Bachs "Klavierkonzerte"

  • Sagitt meint:


    nachdem drei Versuche, diesen thread zu schreiben, schon daneben gegangen sind( irgendwie waren sie verschwunden und nicht rekonstruierbar) ein letzter Versuch.
    Die Stücke, die Bach zu seinem Vergnügen als Ausgleich zum harten Beruf des Kantors im Zimmermann´schen Kaffeehaus spielte, gehören zu meinem festen Bestand Bach´scher Kunst. Erste Zeugnisse einer Klavierkultur, obwohl gar nicht sicher ist, dass Bach bereits ein Claivcymbel hatte, als er die Konzerte komponierte, mindestens das erste ist zur " Cembalo-Zeit" entstanden, aber es gibt so viele gute Klavierversionen, dass nur eingefleischte "Cemballisteros" zu diesen greifen werden.
    Gould hat das Konzert d-moll 1957 mit Bernstein aufgenommen. Das war damals ziemlich aufregend neu ( es gab es eine "romantische" Version mit Lipatti,1947, mit Oktav-Verdopplungen). Wenn man im Abstand von fünfzig Jahren diese Aufnahmen hört und den Kult-Status außer Acht läßt, sind diese Aufnahmen ein wenig eintönig ( Goulds Marotte, das Klavier wie ein Cembalo zu spielen), das Orchester ein wenig grob. Gould macht keine Mätzchen, es swingt ein wenig mit Bernstein, aber das ist es auch schon. Heute gibt es Alternativen. Von vielen will ich nur Perahia herausgreifen, der zugleich als Dirigent von St. Martin-in-the fields nach seiner Erkrankung die Konzerte eingespielt hat, mit differenziertem Anschlag, zügigeren Tempi als Gould und mehr orchestralem Esprit. Die Aufnahmen wurden sehr gelobt und sind gut anhörbar.
    Meine liebste ist allerdings Cyprien Katsaris mir Janos Rolla. Der Zypriote , ein Virtuose alten Stils, hat wenige, aber sehr anhörenswerte Aufnahmen gemacht ( seit längerer Zeit hört man von ihm nichts mehr oder weiss ein Forianer etwas ?) Sein Bach ist großartig, rhythmisch, anschlagsdifferenziert und virtuos ( dritter Satz BWV 1056, erster Satz BWV 1057- an Geschwindheit ist auch ein Gould zu toppen, ohne das es verwischt wäre, eine Virtuose eben). Leider hat er nur vier Konzerte eingespielt ( BWV 1952m1054,1056,1057). Leider( und wahrscheinlich heute auch schwer beschaffbar nach langer Zeit im lowbdget Bereich der TELDEC)


    Die Diskussion ist eröffnet.

  • Sagitt schrieb:


    Zitat

    obwohl gar nicht sicher ist, dass Bach bereits ein Claivcymbel hatte, als er die Konzerte komponierte, mindestens das erste ist zur " Cembalo-Zeit" entstanden, aber es gibt so viele gute Klavierversionen, dass nur eingefleischte "Cemballisteros" zu diesen greifen werden.


    Diese Aussage suggeriert wieder einmal mehr, daß zwischen Cembalo auf dem Wege zum modernen Klavier quasi ein evoltutioärer Prozess stattgefunden habe. Diesem weit verbreitetem Vorurteil muss ich an dieser Stelle vehement widersprechen !!! Aus der erhaltenen Nachlass-Auflistung Bachs geht hervor, daß zum Zeitpunkt seines Todes kein " Claivcymbel" (was immer auch damit gemeint sein mag) in seinem Besitz war. Bach vermietete seine Instrumente übrigens auch und eine letzte Quittung für einen solchen Vorgang stammt aus dem Jahre 1748 !
    Natürlich beobachtete Bach interessiert alle Neuerungen auf dem Gebiet
    des Instrumentenbaus; die Bemühungen der Herren Silbermann und Friederici (Gera) jedoch auf dem Wege zum "modernen Klavier" fanden seine Billigung nicht. Die Kritik über die Silbermannschen Hammerflügel aus dem Besitz Friedrichs des Großen in Sanssouci war dementsprechend
    vernichtend. Unabhängig davon halte ich es für absolut legitim, diese Werke auch auf modernen Instrumenten zu spielen, wobei ich der Ehrlichkeit halber zugeben muss, daß mich dergleichen nicht sonderlich interessiert, weil ich von Natur aus kein Freund des Klavierklanges bin.


    Meine Referenzaufnahmen der Bachschen "Tasten-Konzerte" sind folgende: Trevor Pinnock and Friends liefern sich im Konzert für 4 Klaviere ein wahres Feuerwerk der Brillianz.



    Sensibler und mit wundervollen Instrumenten geht das Ensemble "Musica Alta Ripa" zu Werke. Diese Aufnahmen haben derzeit Referenzcharakter, doch gerade auf diesem Sektor ist viel Bewegung; man sollte aufmerksam beobachten:


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo BBB,


    ich weiss das auch nicht, bezog mich nur, wo habe ich es bloß gelesen ?, auf eine Notiz aus Leipzig so um 1733 herum, die von clavicymbel schrieben und nach meiner Erinnerung wurde dies als Beleg für eine Weiterentwicklung zum Klavier bezeichnet.


    Irgendeine weitergehende Behauptung über die Evolution der Tasteninsrumente sollte damit nicht aufgestellt werden.


    Im übrigen will den Freunden der Cembalo-Musik gar nicht ans leder, ich ziehe halt die Klavierversionen aus den genannten Gründen vor.


    Schöne Grüße


    Sagitt

  • gibt es nicht schon so welche Threads im Forum?


    Mein Favorit ist das umgeschrieben Violinkonzert E-dur (BWV 1042) von J.S.Bach für Cembalo (D-Dur,BWV vergessen).

  • Die Gould/Bernstein-Aufnahme höre ich immer wieder, habe mich damit vor 10 Jahren infiziert und finde sie immer noch faszinierend, wobei an Sagitts Kritik etwas dran ist. Es gibt wohl noch eine Live-Aufnahme des herrlichen d-moll-Konzerts mit Gould aus Leningrad bei Sony.


    Ton Koopmans Aufnahme ist mir stellenweise etwas zu kleingliedrig phrasiert, ansonsten eine schöne Alternative für die obligatorische HIP-Aufführung.



    Freut mich, daß Sagitt Perahia empfolen hat, daß Perahia sogar zügig sei. Hatte die Aufnahme eh schon länger im Auge, jetzt muß sie dann wohl bald mal gekauft werden. (die Brandenburgischen auch.)


    Gruß, Markus

  • Hallo!
    Kürzlich erst gekauft habe ich mir diese beiden CDs:



    Ich habe auch schon reingehört und bin mir sicher, daß es ein guter Kauf war. Die Aufnahme wird nicht umsonst so oft gelobt.


    Altbewährt ist für mich in der Cembalo-Version Karl Richter mit dem Münchener Bach-Orchester:



    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Altbewährt ist für mich in der Cembalo-Version Karl Richter mit dem Münchener Bach-Orchester:


    Auf mich wirken diese Einspielungen weniger "altebwährt" sondern vielmehr altbacken !!! Anstatt auf schönen Cembali lässt Richter auf überdimensionalen Eierschneidern, denen man Nierentisch-Holzfüsse der retrospektiven Spät-Fünfziger untergeschraubt hat, zupfen !
    Weder von Agogik, Tempogestaltung, von barocker Klangrede ganz zu schweigen, die man auch VOR Harnoncourt schon zu gestalten wusste,
    (Kirkpatrick) ist hier auch nur das gernigste zu verspüren !
    Also WENN schon stilwidrig, dann bitte lieber so, wie es Gould und Bernstein verstanden !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • BigBerlinBear schrieb:

    Zitat

    Auf mich wirken diese Einspielungen weniger "altebwährt" sondern vielmehr altbacken !!! Anstatt auf schönen Cembali lässt Richter auf überdimensionalen Eierschneidern, denen man Nierentisch-Holzfüsse der retrospektiven Spät-Fünfziger untergeschraubt hat, zupfen !


    Ganz meine Empfindung!


    Den Aufnahmen mit Perahia und der Academy of St. Martin-in-the fields kann ich nichts abgewinnen. Da kommen die Bach´schen Konzerte so klebrig süß daher, dass mir schlecht wird.


    Auch ich empfehle die Pinnock-Aufnahmen, obwohl ich sonst kein Freund von ihm bin (siehe Pinnock-Thread). Die Bach´schen Clavier-Konzere sind die große Ausnahme. Sehr schön fand ich auch die:

    Lars Ulrik Mortensen mit dem Concerto Copenhagen, bei cpo erschienen. Das werden vor allem jene mögen, denen Ensembles wie Musica Antiqua Köln zu ruppig spielen. Bisher scheint nur Vol. 1 (Konzerte BWV 1052-1054) erschienen zu sein, man kann nur hoffen, dass weitere Teile veröffentlicht werden.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Sagitt meint:
    Klavierkonzerte sollte ich nicht schreiben, denn für dieses Instrument hat Bach die Konzerte nicht geschrieben. Eine Neuerscheinung regt mich an, zu diesen Konzerten etwas zu schreiben und auf Austausch zu hoffen. Angela Hewitt hat zusammen mit australian chamber orchestra die Bach-Konzerte aufgenommen und verschiedene andere hinzugefügt, wie das fünfte Brandenburgische.
    Ein wenig stehen diese Konzerte im Schatten der Violinkonzerte, aber natürlich sind sie großartiger Bach.
    Die Aufnahmen der Cembalisten will ich vernachlässigen. Ich finde die Cembalo-Versionen gegenüber den Klavierfassungen einfach langweilig. Mögen andere dafür streiten.
    Angela Hewitt trat vor Jahren bereits als Bachspielerin in Erscheinung- nach meiner Erinnerung bei der DG. Wenn ich jetzt die Neueinspielungen höre, denke ich, nett,schöner Anschlag- das wars es aber auch. Es wird recht harmlos gespielt- anderen Mitgliedern des Forums wirds gefallen,ich bin sicher. Nicht sehr rhythmisch wird der Bach vorgetragen.
    Entsprechend meiner musikalischen Präferenzen bevorzuge ich Katsaris mit Rolla, ich schrieb es an anderer Stelle.
    Um gleich noch eine weitere Ungehörigkeit hinzufügen. Ich finde Katsaris auch um Längen spannender als Gould, der auch einige dieser Konzerte eingespielt hat, u.a. das d-moll Konzert mit Bernstein ( 1957).
    Mein Traum- er wird sich wohl nicht erfüllen- Zacharias mit concerto cölln

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  • Salut,


    Bach einmal anders:


    Concerto d-moll BWV 1052
    Pavel Jegorov, piano


    Concerto D-Dur BWV 1054
    Oleg Malov, piano


    Concerto f-moll BWV 1056
    Oleg Malov, piano


    Concerto c-moll BWV 1060
    Alla Kustariova & Oleg Malov, pianos


    Orchestra "Classic Musikc Studio", St. Petersburg
    Alexander Titov, Cond.


    Das Label Mazur Media GmbH, St. Petersburg scheint untergegangen zu sein... die Rechte liegen wohl bei SONY Music [1993]


    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Nun, Katsaris/Rolla spiegeln, bezogen auf den modernen Flügel, auch meine Vorstellungen von der Darstellung der Klavierkonzerte wieder. Sehr unspektakuläres und nahezu perfektes Zusammenspiel von Klavier und Orchester. Gould/Bernstein/Golschmann stellen sich als sehr unausgewogen dar. Über BWV 1052 in der Einspielung zusammen mit Bernstein sollte man lieber nicht zuviele Worte verlieren. Wahrscheinlich eine der schwächeren Leistungen Goulds. Gould ist meiner Ansicht nach immer dann am besten, wenn er seine selbst formulierten ästhetischen Ziele umzusetzen versucht. Davon kann in der Einspielung mit Bernstein keine Rede sein. Insbesondere höre ich keine Verständigung zwischen Klavier und Orchester. Vielleicht war aber auch nur das Orchester zu schlecht. Die Einspielungen mit Golschmann dagegen überzeugen mich und reichen sehr nahe an das Niveau von Katsaris/Rolla heran.


