Bachkantaten im BWV - Welches Ordnungsprinzip?

  • Hallo Bachfreunde,


    im Thread Die großen Werksverzeichnisse haben wir im Juli 2005 schon einmal über die Frage diskutiert, nach welchem Ordnungsprinzip die zahlreichen Bachkantaten seinerzeit bei Erstellung des Bachwerkverzeichnisses (BWV) ihre Nummer in selbigem erhalten haben.


    Damals konnte leider irgendwie keine (mich persönlich) befriedigende Antwort nach einem derartigen Anordnungskriterium gefunden werden. :(


    Da dieser interessante Thread nun schon etwas länger "im Verborgenen" vor sich hinschlummert und mittlerweile viele neu hinzugekommene Taminos diesen noch gar nicht gefunden (und gelesen haben) könnten, möchte ich jetzt an geeigneter Stelle diese Frage, die für mich persönlich seit Jahren zu einem absoluten Mysterium gehört, nochmal aus der Versenkung holen in der Hoffnung, dass wir diesmal hier eventuell eine Antwort finden können - das fänd ich echt klasse! :yes:


    Nochmal zum Problem:


    Ein Werkverzeichnis sollte -jedenfalls empfinde ich das so- zur Ordnung des Oeuvres eines Komponisten dienen. Eine nach bestimmten Kriterien erfolgte Sortierung sollte umfangreiche Lebenswerke übersichtlicher machen und das Auffinden gesuchter Weke erleichtern helfen.
    Dabei kann man z. B. chronologisch vorgehen, also nach dem Entstehungsdatum der einzelnen Werke - das Köchelverzeichnis ist so ein Werkverzeichnis.
    Oder man sortiert ein Werk nach einzelnen Werk-Gattungen, wie eben beim BWV.


    Nur - wenn eine Gattungsgruppe nun derart umfangreich ist, wie beispielsweise die Bachkantaten mit über 200 einzelnen BWV-Nummern, dann stellt sich zumindest mir die Frage, wie die Einzelwerke innerhalb einer solchen Gruppe angeordnet sind.


    Beim BWV sind innerhalb der ersten 220 Nummern (gerundete Angabe, die genaue Zahl habe ich spontan grad nicht zur Hand) nun also alle geistlichen und dann (die wenigen) weltlichen Kantaten erfasst worden.


    Bei der Zuteilung der einzelnen BWV-Nummern für die einzelnen Kantaten scheint man allerdings alle in einen großen Korb geworfen und nach dem Losprinzip dann Stück für Stück entnommen und durchnummeriert zu haben.... :wacky:


    Fest steht jedenfalls, dass die Nummernvergabe bei den Kantaten weder


    -chronologisch nach ihrer Entstehungszeit
    noch
    -alphabetisch sortiert nach ihrem Titel (= meist die 1. Textzeile)
    noch
    -nach ihrer Bestimmung für die einzelnen Sonn- und Feiertage im Verlauf des Kirchenjahrs


    erfolgt ist.


    Was für ein Kriterium hätte man sonst noch haben können, um die Sache etwas übersichtlicher zu machen?
    Eines, dass sich mir nicht erschließen will?


    Der Punkt ist einfach der, dass ich nicht glauben kann und will, dass bei einem musikwissenschaftlich derart bedeutenden (und weltweit beachteten) Vorgang wie der Nummerierung der Bachkantaten im BWV der bloße Zufall die Regie geführt haben soll?!


    Und wenn es denn tatsächlich so gewesen sein sollte - bisher habe ich eben dieses "Geständnis" nirgendwo aufgeschrieben gesehen.
    Ob diese Nachlässigkeit den Verantwortlichen im Nachhinein so peinlich war, dass sie hier "geschlampt" haben und man daher darüber nicht mehr sprechen mag? Schon komisch, denn eigentlich müsste doch irgendwer irgendwann mal irgendwas dazu gesagt haben, wie das denn war, "damals" beim Erstellen dieses Verzeichnisses.
    Wann ist das BWV eigentlich zusammengestellt worden? In den 1950er Jahren, oder?


