• Liebe Musikfreunde,


    Der Rumäne George Enescu, geb. am 19.08.1881 und gest. am 04.05.1955, war ein Komponist und wohl hervorragender Violinist, über den nicht allzu viel zu vernehmen ist; ich bringe ihn meist in Verbindung damit, dass er ein Lehrer Menuhins gewesen war.


    Auf Enescu komme ich, wie so häufig, über die Kammermusik. Seit langem besitze ich die beiden Streichquartette, das Streichoktett sowie ein Kammermusikwerk für 10 Instrumente. Lange Zeit habe ich diese Musik wegen Desinteresses verlegt; vor einigen Monaten wieder einmal hervorgekramt und angehört hat mich die Sprache dieser Musk erstaunt, ja sogar entzückt. Wie ich zu ihr nach intensiverem Kennenlernen stehe, weiß ich noch nicht so recht; es ist für mich nicht so leicht, an diese Musik heranzukommen. Sie drängt sich nicht so sehr im Hau-Ruck-Verfahren auf, sondern gestaltet sich etwas bescheidener, was ich sehr mag. Auf jeden Fall möchte und werde ich mich in nächster Zeit mehr damit befassen.


    Von den Orchesterwerken habe ich lediglich einmal eine Sinfonie gehört, die mir auf Anhieb nicht so gefallen hat.


    Kennt Ihr Werke und Hintergründe Enescus? Mich würde interessieren, wie Ihr ihn einschätzt und ob / welche Werke dieses Komponisten Euch gefallen.


    Vielen Dank und schönen Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Hallo Uwe,


    ich bin zufällig vor geraumer Zeit eher zufällig auf Enescu gestoßen, nämlich als ich eine preisreduzierte Marco-Polo-CD aus dem dem Fachgeschäft scchleppte. Sie enthält verschiedene Orchesterwerke und machte mich hellhörig für diesen Komponisten, der sich zunächst für Wagner begeisterte, dann aber einen rasanten Wandel in seinem Schaffen erkennen ließ.


    Geboren 1881 im moldawischen Teil Rumäniens, war er das achtgeborene Kind. Alle sieben älteren Geschwister verstarben bereits im Kindesalter, so dass sich alle Hoffnungen auf ihn kaprizierten. Mit acht Jahren spielte er erstmals als Violin-Solist und in der Tat wurde er später Lehrer Menuhins, aber auch der von Christian Ferras, Arthur Grumiaux und Ivry Gitlis. Seine Hauptbetätigung lag lange Zeit eher auf der Lehrer-Seite und der Tätigkeit, die man heute neudeutsch Kulturmanager nennt, sprich Organisator und Mittler der Kunst. Nicht zu vergessen seine Betätigung als Geiger und Dirigent.


    Sein Kompositionsstil ist für mich schwer zu fassen. Üppige Romantik, die mich an Bruckner oder Wagner denken lässt, höre ich z.B. in der ersten Sinfonie. Ganz anders dagegen seine Oper Ödipe. Da gehen die Bezugspunkte bis zum Barock zurück. Was ihn am bekanntesten machte und mir auch am nächsten ist, sind seine Orchesterwerke, die Bezug auf rumänische Volksmusik nehmen, ähnlich der Art von Kodaly und Bartok in Ungarn, auch wenn der Vergleich nicht ganz stimmt.


    Mein zwei CDs umfassender Fundus Enescus schreit nach schneller Erweiterung, da mich die Entwicklung seines Kompositions-Stils aufs höchste fasziniert.


    Gruß
    B.

  • Lipatti hat sich - mit wenig Erfolg - für Enescus Klavierwerke eingesetzt, mindestens die Klaviersonate Nr 3 op 25 für die Schallplatte eingespielt (18.10.1943). Das Werk ist - wie man so treffend sagt - gefällig, aber nicht aufregend oder gar bahnbrechend.


    Spannender, wenngleich auch nicht gerade avantgardistisch, ist ein Konzertstück für Viola und Klavier. Das habe ich mit Bashmet und Muntian, und höre es gern.


