Hermann Scherchen

  • Hallo Taminos,


    für viele heute sicher unbekannt dürfte der Dirigent Hermann Scherchen sein, der 1891 in Berlin geboren wurde und 1966 in Florenz starb.




    Scherchen begann ursprünglich an der Bratsche, erlernte dann aber autodidaktisch das Dirigieren (schrieb später selber Lehrbücher zum Dirigieren). Eines seiner entscheidenden Erlebnisse war sicher die Begegnung mit Arnold Schönberg und die gemeinsame Zusammenarbeit anlässlich der Uraufführung von Pierot Lunaire. Prägend sicher auch die hautnahe Teilnahem der Oktoberrevolution, die er 1917 als Kriegsgefangener in Russland miterlebte.


    Im weiteren Verlauf seines Lebens machte sich vor allem einen Namen als Sachwalter moderner Musik, dirigierte viele Uraufführungen, gründete diverse Musikzeitschriften, und beschäftigte sich neben theoretischen und aufführungspraktischen (Musik-)Themen auch mit elektro-akustischen Aufführungsproblemen. Aber natürlich dirigierte er auch das Repertoire der Wiener Klassik.


    Richtig populär war er in Deutschland nie, galt er doch als politisch ausgesprochener linker, ausgesprochen penibler und ausgesprochen schwieriger Mensch (alles Eigenschaften, die im Deutschland der 50er Jahre nicht so gut ankamen - auch gut nachzulesen bei Elias Canetti - Das Augenspiel, wo er seine Begegnung mit Scherchen beschreibt).


    Scherchen hatte er ein äußerst modernes Musikverständnis, das sich mit der damaligen vorherrschenden Klangästhetik nicht wirklich deckte.
    Hinzu kommt, dass er oft mit zweit- bis drittklassigen Orchestern zusammenarbeitete. Trotzdem erzielte er oft beste Ergebnisse. Sein Ideal war allerdings, wie oben schon angedeutet, nicht der damals übliche dunkle oder hochglanzpolierte Klang, der alles verschwimmen lässt, Kontraste aufweicht und Spannungen abschwächt, sondern er strebte ein sehr transparentes, durchhörbares Klangbild, das alle musikalischen Vorgänge durchleuchtet und aufzeigt. Alles in allem also ein Vorreiter des modernen Musikverständnisses.

    Seine Aufnahmen sind derzeit recht gut verfügbar (war schon mal schlimmer) - aber das ist immer eine Zeitsache.


    Zu seinen wichtigsten Aufnahmen.
    Dazu zähle ich eine sehr, sehr gute Beethoven Eroica und so ziemlich die beste Mahler 1., die ich kenne. Und natürlich Bachs Kunst der Fuge in einer eigenen Instrumentation.
    Aber ich will hier nicht alles vorwegnehmen - später mehr.


    Grüße aus Hamburg
    Uwe

  • Hallo Uwe,


    Zitat

    Original von Uwe
    Aber natürlich dirigierte er auch das Repertoire der Wiener Klassik.



    Zitat

    Seine Aufnahmen sind derzeit recht gut verfügbar (war schon mal schlimmer) - aber das ist immer eine Zeitsache.


    Und es wird wieder schlimmer, zum Beispiel sind die meisten Westminster-Aufnahmen, u. a. die von Dir gelobte Mahler 1 (ich vermutete Du meintest die) nicht mehr in Deutschland erhältlich.


    Immerhin ist Scherchens Frau (oder Tochter), wenn ich das richtig in Erinnerung habe mit der Plattenfirma Tahra verbunden. Das Label bringt verschiedene Live-Aufnahmen in der Regel in der bestmöglichen Klangqualität auf den Markt. Unter anderem vieles Mahler-Aufnahmen von Scherchen sowie eine Aufnahme, die ich besonders mag: Dvoraks Cellokonzert (mit Fournier) und die 3. Symphonie von Brahms, eingespielt mit dem Orchestra della Radio Svizzera Italiana, leider nicht einer der besten Klangkörper, aber das ist bei Scherchen leider oft der Fall. Das Resultat begeistert dennoch.

    Gruß,
    Gerrit

  • Hallo Thorsten,




    sorry, Du hast recht. Habe schlampig recherchiert. Zur Zeit ist tatsächlich wieder mal kaum eine Aufnahme erhältlich.