    Ich befürchte allerdings, dass eine in heutiger Zeit vorgenommene, übersichtlichere und logischere Kantaten-Anordnung innerhalb des BWV nicht mehr akzeptiert würde - wie beim Köchelverzeichnis, wo man auf liebgewordene "KV-Nummern", die chronologisch mittlerweile widerlegt sind, ja auch nicht mehr verzichten will :rolleyes:


    Man hat sich irgendwie ja doch schon ebenso sehr an feststehende BWV-Nummern gewöhnt.... ;)

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Hallo Marc,


    ich habe bei einer kurzen Recherche keine Regelmäßigkeiten feststellen können.
    Allerdings öchte ich mir kein endgültiges pauschales Urteil erlauben. Irgendeinen
    Sinn sollte es schon haben, dazu ist, du hast es schon angesprochen, Bach viel
    zu herausragend gewesen. Vielleicht gibt es irgendwelche trickreichen Zahlenspiele.
    Ich weiß es nicht.




    Wikipedia sagt:


    Es ist thematisch geordnet und wurde 1950 in seiner ersten Version vom Musikwissenschaftler Wolfgang Schmieder vorgelegt.




    Einen Teil deiner Fragen ist somit beantwortet.


    Aber ich habe noch etwas interessantes gefunden:
    Es gibt einen weiteren Versuch die Kantaten zu ordnen;
    nämlich genau nach deinem Vorschlag chronologisch:






    "http://de.wikipedia.org/wiki/Bach-Compendium



    Jede "Werkgruppe" bekommt einen Buchstaben zugeordnet.
    Eine zusätzliche Unterteilung wird noch vorgenommen innerhalb der Kantaten:


    Zitat

    Das Bach-Compendium (BC) unternimmt folgende Gruppierung der Bachkantaten anhand der Anlässe, zu denen sie geschrieben wurden:


    * Kantaten für die Sonn- und Festtage des Kirchenjahres (BC-Werkgruppe A)
    * Kirchenstücke für besondere Anlässe (BC-Werkgruppe B)
    * Weltliche Kantaten für Hof, Adel und Bürgertum (BC-Werkgruppe G)



    Leider scheint das BC auch nicht perfekt zu sein (Hat jemand eine Auflistung
    des BC gefunden?). Zumindest wenn siich die Erscheinungsdaten ansieht:


    "http://www.s-line.de/homepages/bachdiskographie/tagebuch/tagebuch-frame.htm


    (Wieso taucht da auf einmal A 165 auf ???)


    Vielleicht sollten wir einfach ein BachTaminowerksverzeichnis erstellen



    :hahahaha:

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Zitat

    Original von MarcCologne
    Hallo Bachfreunde,
    (...)
    möchte ich jetzt an geeigneter Stelle diese Frage, die für mich persönlich seit Jahren zu einem absoluten Mysterium gehört, nochmal aus der Versenkung holen in der Hoffnung, dass wir diesmal hier eventuell eine Antwort finden können - das fänd ich echt klasse!
    (...)
    Bei der Zuteilung der einzelnen BWV-Nummern für die einzelnen Kantaten scheint man allerdings alle in einen großen Korb geworfen und nach dem Losprinzip dann Stück für Stück entnommen und durchnummeriert zu haben....



    Hi, MarcCologne,


    vielleicht kann ich ja ein bisschen helfen. Aber wenn du es genau wissen willst, musst du die Neue Bachgesellschaft (http://www.neue-bachgesellschaft.de) anschreiben.


    "Huch, im BWV geht ja alles durcheinander!"


    Die Zählung der Kantaten im Bachwerkeverzeichnis hat eine 150-jährige Geschichte. Sie geht auf die Bachgesellschaft (BG) zurück, die 1850 mit dem Ziel gegründet wurde, eine erste Gesamtausgabe der Werke Johann Sebastian Bachs zu schaffen. 50 Jahre später hatte sie es geschafft. Am 27. Januar 1900 (Kaisers Geburtstag) wurde der 46. Band der Bach-Ausgabe (BA) herausgegeben. Die Bachgesellschaft löste sich, wie in der Satzung vorgesehen, auf und wandelte sich in die Neue Bachgesellschaft (NBG) um.


