Die Bachkantate (027): BWV123: Liebster Immanuel, Herzog der Frommen

  • BWV 123: Liebster Immanuel, Herzog der Frommen
    Kantate zu Epiphanias (Leipzig, 6. Januar 1725)




    Lesungen:
    Epistel: Jes. 60,1-6 (Die Heiden werden sich bekehren)
    Evangelium: Matth. 2,1-12 (Die Weisen aus dem Morgenlande)



    Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 22 Minuten


    Textdichter: unbekannt; inspiriert aber vom titelgebendem Choral aus dem Jahr 1679
    Choral: Ahasverus Fritsch (1629-1701)


    Besetzung:
    Soli: Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Traversflöte I + II, Oboe d’amore I + II, Violino I/II, Viola, Continuo



    1. Choral SATB, Traversflöte I + II, Oboe d’amore I + II, Streicher, Continuo
    Liebster Immanuel, Herzog der Frommen,
    Du, meiner Seelen Heil, komm, komm nur bald!
    Du hast mir, höchster Schatz, mein Herz genommen,
    So ganz vor Liebe brennt und nach dir wallt.
    Nichts kann auf Erden
    Mir liebers werden,
    Als wenn ich meinen Jesum stets behalt’.


    2. Recitativo Alt, Continuo
    Die Himmelssüßigkeit, der Auserwählten Lust,
    Erfüllt auf Erden schon mein Herz und Brust,
    Wenn ich den Jesusnamen nenne
    Und sein verborg’nes Manna kenne:
    Gleichwie der Tau ein dürres Land erquickt,
    So ist mein Herz
    Auch bei Gefahr und Schmerz
    In Freudigkeit durch Jesu Kraft entzückt.


    3. Aria Tenor, Oboe d’amore I + II; Continuo
    Auch die harte Kreuzesreise
    Und der Tränen bitt’re Speise
    Schreckt mich nicht.
    Wenn die Ungewitter toben,
    Sendet Jesus mir von oben
    Heil und Licht.


    4. Recitativo Bass, Continuo
    Kein Höllenfeind kann mich verschlingen,
    Das schreiende Gewissen schweigt.
    Was sollte mich der Feinde Zahl umringen?
    Der Tod hat selbsten keine Macht,
    Mir aber ist der Sieg schon zugedacht,
    Weil sich mein Helfer mir, mein Jesus, zeigt.


    5. Aria Bass, Traversflöte I, Continuo
    Lass, o Welt, mich aus Verachtung
    In betrübter Einsamkeit!
    Jesus, der ins Fleisch gekommen
    Und mein Opfer angenommen,
    Bleibet bei mir allezeit.


    6. Choral SATB, Traversflöte I + II, Oboe d’amore I + II, Streicher, Continuo
    Drum fahrt nur immer hin, ihr Eitelkeiten,
    Du, Jesu, du bist mein, und ich bin dein;
    Ich will mich von der Welt zu dir bereiten;
    Du sollt in meinem Herz und Munde sein.
    Mein ganzes Leben
    Sei dir ergeben,
    Bis man mich einsten legt ins Grab hinein.




    Wesentlich intimer und beschaulicher als Bachs andere Kantate zum Epiphanias-Fest (BWV 65) ist diese Kantate hier konzipiert: Allein die Instrumentation entfaltet durch den Einsatz je eines Traversflöten- und Oboe d'amore-Paares einen ganz besonderen, fast kammermusikalisch zu nennenden Klang.


    Von der Textdichtung her wird diesmal allerdings kein konkreter Bezug auf die Heiligen drei Könige genommen, was schon verwundert - der Epiphanias-Tag war im alten Leipzig durchaus ein wichtiger Feiertag.
    Es herrscht eher ein zwischen Trotz und Resignation schwankender Tonfall vor, der wieder einmal die typisch barocke Lebenseinstellung zum Ausdruck bringt, dass das irdische Dasein allenfalls ein fader Vorgeschmack auf das Leben nach dem Tode sein kann (dessen Eintreten man deshalb auch nicht fürchtet). Durch Jesus, der ebenfalls als Mensch in diese Welt kam, wird das Erdendasein für den Gläubigen allerdings deutlich erträglicher. Immerhin etwas....


    Die Erwähnung des "Jesusnamens" im Rezitativ Nr. 2 hätte mich, wenn ich nicht wüsste, dass diese Kantate für den 6. Januar gedacht ist, eher vermuten lassen, dass ihr Textdichter sie vielleicht für den Neujahrstag verfasst hatte. An ihm wird nämlich traditionell der Namensgebung (und Beschneidung) Jesu gedacht.


    Passend zur Erwähnung des Grabes im Schlusschoral lässt Bach diese Kantate ganz sacht im piano verklingen. Ein Stilmittel, das er nicht allzu oft angewendet hat (wie Dynamikvorschriften in seinen Notentexten sowieso fast schon Seltenheitswert besitzen)!



    Abschließend möchte ich dann auch noch an die prunkvolle 6. (und letzte) Kantate des Weihnachtsoratoriums erinnern, die ebenfalls für den heutigen 6. Januar gedacht ist und die ich mir heute keinesfalls entgehen lassen werde: "Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben" :]

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Die Erwähnung des "Jesusnamens" im Rezitativ Nr. 2 hätte mich, wenn ich nicht wüsste, dass diese Kantate für den 6. Januar gedacht ist, eher vermuten lassen, dass ihr Textdichter sie vielleicht für den Neujahrstag verfasst hatte. An ihm wird nämlich traditionell der Namensgebung (und Beschneidung) Jesu gedacht.

    Das mag daran liegen, dass es sich um eine Choralkantate handelt, deren Strophen teils direkt übernommen wurden (z.B. 1. & 6. Satz) und teils zu Arien und Rezitativen umgedichtet wurden (Binnensätze). Damit spielt das Proprium von Epiphanias eine geringere Rolle als bei anderen Kantaten (ein typisches Merkmal des Choralkantatenjahrgangs). Der Jesusname kommt im Choral "Liebster Immanuel" explizit vor, was nicht verwundert, wenn man bedenkt, dass auch Immanuel ("Gott mit uns") ein Gottes- bzw. Jesusname ist, der schon in Jesaja verheißen wird. Somit geht es einfach losgelöst vom Gedenktag der Namensgebung um den Jesusnamen.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)