    Gruß
    Uwe

  • Lieber Thorsten, lieber Uwe,


    Hermann Scherchen, dessen Aufnahmen durch Entschiedenheit und Eindringlichkeit auch heute noch beeindrucken, ist u.a. durch das Label Westminster Legacy wieder besser zugänglich. Ich möchte sie nicht missen.


    Von den Mahler-Sinfonien besitze ich von Scherchen No. 1 und das Adagio aus No 10, No. 5 und No. 7.


    Also es lohnt sich Scherchen-Aufnahmen zu kaufen, ebenso wie solche von Horenstein, der in Furtwängler-Nachfolge im Interpretationsansatz IMO noch analytischer ist.


    Gruß


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Zitat

    Original von MStauch
    Lieber Thorsten, lieber Uwe,


    Hermann Scherchen, dessen Aufnahmen durch Entschiedenheit und Eindringlichkeit auch heute noch beeindrucken, ist u.a. durch das Label Westminster Legacy wieder besser zugänglich. Ich möchte sie nicht missen.


    Von den Mahler-Sinfonien besitze ich von Scherchen No. 1 und das Adagio aus No 10, No. 5 und No. 7.


    Genau die hätte ich auch gern, die sind aber nicht mehr in Deutschland erhältlich. Ich glaube, dass die Universal mit dem Start der Original Masters Boxen den separaten Vertrieb der Westminster-Aufnahmen eingestellt hat.

    Gruß,
    Gerrit

  • Tag,


    ein Schüler von Hermann Scherchen ist Dennis Russell Davis, auch kein einfacher Mensch (Hörensagen). Dessen Sachen sind leichter verfügbar.


    MfG
    Albus

  • Hallo Uwe und Matthias,


    tut mir leid, diesen Thread in meiner Bemerkung zu Scherchen anlässlich Beethovens 8. Sinfonie übersehen zu haben.


    Mit kaum einem Dirigenten habe ich mich so viel beschäftigt. Das "Augenspiel" von Canetti hat sicher den Blick auf Scherchen stark geprägt, für mich blieb am Ende eher ein negativer Eindruck auf Canetti statt auf Scherchen zurück. Zugleich wird auch in anderen Berichten bestätigt, dass Scherchen oft nur schwer zu ertragen war. Das soll ja auch für Mahler oder Thomas Mann gelten und führt zu der allgemeinen Frage, wie sich Charakter und das, was jemand zu sagen hat, unterscheiden lassen.


    Ich glaube, ich bin zuerst durch Mahlers 1. Sinfonie auf Scherchen gestoßen, dann Beethovens Sinfonien Nr 1, 3, 6 und 8. Bei Beethoven gehört Scherchen für mich immer zu den besten Aufnahmen, bei Mahler finde ich ihn geradezu stilprägend. Nach und nach habe ich mir bis auf die 4. alle Mahler-Sinfonien mit Scherchen beschaffen können, und kann alle Aufnahmen nur empfehlen. Am extremsten sind die 2. und die 9. Sinfonie, auf die ich bei Gelegenheit in den entsprechenden Threads ausführlicher eingehen möchte.


    Was mir bei Scherchen weiter auffiel, sind seine Schüler, zu denen Ancerl, Markevitch und Maderna zählen. Ihm ist es offenbar gelungen, zum Anziehungspunkt für viele zu werden, die gegenüber der Hauptrichtung eine eigene Linie gesucht und wie ich finde gefunden haben.

    Andere Komponisten kenne ich mit Scherchen nur wenig. Das sind einige Aufnahmen mit Schönberg, aber ich muss zugeben, dass ich mit der Neuen Wiener Schule insgesamt Schwierigkeiten habe, trotz Scherchen.


    Neben der bereits erwähnten "Kunst der Fuge" von Bach möchte ich abschließend das Requiem von Mozart erwähnen, das Scherchen auch aus persönlichen Gründen sehr am Herzen gelegen haben soll, da es eine seiner eigenen ersten Musikerfahrungen war.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Ich hoffe sehr, dass mehr Einspielungen Scherchens aus den 50ern und 60ern (Westminster) in vernünftigen CD-Überspielungen zugänglich gemacht werden. So gibt es nicht nur alle Sinfonien Beethovens, sondern auch die Klavierkonzerte (mit Badura-Skoda) und Ouverturen, alle dem Vernehmen nach sehr hörenswert; ebenso beide Bach-Passionen und etliche Kantaten, Händels Concerti und den Messiah.
    Kennt jemand die "archipel"-Überspielungen der Beethovensinfonien? Vermutlich kann man nämlich warten, bis man schwarz wird, wenn man sich nicht mit denen zufrieden geben will (ich kenne die Eroica flüchtig und habe 6 & 8 ). Aber wen sie zu schlecht sind, will ich sie auch nicht, zumal man ja einen (legalen?) Piraten unterstützt.
    Erwähnt werden sollte jedenfalls, obwohl nicht alle Sinfonien gleichermaßen gut gelungen sind, dieses Set hier; im Thread über die Sinfonie 88 habe ich schon ein wenig geschwärmt, wenn ich Zeit finde, folgt vielleicht noch mehr:



    Es wäre wirklich extrem wünschenswert, wenn DG zumindest dei Beethovensinfonein nachschieben würde (oder wer immer die Bänder hat ?( )


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes,


    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    .
    Kennt jemand die "archipel"-Überspielungen der Beethovensinfonien? Vermutlich kann man nämlich warten, bis man schwarz wird, wenn man sich nicht mit denen zufrieden geben will (ich kenne die Eroica flüchtig und habe 6 & 8 ). Aber wen sie zu schlecht sind, will ich sie auch nicht, zumal man ja einen (legalen?) Piraten unterstützt.
    JR


    ...die Archipel-Box mit den Beethoven-Sinfonien gab's gerade bei 2**1 im Angebot (9,95 - waren aber wohl nur noch Restbestände). Der Klang ist erstaunlich gut - nur etwas Rauschen. Allerdings nicht ganz so gut, wie die Westminster-Aufnahmen.


    Bei 2**1 geistern zwischendurch auch immer mal wieder Ausgabe der Millenium Classics - Hermann-Scherchen-Edition zu Spottpreisen herum (einige Mahler, Bach/ Kunst der Fuge, Brandenburgischen Konzerte, Händel/Concerti Grossi, Messiah).


    Die Beethoven KK habe ich aber leider noch nie in irgendeiner Edition/ Wiederveröffentlichung gesehen.


    Gruß
    Uwe

  • Zitat

    Original von Uwe


    ...die Archipel-Box mit den Beethoven-Sinfonien gab's gerade bei 2**1 im Angebot (9,95 - waren aber wohl nur noch Restbestände). Der Klang ist erstaunlich gut - nur etwas Rauschen. Allerdings nicht ganz so gut, wie die Westminster-Aufnahmen.


    Ich dachte Archipel wären Piraten/Kopien der Westminster-LPs? Oder sind die mit dem italienischen/Schweizer Funkorchester?


    Zitat


    Bei 2**1 geistern zwischendurch auch immer mal wieder Ausgabe der Millenium Classics - Hermann-Scherchen-Edition zu Spottpreisen herum (einige Mahler, Bach/ Kunst der Fuge, Brandenburgischen Konzerte, Händel/Concerti Grossi, Messiah).


    In deinem lokalen Laden oder im Katalog??? Ich habe daraus Mahler 5 (nicht so gut) und 7 (ziemlich gut) und Mozarts Requiem (interessant, Chor leider etwas mies)


    Zitat


    Die Beethoven KK habe ich aber leider noch nie in irgendeiner Edition/ Wiederveröffentlichung gesehen.


    Ich auch nicht, nur gehört, dass es sie gibt (nichtmal ob sie gut sind).
    Badura-Skoda wird auch, von ein paar seiner späteren Aufnahmen auf alten Instrumenten abgesehen, ignoriert. Ich frage mich wirklich, wer die Recht bzw. die tatsächlichen Bänder von Westminster hat und da drauf sitzenbleibt...
    Vielen Dank schonmal für die Hinweise!
    viele Grüße

    JR

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  • Hallo Johannes,


    Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Ich dachte Archipel wären Piraten/Kopien der Westminster-LPs? Oder sind die mit dem italienischen/Schweizer Funkorchester?


    Pirat oder nicht? - wer weiß das schon. Ich nicht. Auf jeden Fall sind ja die meisten Scherche-Aufnahmen ursprünglich bei Westminster aufgenommen, wurden aber aufgrund vollkommen dubioser Rechteverwertung bei anderen Firmen wieder aufgelegt - meist mit extrem schlechten Klangergebnissen. Aber die Archipel-Box ist OK.
    Die Aufnahmen mit den italienischen / schweizer Orchestern sind meist bei Accord aufgenommen.