    Die Bachgesellschaft hatte ursprünglich als erstes Werk die h-moll-Messe herausgeben wollen. Allerdings gab es Schwierigkeiten. Ein Schweizer Rechteinhaber gab die Kopie des Autographs nicht frei. Deshalb enthielt der erste der 46 Bände der BA zehn Kantaten, deren Entstehungsgeschichte einigermaßen solide erforscht war. Die Kantate „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ stand als erste in Band 1, weil es die erste gewesen sein soll, die Anfang des 19. Jahrhunderts gedruckt erschienen war. Die h-Moll-Messe kam dann 1856 als Band Nr. 6 heraus.


    Als 1947 Werner Neumann sein „Handbuch der Kantaten“ veröffentlichte, führte er die Kantaten in der Reihenfolge auf, in der sie in der BA standen.


    Der Musikwissenschaftler Wolfgang Schmieder legte dann 1950 sein Bachwerkeverzeichnis (BWV) vor. Darin sind die Werke Bachs in Werkgruppen zusammen gefasst. Zuerst die geistlichen Kantaten (1-200), dann die weltlichen Kantaten, drittens „Weitere Kantaten“, es folgen die weiteren Vokalwerke, dann Choralsätze undsoweiter. Dabei übernahm Schmieder, weil man sich bereits daran gewöhnt hatte, die alte mehr oder weniger willkürliche Reihenfolge der Kantaten. Sie folgt weder dem Kirchenjahr noch der Entstehungszeit oder sonst einem Ordnungsprinzip, sondern der Reihenfolge der Veröffentlichung in der BA, und die orientierte sich am Forschungsstand im 19. Jahrhundert. Unsere heute übliche Zählung geht also immer noch auf die erste Bach-Ausgabe zurück.


    Schmieder hatte damals eigentlich gar keine andere Wahl. Die Werke Johann Sebastian Bachs sind oft in sehr schlechtem Zustand überliefert, viele, wahrscheinlich hunderte, sind ja völlig verschollen. Bei manchen Kantaten sind auch heute, mehr als 50 Jahre unablässiger Forschung nach Schmieder, die Datierung und der Anlass der Komposition noch umstritten.


    Inzwischen ist uns die BWV-Zählung so geläufig, dass eine sinnvolle Auflistung, wie sie inzwischen mit dem Bach-Compendium (BC) vorliegt, Mühe haben wird, sich durchzusetzen.


    Das Bach-Compendium folgt zuerst dem Kirchenjahr und dann dem Entstehungsjahr. So haben die drei Adventskantaten, die hier im Forum bisher besprochen wurden, die BC-Nummern A 1 („Nun komm der Heiden Heiland I“), A 2 („Nun komm der Heiden Heiland II) und A 3 („Schwingt freudig euch empor“). Die drei weltlichen Fassungen von „Schwingt freudig euch empor“ haben dann aber logischerweise völlig andere Nummern, nämlich BC-G 12, G 38 und G 35 (bisher BWV 36 a, 36 b, 36 c). Alles klar soweit?


    Alfons

  • Hallo Alfons,


    danke für Deine interessanten Informationen, die (leider) bestätigen, was ich befürchtet hatte:


    Es gibt kein Ordnungsprinzip, sondern historisch bedingte "Willkür" herrscht vor - schade eigentlich...


    Zitat

    Alfons schrieb:
    ... Sie folgt weder dem Kirchenjahr noch der Entstehungszeit oder sonst einem Ordnungsprinzip, sondern der Reihenfolge der Veröffentlichung in der BA, und die orientierte sich am Forschungsstand im 19. Jahrhundert. Unsere heute übliche Zählung geht also immer noch auf die erste Bach-Ausgabe zurück.


    ... und das ist ja irgendwie mittlerweile auch eine Art ehrwürdiger Tradition, die es zu wahren gilt - so kann man das ganze Nummern-"Tohuwabohu" ja auch mal positiv sehen ;)


    Zitat

    Alfons schrieb:
    Schmieder hatte damals eigentlich gar keine andere Wahl. Die Werke Johann Sebastian Bachs sind oft in sehr schlechtem Zustand überliefert, viele, wahrscheinlich hunderte, sind ja völlig verschollen. Bei manchen Kantaten sind auch heute, mehr als 50 Jahre unablässiger Forschung nach Schmieder, die Datierung und der Anlass der Komposition noch umstritten.