    Für seine Symphonik oder größere Orchesterwerke interessiere ich mich nicht, Das liegt aber nicht an Enescu, sondern daran, daß mich die Werkgattungen insgesamt kalt lassen.

  • Hallo Uwe,


    ich habe seit Ewigkeiten eine CD-Box mit den Enescu-Sinfonien im CD-Schrank stehen.
    Seltsamerweise gehören diese zu den am wenigsten gehörten CD´s. Ich hatte mal angefangen und kein richtigen spannenden Zugang gefunden - die letzte Sinfonie war dabei noch einigermaßen Interessant anzuhören.
    Enescu´s Musik hat spätromantische Züge und ist keinesfalls supermodern oder atonal, eigendlich für jeden fassliche Musik --- daran liegt es also nicht.


    Sicher war es ein Fehler von mir, nicht weiter eingestiegen zu sein - ich habe es mir schon lange vorgenommen, aber immer wieder kommen andere Komponisten dazwischen :wacky:.


    Ein Werk, das zu den absoluten Ohrwürmern gehört und darüberhinaus von Antal Dorati mit dem richtigen Feuer präsentiert wird ist die
    Rumänische Rhapsody Nr.1 auf dieser CD:

    Liszt: Ungarische Rhapsodien Nr. 1-6
    Enescu: Rumänische Rhapsodie Nr. 1
    London SO, Dorati
    Mercury , 1960/63 ADD


    Die Rumänische Rhapsody Nr.2 hat nicht diese Aussagekraft, ist aber ebenfalls nicht zu verwerfen.



    :( Es ist sicher absolut unangemessen Enescu auf ein/zwei Werke zu reduzieren, aber leider - so ich es bei mit derzeit noch.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die 3 Symphonien Enescus sind unbedingt empfehlenswert, wobei der persönliche Stil ab Nr. 2 voll ausgeprägt erscheint. 2 und 3 offenbaren gigantische zerrissene Welten mit reich schlingernden melodischen Organismen, deren Bezug zur Volksmusik in dieser sehr eigenwilligen vielleicht an Mahler erinnernden Verarbeitung faszinierend ist und in den Passagen, wo der Chor hinzutritt besonders "logisch" erscheint, ohne jemals "populistisch" zu wirken. Besonders mag ich die abrupten Ausbrüche, die Stellen, wo sich kein leicht nachvollziehbares Steigerungs-/Beruhigungskonzept erkennen läßt, die modern-sperrigen eben.


    Jedenfalls halte ich ihn neben Szymanowsky für den bedeutendsten Symphoniker seiner Generation (wenn man Strawinsky nicht als Symphoniker anspricht - was ja doch möglich wäre).


    Ohne einen Vergleich zu haben, finde ich folgende Aufnahme recht gelungen:

    "George Enescu" Bucharest PO, Mandeal


    Hier finden sich auch die von teleton angesprochenen Ohrwurm-Rhapsodien, die eine ganz andere Sprache sprechen, verglichen zu den Symphonien ist das Unterhaltungsmusik.

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  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Wir kennen nur sein Kammermusikwerk. Diese Werke gefallen uns dafür ausserordentlich gut.
    Sehr angesprochen hat uns eine Aufnahme mit einer Violinsonate auf einer Aufnahme von ECM


    Die atmosphärische Interpretation der Impressions d'enfance, wie auch von Enescus dritter Sonate für Klavier und Violine erinnert mit ihrem orientalischen Kolorit häufig an Charles Koechlins eindrucksvollen Klavierzyklus ,Les Heures Persanes‘. Taktschwerpunkte sind verwischt, Stimmungen wirken vage und wie in Trance erlebt, die Musik flirrt.
    Kavakos spielt seine Stradivari mit strahlendem, schlankem Ton ohne jeglichen mäkelnden Beiklang.



    Violinsonate Nr. 3;Impressions d'enfance


    mit dem griechischen Geiger Leonidas Kavakos und dem ungarischen Pianisten Péter Nagy


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Liebe Enescu-Interessierte!