    Schade. Aber wer weiß, wo die mal auftauchen. Da Alfred hier nicht so gerne Links sieht, schicke ich Dir mal per PN die (so weit ich weiß) komplette Scherchen-Diskographie.


    Gruß
    Uwe

  • Zitat

    Original von Uwe


    Pirat oder nicht? - wer weiß das schon. Ich nicht. Auf jeden Fall sind ja die meisten Scherche-Aufnahmen ursprünglich bei Westminster aufgenommen, wurden aber aufgrund vollkommen dubioser Rechteverwertung bei anderen Firmen wieder aufgelegt - meist mit extrem schlechten Klangergebnissen. Aber die Archipel-Box ist OK.


    Gut. Die werde ich demnächst holen, bis die offiziellen hoffentlich mal aus Japan rüberschwappen...


    Zitat


    Schade. Aber wer weiß, wo die mal auftauchen. Da Alfred hier nicht so gerne Links sieht, schicke ich Dir mal per PN die (so weit ich weiß) komplette Scherchen-Diskographie.


    Vielen Dank! Die hatte ich zwar schonmal gesehen, aber offenbar nicht verlinkt.
    Das Unglaubliche ist, dass es Universal Japan verdammt viel davon wohl schonmal auf CD rausgebracht hat, jedenfalls das wesentliche von Beethoven, Mahler und Bach. Johannespassion ist sogar stereo! Außer diesen Klavierkonzerten! Anscheinend haben die die Bänder und die Rechte....


    viele Grüße


    JR

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  • Ich habe letztens Hörschnipsel aus dieser Aufnahme mit Scherchen gehört.



    Da ich momentan auf der "Jagd" nach der für mich ansprechendsten Aufnahme
    von Bartoks "Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta" bin ich hier nicht gerade weitergekommen. Nicht weil diese Aufnahme mich nicht ansprechen würde.
    Im Gegenteil. Der pure Wahnsinn, was Scherchen da entfesselt.
    Jetzt habe ich schon mehrere Spitzenreiter. Da fällt die Wahl schwer:


    Mravinskij
    Reiner
    van Beinum (ein toller Dirigent, verdient eigentlich auch seinen eigenen thread!)
    Scherchen
    Jansons
    :wacky:


    :hello:
    Wulf.

  • Ach noch was, Freunde der kultivierten Unterhaltung ;)


    Kann mir jemand von den Opernspezis etwas zu dieser Scherchen-Aufnahme sagen??



    Bevor ich mir die kostenspieligere Davis-Aufnahme hole.... taugt der Scherchen bzw. die Aufnahme etwas? Bzw. auch die Sänger?


    LG
    Wulf.

  • Scherchen war der Dirigent der Uraufführung von Schönberg's
    "Moses und Aron" an der Städtischen Oper Berlin in der
    Kantstraße mit Josef Greindl und Helmut Melchert in den Hauptrollen.
    Regie Gustav Rudolf Sellner. Sellner wurde darauf hin
    Intendant der späteren Deutschen Oper Berlin Bismarckstrasse.
    Die Aufführung wurde vom RIAS Berlin im Radio live
    übertragen.
    Scherchen und Sellner bekamen vor der Premiere
    Morddrohungen und bevor die Vorstellung begann war
    im Radio nur "Buhrufe" zu hören worauf Scherchen eine
    flammende Rede hielt pro Schönberg.
    Dann war Ruhe und die Premiere begann.
    Muß 1959 oder 1960 gewesen sein, war 14 Jahre alt also
    begriff nicht ganz was da los war.... :untertauch:
    Jetzt heute bei HERMANN SCHERCHEN fiel mir das wieder
    ein.... :D
    Scherchen galt als Spezialist der Moderne.

    mucaxel

  • Hallo Wulf,


    wenn Du "Les Troyens" noch nicht kennst, dann eignet sich die Scherchen-Aufnahme nicht für ein erstes Rendezvous. Sie ist zwar von den Sängern her recht passabel (etwas leichtgewichtig, aber idiomatisch) und auch von Scherchen ganz gut dirigiert (für meinen Geschmack etwas zu breit), aber:


    - die Aufnahme enthält nur etwa die (zweite) Hälfte der gesamten Oper (deshalb der Zusatz à Carthage), die Geschehnisse vor bzw. um den Untergang Trojas der drei ersten Akte (La prise de Troie) bleiben ausgeblendet.