    Ok - in den 1950er Jahren steckte man in der Bach-Forschung zwar nicht mehr in den "Kinderschuhen", aber viele seiner Werke waren tatsächlich "graue Theorie", die kaum bis nie aufgeführt wurden (da dürften viele seiner Kantaten mit Sicherheit dazugehört haben!).
    Wenn Wolfgang Schmieder damals geahnt hätte, dass die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts eine bis dato nie gekannte Renaissance des gesamten Bach-Werks bringen würde, hätte er vielleicht eine etwas praktikablere Ordnung innerhalb der Kantaten vorgenommen (und wenn es eine alphabetische Ordnung nach Kanteten-Titel gewesen wäre) :]


    Zitat

    Und nochmal Alfons:
    Inzwischen ist uns die BWV-Zählung so geläufig, dass eine sinnvolle Auflistung, wie sie inzwischen mit dem Bach-Compendium (BC) vorliegt, Mühe haben wird, sich durchzusetzen.


    Genau das ist der Punkt, den ich am meisten bedauere - einmal eingeführt (und weltweit verbreitet) haben sich die numehr auch schon "traditionellen" BVW-Nummern so eingebürgert, dass sich eine neue Zählweise wohl nur noch bei Experten durchsetzen dürfte.
    Wie gesagt: Ähnlich ist es ja auch beim Köchelverzeichnis oder den laufenden Nummerierungen der zahlreichen Haydn- und Mozart-Sinfonien, die mittlerweile ebenfalls durch die Forschung als nicht korrekt eingestuft werden. Aber sie sind längst "Volksgut" geworden und nicht mehr auszurotten, egal wie falsch sie auch sein mögen :wacky:


    Während beim Köchelverzeichnis immerhin noch die einigermaßen gangbare "Verlegenheitslösung" mit den eingefügten "a", "b" und "c"-Zusätzen hinter den KV-Nummern gewählt werden kann, ist das bei den BWV-Nummern meines Wissens nicht üblich (und gäbe auch keinen Sinn, da hier ja keine Chronologie durch die Zählung verdeutlicht werden soll).
    Es wurde damals bei der Erstellung des BWV eine Chance vertan, das Ganze etwas übersichtlicher zu gestalten und das finde ich halt schade... :(


    Aber: Besser irgendwelche Nummern, als gar keine ;)

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat

    Original von MarcCologne
    danke für Deine interessanten Informationen, die (leider) bestätigen, was ich befürchtet hatte:


    Es gibt kein Ordnungsprinzip, sondern historisch bedingte "Willkür" herrscht vor - schade eigentlich...


    Willkür ist hier trotz Anführungszeichen ein ziemlich verfehlter Ausdruck. Ich glaube keiner hier kann sich eine angemessene Vorstellung von der Mühsal der philologischen und editorischen Arbeit machen, die hinter solchen Projekten steckt. Besonders bei der hier vermutlich katastrophalen Quellenlage. Nicht umsonst dauern die auch heute noch Jahrzehnte.
    Die Schmiedersche Einteilung nach Gattungen ist im Groben ziemlich übersichtlich (ich weiß sofort BWV 1xx ist eine Kantate, BWV 5xx ein Orgelwerk, BWV 10xx ein Konzert oder Kammermusikwerk usw.) und nur an wenigen Stellen innerhalb der Gattungen (wie etwa Kantaten) zufällig.


    Zitat

    Ok - in den 1950er Jahren steckte man in der Bach-Forschung zwar nicht mehr in den "Kinderschuhen", aber viele seiner Werke waren tatsächlich "graue Theorie", die kaum bis nie aufgeführt wurden (da dürften viele seiner Kantaten mit Sicherheit dazugehört haben!).
    Wenn Wolfgang Schmieder damals geahnt hätte, dass die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts eine bis dato nie gekannte Renaissance des gesamten Bach-Werks bringen würde, hätte er vielleicht eine etwas praktikablere Ordnung innerhalb der Kantaten vorgenommen (und wenn es eine alphabetische Ordnung nach Kanteten-Titel gewesen wäre) :]


