Cristóbal de Morales, der spanische Renaissance Meister

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Nachdem schon einige Musiker der Renaissance vorgestellt wurden, möchten wir nun die Reihe fortsetzen und einen weiteren Spanier vorstellen.


    Cristóbal de Morales (um 1500 – 1553)



    Über das genaue Geburtsdatum und die Jugend von Morales gibt es keinerlei Informationen; man weiss nur, dass er in Sevilla geboren wurde. Während des ersten Viertels des Jahrhunderts kam Morales in Sevilla möglicherweise mit so grossen Persönlichkeiten des musikalischen Panoramas seiner Zeit zusammen wie Fransisco de Penalosa, Alosnos de Alva oder Pedro de Escobar, bekam zumindest einen Eindruck ihres meisterlichen Könnens oder erhielt von ihnen Unterricht. Sicher ist, dass es in Morales’ Jugendzeit in Sevilla so viele bedeutende Musiker gab, dass er unweigerlich einige von ihnen gekannt haben muss. Erstmals begegnet man ihm im Jahr 1526, als er Kapellmeister an der Kathedrale von Avila wurde. Es scheint, dass er dort von 1526 bis etwa 1529 diente, als er zum Kaplan der Kathedrale von Plasencia ernannt wurde. Plasencia war eine reiche und neu konstituierten Diözese, wo er ein bedeutend höheres Gehalt bezog. Dieses schnelle und häufige Wechseln von einer Kathedrale zur anderen ist nicht untypisch für den beruflichen Werdegang spanischer Musiker im 16. und 17. Jahrhundert und belegt den erbitterten Wettbewerb unter den Kathedralen, den Stiftskirchen und dem Hofe um die besten musikalischen Talente. Über Plasencia, führte ihn sein Weg nach Rom. Dort ist er seit 1535 als Sänger des päpstlichen Chores nachweisbar, wo auch viele andere Spanier Dienst taten. Neben seinen spanischen Kollegen fanden sich auch französische, flämische und italienische Zeitgenossen wie Jacques Arcadelt und Costanzo Festa. Sehr oft taucht Morales’Name in den Akten des Chores auf. Die Eintragungen betreffen Verspätung oder Abwesenheit bei den mitternächtlichen Gottesdiensten, völliges Fehlen wegen Krankheit, aber auch eine Reise an den Königshof von Neapel. Abgesehen von einem längeren Urlaub blieb Morales 10 Jahre in Rom. Konnte aber im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit nach Nizza, Loreto und Bologna reisen. Zusätzlich zu ihrem Lohn genossen die päpstlichen Sänger weitere Privilegien, so konnten sie etwa über einen Diener und ein Pferd verfügen. Seine Motetten erschienen ab 1539 in verschiedenen Anthologien und Sammlungen ( in einer von Jacques Moderne in Lyon herausgegebenen Edition). Nachdem er 1544 in Rom zwei grosse Bände mit 16 Messen zum Druck befördert hatten, die mehr als in 500 Kopien zum Beispiel in römischen, venezianischen und französischen Editionen veröffentlicht wurden, bemühte er sich ohne Erfolg bei Cosimo de’ Medici um eine Anstellung in Florenz. Die Jahre Morales’ in der ewigen Stadt waren auch geprägt von mit der Zeit immer häufiger wiederkehrenden Gesundheitsproblemen. Nach der Veröffentlichung einer Sammlung von 16 Magnifikats in allen der acht Kirchentonarten, begann er über eine Rückkehr nach Spanien nachzudenken. 1545 wurde er schliesslich Kapellmeister an der Kathedrale von Toledo. Den Empfang seiner Priesterweihe in dieser Stadt bestätigt ein Eintrag in den „Actas Capituares“ der Kathedrale von Toledo, wo er bei seiner Benennung 1545 als „Geistlicher der Diozöse von Sevilla“ beschrieben wird. Weiterhin stand er in Diensten des Herzogs von Arcos. Tatsächlich war Mprales’ Aufenthalt in Toledo unerwartet kurz, er trat am 9. August 1547 nach nur 23 Amtsmonaten zurück. Finanzielle Schwierigkeiten und anhaltende Gesundheitsprobleme wurde als Erklärungsversuche für dieses vorzeitige Ausscheiden angeführt. Von 1551 an wirkte er bis zu seinem Tod als Kapellmeister an der Kathedrale von Malaga. Er war der erste spanische Komponist, der weltweit Bekanntheit erlangte, und zwar mit einem Werk, das über 20 Messen, etwa 120 Motetten und nur wenige weltliche Werke umfasst. Besonders geschätzt war seine Musik in der Neuen Welt. So wurden 1559 in Mexico Stadt ein Requiem und verschiedene Trauermotetten von Morales in Gedenkgottesdiensten für Karl V. gesungen.
    Von allen spanischen Komponisten des Goldenen Zeitalters war es Cristobal de Morales, der am häufigsten und überschwänglichsten mit Lob bedacht wurde. Seine Blütezeit war wenige Jahre vor seinem Tode im Jahre 1553. Komponisten wie Victoria, Guerrero oder auch Palestrina ehrten sein Gedenken, indem sie seine Werke parodierten, das heisst auf der Grundlage seiner Werke neue Musikstücke schufen.
    Es gibt keinen besseren Beweis für die hervorragende Persönlichkeit Morales als seine Erwähnung durch zahlreiche Essayisten, Verleger und Theoretiker der Epoche. Schon 1539 bezeichnete ihn Cristobal de Villalon als einen der grössten Schöpfer und Interpreten seines Jahrhunderts; Juan Vasquez und Diego Ortiz, angesehene Komponisten seiner Zeit, lobten ihn als aussergewöhnlichen Lehrer und Musiker. Auch in Italien wurde er häufig zitiert, sowohl in exemplarischen Darstellungen von Kompositionen des Orgelgesangs (sprich Polyphonie) als auch schlicht und einfach im Rahmen von Würdigungen seines Werks.
    Morales pflegte alle Genre der Kirchenmusik, komponierte jedoch nur eine Handvoll weltlicher Werke spanischer und italienischer Sprache. Unter den liturgischen Kompositionen, denen Morales seinen charakteristischen Ausdruck verlieh, ist vor allem die Messe als Genre zu nennen, in dem der Musiker grösstes technisches Können bewies.
    Ein bedeutender Wesenszug der Musik Morales’ ist seine Treuer zum Chorgesang und zur Ausdrucksform der verschiedenen Werke, die er in seinen Messen parodierte. Neun seiner Messen sind Paraphrasen eines früheren Modells oder eines Chorgesangsstück und weitere sieben sind Parodien. Der Grossteil des Messsen Morales’ ist vierstimmig, und nur zwei sind sechs- und fünf fünfstimmig.
    Morales glaubte nach Auffassung der spanischen Theoretiker des gesamten sechzehnten Jahrhunderts, dass die verschiedenen gregorianischen Tonarten verschiedenen Gefühlen entsprechen. So wählte er die Tonarten seiner Messen je nach dem Thema der Motette oder nach dem dazugehörigen liturgischen Moment. Dies war natürlich nichts Neues. Morales liess sich jedoch bei der Komposition in so zutreffender Weise von den Tonarten leiten, dass die verschiedenen melodischen Sequenzen innerhalb des polyphonen Geflechts in seinen Werken stets deutlich wiederzuerkennen sind. Der sevillaner Komponist verwendet identische Kadenzen, wenn er jeden Teil der Messordnung mit denselben Akkorden abschliesst, blind die modalen Kategorien befolgt oder kanonische Techniken verwendet, um die verschiedenen Melodien des Cantus oder Tenors hervorzuheben.


