Die Bachkantate (021): BWV16: Herr Gott, dich loben wir

  • BWV 16: Herr Gott, dich loben wir
    Kantate zum Neujahrstag / Fest der Beschneidung Christi (Leipzig 1726)




    Lesungen:
    Epistel: Gal. 3,23-29 (Durch den Glauben sind wir Erben der Verheißung)
    Evangelium: Luk. 2,21 (Beschneidung und Namensgebung Jesu)



    Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 21 Minuten


    Textdichter: Georg Christian Lehms (1684-1717); Dichtung aus dem Jahr 1711 unter Verwendung des Anfangs von Luthers „Deutschem Tedeum“
    Choral: Paul Eber (ca. 1580)


    Besetzung:
    Soli: Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Oboe I + II, Oboe da caccia, Horn, Violino I/II, Viola, Continuo



    1. Choral SATB, Oboe I + II, Horn, Streicher, Continuo
    Herr Gott, dich loben wir,
    Herr Gott, wir danken dir:
    Dich, Gott, Vater in Ewigkeit,
    Ehret die Welt weit und breit.


    2. Recitativo Bass, Continuo
    So stimmen wir
    Bei dieser frohen Zeit
    Mit heißer Andacht an
    Und legen dir,
    O Gott, auf dieses neue Jahr
    Das erste Herzensopfer dar.
    Was hast du nicht von Ewigkeit
    Vor Heil an uns getan;
    Und was muss uns’re Brust
    Noch jetzt vor Lieb und Treu verspüren?
    Dein Zion sieht vollkomm’ne Ruh,
    Es fällt ihm Glück und Segen zu;
    Der Tempel schallt
    Von Psaltern und von Harfen,
    Und uns’re Seele wallt,
    Wenn wir nur Andachtsglut in Herz und Munde führen.
    O! sollte darum nicht
    Ein neues Lied erklingen
    Und wir in heißer Liebe singen?


    3. Aria tutti Bass, SATB, Oboe I + II, Horn, Streicher, Continuo
    Chor
    Lasst uns jauchzen, lasst uns freuen:
    Gottes Güt’ und Treu
    Bleibet alle Morgen neu.
    Bass
    Krönt und segnet seine Hand,
    Ach! so glaubt, dass unser Stand
    Ewig, ewig glücklich sei.


    4. Recitativo Alt, Continuo
    Ach treuer Hort,
    Beschütz auch fernerhin dein wertes Wort:
    Beschütze Kirch’ und Schule,
    So wird dein Reich vermehrt
    Und Satans arge List gestört.
    Erhalte nur den Frieden
    Und die beliebte Ruh’,
    So ist uns schon genug beschieden,
    Und uns fällt lauter Wohlsein zu.
    Ach! Gott, du wirst das Land
    Noch ferner wässern,
    Du wirst es stets verbessern,
    Du wirst es selbst mit deiner Hand
    Und deinem Segen bauen.
    Wohl uns, wenn wir
    Dir für und für,
    Mein Jesus und mein Heil, vertrauen.


    5. Aria Tenor, Oboe da caccia (oder Solo-Viola in einer späteren Wiederaufführung), Continuo
    Geliebter Jesu, du allein
    Sollst unser Seelen Reichtum sein.
    Wir wollen dich vor allen Schätzen
    In unser treues Herze setzen,
    Ja, wenn das Lebensband zerreißt,
    Stimmt unser gottvergnügter Geist
    Noch mit den Lippen sehnlich ein:
    Geliebter Jesu, du allein
    Sollst unser Seelen Reichtum sein.


    6. Choral SATB, Oboe I + II, Horn, Streicher, Continuo
    All solch dein Güt’ wir preisen,
    Vater in Himmels Thron,
    Die du uns tust beweisen
    Durch Christum, deinen Sohn,
    Und bitten ferner dich,
    Gib uns ein friedlich Jahre,
    Vor allem Leid bewahre
    Und nähr’ uns mildiglich!




    Es ist auffällig, dass sich Bachs Neujahrskantaten (bis auf BWV 171) textlich nicht um die Lesungen des Tages kümmern. Auch in dieser Neujahrskantate geht es um Dank für erwiesene göttliche Gnade und das Bitten um ebensolche für das nun anstehende neue Jahr.
    Auch in dieser Kantate findet (wie schon in BWV 190) ein Teil aus Martin Luthers "Deutschem Tedeum" Verwendung, was ja für eine solche Bitte um göttlichen Segen - verbunden mit der entsprechenden Danksagung - auch Sinn macht.


    Es fällt auf, dass diese Kantate im Vergleich zu den Neujahrskantaten der beiden Vorjahre auf den Einsatz von Pauken und Trompeten verzichtet.


    Bachs Experimentierfreude mit musikalischen Formen zeigt sich im Satz Nr. 3 - einer als "Aria tutti" betitelten Nummer, die eine Soloarie (für Bass) mit einem Chorsatz kombiniert, wobei dem Bass hauptsächlich der Mittelteil des dreiteiligen Satzes zufällt.


    Bach verwendet im Schlusschoral den Text derselben Strophe aus Paul Ebers Choral, wie er sie in der Kantate BWV 28, also der Kantate zum Sonntag nach Weihnachten, aus dem Jahr 1725 bereits eingesetzt hat. Diese ist nur wenige Tage vor dieser Kantate erstmals erklungen. Es entsteht damit quasi ein Bogen vom alten ins neue Jahr - Bach hat das wohl so beabsichtigt, denn er setzt diese besagte Choralstrophe absichtlich an das Ende dieser Neujahrskantate. Textdichter Lehms hatte nämlich gar keinen Schlusschoral vorgesehen!
    Und da sage noch einer, Bach hätte sich nicht auch mit den von ihm vertonten Texten intensiv beschäftigt! :jubel:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)