BWV 58: Ach Gott, wie manches Herzeleid
Kantate zum Sonntag nach Neujahr (vermutlich Leipzig 05.01.1727, einzig erhaltene Fassung aber von 1733 oder 1734)
Lesungen:
Epistel: 1. Petr. 4,12-19 (Vom Leiden des Christen)
Evangelium: Matth. 2,13-23 (Flucht nach Ägypten)
Fünf Sätze, Aufführungsdauer: ca. 17 Minuten
Textdichter: unbekannt
Choräle: in Nr. 1 Martin Moller (1587); Nr. 5 Martin Behm (1610)
Besetzung:
Soli: Sopran, Bass; Oboe I + II, Oboe da caccia, Violino I/II, Viola, Continuo
1. Choral ed Aria Sopran, Bass, Oboe I + II, Oboe da caccia, Streicher, Continuo
Ach Gott, wie manches Herzeleid
Nur Geduld, Geduld, mein Herze,
Begegnet mir zu dieser Zeit!
Es ist eine böse Zeit!
Der schmale Weg ist Trübsals voll,
Doch der Gang zu Seligkeit
Den ich zum Himmel wandern soll.
Führt zur Freude nach dem Schmerze,
Nur geduld, Geduld, mein Herze,
Es ist eine böse Zeit!
2. Recitativo Bass, Continuo
Verfolgt dich gleich die arge Welt,
So hast du dennoch Gott zum Freunde,
Der wider deine Feinde
Dir stets den Rücken hält.
Und wenn der wütende Herodes
Das Urteil eines schmähen Todes
Gleich über unser’n Heiland fällt,
So kommt ein Engel in der Nacht,
Der lässet Joseph träumen,
Dass er dem Würger soll entfliehen
Und nach Ägypten ziehen.
Gott hat ein Wort, das dich vertrauend macht.
Er spricht: Wenn Berg und Hügel niedersinken,
Wenn dich die Flut des Wassers will ertrinken,
So will ich dich doch nicht verlassen und versäumen.
3. Aria Sopran, Violino solo, Continuo
Ich bin vergnügt in meinem Leiden,
Denn Gott ist meine Zuversicht.
Ich habe sicher’n Brief und Siegel,
Und dieses ist der feste Riegel,
Den bricht die Hölle selber nicht.
4. Recitativo Sopran, Continuo
Kann es die Welt nicht lassen,
Mich zu verfolgen und zu hassen,
So weist mir Gottes Hand
Ein and’res Land.
Ach! könnt es heute noch geschehen,
Dass ich mein Eden möchte sehen!
5. Choral ed Aria Sopran, Bass, Oboe I + II, Oboe da caccia, Streicher, Continuo
Ich hab für mir ein schwere Reis’
Nur getrost, getrost, ihr Herzen,
Zu dir ins Himmels Paradeis,
Hier ist Angst, dort Herrlichkeit!
Da ist mein rechtes Vaterland,
Und die Freude jener Zeit
Daran du dein Blut hast gewandt.
Überwieget alle Schmerzen.
Nur getrost, getrost, ihr Herzen,
Hier ist Angst, dort Herrlichkeit!
Diese Kantate ist nur in einer von Bach selbst verfassten Umarbeitung aus dem Jahr 1733 oder 1734 erhalten, obwohl sie in ihrer ersten Version möglicherweise bereits am 07. Jänner 1727 erklungen sein dürfte.
Man müsste in einem historischen Kalender mal nachschauen - ich bin mir fast sicher, dass es in den Jahren 1725 und 1726 keinen Sonntag nach Neujahr gegeben hat (wie im Jahr 2007 ja auch der Fall!)
Für die besagte Umarbeitung hat Bach drei Oboenstimmen hinzugefügt. Folglich enthielt die erste Version diese "Oboen-Anreicherung" wohl noch nicht und war was die Instrumentation betraf - wie die für den selben Feiertag konzipierte Kantate BWV 153 aus dem Jahr 1724 -wiederum "nur" für Streichensemble und Continuo-Gruppe konzipiert. Außerdem hat er die Sopranarie Nr. 3 (mit der virtuosen Solo-Violinbegleitung) neu komponiert und damit eine (sicherlich weniger virtuose) Arie, die ursprünglich an dieser Stelle stand, ersetzt.
Also war auch hier der Leitgedanke des Komponisten, seine ihm zur Verfügung stehenden Musiker nach anstrengenden Weihnachtsfesttagen, an denen ausgiebigst musiziert worden sein dürfte, etwas zu schonen. Dem Chor spendiert Bach in dieser Kantate für 2 Solostimmen sogar eine komplette "Auszeit"....
Die Wiederaufführung dieser Kantate 1733 oder 1734 bot Bach dann offensichtlich Gelegenheit, die sehr schlichte Komposition etwas anzureichern und mit den 3 Oboenstimmen und der neuen Arie Nr. 3 "aufzupeppen" - anscheinend waren ihm jetzt ein paar unentwegte Musiker untergekommen, die auch nach -zig musikalisch gestalteten Weihnachtstagen noch keinerlei Ermüdungserscheinungen aufzeigten und beschäftigt werden wollten :] - an Bachs Stelle hätte ich da auch zugegriffen und die günstige Gelegenheit genutzt
Eingangs- und Schluss-Satz sind jeweils Choralbearbeitungen, in denen die Choralmelodie (jeweils vom Sopran vorgetragen) immer wieder durch einen frei hinzugedichteten Text (den singt zwangsläufig dann der Bass) unterbrochen wird.
Auch in dieser Kantate fällt mir auf, wie geschickt der Textdichter wiederum die (düstere) Thematik der Perikopen (also der für diesen Sonntag vorgesehenen Bibelstellen) verknüpft und in den Text der Kantate einbezogen hat. Das ist, wie gesagt, nicht immer selbstverständlich in derartigen Kantatendichtungen, wo sich oft, nur allzuoft die Poeten in liturgisch frei und ungebundenen (doch immer frommen) Gedankenwelten ergehen...