    Nach einer irgendwann irgendwo gelesenen Empfehlung habe ich mir vor Jahren die Cellosonaten-Aufnahme mit Zank/Sulzen gekauft. Es war ein guter Kauf. Als auffallend rhythmisch, bartoknah, dann aber auch wieder sehr romantisch habe ich die Musik empfunden und sehr oft gehört. Irgendwann hatte ich mich dann durchgehört. Die CD habe ich daher schon lange nicht mehr aufgelegt. Mal sehen, vielleicht heute abend mal wieder.



    Gruß, Thomas

  • Auch ich schätze die Kammermusik Enescus sehr, kenne aber weder seine Klavierwerke noch seine Sinfonien. Wer hat denn da Vergleichserfahrungen?


    Danke!

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Hallo,


    das ist ja schön, dass Enescu doch ziemlich bekannt ist und einige Hinweise gegeben werden.


    Barbirolli

    Zitat

    Sein Kompositionsstil ist für mich schwer zu fassen. Üppige Romantik


    Das sehe ich auch so, und genieße es, wie Du ja wohl auch. Es wirkt wohltuend, dass Enescu, auch in den wenigen mir bekannten Frühwerken, die Inhalte seiner Musik nicht direkt und platt, sondern allmählich und in ausgeweiterten Formen übermittelt.


    Nach den Beschreibungen von Teleton und Kurzstückmeister scheint Enescu wohl in der Orchestermusik sehr unterschiedliche Werke geschrieben zu haben: ohrwurmgeprägt bis modern-sperrig.


    Gespannt bin ich natürlich auch auf die hier vorgeschlagenen Viola-, Violin- und Violoncellosonaten; sind diese auch so "ausgedehnt"?


    Ich selber habe Enescu durch folgende CD kennengelernt:



    Das Streichoktett, das Enescu bereits als 19-Jähriger komponierte, ist schon ein gewaltiges, fast auf 40 Minuten ausgedehntes Werk mit einem schönen Hauptmotiv, das in allen vier Sätzen präsent ist. Der langsame, beruhigende Satz wirkt sehr wohlig, bevor es im Schlussatz wieder intensiv losgeht.


    Interessant auch das Dezett für 10 Bläser, das eher unaufdringlich, aber voller Inhalt ist. Ich denke, der Zugang dieser beiden Werke ist eher etwas für "nordische" Charaktere: Man findet nicht sofortigen Zugang und stößt nicht sofort auf den Kern der Sache, sondern allmählich. Aber wenn es irgendwann einmal soweit ist, dann weiß man es auch zu schätzen.


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Auch ich finde die Orchesterwerke Enescus sehr spannend und hörenswert. Empfehlen kann ich hierzu die Aufnahmen unter Lawrence Foster: neben den Sinfonien 1-3 und den Rumänischen Rhapsodien sind dies das "Poem roumain" op. 1, die Suiten 1 - 3, die Symphonie concertante für Cello und Orchester op. 8 sowie "Vox Maris" symphonisches Poem für Sopran, Tenor, Chor und Orchster op. 31.


    2462523.jpg


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  • Hallo,


    Ich habe Oedipe in Bielefeld gesehen und folgenden Mitschnitt aus der WSO Zuhause:

    (Die Klangqualität hält sich in grenzen...!)


    Die Oper finde ich sehr schön, und sie wird mit recht von vielen als eine wichtige Oper von der Spätromantik zur Moderne angesehen.
    Die Komposition ist asgesprochen farbig und enthält Stilelemente von Spätromantik, Impressionismus und stellenweise auch expressionistische Ausbrüche. Das Libretto erzählt die klassische Ödipus-Geschichte Sophokles' nur, dass Enescu den Stoff nicht (wie bei Sophokles) als bekannt vorraussetzt, sondern ihn von der Geburt des Ödipus bis zu dessen Tod nacherzählt.
    Das kriminalistische von Sophokles Drama bleibt dabei relativ auf der Strecke, jedoch kommt das Unausweichliche und Tragische ebenfalls bestens zur geltung. Die Bielefelder Inszenierung was sowohl musikalisch als auch szenisch sehr, sehr sehens und hörenswert und weurde beim Publikum erfreulicherweise gut aufgenommen!