    - die Aufnahme ist in akzeptablem Mono (1952), so dass die fantastischen Orchesterfarben Berlioz´ eher ein wenig gedämpft rüberkommen.


    Also eher eine ergänzende Dritt- oder Viertaufnahme.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Scherchen galt absolut als Spezialist der Moderne. Dessen ungeachtet gibt es eine herrliche Aufnahme der "Vier Jahreszeiten" von Vivaldi. Asl Re-Issue ist sie bei Electrol erschienen und stammt ausweislich der Plattenhülle aus dem Westminster-Repertoire. Scherchen dirigiert das Orchester der Wiener Staatsoper, die Solo-Violine spielt Julian Olevsky. Was in dier BArock.Musik so alles drinsteckt wird auf faszinierende Weise deutlich, wenn man diese vier Concerti nacheinander in den Einspielungen von Tilegant/Barchet, Münchinger/Krotzinger und eben Scherchen/Olevsky hört. Und jedem glaubt man die Richtigkeit seines Musizierens.


    Gruß vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Wei von Uwe im Eingangsthread ausgeführt, "galt" Scherchen nicht nur als Spezialist der seinerzeit zeitgenössischen Musik, sondern hat auch zig Uraufführungen geleitet. Dessen ungeachtet war er (wie eine ganze Anzahl weiterer "Spezialisten der Moderne" Kolisch, Rosbaud, Leibowitz usw.) auch ein ausgewiesener Interpret der Wiener Klassik (und Bachs). Er hat bei Westminster mit wenig Proben und mitunter der zweiten Garnitur aus dem Pool der Staats- oder Volksoper, teils aber auch sehr guten Sängern des damaligen Opernensembles eine ganze Meng Standardrepertoire eingespielt. Leider eben oft nur schwer oder nur in mäßigen Überspielungen auf CD zu kriegen, wie ebenfalls oben diskutiert


    Die erwähnte Berliner Premiere von Moses und Aron war übrigens lt Schönberg-Archiv nicht die Uraufführung des Werks, die konzertante fand 1954 in Hamburg, die szenische 1957 in Zürich statt. Leitung beide Mal Rosbaud.


    viele Grüße


    JR

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  • Als ausgemachtes Kuriosum habe ich in meinem Giftschrank einen Mitschnitt von Wagners "Rienzi" aus der Mailänder Scala mit ihm. Titelrolle: Giuseppe di Stefano. Italienisch, drastisch gekürzt - in der Tat eine reichlich verwegene Angelegenheit!

  • Soweit ich das mitbekommen habe, war Scherchen wohl nicht zögerlich mit Kürzungen.
    Bei hmi gibt es auch eine Mahler 5. mit einen um 10 min (!) gekürzten dritten Satz!!


    Na ja, jeder hat so seine Fehler :rolleyes:


    LG
    Wulf.

  • Bin inzwischen im Bilde das es in Berlin damals sich nicht um die
    Uraufführung gehandelt hat.
    PREMIERE war am 6.10.1959
    Es war die Berliner Erstaufführung an der damaligen
    Städtischen Oper Berlin in der Kanstaße, wurde dann
    ins neue Haus (der heutigen) mit Namen Deutsche Oper Berlin Bismarkstraße übernommen.
    Scherchen dirigierte diese Wiederaufnahme auch.
    :angel:

    mucaxel

  • Hallo!


    Vielfach habe ich in diversen threads schon höchstes Lob für Scherchens Interpretation der dritten und achten Symphonie von Beethoven gehört. Das macht mir natürlich den Mund wässerig. Handelt es sich dabei um die Aufnahmen, die in dieser Box verpackt sind?
    @JR: ich glaube, Du schwärmtest für die Achte, wenn ich mich recht erinnere?



    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo Pius,


    danke für den Hinweis. Bisher kannte ich nur die Sinfonie 1, 3, 6 und 8 mit Scherchen, eine besser eingespielt als die andere. So weit ich weiß, gibt es nur eine Einspielung mit Scherchen. Die bei JPC genannten Orchester stimmen überein. Ich kann Dir nur empfehlen: Greife zu, und Du wirst begeistert sein.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Zitat

    Original von Pius
    Vielfach habe ich in diversen threads schon höchstes Lob für Scherchens Interpretation der dritten und achten Symphonie von Beethoven gehört. Das macht mir natürlich den Mund wässerig. Handelt es sich dabei um die Aufnahmen, die in dieser Box verpackt sind?
    @JR: ich glaube, Du schwärmtest für die Achte, wenn ich mich recht erinnere?