    Auf einzelne Werke oder Aufnahmen werden wir später eingehen und natürlich sind auch Empfehlungen oder Erläuterungen von Euch gerne gesehen.


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Das erste Mal hörte ich den Namen Cristobal de Morales als ich mir die Platte "Officium" des Hilliard Ensembles kaufte, Empfehlen möchte ich eine Aufnahme mit bisher unbekannten Werken Morales´aus seinen Jahren in Toledo, ein Beispiel dafür welche Schätze noch in den Archiven spanischer Kathedralen und Klöster schlummern:



    :jubel: :jubel:


    Das Ensemble Plus Ultra liefert eine phänomenale Leistung. Ein schlanker, intonationssicherer, homogener Chorklang! Eine Platte für die Insel.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Eines der wichtiges Werke von Morales ist sein Requiam à 5 Stimmen


    Das römische Requiem von Morales ruft ein Gefühl des Schreckens hervor. Ein Skelett, das mit erhobenem Schwert eine Grube gräbt, ziert als Stich das Werk. Ein Gefühl des Verlustes, des Todes und der starken Entwurzelung verweist uns auf den Ursprung der Melodie und auf die Überzeugungen und den Glauben des Komponisten.
    Seine fünfstimmige „Missa pro Defunctis“ wurde 1544 in Rom gedruckt, wo er damals als Mitglied des päpstlichen Chores wirkte. Möglicherweise wurde sein „Missa pro Defunctis“ 1559 zur Trauerfeier für Kaiser Karl V., den Vater Philipps II., in Mexiko gesungen, damals ein Teil der Kolonie „Neuspanien“.
    Die gregorianischen Gesänge der Messe sind spanischen Quellen des 16. Jahrhunderts entnommen, aber da Morales dieses Werk während seines Aufenthaltes in Italien veröffentlichte, kann es nicht gänzlich lokaler spanischer Praxis entsprechen. Die Messe ist fünfstimmig gesetzt (Falsett, zwei Tenöre, Bariton und Bass). Morales’ Komposition darf als Pioniertat in der Entwicklung der spanischen Requiem-Tradition bezeichnet werden. Geradezu verblüffend sind Klarheit und Transparenz der Struktur. Paradoxerweise ist es gerade die grosse Zurückhaltung, die Würde dieser Musik, die zur typischen spanischen religiösen Inbrunst beiträgt.