    Viele Grüße,


    Raphael

  • Die Referenzaufnahme der Oper unter Lawrence Foster aus Monte Carlo wird am kommenden Sonntag im WDR 3 ausgestrahlt:


    Sonntag, 03. März 2008, 20:05 - 23:00

    WDR 3 Bühne: Radio


    Ödipus
    Lyrische Tragödie in 4 Akten von George Enescu


    Ödipus: José van Dam
    Tiresias: Gabriel Bacquier
    Kreon: Marcel Vanaud
    Ein Hirte: Nicolai Gedda
    Der Hohepriester: Cornelius Hauptmann
    Phorbas: Laurence Albert
    Der Wächter: Jean-Philippe Courtis
    Theseus: Gino Quilico
    Lajos: John Aler
    Jokaste: Brigitte Fassbaender
    Die Sphinx: Marjana Lipovsek
    Antigone: Barbara Hendricks
    Merope: Jocelyn Taillon
    Eine thebanische Frau: Isabelle Vernet
    Orféon Donostiarra Chor; Philharmonisches Orchester Monte-Carlo,
    Leitung: Lawrence Foster


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo,


    ich wollte nur nebenbei mitteilen, dass ich heute erstmals Enescu "auf den Leim gegangen" bin und nun mehr von dieser interessanten Musik kennenlernen möchte.


    Auslöser war folgende CD mit ja wahrscheinlich vergleichsweise "leichter" Muse:


    Rumänische Rhapsodie Nr 1 und die Suiten 2 und 3



    An Szymanowski musste ich bei den Suiten zeitweise auch denken. Interessante Klänge...!


    Jetzt steht der Ödipus und die Sinfonien auf dem Wunschzettel, gerne auch Kammermusikwerke mit Cello etc.


    Habt Ihr vielleicht noch ein paar weitere CD-Empfehlungen für den Enescu-Einsteiger? (Und vielen Dank für das bisher schon in diesem thread vorgestellte!)


    :hello:

  • Cool finde ich die ersten beiden Sätze seiner "Suita nr. 1 pentru orchestr în Do major" op. 9: Das "Prélude a l'unison", in dem die Streicher unisono eine leicht folkloristische Melodie spielen, nur manchmal von pianissimo-Paukenwirbeln begleitet - und das attacca anschließende elegante Menuet lent. Gemeinsam machen die beiden Sätze über zwei Drittel des Werkes aus. Der kurze Rest ist weniger gelungen, oder zumindest weniger besonders, mehr konventionell - die Suite ist ja auch vergleichsweise ein Frühwerk.


    Den Oedipe habe ich auch gern - auch das Textbuch ist m. E. sehr gelungen, oft nahe an Sophokles, aber von ganz eigenständigen Sichtweisen auf Handlung und Charaktere, beispielsweise einer ausgeprägt deontologischen Ethik (die ich teilweise teile - gerade auch in Bezug auf dieses Stück). Die Apotheose am Ende gehört wohl zu den großen Finalszenen der Operngeschichte.


    :hello: Martin

  • Oh ja, den 'Oedipe' kann auch ich nur wärmstens empfehlen in dieser erstklassigen Einspielung:


    George Enesco (1881-1955):
    Oedipe -
    Lyrische Tragödie in 4 Akten und 6 Bildern, opus 23 1921-31
    José van Dam, Gabriel Bacquier, Marcel Vanaud, Nicolai Gedda, Cornelius Hauptmann, Laurence Albert, Jean-Philippe Courtis, Gino Quilico, John Aler, Brigitte Fassbaender, Marjana Lipovsek, Barbara Hendricks, Jocelyne Taillon, Isabelle Vernet
    Les Petits Chanteurs de Monaco, Orfeón Donostiarra,
    Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo, Lawrence Foster
    EMI, 1989, 2 CD



    :hello:
    Johannes

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  • Jetzt habe ich auch die Sinfonien etwas besser kennengelernt, und zwar habe ich jetzt die bereits erwähnten Aufnahmen auf "Arte Nova".


