Die Bachkantate (023): BWV143: Lobe den Herrn, meine Seele

  • Last but not least eines der "Stiefkinder" der Bach-Kantaten-Literatur. Ich gebe aber zu, dass gerade diese bezüglich der Autorschaft Bachs zweifelhaften Werke oft die interessantesten Diskussionen und Beiträge hervorrufen. Daher möchte ich hier nur ungern auf diese Kantate verzichten:



    BWV 143: Lobe den Herrn, meine Seele
    Kantate zum Neujahrstag / Fest der Beschneidung Christi (Entstehung ca. zwischen 1708 und 1714?)



    Lesungen:
    Epistel: Gal. 3,23-29 (Durch den Glauben sind wir Erben der Verheißung)
    Evangelium: Luk. 2,21 (Beschneidung und Namensgebung Jesu)



    Sieben Sätze, Aufführungsdauer: ca. 14 Minuten


    Textdichter: unbekannt
    Choral (Nr. 2 und 7): Jakob Ebert (1601)


    Besetzung:
    Soli: Sopran, Tenor, Bass; Coro: SATB; Corni I-III, Timpani, Fagott, Violino I/II, Viola, Continuo



    1. Coro SATB, Corni I-III, Timpani, Fagott, Streicher, Continuo
    Lobe den Herrn, meine Seele.


    2. Choral Sopran, Violine, Continuo
    Du Friedefürst, Herr Jesu Christ,
    Wahr’ Mensch und wahrer Gott,
    Ein starker Nothelfer du bist
    Im Leben und im Tod;
    Drum wir allein
    Im Namen dein
    Zu deinem Vater schreien.


    3. Recitativo Tenor, Continuo
    Wohl dem des Hülfe der Gott Jakob ist, des Hoffnung auf dem Herrn, seinem Gotte, stehet.


    4. Aria Tenor, Streicher, Continuo
    Tausendfaches Unglück, Schrecken,
    Trübsal, Angst und schnellen Tod,
    Völker, die das Land bedecken,
    Sorgen und sonst noch mehr Not
    Sehen and’re Länder zwar,
    Aber wir ein Segensjahr.


    5. Aria Bass, Corni I-III, Timpani, Fagott, Continuo
    Der Herr ist König ewiglich, dein Gott, Zion, für und für.


    6. Aria Tenor, Fagott, Streicher, Continuo
    Jesu, Retter deiner Herde,
    Bleibe ferner unser Hort,
    Dass dies Jahr uns glücklich werde,
    Halte Sakrament und Wort
    Rein der ganzen Christenschar
    Bis zu jenem neuen Jahr.


    7. Coro SATB, Corni I-III, Timpani, Fagott, Streicher, Continuo
    Alleluja.
    Gedenk, Herr, jetzund an dein Amt,
    Dass du ein Friedfürst bist,
    Und hilf uns gnädig allesamt
    Jetzund zu dieser Frist;
    Lass uns hinfort
    Dein göttlich Wort
    Im Fried’ noch länger schallen.



    Von dieser Kantate, die wohl zur kompositorischen Frühzeit Bachs entstanden sein muss (wenn sie denn überhaupt von ihm stammt!), existiert kein Autograph, sondern lediglich verschiedene Abschriften, die wohl alle weit nach 1750 entstanden sein dürften.


    Der unbekannte Textdichter trägt nicht allzuviel eigenes zum Kantatentext bei, dieser setzt sich weitestgehend aus den Versen 1, 5 und 10 des 146. Psalms sowie der 1. und 3. Strophe des Chorals "Du Friedefürst" von Jakob Ebert zusammen.


    Es wird gerätselt, ob die zahlreichen Anspielungen auf Krieg und Unglück Bezüge auf einen zur damaligen Zeit tatsächlich ausgetragenen kriegerischen Konflikt darstellen, oder nur im Rahmen der in Neujahrskantaten fast allgegenwärtigen Wünsche für ein gutes (und friedliches) neues Jahr zu verstehen sind. Die Wahl des Chorals vom Friedefürsten könnte zu beiden Theorien passen.


    Einzigartig in Bachs gesamtem Schaffen ist laut Dürr die Verwendung dreier Hörner in einem seiner Werke. Das könnte natürlich gegen eine Komposition Johann Sebastians sprechen, aber wer sagt denn, dass nicht ein kurzfristig eingetretener Umstand dazu führte, dass Bach zum Zeitpunkt der Komposition gerade ausnahmsweise auf drei fähige Hornisten zurückgreifen konnte, die z. B. gerade auf der Durchreise waren? Welcher Komponist hätte dieser (seltenen) Gelegenheit widerstehen können? :yes:
    Dass dieser Umstand sich dann in Bachs weiterem Schaffen nicht noch einmal ergeben hat (er verwendet meist ein Hörnerpaar), muss ja deswegen nicht bedeuten, dass diese Verwendung dreier Hörner gegen eine Komposition Bachs spricht.


    Verschiedene Kompositionstechniken in dieser Kantate (z. B. die Verwendung von relativ "belanglosen" Instrumentalfiguren im Schlusschoral, die keinen thematischen Bezug auf die Liedmelodie haben) sollen auch untypisch für Bachs Kompositionsweise sein. Das wage ich nicht zu beurteilen.


    Man könnte jedoch mutmaßen, dass Bach - zum Zeitpunkt der Komposition demnach Anfang/ Mitte 20 - in einer Phase des Ausprobierens und Experimentierens war. Das ist in diesem Alter nicht unüblich (in jeder Hinsicht :] ) und kann ja ohne Weiteres auch auf diese Komposition zutreffen.


    Ich bin jedenfalls gespannt auf Eure Einschätzungen und Meinungen zu BWV 143! :hello:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)