PR in der Klassikszene - ein unerwünschtes Übel ?

  • Liebe Forianer


    Im Laufe der letzten Tage ist mir immer wieder aufgefallen wie empfindlich die Forianer (ich nehme an das gilt für alle Klassikliebhaber) gegenüber PR-Aussagen von Firmen sind, wie sie "gepushte" Interpreten a priori ablehnen (Allen Aussagen der "Fachpresse" zum Trotz), wie sie sich über AC (Artificial Charisma)* lustig machen.


    Nun erhebt sich die Frage, was ein Interpreten, Produzenten, Tonträgerfirmen eigentlich tun sollen, bzw dürfen um ihr Produkt prominent am Markt zu positionieren. Dabei sind alle möglichen Maßnahmen zu verstehen.


    "Gut spielen" genügt ja heute angeblich nicht mehr, man muß originell sein, zig Wettbewerbe gewonnen haben, soll jung sein und gut aussehen - und was das Wichtigste ist - Charisma haben.
    Hier wird gelegentlich auch von der entsprechenden PR Abteilung mehr oder weniger dezent "nachgeholfen", Biographien werden gefälscht, Künstlernamen kreiert - und hunderte Schmeichelfotos angefertigt, die den Interpreten entweder melancholisch versonnen, frech grinsend, erotisch oder einfach nur nachdenklich durchgeistigt darstellen (sollen)


    Hat ein Interpret eine "Macke" so ist das PR mäßig gesehen ein großer Pluspunkt - dann kann über diverse kleinere Mängel (bei Sängern z.B eine unscheinbare Stimme) gerne hinweggesehen werden, die Macke macht das locker weg.....


    Aber nun im Ernst:


    Soll und kann der Klassikmarkt auf PR Mätzchen verzichten oder sehr ihr das als notwendiges Übel, bzw vielleicht sogar als humorige Bereicherung der Szene ?


    LG aus Wien
    Alfred


    *[code=c]2006 by Alfred Schmidt, Vienna

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Soll und kann der Klassikmarkt auf PR Mätzchen verzichten oder sehr ihr das als notwendiges Übel, bzw vielleicht sogar als humorige Bereicherung der Szene?


    Lieber Alfred,


    Bereits öfter wunderte ich mich, daß die Marketing der Firmen so schlecht ist.
    Mit zwei wesentlichen Punkten können sie ihre Strategie jedenfalls verbessern.


    1. Gib eine Kunde die Möglichkeit sich von einer gewünschten Aufnahme via das Internet ein Teil zu hören. Nicht nur die erste drei (oder fünf) Minuten, sondern nach Wahl der Kunde drei Minuten irgendwo in einen Track.


    2. Gib ggfs Proben-CDs mit darauf einige Minuten verschiedene Aufnahmen jenes Künstlers.


    So kann jedermann urteilen. Gefällts ihm, ja oder nein?


    Beispiel 2 ist Realität, entdeckte ich. Nur weiß ich nicht genau wie lange die Fragmente dauerten.
    Es war eine Probe-CD, die mir von Musiker die die Glasharmonika spielen, zugesandt wurde.


    LG, Paul

  • Einige "Mätzchen" finde ich ja prima - selbst die Kultstars vergangener Zeiten hatten so ihre Eigenheiten, die ihnen den letzten Schuß Interesse gegeben haben. Aber wahrscheinlich sehe ich das als Nachgeborener und Nachhörender auch etwas verzerrt und hätte mich damals auch über etliches moquiert :D


    Was mich persönlich enorm stört (siehe diverse Postings) sind die gepuschten glatten "Stars", die einfach zu 100 % "gemacht" sind (vom Image her) und die einem zusätzlich dauernd in der Werbung unter die Nase gerieben werden (dazu zählen auch Wetten-Dass-Auftritte, die auch reine Werberunde sind): O2-Gucci-Anna, Audi-Lang-Lang (weltbester Pianist wo gibt - wie oft muss man das hören :motz: ). Teilweise finde ich diese Künstler gar nicht schlecht, nur geht mir das TammTamm und die Werbekampgnen und das resultierende Image so dermaßen auf den Zeiger :kotz:
    Langsam kann ich KurzKurz nicht mehr sehen, den "weltbesten Pianisten wo gibt", der dann irgendwas von Mozart spielt beim kernigen Laber-Baptisten etc. und unreflektierten Applaus erhält dafür, dass er die Noten richtig trifft (im Unterschied zum Moderator) - live fand ich Lang Lang eigentlich ganz interessant vor 1-2 Jahren.
    Die Industrie vergällt mir also ihre Kunstprodukte mit ihren Kampagnen :motz: - das nenne ich mal kontraproduktiv :D


    :hello:
    Stefan


    PS: Hoffentlich lesen auch einige Vertreter der Musikindustrie regelmäßig unser Forum und unser Einfluss reicht aus, um da ein wenig Selbstreflexion und Umdenken zu erreichen - da ich nicht naiv bin: probiert habe ich es wenigstens :D

    Viva la libertà!

  • Zitat

    Original von Barezzi
    Die Industrie vergällt mir also ihre Kunstprodukte mit ihren Kampagnen :motz: - das nenne ich mal kontraproduktiv


    Könnte man das nicht auch andersherum sehen? Ich gebe zu, dass viele dieser übertriebenen PR-Kampagnen auf Dauer schlichtweg nerven. Andererseits bin ich mir sicher, dass sie den einen oder anderen Konsumenten dazu bringen, sich auch einmal ein paar Takte klassischer Musik anzuhören - und vielleicht sogar auf Dauer dabei hängenzubleiben. Allein unter diesem Gesichtspunkt möchte ich die PR in der Klassikszene nicht völlig verurteilen. Klappern gehört eben zum Handwerk.


    Viele Grüße
    Frank