Die Bachkantate (017): BWV122: Das neugeborne Kindelein

  • BWV 122: Das neugeborne Kindelein
    Kantate zum Sonntag nach Weihnachten (Leipzig 1724)




    Lesungen:
    Epistel: Gal. 4,1-7 (Durch Christus sind wir mündig und frei vom Gesetz)
    Evangelium: Luk. 2,33-40 (Die Worte des greisen Simeon und der Hanna zu Maria)



    Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 20 Minuten


    Textdichter: unbekannt; inspiriert aber vom titelgebendem Choral aus dem Jahr 1597
    Choral (Nr. 1 und 6, sowie in Nr. 4): Cyriakus Schneegaß (1546-1597)


    Besetzung:
    Soli: Sopran, Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Blockflöten I-III, Oboe I + II, Oboe da caccia, Violino I/II, Viola, Continuo


    1. Choral SATB, Oboe I + II, Oboe da caccia, Streicher, Continuo
    Das neugebor’ne Kindelein,
    Das herzeliebe Jesulein
    Bringt abermals ein neues Jahr
    Der auserwählten Christenschar.


    2. Aria Bass, Continuo
    O Menschen, die ihr täglich sündigt,
    Ihr sollt der Engel Freude sein.
    Ihr jubilierendes Geschrei,
    Dass Gott mit euch versöhnet sei,
    Hat euch den süßen Trost verkündigt.


    3. Recitativo Sopran, Blockflöten I-III, Continuo
    Die Engel, welche sich zuvor
    Vor euch als vor Verfluchten scheuen,
    Erfüllen nun die Luft im höhern Chor,
    Um über euer Heil sich zu erfreuen.
    Gott, so euch aus dem Paradies
    Aus englischer Gemeinschaft stieß,
    Lässt euch nun wiederum auf Erden
    Durch seine Gegenwart vollkommen selig werden:
    So danket nun mit vollem Munde
    Vor die gewünschte Zeit im neuen Bunde.


    4. Aria Sopran, Alt, Tenor, Streicher, Continuo
    Ist Gott versöhnt und unser Freund,
    O wohl uns, die wir an ihn glauben,
    Was kann uns tun der arge Feind?
    Sein Grimm kann unser’n Trost nicht rauben;
    Trotz Teufel und der Höllen Pfort’,
    Ihr Wüten wird sie wenig nützen,
    Das Jesulein ist unser Hort.
    Gott ist mit uns und will uns schützen.


    5. Recitativo Bass, Streicher, Continuo
    Dies ist ein Tag, den selbst der Herr gemacht,
    Der seinen Sohn in diese Welt gebracht.
    O sel’ge Zeit, die nun erfüllt!
    O gläubig’s Warten, das nunmehr gestillt!
    O Glaube, der sein Ende sieht!
    O Liebe, die Gott zu sich zieht!
    O Freudigkeit, so durch die Trübsal dringt!
    Und Gott der Lippen Opfer bringt.


    6. Choral SATB, Oboe I + II, Oboe da caccia, Streicher, Continuo
    Es bringt das rechte Jubeljahr,
    Was trauren wir denn immerdar?
    Frisch auf! itzt ist es Singenszeit,
    Das Jesulein wend’t alles Leid.





    Besonders der 3. Satz, das Rezitativ des Solosoprans, fällt in dieser Kantate klanglich aus dem Rahmen:
    Die Erwähnung der Engel, die die Luft im höhern Chor erfüllen, werden klanglich durch den in dieser Kantate nur an dieser Stelle erfolgenden Einsatz der 3 Blockflöten symbolisert - ein wunderschöner Effekt, der nicht ohne Wirkung bleibt, wie ich finde. :jubel:


    Auch hier wird - wie in vielen Kantaten, die liturgisch zur Weihnachtszeit gehören - wieder einmal auf die Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies angespielt.


    Sehr schön im Text dieser Kantate auch wieder ein paar Stellen der von mir so bewunderten Barocklyrik:


    Die Engel und ihr jubilierendes Geschrei - auch wenn es sich auf "versöhnet sei" reimen musste, finde ich die Formulierung "jubilierendes Geschrei" gerade in Bezug auf Engel recht unpassend, aber enorm erheiternd :]


    Und die "englische Gemeinschaft", die im 3. Satz Erwähnung findet, ist ebenfalls eine Formulierung, die zumindest heutzutage für ein wenig Verwirrung sorgen dürfte: "They speak English in heaven? Oh my god!!" :D:D


    Genau wie die Bezeichnung manch alter Gemälde, die die "Ave Maria"-Szene zeigen (Der Erzengel Gabriel eröffnet Maria, dass sie schwanger werden wird) und die mit "Der englische Gruß" betitelt sind.... well, angels speak English - it seems so ;)


    Da lob ich mir die kraftvolle Zeile aus dem Schlusschoral:


    "Frisch auf! Itzt ist es Singenszeit"
    Diese Aufforderung hört wohl jeder Musikfreund nur zu gern.... :yes::hello:


    P. S.:
    Die in diesem Rahmen evtl. etwas unangebrachte Bemerkung kann ich mir einfach nicht verkneifen - der Textdichter dieser Kantate, Cyriakus Schneegaß, könnte mit seinem wundervollen Namen ohne Weiteres einem Harry Potter-Roman entsprungen sein... ;) :wacky:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)