Die Bachkantate: Bachs Librettisten und die Tücken der Libretti

  • Liebe Bachhörer,


    Gerade der, der Bachs Kantaten neu kennenlernt, dem könnte manches Libretto der Kantaten wie ein Stein im Magen liegen. Das kann mehrere Ursachen haben:


    1.) Das Libretto ist nahezu unzumutbar schlecht, schlicht oder grobschlächtig (hoffentlich nur selten der Fall!)


    2.) Gewisse rethorische Bilder in den Texten sind unverständlich, sie erschliessen sich erst nach näherer Beschäftigung und Aufklärung über die Herkunft und Bedeutung. Da gibt es feststehende theologisch-poetische Bilder, die man sammeln und mit hilfe entsprechender theologisch/literaturwissenschaftlicher Lexika über die Barocksprache aufschlüsseln kann.


    3.) Die Texte entstammen halt einer "anderen Welt", die gelegentlich voller sehnlichster Todessehnsucht zu sein scheint oder in der sich die Menschen der erschröcklichsten Sünden selbstzerfleischend anklagen. Aber an diese Sprache kann man sich akklimatisieren. Man kann! (Falls nicht: gehe zu Punkt 1.)



    Also: bei Textverständnisfragen: Hier posten
    oder wenn ihr Literaturtips oder links zur Barocken Sprache habt...


    ... denn wer weiß schon auf Anhieb was mit beispielsweise "du bist mein Heilschlänglein" etc. gemeint sein soll....



    Alle Texte, alles wissenswerte und darüber hinaus ist wie immer auf dieser Seite zu finden
    "http://www.cs.ualberta.ca/~wfb/bach.html
    "http://www.bach-cantatas.com/

  • Liebe Bachfreunde,


    Ich habe den Threadtitel modifiziert und möchte zur oben genannten Thematik hier auch über Bachs Librettisten reden. Hier können diese Damen und Herren vorgestellt und auch ein bisschen "literaturwissenschaftlich" unter die Lupe genommen werden.


    Wichtige Librettisten Bachs:


    "Picander" (Christian Friedrich Henrici) (1700-1764)
    Salomon Franck
    Marianne von Ziegler
    Johann Christoph Gottsched (der berühmte Dichter verfasste das Libretto zu BWV 198 )


    ...

  • Zitat

    Original von ThomasBernhard
    denn wer weiß schon auf Anhieb was mit beispielsweise "du bist mein Heilschlänglein" etc. gemeint sein soll....


    nun, das sollte mit ein wenig nachdenken doch nicht so schwierig sein ... ;) die schlange, die das böse brachte, wird nun als gegenüberstellung -christlich geläutert - (als sog. concordantia novi et alteri testamenti) , zum heil führen ... z.b. wie maria als neue eva .. deshalb auch z.b. die umkehrung ave, eva ...wie es manchmal zum marianischen lobpreis heißt ...
    theolog. fragen beantworte ich gerne ... mein spezialgebiet :D


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Mein Lieblingstext ist ja BWV 126 - wohlwollend als polemisch zu bezeichnen, ansonsten könnte man mit Markus den Begriff "grobschlächtig" benutzen:


    "Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort,
    und steur' des Papsts und Türken Mord,
    die Jesum Christum, deinen Sohn,
    stürzen wollen von seinem Thron."


    Und später die schöne antikatholische Arie "Stürze zu Boden, schwülstige Stolze!"...


    Wenn das mal zur falschen Zeit aufgeführt in die falschen Ohren gerät, könnte es durchaus immer noch Ärger geben... :D


    Viele Grüße


    Bernd


  • Ich lach mich krank... kannte ich noch gar nicht, diese Kantate, scheint ja echt ein highlight zu sein. Danke für den Hinweis.


    ....man sollte dem Papst doch nicht raten, Bach heiligzusprechen :D :hahahaha:

  • Lieber Markus!


    Schade, dass dieser Thread ein bißchen eingeschlafen ist. Natürlich bieten die Texte dem heutigen Hörer mitunter Probleme, da die Ausdrücke oft zeitgebunden und die Metaphorik und die Symbole nicht mehr verstanden werden. Dagegen stehen aber reiche und viele einfache Naturbilder (rauschen des Wassers, schweben, wanken, stürzen, lachen, und tausende mehr), die jeder Hörer empfindet. Wem sich ein Bachmotiv im Kopf dreht, den juckt es doch auch, was rauszukriegen.Oder?


    Also lohnt es sich, Texte zu erhellen:


    a) Symbole können doch erklärt werden
    b) Bilder aus der Bibel können nachgeschlagen werden
    c) schwieriger sind Allegorien


    Bach scheint mir vor allem ein guter Tiefenpsychologe zu sein


    a) das oft auffallende Gespräch mit der Seele-, auch der Seele des Hörers.
    b) Bennenung des Bösen (Teufel) und Bennenung von Gegenkräften
    c) Stärkung der Beziehung zu Gott (oder auch einer höheren Macht)



    Viele Gründe gibt es, die Sprache Bachs zu ergründen.


    Gruß


    Wolfgang




    Sehr hilfreich und unter den Weihnachtstisch jedes Bachfreundes gehört


    Lucia Haselböck, Bach Textlexikon, Bärenreiter 2004

    Magnificat anima mea

  • Guten Tag



    Einen ähnlichen Text hat auch die Kantate BWV 18:


    "Und uns für des Türken und des Paptes grausamen Mord und Lästerungen, Wüten und Toben väterlich behüten"


    Türken und Papst bei Bachs Textdichtern auf einer Ebene ?


    In welcher Bachkantate singt der Tenor:


    "Sie wühlen gelben Kot zu finden, gleich einem Maulwurf in den Gründen" o.ä. ?


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von Bernhard


    In welcher Bachkantate singt der Tenor:


    "Sie wühlen gelben Kot zu finden, gleich einem Maulwurf in den Gründen" o.ä. ?


    Heureka :jubel: :jubel:


    Kantate BWV 94 "Was frag ich nach der Welt", Textdichter unbekannt, zugrunde liegt das gleichnamige Kirchenlied von Balthasar Kindermann.


    Hier singt in Nr. 6 der Tenor einer tänzelten Arie den Text:


    "Die Welt kann ihre Lust und Freud,
    Das Blendwerk schmöder Eitelkeit,
    Nicht hoch genug erhöhen.
    Sie wühlt, nur gelben Kot zu finden,
    Gleich einem Maulwurf in den Gründen,
    Und läßt dafür den Himmel stehen."


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard