Die Bachkantate (022): BWV171: Gott, wie dein Name, so ist auch dein Ruhm

  • BWV 171: Gott, wie dein Name, so ist auch dein Ruhm
    Kantate zum Neujahrstag / Fest der Beschneidung Christi (Leipzig ca. 1729)




    Lesungen:
    Epistel: Gal. 3,23-29 (Durch den Glauben sind wir Erben der Verheißung)
    Evangelium: Luk. 2,21 (Beschneidung und Namensgebung Jesu)



    Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 22 Minuten


    Textdichter: Picander (= Christian Friedrich Henrici [1700-64]); Dichtung von 1728
    Choral: Johannes Herman (1591 oder 1593)


    Besetzung:
    Soli: Sopran, Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Tromba I-III, Timpani, Oboe I + II, Violino I/II, Viola, Continuo



    1. Chor SATB, Tromba I-III, Timpani, Oboe I + II, Streicher, Continuo
    Gott, wie dein Name, so ist auch dein Ruhm bis an der Welt Ende.


    2. Aria Tenor, Solo-Violine I und II, Continuo
    Herr, so weit die Wolken gehen,
    Gehet deines Namens Ruhm.
    Alles, was die Lippen rührt,
    Alles, was noch Odem führt,
    Wird dich in der Macht erhöhen.


    3. Recitativo Alt, Continuo
    Du süßer Jesus-Name du,
    In dir ist meine Ruh,
    Du bist mein Trost auf Erden,
    Wie kann denn mir
    Im Kreuze bange werden?
    Du bist mein festes Schloss und mein Panier,
    Da lauf ich hin,
    Wenn ich verfolget bin.
    Du bist mein Leben und mein Licht,
    Mein Ehre, meine Zuversicht,
    Mein Beistand in Gefahr
    Und mein Geschenk zum neuen Jahr.


    4. Aria Sopran, Violino solo, Continuo
    Jesus soll mein erstes Wort
    In dem neuen Jahre heißen.
    Fort und fort
    Lacht sein Nam’ in meinem Munde,
    Und in meiner letzten Stunde
    Ist Jesus auch mein letztes Wort.


    5. Recitativo Bass, Oboe I + II, Continuo
    Und da du, Herr, gesagt:
    Bittet nur in meinem Namen,
    So ist alles Ja! und Amen!
    So flehen wir,
    Du Heiland aller Welt, zu dir:
    Verstoß uns ferner nicht,
    Behüt uns dieses Jahr
    Für Feuer, Pest und Kriegsgefahr!
    Lass uns dein Wort, das helle Licht,
    Noch rein und lauter brennen;
    Gib uns’rer Obrigkeit
    Und dem gesamten Lande
    Dein Heil des Segens zu erkennen;
    Gib allezeit
    Glück und Heil zu allem Stande.
    Wir bitten, Herr, in deinem Namen,
    Sprich: ja! darzu, sprich: Amen! amen!


    6. Choral SATB, Tromba I-III, Timpani, Oboe I + II, Streicher, Continuo
    Lass uns das Jahr vollbringen
    Zu Lob dem Namen dein,
    Dass wir demselben singen
    In der Christen Gemein;
    Wollst uns das Leben fristen
    Durch dein’ allmächtig’ Hand.
    Erhalt deine lieben Christen
    Und unser Vaterland.
    Dein Segen zu uns wende,
    Gib Fried’ an allem Ende;
    Gib unverfälscht im Lande
    Dein seligmachend Wort.
    Die Teufel mach zuschanden
    Hier und an allem Ort!



    Der Text dieser Kantate wurde von Picander im Jahre 1728 gedichtet, es ist also durchaus möglich, dass Bach sie für den 01. Januar 1729 komponierte, ein konkretes Uraufführungsdatum fehlt jedoch, so dass durchaus auch eines der Folgejahre für die erste Aufführung in Frage kommt.
    Wie schon in BWV 190 und BWV 41 taucht der damals in Leipzig anscheinend sehr beliebte Neujahrschoral von Johannes Herman auch in dieser Kantate auf. Dieselbe Strophe, die schon BWV 190 beschließt, beendet auch diese Kantate. Auch die festliche Besetzung mit Pauken und Trompeten ist allen drei Neujahrskantaten gemeinsam.


    Zur Abwechslung nimmt Picander in seiner Dichtung auch einmal Bezug auf die Evangeliumslesung des Tages: Im Christentum wird der Neujahrstag (gleichzeitig ist es der achte Tag nach Christi Geburt) auch als Fest der Beschneidung und Namensgebung Jesu begangen. Und so wird neben den obligatorischen Wünschen für das neue Jahr (u. a. Schutz vor Feuer, Pest und Kriegsgefahr) auch die Bedeutung des Namens "Jesus" für den Christenmenschen entsprechend gewürdigt. Die anderen Neujahrskantatendichtungen, die Bach vertont hat, gehen auf diesen Aspekt gar nicht ein. Eine Ausnahme macht hier allerdings die ebenfalls für den Neujahrstag gedachte 4. Kantate des Weihnachtsoratoriums, die sich textlich fast ausschließlich mit dem Namen Jesus beschäftigt. Aber diese Kantate steht ja auch in einem anderen, größeren Zusammenhang.


    Der erste Satz ist eine beeindruckende, feierliche Chorfuge über ein Bibelwort ( Vers 11 aus Psalm 48 ). Wie häufig in seinen Bibelwort-Chorsätzen erinnert Bachs textausdeutende Musik an eine Motette nach "alter Väter Sitte" - ein Stilmittel, mit dem er meiner Meinung nach das Gewicht und die Bedeutung der Aussage der jeweils vertonten Bibelstelle hervorzuheben versucht: "Diese Worte stehen fern jeder aktuellen Modeströmung - sie sind ewiggültig!" oder so ähnlich.

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)