Wolfgang Amadeus MOZART [1756-1791]:
Zwölf Variationen für Klavier über „Ah! Vous dirai-je, Maman!“ KV 265 [300e]
Mozart komponierte diese zwölf Klaviervariationen über ein französisches Volkslied vermutlich während seines Parisaufenthaltes im Jahre 1778, wo auch weitere Klaviervariationen über französische Volkslieder entstanden. Die neuere Forschung will anhand von Wasserzeichenprüfungen wissen, dass diese Variationen erst 1780/82 in Wien komponiert wurden. Passend zur Vorweihnachtszeit daher heute etwas ausführlicher, zumindest erstmal das m. E. wichtige:
Der Mozartforscher Alfred Einstein entdeckte seinerzeit ein gestochenes Einzelblatt, welches das Lied unter dem Namen „Les amours de Silvandre“ mit insgesamt vier Strophen wiedergibt. Der von Einstein entdeckte Stich stammt aus dem Jahre 1765:
2. L’autre jour dans un bosquet,
Il me ceuilloit un bouquet,
Il en orna ma boulette,
Me disant belle brunette,
Flore est moins belle que toi,
L’amour moins tendre que moi.
3. Je rougis et par malheur,
Un soupir trahit mon cœur,
Le cruel avec adresse,
Proffita de ma foiblesse,
Hélas manman un faux pas,
Me fit tomber dans ses bras.
4. Je n’avois poutous soutien,
Que ma boulette et mon chien.
Amour voulant ma défaite,
Ecartat chien et boulette,
Ah! Qu’on goute de douceur
Quand l’a,our prend soin d_un cœur.
Da der Text französisch ist, wie bei französischen Volksliedern wohl üblich, versuche ich mich an einer Inhaltsangabe, frei orientiert an der Wort-für-Wort-Übersetzung durch Ulrich Konrad:
[1] In “Die Zärtlichkeiten Silvanders” berichtet die Tochter ihrer Mutter darüber, was ihren Kummer verursacht. Seit sie Silvander sah, wie er sie mit zarter Miene angeschaut hat, fragt ihr Herz ohne Unterlass, ob sie denn ohne einen Geliebten leben könne. [2] Silvander pflückte der Schäferin neulich in einem Wäldchen einen Blumenstrauß, schmückte ihren Stab damit und sagte zu ihr: „Schöne Braune, die Flora ist weniger schön als Du selbst, die Liebe weniger zärtlich als ich.“ [3] Sie errötete und – unglücklicherweise – verriet ein Seufzer ihre Gefühle, der Grausame profitierte mit Geschick von der aufgedeckten Schwäche des Mädchens. Oh weh, ein Fehltritt ließ sie in die Arme Silvanders fallen. [4] Sie hatte keinerlei Schutz, außer ihrem Stab und dem Schäferhund – beide verließen sie prompt, als die Liebe ihre Niederlage verlangte. „Ach! Wie kostet man den Zauber, wenn die Liebe für ein Herz Sorge trägt“.
Solche Texte waren damals erotisch und – keine Frage - sehr beliebt. Mit Weihnachten hat das natürlich wenig zu tun, obschon es sich ja um das „Fest der Liebe“ handelt. Der heute bekannte Text „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ stammt von Heinrich Hoffmann von Fallersleben [1798-1874], der aus einem anderen Zusammenhang bekannt ist. Von Fallerslebens Text wurde völlig unabhängig von Mozarts Variationen von dem heute vergessenen Ernst Richter [1805-1876] vertont und erfreute sich großer Beliebtheit. Erst Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts wurde von Fallerslebens Text mit dem französischen Volkslied verbunden – und wurde dann noch beliebter: Ernst Richters Weihnachtsmelodie ist heute völlig von der französischen Melodie verdrängt, obwohl diese im metrischen bzw. rhythmischen Aufbau recht ähnlich ist [muß sie ja!]. Diese Weise sei daher hier der Hörerschaft zugänglich gemacht:
Ernst Richter / Heinrich Hoffmann von Fallersleben
„Morgen kommt der Weihnachtsmann“
>>> Melodie anhören
:O ist mir etwas zu schnell geraten :O
Zurück zu „unserem“ Weihnachtslied:
Die Melodie war damals schon so beliebt, dass sich jede Menge Komponisten veranlasst sahen, darüber Variationen [zumeist für Klavier] zu komponieren. Der Witz an der Sache ist, dass bereits das jeweils verwendete Thema [als Grundlage für die folgenden Variationen] eine leichte Variation der Grundmelodie ist. In England beispielsweise wurden um 1795 von einem nicht weiter bekannten Komponisten fünf Variationen in G-Dur komponiert. Der Druck hat folgende Überschrift:
A vous derais je Mama
A CELEBRATED FRECH SONG,
to which is added
Variations for the Harpsichord
PIANO FORTE, GERMAN FLUTE,
Violin and Guitar
Der Druck enthält denselben Text in allen vier Strophen, alledings in einem etwas seltsamen englischen Französisch. Die Variationen sind sehr einfach und ganz nett, meinen Namen würde ich aber dafür nicht hergeben...
Wunderschöne Variationen – und zwar insgesamt 18 an der Zahl – komponierte der so genannte Bückeburger Bach: Johann Christoph Friedrich [1732-1795]. Sein Opus steht ebenfalls in G-Dur und die Variationen sind teils sehr witzig und virtuos: Neben den obligatorischen Notenwertverkleinerungen und sogar drei [!] Moll-Varianten [eine davon tranquillo], tauchen auch solche Variationen mit der Bezeichnung „Tempo di Minuetto“, „Schwäbisch“ und „Alla Siciliano“ auf. Weil sie so nett sind, habe ich unter dem folgenden Link eine moderne HIP-Einspielung des Themas nebst der Variationen I, „Alla Siciliano“ [XII], Minore [XVII] und [XI] versteckt:
Mozarts Variationen [in C-Dur] selbst sind ja eigentlich so bekannt, dass ich darüber keine Worte verlieren muss…
Viele Grüße
Ulli