    Der Skizzierung von Kurzstückmeister schließe ich mich an. Die zweite und dritte Sinfonie ziehe auch ich der ersten vor.


    Manchmal habe ich bei den Sinfonien den Eindruck, dass es sich um instrumentale Opernmusik handelt; sehr anmutig finde ich die langsamen Sätze und Stellen.


    Also: Mir scheint auch nach dem Kennenlernen einiger Orchesterwerke, dass Enescu gemessen an seiner Musik zu wenig anerkannt und bekannt ist.


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Hallo,
    ich möchte noch etwas zu George Enescu sagen. Ich schätze seine Klavierwerke (Luiza Borac, AVIE, 2003) und Musik für Cello und Klavier (Viviane Spanoghe, André de Groote, Classic Talent, DomMusic) sehr. In den CD-Beilagen findet man ganz erstaunliche und auch ergreifende Angaben zu Enescus Person. So soll er ein musikalisches Genie gewesen sein, ein Frühreifer, der mit 11 schon komponierte, kein Werk das er hörte jemals vergas, sofort nach Gehör fehlerfrei und mit genauem Ausdruck ziemlich alle bekannte Klaviermusik nachspielen konnte (er spielte virtuos mehrere Instrumente, er war einer der bekanntesten Geiger seiner Zeit), usf., man möchte es garnicht alles glauben. Dabei war er doch immer ein freundlicher, bescheidener Mensch, der zu seinem Lebensende in Paris lebte in einem Zimmer mit Stuhl, Bett, Tisch und einem Schrank. Er hätte es besser haben können, aber er wollte keine Unterstützung annehmen. Oder doch: befragt, was er sich wünsche, antwortete er: “Ein Löffel Marmelade”. "Und er stürzte sich darauf wie eine Katze auf ihre Milch."
    Einmal sagte er “Wenn ich alles notieren würde, was ich im Kopf habe, hätte ich 100 Jahre zu tun.” Aber ihn ereilte Krankheit und eine Schreibblockade. Was hätten wir, wenn ihm die 100 Jahre beschieden gewesen wären? Schon die drei Klaviersuiten (AV0013) sind im Stil höchst unterschiedlich, und die Doppel-CD (AV2081) mit Nocturne, Prelude und Fuge, und den zwei Klaviersonaten erweitert den Reichtum seiner Ausdrucksmöglichkeiten nochmals. Es ist eine sehr organische, lebendige Musik, die aber niemals aufschreckt und verstört, das hat sie nicht nötig. Sie lässt mich stattdessen bei jedem Hören etwas Neues entdecken, das ich vorher nicht bemerkte, es ist eine ganz unaufdringliche Komplexität und Virtuosität. Ich bin sehr froh, Enescus Musik kennengelernt zu haben und denke jetzt besonders an das “Andante molto expressivo” der 1. Klaviersonate, mit seinen über den Feldern herüberwehenden Glockenklängen, eine Meditation über das rumänische Wort “Dor”, für das es kein deutsches Äquivalent gibt, und das Sehnsucht, Nostalgie, Liebesschmerz, Wehmut gleichermassen bedeutet.
    Ich möchte damit nicht sagen, dass seine Musik traurig ist, für mich aber ist eine sehr spezielle Melancholie, oder eine Zartheit, jedenfalls ein demverwandtes Gefühl, der Kern seines Individualstiles, der sich sonst nicht festmachen lässt.