    Die Cembaloverdrossenheit, die sich bei manchen Usern widerspiegelt, verstehe ich überhaupt nicht. Ich empfehle Egarr/Manze (HMF), die geradezu sprühen vor Vitalität, Ausdruck und Detailtreue. Die einzelnen Stimmen sind zudem sehr gut durchhörbar. Die Klangqualität dieser Aufnahme ist über jeden Zweifel erhaben. Von "Langeweile" (warum bloß?) keine Spur.

  • Zitat

    Anstatt auf schönen Cembali lässt Richter auf überdimensionalen Eierschneidern, denen man Nierentisch-Holzfüsse der retrospektiven Spät-Fünfziger untergeschraubt hat, zupfen !


    Mein Kompliment für diese Formulierung!!! :jubel:


    Darf ich dich zitieren?

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Zitat

    Die Stücke, die Bach zu seinem Vergnügen als Ausgleich zum harten Beruf des Kantors im Zimmermann´schen Kaffeehaus spielte,



    Darf ich die Aussage ein bißchen relativieren - was wissen wir denn eigentlich genaues darüber??


    Ich glaube, daß die Assoziation mit heutiger Kaffeehausmusik absolut falsch ist.


    "zu seinem Vergnügen" ist eventuell ein Hinweis auf die Aufführungspraxis??
    - in der Hinsicht, Bach war ja auch ein Fan der leichten Muse, wie man seinen zahlreichen Vivaldi-Bearbeitungen entnehmen könnte??


    Sein Stil ist viel zu unterschiedlich, um ihn einer Richtung zuordnen zu können - die virtuose Musik im Gegensatz zur späteren konstruierten...
    - ich gehe sogar so weit, ihn als derart ausgeprägten Pragmatiker zu sehen, der seinen Stil immer so angepaßt hat, wie es gerade opportun war.
    die einzige Konstante ist die Kirchenmusik und die Neigung zu mühsamer Polyphonie (im Gegensatz zu Händel - mit mühsam meine ich die quälenden Gegenstimmen und wenig attraktiven Themata)



    Ob die Klavierkonzerte auf modernen Flügeln Sinn machen ? IMO Nein, ist klanglich unbefriedigend, hat mit den Möglichkeiten des Instruments nichts zu tun...


    Was ich hingegen plane, ist verstärkte Aufführung der Bachschen Kammermusik mit modernen Instrumenten...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • @ tastenwolf


    Moin,


    wenn man Bachs offizielle Briefe liest, mag man zu der Auffassung gelangen, daß Bach, noch freundlich formuliert, ein "Pragmatiker" und kein Fanatiker gewesen ist. Formulierungen wie "demüthig anheim gebende" deuten in der Tat auf eine gewisse Anpassungsbereitschaft hin. Andererseits, wenn man sich einmal der etwas mühsamen Lektüre der überlieferten Briefe unterzogen hat, tut man dies wohl nicht wieder, denn als Schreiber hat sich Bach nicht ausgezeichnet.


    Man kann vielleicht der Auffassung sein, daß sich Pragmatismus in seinem Werk dadurch wiederspiegelt, daß Bach seine Werke ziemlich häufig parodiert hat. Dieses Verfahren ist doch aber legitim, oder? Vieles war schließlich unter Zeitdruck zu machen.


    Dein Hinweis "die virtuose Musik im Gegensatz zur späteren konstruierten" verstehe ich allerdings nicht so ganz. Vielleicht könntest Du das, möglichst mit Beispielen, unterlegen.


    Auch Deine Auffassung, daß Bach "seinen Stil immer so angepaßt hat, wie es gerade opportun war" ist für mich nicht nachvollziebar. Welche konkreten historischen Situationen meinst Du? Beispiele?


    Du schreibst:


    "die einzige Konstante ist die Kirchenmusik und die Neigung zu mühsamer Polyphonie (im Gegensatz zu Händel - mit mühsam meine ich die quälenden Gegenstimmen und wenig attraktiven Themata)".


    Warum mühsam? Meinst Du nur die geistlichen Kantaten? Die Messen? Die Motetten? Etwa auch die Passionen? Das Weihnachtsoratorium?


    Ich gehe davon aus, daß Du über eine präzise Kenntnis der Werke Bachs verfügst, wenn Du so etwas schreibst. Insofern wäre es sehr wünschenswert, wenn Du Deine Auffassung näher darlegst und mit konkreten Beispielen versehen würdest, damit man darüber reden kann.


    Merkwürdig und erklärungsbedürftig ist auch Deine Mitteilung:


    "Ob die Klavierkonzerte auf modernen Flügeln Sinn machen ? IMO Nein, ist klanglich unbefriedigend, hat mit den Möglichkeiten des Instruments nichts zu tun..."


    Welche "Möglichkeiten des Instruments" meinst Du? Wieso "Sinn"?


    Welche Kammermusik möchtest Du aufführen? Solche mit Klavier-/Cembalobeteiligung? Wieso sollte dort ein "moderner Flügel" "Sinn" machen, bei BWV 1052 bis 1065 aber nicht?


    Beste Grüße

  • Das Italienische Konzert BWV 971 ging mir nach dem erstenmal Hören tagelang nicht mehr aus dem Kopf.
    Woran liegt das? Es muß dieser Musik schon ein besonderer Zauber innewohnen.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    Original von tom


    wenn man Bachs offizielle Briefe liest, mag man zu der Auffassung gelangen, daß Bach, noch freundlich formuliert, ein "Pragmatiker" und kein Fanatiker gewesen ist. Formulierungen wie "demüthig anheim gebende" deuten in der Tat auf eine gewisse Anpassungsbereitschaft hin.


    Lieber Tom,


    stimme Dir voll und ganz zu. Nur eine Anmerkung: Formulierungen wie die oben zitierte gehörten damals schlicht zum allgemein üblichen Repertoire der Briefeschreiber, insbesondere wenn der Schreiber sich an eine höhergestellte Persönlichkeit wandte.


    Das Parodieverfahren war damals ja gängige Praxis und der Begriff vom Original wie wir ihn heute kennen entwickelte sich erst später.


    Herzliche Grüße,


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • hallo,


    die katsaris-cd habe ich auch und IMO ist es eine sehr gute platte. aber ich finde den anschlag katsaris' wie so häufig nicht sonor, zu 'leicht'. eine schöne alternative ist die einspielung der bachschen konzerte durch andrei gawrilov bei EMI. unvergessen sind auch die aufnahmen des frühen s. richter bei melodiya. ich erinnere mich da an eine fulminante einspielung eines konzertes für 2 klaviere zusammen mit lew oborin !


    gruß, siamak

    Siamak

  • Hallo Sagitt,

    Zitat

    Die Aufnahmen der Cembalisten will ich vernachlässigen. Ich finde die Cembalo-Versionen gegenüber den Klavierfassungen einfach langweilig. Mögen andere dafür streiten.


    ...Das kann man -wie du ja einräumst- auch anders sehen.
    Die sehr pianistisch empfundene Aufnahme der Hewitt finde ich ziemlich gut - zum einen berauscht der wahrhaft sonore Flügelklang, zum anderen der bestechende Sinn für artikulatorische und agogische Feinheiten. Problematisch (oder wenigstens gewöhnungsbedürftig) finde ich, dass ein zusätzlichen Continuo-Cembalo eingesetzt wird.
    Das Australian Chamber Orchestra leistet darüber hinaus wirklich gute, vielfarbige und dynamisch flexiblle Arbeit.
    Das soll übrigens nicht heißen, dass ich die tänzerisch-schwungvolle Katsaris-Aufnahme schlechter finde - im Gegenteil: Katsaris kommt da noch über Schiff/Chamber Orchestra of Europe hinaus. Perahia ist mir einfach zu weichgespült - klingt wie Samt und Seide und geht mit der Zeit regelrecht auf den Keks. Auch die Academy klingt reichlich dicklich.
    Habe letzte Woche übrigens Lars Ulrik Mortensen mit dem European Union Baroque Orchestra gehört (BWV 1052) - nicht übel.
    Unter den Cembaloversionen auf CD finde ich übrigens die Egarr/Manze-Aufnahme (Harmonia Mundi) in eebnfalls sehr kleiner Besetzung äußerst ansprechend.


    beste Grüße
    Daniel

  • Morgen,
    Was ich zu sagen vergaß: Unter den Piano-Versionen gibt es noch eine alte Aufnahme (1965) von BWV 1052 mit Vladimir Ashkenazy/David Zinman.
    Man kann bei einer 40 Jahre alten Aufnahme natürlich noch nicht nicht die heutzutage üblichen Finessen der historischen Aufführungspraxis erwarten (logo), aber es erstaunt schon, wie schnörkellos und kraftvoll Ashkenazy das Konzert entfesselt - in der Zeit hätte man's weiß Gott geschmackloser, mit mehr sentimentalen "Drückern" machen können... Eine Aufnahme mit viel Vorwärtsdrang und Power! (bei Decca, in der Reihe "The Classical Sound")


    Was Cembalofassungen angeht, kann ich mich nur den gemachten Empfehlunegn anschließen: Die "Klassiker" sind für mich auch Koopman und Pinnock. Schön und eher zügig-bissig sind auch die Aufnahmen mit Rousset/Hogwood (Decca).


    Ob Cembalo oder Klavier: Beides hat etwas für sich. Das Klavier stellt vielleicht die größere Herausforderung daran, mit dem Orchester (zumal in kleiner Bestzung und wohlmöglich auf historischen Instrumenten) eine schlüssige Synthese einzugehen. Schiff, Perahia und Katsaris setzen auf moderne, recht üppig besetzte Kammerorchester. Das funktioniert in Verbindung mit dem Flügel zwar bestens, wäre im Jahr 2005 aber wenigstens überdenkenswert. In sofern ist die Hewitt-Aufnahme gerade bezüglich der Relation Orchester/Solist eine echte Katalogbereicherung.


    Grüße!
    daniel

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  • Hallo allerseits!


    Der dickliche Sound Perahias ist bei allen neueren Aufnahmen dieses Pianisten zu hören. Es scheint von ihm und der Tontechnik so gewollt zu sein.
    Man höre nur den Klavierklang seiner Aufnahme der Chopin-Etüden etwa im Vergleich zu Pollini.


    Bei den Bachkonzerten fällt diese Klangphilosophie besonders im Vergleich mit der Gavrilov-Einspielung auf.
    Beide werden von der Academy of St.M. (bei Gavrilov unter Marriner) begleitet.
    Der Orchesterklang könnte unterschiedlicher kaum sein. Auch wenn anderthalb Jahrzehnte dazwischen liegen, dürfte sich das Orchester kaum so stark verändert haben, wie es auf diesen beiden Aufnahmen zu hören ist.

    "Muss es sein? - Es muss sein!" Grave man non troppo tratto.

  • Hallo CRC,
    Ist ganz sich so, dass die Tontechnik da viel mitspielt. Aber Perahia spielt nach meinem dafürhalten grundsätzlich sehr fließend bis stromlinienförmig. Sein Klang ist im Live-Konzert eher schlank, allerdings benutzt er relativ viel Pedal und lässt die Hammerkopffilze for dem Konzert wohl ordentlich stechen - so weich kling's jedenfalls. Das ist schon von ausgesprochenem klanglichen Schmelz - P's pianistische Delikatesse kann man kaum außer Frage stellen, aber seinen Bach (auch Goldberg und die Englischen Suiten) finde ich dann doch zu verzärtelt, zu wellenförmig, bezogen auf die Rhetorik (Artikulation, Phrasierung) zu wenig "gezackt".


    Beste grüße!
    Daniel


    P.S.: Gibt es schon einen Perahia-Thread?

  • Als ich diese Konzerte vor kurzem gehört habe, war ich sofort fasziniert. Es handelt sich hierbei um die Konzerte BWV 1052 bis 1058 (für ein Cembalo). Ich suchte sofort nach dem entsprechenden Thread konnte aber noch keinen finden (*), was mich verwundert, da diese Konzerte (wie so vieles) für mich einen herausragenden Platz in Bachs Werk einnehmen.


    Stellenweise Musik wie aus dem Computer mit einer Präzession, dass es an Wahnsinn grenzt. Sicherlich unheimlich schwer zu spielen. Im nächsten Moment sehr gefühlvoll und mit wundervollen Melodien.


    Welche Aufnahmen sind hinsichtlich dieser Konzerte besonders hervorzuheben?


    (*) Ich schon - MOD 007

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Ups, da gab es wohl doch schon einen Thread. Unter Klavierkonzerte hätte ich diesbezüglich nicht gesucht. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie diese Konzerte auf dem Klavier klingen mögen, scheinen sie doch wirklich für das Cembalo geschrieben worden zu sein. Da sind so schnelle Läufe enthalten, die meiner Meinung nach mit dem weicheren Klang des Klaviers gar nicht so zur Geltung kommen können. Das ist wie Sternenregen.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zitat

    Original von Klassikliebhaber
    gibt es nicht schon so welche Threads im Forum?


    Mein Favorit ist das umgeschrieben Violinkonzert E-dur (BWV 1042) von J.S.Bach für Cembalo (D-Dur,BWV vergessen).


    Um welches Cembalokonzert handelt es sich hierbei?

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Hallo, Masetto!


    Zitat

    Unter Klavierkonzerte hätte ich diesbezüglich nicht gesucht. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie diese Konzerte auf dem Klavier klingen mögen, scheinen sie doch wirklich für das Cembalo geschrieben worden zu sein.


    "Klavier" (zu Bachs Zeiten "Clavier") ist der Überbegriff für derartige Tasteninstrumente, insbesondere auch Cembali. Das moderne Klavier heißt korrekt "Pianoforte". BWV 1052 (mein absoluter Favorit von Bach) & Co. als Klavierkonzerte zu bezeichnen, ist also korrekt.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo Masetto,
    Deine vergebliche Suche erstaunt mich nicht. Man mag mich für einen Korinthenk... halten, aber ich kann den Begriff "Klavier..." für Bachs Kompositionen nicht leiden, da er m.E. verwirrt. In der Musikwissenschaft hat man sich vor längerem deshalb auf den Terminus "Clavier..." geeinigt, da diese Schreibweise alle Tasteninstrumente (zu Bachs Zeit sogar die Orgel) einschließt.


    Ich würde es sehr gut finden, wenn der Titel des Threads die Bezeichnung "Bachs Clavierkonzerte oder Bachs Clavierwerke" trüge.


    Seine Nicht-Orgel-Werke komponierte Bach mit und für Clavichord, Spinett bzw. Cembalo. Wenn man sie so hören will, wie der Komponist und seine Zeitgenossen, dann muß man sie auf dem Cembalo hören.


    Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob Bach die klanglichen Möglichkeiten eines modernen Konzertflügels begeistert hätten, ob dann seine Kompositionen so ausgefallen wären wie sie sind, oder was er stattdessen hätte komponieren können. Wir haben heute die wundervolle Möglichkeit, erstklassige Cembaloaufnahmen hören zu können (Tips siehe weiter oben im Thread) oder moderne Klavieraufnahmen, die durchaus interessante andere oder zusätzliche Aspekte von Bachs Kompositionen erschließen und musikalisch ebenfalls ihre Berechtigung haben. Wir sollten beides tun!