    Das halte ich für einen Fehlschluß. Für Aufführungszwecke ist letzlich jedes Ordnungssystem recht, es muß nur verbreitet und verbindlich sein. Aber es wäre eine gigantische Verwirrung entstanden, wenn 1950 (als Bach sehr wohl regelmäßig aufgeführt wurde, wenn vielleicht auch nicht so häufig wie heute) alle umnumeriert worden wäre. Für den Wissenschaftler ist es vermutlich sogar zweitrangig, da muß eben noch eine Konkordanz herausgegeben werden, die er dann auf dem Schreibtisch liegen hat. Auch hier muß man jedoch bedenken, dass solch eine Neu-Ausgabe ein gigantisches work-in-progress ist. Und sobald man fertig ist, kann man wieder anfangen, die 30 oder 40 Jahre zuvor erschienenen Bände philologisch auf den neuesten Stand zu bringen.
    Es müssen also zwischenzeitlich immer Wissenschaftler, die nicht selbst herausgeben, sondern die Ausgaben einfach nur benutzen, mit den älteren Ausgaben arbeiten.
    Aber gerade für die Praxis ist ein Festhalten an einem einmal etablierten System, egal wie zufällig es entstanden sein mag, nicht zu überschätzen. Bei den Kantaten gibt es Titel, das ist noch leicht. Aber sieh Dir mal das Chaos bei Scarlatti und Vivaldi an, wo jeder Neuherausgeber seine eigenen neuen Nummern hat!
    Und was genau wäre ein "praktikable Ordnung" innerhalb der Kantaten? Warum wäre alphabetisch praktischer als der jetzige Zustand? Bei einer Ordnung nach Kirchenjahr müßte ich als Laie immer noch das mutmaßliche Entstehungsdatum (also histor.-chronolog.) und idR auch den Sontag im Kirchenjahr nachschlagen.
    Wie gesagt, die Fälle Vivaldi und Scarlatti sollten eigentlich abschreckend genug sein...


    Zitat

    Und nochmal Alfons:
    Inzwischen ist uns die BWV-Zählung so geläufig, dass eine sinnvolle Auflistung, wie sie inzwischen mit dem Bach-Compendium (BC) vorliegt, Mühe haben wird, sich durchzusetzen.


    Während beim Köchelverzeichnis immerhin noch die einigermaßen gangbare "Verlegenheitslösung" mit den eingefügten "a", "b" und "c"-Zusätzen hinter den KV-Nummern gewählt werden kann, ist das bei den BWV-Nummern meines Wissens nicht üblich (und gäbe auch keinen Sinn, da hier ja keine Chronologie durch die Zählung verdeutlicht werden soll).
    Es wurde damals bei der Erstellung des BWV eine Chance vertan, das Ganze etwas übersichtlicher zu gestalten und das finde ich halt schade... :(
    [/quote]


    s.o., Fehlschluß! Es ist klarerweise am übersichtlichsten (unter den Möglichkeiten in einer realen Welt und realer philologischer Möglichkeiten), so wie es jetzt ist.
    Wie Alfons ausführte, gab es 1950 keine vernünftige andere Möglichkeit. So ist es immerhin systematisch nach Gattungen. Alternativ hätte man eine vermutlich in vieler Hinsicht falsche und unsichere Ordnung nach Entstehungszeit z.B., die in jeder Neuausgabe revidiert würde, wiel beim Köchel, nur dass da der Ur-Köchel chronolog. schon relativ genau ist, woztu es bei Bach 1950 keine Parallele gab.


    Alle zusätzlichen, doppelten Nummern usw. bringen nur noch mehr Verwirrung (kein Mensch außer Ullli verwendet oder kennt die neuen KV-Nummern 300c statt was weiß ich, es müssen dann immer beide Nummern angegeben werden). Und sie würden bei einer so komplexen und problematischen Quellenlage wie bei Bach eine historische u.ä. Präzision vorspiegeln, die überhaupt nicht gegeben ist. Es hat daher gute Gründe, dass sich neuere Versionen schwer oder gar nicht durchsetzen. Man müßte dann vielleicht nicht mehr nachschlagen, für welchen Sonntag eine Kantate (vermutlich) komponiert würde, weil das aus der Ordnung hervorginge (andererseits, welcher Laie hat schon die Sonntage des Kirchenjahres parat); für alles andere benötigte man Kokordanzen, um sich zurechtzufinden, wenn man das alte System einmal gewohnt war. Besonders bei der Instrumentalmusik ohne eindeutige Titel wäre Chaos vorprogrammiert.


    viel Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)