    Viele Grüsse Julius

    Julius

    Einmal editiert, zuletzt von Julius ()

  • George Enescu hat heute Geburtstag. Zu diesem Anlass habe ich diese CD gefunden:



    Heute ist die 134. Wiederkehr von George Enescus Geburtstag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • George Enescu ist wie Josef Suk und Karol Szymanowski ein Komponist, der in seinem Mutterland hochverehrt wird, es aber international schwer hat. Selten findet man seine Werke bei uns auf dem Konzertprogramm und auch die Schallplatten- und CD-Aufnahmen sind überschaubar.
    Als bedeutender Symphoniker des 20. Jahrhundert wird er praktisch nie genannt, dabei hat er immerhin fünf großformatige Werke geschrieben. Fünf? werden einige fragen, die bisher von den 3 bekannten ausgingen. Ja, es gibt noch zwei weitere. Warum diese in den meisten Quellen nicht genannt werden, hat einen guten Grund. Enescu hat sie nicht vollendet, sondern in einem mehr oder weniger unfertigen Zustand zurückgelassen. Warum, kann ich nicht sagen. Der Komponist war wohl überaus selbstkritisch. Die unfertigen Symphonien wurden vor einiger Zeit von Pascal Bentoiu, einem ebenfalls rumänischen Komponisten (mit 8 eigenen Symphonien) und Musikwissenschaftler "vollendet", laut Booklet galt bei dieser Symphonie vor allem die Instrumentierung zu komplettieren. Wieviel wir jetzt also hier Enescu oder Bentoiu hören, kann ich nicht sagen. Davon mal abgesehen ist dies aber ein durchaus sehr hörenswertes Werk. Drei Sätze mit insgesamt 35 Minuten Spielzeit. Das 1934 entstandene Werk ist zumindest in den ersten beiden Sätzen eher düster gestimmt und ich empfinde auch den letzten Satz nicht wirklich so optimistisch und übermütig wie ihn das Textheft ausweist. Die Verarbeitung der Themen wie auch viele Aspekte der Instrumentierung erinnern mich ziemlich stark an Gustav Mahler. Es fehlt zwar das Grandiose und die berühmten Durchbrüche, aber vieles was man in Mahler Scherzi und Burlesken findet, hört man auch hier. Dazu höre ich hier und da frühe Vorboten von Allan Pettersson's Symphonik. Das ist aus zwei Gründen interessant. Der Komponist ist nach 1946 aus Protest gegen die Kommunisten nicht mehr nach Rumänien zurückgekehrt und hat in USA und Paris gelebt. In Paris ist er auch 1955 gestorben. In den frühen 50er Jahren lebte auch Allan Pettersson in Paris und war dort Schüler u.a.von Rene Leibowitz. Zufall? Das zweite bemerkenswerte ist, dass sich gerade Peter Ruzicka dieser letzten beiden Symphonien angenommen hat. Ruzicka ist auch erklärter Pettersson-Verehrer und hat seine 15. Symphonie dirigiert sowie die vorhandenen Fragmente der 17. Sinfonie in seinem Orchesterwerk "... das Gesegnete, das Verfluchte" verarbeitet.

    Allen Taminos, die für gemässigt moderne Symphonie ein Ohr haben, sei diese CD empfohlen. Neben der Symphonie findet sich darauf noch die "Nuages d'automne sur les Forets", eine Tondichtung, die Teil einer Triogie von Naturschilderungen werden sollte. Das klangschöne Werk zaubert eine vergleichbar düstere Stimmung herauf wie die "Toteninsel" von Sergej Rachmaninoff, bricht aber - da nicht komplettiert - nach knapp 9 Minuten unvermittelt ab. Die Kammersymphonie op. 33 ist ein spätes Werk, wohl das letzte veröffentlichte. Deutlicher spröder als die beiden anderen, muß man sich hier ein wenig einhören, um die Schönheiten zu entdecken. Wer Schönbergs Kammermusiken mag, wird dies hier vielleicht auch mögen.

  • Es ist sicher 20 Jahre her, dass ich die 1. Symphonie von Enescu das letzte Mal gehört habe. Nachdem ich diese gelungene Einspielung gehört habe, werde ich sie vielleicht demnächst häufiger hören. Wer Spätromantik a la Strauss und Schreker mag, dem gefällt auch dieses Werk vermutlich.

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  • Pablo Casals: "Grösstes musikalisches Phänomen seit Mozart !"



