Eine Kantate, die Bach anlässlich seines ersten Weihnachtsfestes als Leipziger Thomaskantor komponierte, eröffnet den Reigen der Kantaten zum 2. Weihnachtsfeiertag, der - in der katholischen Kirche - auch der Namenstag des Erzmärtyrers Stephanus ist und damals auch im protestantischen Leipzig mitunter dieser alles anderen als weihnachtlichen Thematik gewidmet sein konnte:
BWV 40: Darzu ist erschienen der Sohn Gottes
Kantate zum zweiten Weihnachtstag (Leipzig 1723)
Lesungen:
Epistel: Tit. 3,4-7 (Gottes Barmherzigkeit ist erschienen in Christo)
Evangelium: Luk. 2,15-20 (Die Hirten an der Krippe)
Der 26. Dezember wird auch als Gedenktag des Märtyrers Stephanus begangen:
Lesungen in diesem Fall:
Epistel: Apg. 6,8-7,2a und 7,51-59 (Märtyrertod des Stephanus)
Evangelium: Matth. 23,34-39 (Jerusalem, die du tötest die Propheten)
Acht Sätze, Aufführungsdauer: ca. 20 Minuten
Textdichter: unbekannt;
Choräle: Nr. 3 - Kaspar Füger (1592); Nr. 6 – Paul Gerhardt (1653); Nr. 8 - Christian Keymann (1645)
Besetzung:
Soli: Alt, Tenor, Bass, Coro: SATB; Corni I + II, Oboe I + II, Violino I/II, Viola, Continuo
1. Chor (SATB, Corni I + II, Oboe I + II, Streicher, Continuo)
Darzu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.
2. Recitativo (Tenor, Continuo)
Das Wort ward Fleisch und wohnet in der Welt,
Das Licht der Welt bestrahlt den Kreis der Erden,
Der große Gottessohn
Verlässt des Himmels Thron,
Und seiner Majestät gefällt,
Ein kleines Menschenkind zu werden.
Bedenkt doch diesen Tausch, wer nur gedenken kann;
Der König wird ein Untertan,
Der Herr erscheinet als ein Knecht
Und wird dem menschlichen Geschlecht
- O süßes Wort in aller Ohren! -
Zu Trost und Heil geboren.
3. Choral (SATB, Corno I, Oboe I + II, Streicher, Continuo)
Die Sünd macht Leid;
Christus bringt Freud,
Weil er zu Trost in diese Welt ist kommen.
Mit uns ist Gott
Nun in der Not:
Wer ist, der uns als Christen kann verdammen?
4. Aria (Bass, Oboe I + II, Streicher, Continuo)
Höllische Schlange,
Wird dir nicht bange?
Der dir den Kopf als ein Sieger zerknickt,
Ist nun geboren,
Und die verloren,
Werden mit ewigem Frieden beglückt
5. Recitativo (Alt, Streicher, Continuo)
Die Schlange, so im Paradies
Auf alle Adamskinder
Das Gift der Seelen fallen ließ,
Bringt uns nicht mehr in Gefahr;
Des Weibes Samen stellt sich dar,
Der Heiland ist ins Fleisch gekommen
Und hat ihr alles Gift benommen.
Drum sei getrost! betrübter Sünder.
6. Choral (SATB, Corno I, Oboe I + II, Streicher, Continuo)
Schüttle deinen Kopf und sprich:
Fleuch, du alte Schlange!
Was erneurst du deinen Stich,
Machst mir angst und bange?
Ist dir doch der Kopf zerknickt,
Und ich bin durchs Leiden
Meines Heilands dir entrückt
In den Saal der Freuden.
7. Aria (Tenor, Corni I + II, Oboe I + II, Continuo)
Christenkinder, freuet euch!
Wütet schon das Höllenreich,
Will euch Satans Grimm erschrecken:
Jesus, der erretten kann,
Nimmt sich seiner Küchlein an
Und will sie mit Flügeln decken.
8. Choral (SATB, Corno I, Oboe I + II, Streicher, Continuo)
Jesus, nimm dich deiner Glieder
Ferner in Genaden an;
Schenke, was man bitten kann,
Zu erquicken deine Brüder;
Gib der ganzen Christenschar
Frieden und ein sel’ges Jahr!
Freude, Freude über Freude!
Christus wehret allem leide.
Wonne, Wonne über Wonne!
Er ist die Genadensonne.
Es handelt sich bei dieser Kantate um eine der sogenannten "Bibelwort-Kantaten" Bachs, da der Eingangschor eine mottetenartige Verarbeitung eines Bibelzitats darstellt. Diese Praxis hat Bach häufiger für seine Kantaten angewandt. Allerdings werden in der vorliegenden Kantatendichtung immerhin auch beachtliche 3 Choralstrophen untergebracht.
In dieser Kantate findet auch das von mir persönlich so geschätzte Hörnerpaar erneute Verwendung - das gibt dem Ganzen so einen wundervoll freudig-festlichen Glanz!
Ansonsten dreht sich die Thematik der Kantate weder groß um weihnachtliche, noch um Stephanus-typische Aspekte.
Es ist viel von Sündenschlangen die Rede, die dann immerhin zu einer sehr dramatischen Bassarie (Nr. 4) Anlass geben, die einen interssanten, scharf akzentuierten Rhythmus besitzt und auf mich wie eine Art bizarrer, ritueller Triumphtanz wirkt.
Der Sündenfall im Paradies, Adam, Eva und die Schlange - warum nicht auch mal zu Weihnachten?
Ich werde mir die Musik dieser Kantate nochmal ausgiebig zu Gemüte führen und dann versuchen, noch ein paar Kommentare dazu zu verfassen.
Bis dahin - ruhet wohl, ihr heiligen Gebeine...