    Wir haben vier Einspielungen des Requiems à fünf Stimmen verglichen.


    Laudantes Consort mit Guy Janssens, 1990:


    Ein gemischtes Ensemble ohne Instrumente, etwas spannungslos und schleppend, leicht romantisierend, dunkles Timbre, die Sopranstimme hebt sich gelegentlich ab, insgesamt eher eine enttäuschende Aufnahme.


    Musica Ficta mit Raul Mallavibarrena, 2000 von cantus


    Ein gemischtes Ensemble mit Dulzian- und Orgelbegleitung, eine Terz höher als üblich, linear musiziert, frisch und klar, etwas kleinformatig, sehr schön verschmolzene Stimmen, etwas gleichförmig, zu wenig Textausdeutung, eine schöne aber nicht überragende Einspielung.


    Gabrieli Consort mit Paul McCreesh, 1997 von Archiv


    Reines Männerensemble mit Dulzianbegleitung, homogen, tolle Dynamik und Spannungsbogen, gemessenes Tempo und exakter Texttreue auch bei Kommas und Doppelpunkten, füllig, samtig, schönes Gleichgewicht, saubere Intonation, sehr schöne texttreue Aufnahme.



    La Capella Reialde Catalunya mit Jordi Savall, von Hysperion XX


    Reines Männerensemble mit Instrumentenbegleitung, wahrscheinlich unterschiedlich positionerte Stimmen, etwas nüchtern, stark abgesetzte Stimmen, schöner Klang, tiefe Stimmung, gelegentlich rhetorisch, sehr schöne Mittelstimmen, sprachlich hervorragend, agogisch richtig, selbstverständlicher Umgang mit den Instrumenten wie Zink, eine sehr schöne Klangfarbenaufnahme.



    Leider zur Zeit nicht erhältlich.


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Guten Tag


    zumindest mit einer Einspielung habe ich den Komponisten in meiner Sammlung:



    Wer solche Rekonstruktionen wie z.B. eine "Messe zum Fest des Hl. Isodore de Sevilla" mit dem ausgezeichneten Gabrielle Consrt & Players gerne hört, dem sei diese Aufnahme empfohlen :jubel: :jubel:


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Servus,


    die noch gar nicht so lange auf dem Markt befindliche Aufnahme der Missa de Beata Virgine von Morales nebst einigen Motetten vom gleichen Komponisten mit dem Ensemble Jachet de Mantoue möchte ich kurz vorstellen.


    Mir ist das Ensemble vor etwa zwei sehr positiv aufgefallen mit zwei Einspielungen von dem Komponisten, von dem sie ihren Namen geliehen haben: Jachet de Mantoue. Diese beiden CD haben mir ausgesprochen gut gefallen, sowohl in punkto Ensembleklang als auch der Werke wegen. So habe ich bedenkenlos zugeschlagen, als vor wenigen Monaten die Morales-CD veröffentlich wurde.


    Ich bin auch nicht enttäuscht worden, wenngleich meines Erachtens das Niveau nicht ganz gehalten werden konnte. Nach wie vor berauschend ist der Ensembleklang. Jedoch wird es bei bewegteren Passagen etwas beliebig und das Ensemble steht kurz davor, in seine Einzelteile zu zerfallen. In langsamen Teilen dagegen entfaltet sich die ganze Pracht dieser Aufnahme, es werden lange Spannungsbögen gesetzt und wunderbar herausgearbeitet - mit zum Teil bewundernswert langem Atem.


    Die hier aufgenommenen Stücke von Morales empfinde ich als ziemlich introvertiert und als höchst fragil. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Zerbrechlichkeit des musikalischen Gewebes wäre ein gelegentliches Zupacken durch die Sänger wünschenswert, vor allem in den schnelleren Passagen. Das ist freilich ein Ritt auf Messers Schneide, weil dadurch die Gefahr, noch noch Einzelkämpfer singen zu haben, sehr groß ist.


    Alles in Allem höre ich diese Aufnahme trotz der genannten kleineren Abstriche immer wieder gern, vor allem wegen des phänomenalen Klanges dieses Ensembles.




    Cristobal de Morales: Missa de Beata Virgine
    Motetten: O sacrum convivium; Beati omnes qui timent Dominum;Qui consolabatur me;
    Ave Maria, grati plena; Lamentabatur Jacob; Circumdederunt me


    Ensemble Jachet de Mantoue



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

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  • Hallo liebe Taminoaner/Innen


    Aus der Gegend der Loire stammt eines der besten Renaissance Ensemble Doulce Memoire. 1990 hat der Blockflötist Denis Raisin Dadre das Ensemble ins Leben gerufen und nach einer der populärsten Chansons der Renaissance benannt. Doulce Memoire lässt einem die Epoche wieder auferleben mit grosser Eindringlichkeit. Es ist faszinierend dieser Musik voller Farbigkeit und Kontraste zu lauschen.


    Dieses französische Ensemble hatte 2003 diese schöne Platte veröffentlicht:



    Office des Tenebres


    Gruss


    romeo&julia