    Seit einigen Tagen habe ich (mehr zufällig) die neuste FONO FORUM Okt 2017 vorliegen.
    Darin ist eine Rubrik mit den 10 grössten unterschätzten Komponisten enthalten: Dazu gehört auch George Enescu.


    Ich hatte ihn bisher auch nur auf seine fetzigen Rhapsodien Nr.1und 2 "reduziert". Mir fiel dabei auf, dass ich seine Sinfonie Nr.3 und die Concert Ouvertüre noch gar nicht kenne und in meier CD-Sammlung habe.
    Im Laufe der Jahre hat sich bei mir durch Vergleichstests herausgestellt, dass die Aufnahmen der Sinfonien Nr.1 und 2 mit Mandeal/Bukarest PO (ARTE NOVA) immer noch die mit dem grössten Herzblut und einer unbändigen Spielfreude ihres Landsmannes sind; dazu gute Klangqualität.


    Ich überlegte heute mir die neue verfügbare 3CD-Box der Sinfonien Nr.1 - 3 mit Roshdestwensky/BBC PO (Chandos) zuzulegen, die Chandos neu seit 2017 im Programm hat.
    :!: Ein Blick auf die Spielzeiten verriet mir, dass Mandeal (dessen Aufnahmen der Sinfonien Nr.1 und 2, incl.Suite Nr.1 und den Rhapsodien Nr.1 und 2 (ARTE NOVA) ich sehr schätze) bei der Sinfonie Nr.3 straffer unterwegs ist (5Minuten weniger) als Roshdestwensky. Deshalb (und auch um Dopplungen zu vermeiden) entschied ich mich wieder für Mandeal mit dieser Ergänzung:


    Sinfonie Nr.3 op.21

    ARTE NOVA; 1995, DDD


    Ich werde weiter berichten, wie die Aufnahme/WErke bei mir ankommen !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  •                     

    Oktett für vier Violinen, zwei Violen, zwei Violoncelli, C-Dur, op. 7, 1900


    Deutlich weiter oben war bereits kurz die Rede von Enescus Oktett. Die verlinkte Einspielung - eine von vermutlich kaum mehr als drei erhältlichen CDs - ist eine-Live-Produktion vom 12. Juni 2008, klanglich perfekt eingefangen, das heißt kraftvoll, angenehm trocken und dynamisch sehr differenziert. Beinahe von selbst versteht sich, dass eine packende, kompromisslose und hoch expressive Deutung gelungen ist.


    Ich hatte das Werk des jungen Komponisten (bewusst) erst vor vielleicht ein, zwei Jahren dank einer Konzertübertragung kennengelernt und war eigentlich sofort begeistert; es gab für mich keine Verständnisprobleme. Die Musik reizt den spätromantisch-folkloristischen Duktus hin zu einer expressionistischen Grundhaltung aus, und zwar in jeder Hinsicht: im ostinat Rhythmischen, in melodischer und harmonischer Tonalität, dem Verhältnis zwischen Homophonie und Polyphonie, Intellektualität und Bodenhaftung. Es ist eine sehr vielgestaltige Musik, zu deren Wesen auch das Schroffe und Verblüffende gehört.


    Am unmittelbarsten und überraschendsten hat dabei der finale Walzer mich angesprochen. Es ist gewiss kein Walzer, wie wir ihn von Schubert oder von Brahms, von Strauß, Strauss oder Tschaikowksy her kennen, es ist aber auch keine Nummer etwa im Stil eines Ravel oder eines Schnittke - man möge selbst hören! Was dieser Walzer gewiss verkörpert: Komplexität! :)


    Das Booklet verweist kurz auf die Einflüsse von Brahms oder Debussy oder von Schönbergs Verklärter Nacht. Mag schon sein - die Wirkung auf mich war dennoch die einer bestechenden Individualität. Und das gilt auch für den Vergleich mit anderer Musik des Rumänen, soweit ich diese kenne. Er war nicht nur Orchester-Folklorist; dies beweisen auch andere Kammermusikwerke oder seine Sinfonien.


