ist Lamentationes Jeremiae prophetae von Tallis. Die finden sich in meinem Thema "Chorbuch". Da singt der herausragende Chor "Tenebrae" nur mit Männern. Auch hier stimme ich dir zu, dass gerade diese Musik nur mit Männern viel intensiver klingt.

    In einem Punkt muss ich dir Recht geben: richtige Polyphonie versteht man am besten, wenn man die selber mal gesungen hat, so wie es bei mir war. Für dich als Kenner eine der besten Josquin-Messen (Malheur me bat) mit den Gli angeli Genève unter Stephan McLeod ; im Thema Mille regretz als Nr. 10.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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  • Gesungenes hat in der Renaissance Musik die Oberhand. Es ist bei manchen Tamino-Mitgliedern nicht beliebt.


    Es gibt in der Renaissance-Musik auch Instrumentales, das in seinen Bann zieht.


    Der Venezianer Giovanni Gabrieli (1557-1612) hat für Blechbläser und Orgel mit einer Pracht komponiert, die für Einsteiger lohnt.


    .

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  • Auf dieser Scheibe ist ein Auszug aus Terpsichore, einer Sammlung von 312 Tänzen von Michael Praetorius (1571-1621).


    Es sind noch weitere Stücke, die das Tanzbein stimulieren von Thoinot Arbeau (1519-1595), Anthony Holborne (1545-1602) und Christoph Demantius (1567-1643) enthalten.


    Wer mit Gesang Mühe hat, wird eher zu dieser Musik greifen. Die Klänge des Instrumentariums mit Serpenten, Zinken und Blockflöten mag befremden. Das war zur Zeit, in der die Komponisten lebten im Gebrauch.


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