• Ich hatte mal eine Frage, und schrieb "off topic" in einen Thread:


    Ist es leicht oder schwer eine "Ohrwurm-Melodie" zu komponieren? Und wenn es noch weiter geht, ist es schwerer eine klassische "Ohrwurm-Melodie" zu machen. Hierbei wiil ich das "klassisch" rechnen von etwa ± 1650 - ± 1900.


    Ulli reagierte natürlich wie erwartet:

    Zitat

    das kan man nur so beantworten:
    Es kommt darauf an, ob es einem leicht fällt, oder schwer.


    Draugur antwortete:

    Zitat

    Ich als jemand, der schon ansatzweise "Praxis" hat, glaube nicht, dass man einen Ohrwurm bewusst und überlegt als solchen komponieren kann. So eine Melodie muss jedenfalls einerseits sehr sangbar sein, d. h. auf Sekundschritten und zerlegten Dreiklängen basieren, aber auch mindestens eine spezifische, originelle Wendung haben, die sie einprägsam macht.


    Und da werde ich erst recht neugierig. Denn jetzt habe ich mehr Fragen:


    1. Wurden bewußt, soweit bekannt, in der klassischen Musik, Orhwürmer komponiert? Und wenn ja, oft? (Ganz vage erinnere ich mich etwas von Mozart, der schrieb über eine Oper, daß die Menschen davon entzückt sein würden. Und von Edward Elgar {oder war es Henry Wood} weiß ich, daß er bereits, während seiner Komposition noch nicht fertig war, vorhersagte daß ein Teil ein Riesenerfolg haben sollte).


    2. Sind vielleicht Opernkomponisten diejenigen, die am meisten versuchten das zu erreichen?


    3. Gibt es gute und schlechte Ohrwürmer?


    LG, Paul

  • Hoi Paul,


    ich versuche mal, ein paar Anregungen zu Deinen Fragen zu geben:


    zu 1. Ich glaube, jeder Komponist (zumindest die des 18. und 19. Jahrhunderts) versuchte ab und an, Melodien zu komponieren, die besonders eingängig waren und den Leuten damit leicht ins Ohr gingen. Das war ja oft auch eine wirtschaftliche Frage: Werke, die aufgrund solcher "Ohrwürmer" sehr beliebt waren, wurden vom Publikum oft nachgefragt, Noten wurden in höherer Anzahl verkauft, allerlei Bearbeitungen des betreffenden Stückes angefertigt. Wenn der Komponist flink und geschäftstüchtig war, konnte er persönlich einen großen (wirtschaftlichen) Gewinn aus solch einem Stück ziehen, bevor ihm andere zuvor kamen. Das relativ strenge Urheberrecht, wie wir es heute kennen, gibt es ja erst seit dem 20. Jahrhundert.
    Bekannte und beim Publikum beliebte Stücke brachten überdies eine Menge Renommee und damit die Chance, erneut lukrative Kompositionsaufträge zu erhalten.


    Elgar hat die von Dir zitierte Äußerung meines Wissens über seinen "Pomp and Circumstance"-Marsch Nr. 1 gemacht, der ja dann auch seine mit Abstand bekannteste Kompostion geworden ist. Und Mr. Elgar hat seine Einschätzung über das von ihm erdachte Thema völlig richtig gemacht - man wundert sich ja immer wieder mal über manche aus heutiger Sicht eher unverständliche Beurteilung von Komponisten über ihre eigenen Werke. (Da haben wir auch einen Thread zu, wenn ich nicht irre....) Hier jedenfalls traf die Einschätzung mal zu 100% ins Schwarze! Ich persönlich finde den "Pomp and Circumstance"-Marsch Nr. 1 auch unwiderstehlich :jubel:


    zu 2. Opernkomponisten waren mit ihren Werken lange Zeit am unmittelbarsten dem breiten Publikum ausgesetzt - und das war oft gnadenlos und hielt während den Aufführungen auch mit seinen lautstarken Unmuts- oder Beifallsäußerungen nicht hinterm Berg :yes:
    Es gibt ja viele Berichte über turbulente Opernaufführungen und Premieren, die das belegen.
    Derartige Sorgen (über ein negatives Feedback vom Publikum in Form von Buh-Rufen und faulen Tomaten) hatten Kirchenmusik-Komponisten oder im Bereich der Kammermusik tätige Compositori dagegen eher seltener.
    Deswegen könnte ich verstehen, wenn man behaupten würde, dass gerade Opernkomponisten häufiger mal auf publikumswirksame Effekte in ihren Werken zielen und noch am ehesten versucht sein dürften, echte "Ohrwürmer" in ihre Opern einzubauen. Man wollte halt beim Publikum gut ankommen und weitere Aufträge erhalten.


    zu 3. Sagen wir mal so: Das ist Geschmackssache. Ich ärgere mich oft, wenn ich irgendwas total Albernes, Geistloses und Triviales im Radio oder im Kaufhaus gehört habe und mir ein Melodiefetzen davon danach oft stundenlang nicht mehr aus dem Ohr will .... (also ein klassischer "Ohrwurm" :D )
    Immer wieder ertappe ich mich dann dabei, dass ich dann diese Melodie vor mich hinsumme oder so etwas in der Art - und dann ärgere ich mich immer, warum ich ausgerechnet sowas Blödes im Ohr habe, was mich so beschäftigt ;)
    So gesehen würde ich sagen: Ja, es gibt auch schlechte Ohrwürmer - aber das hängt ausschließlich vom Hörer ab :yes:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Dank GiselherHH habe ich seit gestern einen Ohrwurm: "www.youtube.com/watch?v=vNDHDHTeiwo".


    Und sogar zweimal für ein Stück :motz:
    Denn erstens höre ich jene Melodie die ganze Zeit in meinem Haupt :motz: und zweitens bemühe ich mich vergebens den Komponist zu finden, und nur das Denken daran reicht bereits, um jene Musik wieder zu hören. :motz:


    Je eher ich den Komponist kenne, je besser. Aber das dauert gerade wegen Jahreswechslung, Unterbesetzung in dieser Periode und kürzerer Woche natürlich länger als üblich. :motz:

  • Tut mir leid, dass ich Dich mit meinem Ohrwurm angesteckt habe, Paul. Ich leide im wortwörtlichen Sinne mit Dir!


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)