    Wie gesagt: Sonderlich viel Konkurrenz zur obigen Produktion scheint es auf Konserve nicht zu geben. Ich besitze nicht wirklich die Kompetenz zu beurteilen, wie es mit der Rezeption der Komposition bislang beschaffen war, habe aber den Eindruck, dass sich gerade die Aufführungszahlen etwas in die Höhe geschraubt haben, vorsichtig weg aus der absoluten Kenner-Nische. Vielleicht spricht dafür, dass mir das Werk in den letzten Monaten mehrmals in der Radiozeitung bei Konzertübertragungen oder -aufzeichnungen verschiedener Sender begegnet ist. Vielleicht spricht auch dafür, dass man eine CD nicht allein mit Mendelssohn füllen kann ... ;)


    Und heute ist mir das Oktett wieder in die Hände gefallen.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Zu seinem heutigen 65. Todestag habe ich im Erinnerungsthread dieses Werk gepostet:

    das ich im vergangenen Oktober in meinem WDR-ABO gehört hätte, wenn ich nicht zeitgleich in Sachsen gewesen wäre (ich habe einige kurze Sätze dazu im Erinnerungsthread geschrieben). Der neue Chefdirigent des WDR-Sinfonieorchesters, Cristian Macelaru, ist ja auch Rumäne.


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zufall. An den Todestag habe ich nun wirklich nicht gedacht. (1) Und Dank an Willi für die Filmdatei!


    (1) Ich weiß, man hätte daran denken können, wenn man in diesem Forum blättert ... :untertauch::angel:


    :)Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Zum Komponisten George Enescu kann ich leider so gut wie nichts beitragen, in meiner Sammlung befindet sich nur die in Beitrag 4 genannte Rumänische Rhapsodie Nr. 1.


    Aber als Dirigent ist er bei mir vertreten, mit dieser ehrwürdigen CD:

    Hier begleitet er den jungen Yehudi Menuhin bei den Mozart-Konzerten KV 216 und KV 271a. Zum letztgenannten (das möglicherweise nicht von Mozart stammt) hat er sogar für die Sätze 1 & 3 die Kadenzen komponiert. Die Aufnahmen entstanden 1932 (KV 271a) und 1935 (KV 216) in Paris. Klanglich sind sie für ihr Alter sehr gut geraten.


    Interessant ist, daß der Romanist Victor Klemperer, ein Cousin des berühmten Otto, diese Aufnahmen in seinen Tagebüchern 1933-1945 erwähnt. Er hörte sie bei einem der wenigen verbliebenen Freunde und war begeistert. Natürlich standen damals nur die originalen 78er-Schellack-Platten zur Verfügung.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Nun, Meister nemorino, diese sehr eigenwillige Kollektion besitze ich, habe sie eher wegen der unstrittenen Nummer (oder sogar Nummern) gekauft, um dann festzustellen, dass dieses wertvolle Dokument einer vergangenen Zeit ganz gewiss eine hochrangige Höranregung darstellt.


    Auch wenn man Mozart heute anders spielt.


    Schönen Dank für die Informationen!


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Dokument einer vergangenen Zeit ganz gewiss eine hochrangige Höranregung darstellt.

    Auch wenn man Mozart heute anders spielt.

    Hallo WolfgangZ,


    so ist es. Auch Menuhin hat eine neuere Aufnahme (1970er Jahre, EMI) vorgelegt, doch diese hier hat schon dokumentarischen Wert, was auch für das "Adelaide"-Konzert (KV 294a, mit Pierre Monteux) gilt, zu dem Paul Hindemith die Kadenzen beigesteuert hat.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Zitat von WolfgangZ

    Auch wenn man Mozart heute anders spielt.

    Ja Gottseidank, nämlich Mozärtlicher! :)


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Ja Gottseidank, nämlich Mozärtlicher! :)


    LG Fiesco

    Sagen wir so, Du Schiler'scher Verschwörer: oft, gewiss nicht immer - und umgekehrt. Ich könnte mir aber vorstellen, dass wir zueinander finden! ;)


    :hello: Wolfgang


    PS: Und schon sind wir wieder weit weg vom Weg. Aber was soll's ...

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!