    Ich wehre mich nur regelmäßig dagegen, wenn Bachs Werk heute vorrangig oder ausschließlich für das moderne Klavier vereinnahmt wird und einer Cembalointerpretation lediglich historische Berechtigung zugestanden wird. Es gibt eine ganze Reihe von Strukturelementen in Bachs Kompositionen, die m.E. mit keinem anderen Tasteninstrument besser als mit dem Cembalo herausgearbeitet werden können.


    Grüße :)

  • Das sehe ich genauso. Wie oben erwähnt, hätte Bach die Möglichkeit gehabt, neue Wege zu erkunden und sich ganz in den Möglichkeiten des "neuen Instruments" (Silbermannsches Fortepiano) auszutoben, lag doch das Angebot des ihm vergleichsweise nahe stehenden Herrn Silbermanns vor. Dieser hätte sich sogar glücklich darüber geschätzt! Bach zog dieser Möglichkeit jedoch wohl eher nicht in Erwägung. An dieser Stelle wird oft damit fortgesetzt Bach als doch ein wenig konservativ zu charakterisieren, was in meinen Augen jedoch nicht der Fall ist, da es hier um private Vorlieben geht. Insofern teile ich auch solche Einschätzungen überhaupt nicht.



    Soweit ich informiert bin, gab Bach seinerzeit dem Klavichord (dem ältesten Instrument) den absoluten Vorzug. Dieses Instrument bespielte er am liebsten, doch wusste er das Klavizimbel zu schätzen, auch wenn dieses seiner Meinung nach Seelenlos klang. Die technische Möglichkeit, hier zwei Klaviere zur Verfügung zu haben, schätzte er sehr. Ich denke, er hat die vorliegenden Konzerte bewusst für dieses Instrument geschrieben, ob dieser technischen Möglichkeiten. Er hat sich meiner Meinung nach darüber hinaus selbst verbessert, indem er die "Seelenlosigkeit" hier sehr zum Vorteil des Instruments ausnutzte.


    Insofern ist es sicherlich interessant, diese Werke mal auf einem modernen Klavier zu hören, jedoch finde ich, dass sie den Werken gerade die Intention Bachs nehmen, ein Werk für das Klavizimbel und seine Eigenarten geschrieben zu haben. Dies tat er bestimmt nicht nur aus praktischen Gründen, sondern möglicherweise, weil die "Seelenlosigkeit" des Instruments für ihn eine Herausforderung darstellte.


    Dieses mögliche Ansinnen Bachs kann man bei der Interpretation dieser Werke auf einem anderen Instrument überhaupt nicht herausarbeiten/berücksichtigen.


    Nichtsdestotrotz werde ich versuchen, an die Aufnahmen unter Gould zu kommen.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Silbermanns Instrumente waren zu ihrer Zeit interessante Ansätze, aber - wie wir heute alle wissen - noch längst nicht ausgereift. Im Gegensatz dazu waren die Kiel-Instrumente (Clavichord, Spinett, Cembalo) zu Bachs Zeit klanglich und technisch ausgereift. Nicht umsonst bauen heute erstklassige Instrumentenmacher für erstklassige Solisten die damaligen Instrumente nach.


    Im übrigen bin ich der Meinung, wenn jemand das Cembalo als "seelenlos" bezeichnet, hat er entweder noch nie ein gutes Instrument unter den Händen eines erstklassigen Interpreten erlebt oder er ist ein Ignorant. Im ersten Fall ist Hilfe möglich, im zweiten nicht! ;)

  • Bach selbst hatte wohl diese Einschätzung abgegeben.


    Ich teile diese Einschätzung auch nicht. Das Instrument wird durch die Komposition und die Wiedergabe derselben "beseelt".

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

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