    Diese Box ist vermutlich eine eher dubiose Überspielung von Schallplatten. Ich fürchte außerdem, dass nur die ältere (Mono-)Aufnahme der Eroica, nicht DIE Eroica im Folgenden abgebildete (1958 Stereo) enthalten ist. Lt Grunins Eroica-Discographie gibt es noch zwei weitere (live? http://www.grunin.com/eroica/ )



    Auch die 6. habe ich in Stereo, hier weiß ich aber nicht, ob es eine Mono-Alternative gibt. (es gibt noch einige vereinzelte spätere Aufnahmen aus Lugano o.ä., dier aber wohl klang- und spieltechnisch (noch) problematischer als die Westminsters sind.
    Daher (und weil ich gute Überspielungen von 3,6,8 sowie private rapidshare-LP-dubs von 1,2,4,5 habe) habe ich von dieser Box bisher Abstand gehalten, obwohl es von der Eroica (bei der es eben zwei auf Westminster gab 1953, mono und 1958 stereo)) abgesehen ziemlich sicher die Westminster-Aufnahmen sind. Die Achte ist also die "richtige" (und die packendste mir bekannte Aufnahme des Stücks), allerdings auch auf dieser Sammlung enthalten:



    Ich hoffe immer noch auf "offizielle", zuverlässige CD-Versionen aller Sinfonien (die DG hat sie irgendwo im Archiv rumliegen :motz: , es gab sie nämlich teilsweise in der preiswerten "Heliodor"-LP-Reihe in den 60ern)


    Eine CD mit 6&8 habe ich außerdem abzugeben ("joe498", ggf. PN)



    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes!


    Hm, wenn da nicht DIE Eroica drin ist, dann überlege ich mirs auch nochmal. Andererseits ist das ja erstens nicht sicher ohne genaue Information (ich müßte die Box mal in die Hand kriegen), zweitens müssen die anderen Eroicas ja nicht bedeutend schwächer sein.
    Ich hatte eigentlich vor, diese Box zu kaufen und dafür die Zinman-Box zu entsorgen.


    Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Eine CD mit 6&8 habe ich außerdem abzugeben ("joe498", ggf. PN)




    Die war aber IIRC nicht auf Deiner Basarliste, als ich neulich mal reingeguckt hatte. Sollte ich nicht die Box kaufen, wäre ich daran interessiert. Sag mal bescheid, wenn Du wieder in FFM bist.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius
    Hm, wenn da nicht DIE Eroica drin ist, dann überlege ich mirs auch nochmal. Andererseits ist das ja erstens nicht sicher ohne genaue Information (ich müßte die Box mal in die Hand kriegen), zweitens müssen die anderen Eroicas ja nicht bedeutend schwächer sein.


    Ich kenne zugegeben nur die Stereo. Aber zum einen ist bei diesen Aufnahmen jeder klangliche Gewinn begrüßenswert, zum anderen ist eine der Pointen der Stereo-Aufnahme die gnadenlose Geschwindigkeit in den Ecksätzen. Die Tempi der älteren Aufnahme sind relativ gemäßigt:


    1953: 14:37.8 (ohne Wdh.); 15:41; 5:51: 12:25


    die der anderen nicht:


    1958: 14:29.4 (mit Wdh.!); 13:25; 5:25; 10:21

    (nach http://www.grunin.com/eroica/ )


    Aber ich begrüße natürlich, dass Leute die Archipel-Box kaufen und mal über die allg. Klangqualität referieren. :D


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Hallo,


    es handelt sich bei der Archipel-Ausgabe ausschließlich um Mono-Aufnahmen aus den Jahren 1951 bis 1954. Siehe dazu die ausführliche Rezension der Box: "http://www.musicweb-international.com/classrev/2004/July04/Beethoven_scherchen.htm"


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)


  • Hallo zusammen,
    naja, ich darf diese Box mein eigen nennen. Tatsächlich handelt es sich ausschließlich um Mono-Aufnahmen, die allerdings nicht sonderlich dubios sind, sondern eigentlich ganz legal und tochtechnisch zudem recht ordentlich ins CD-Format transferiert wurden. Was Scherchens Zugriff anbetrifft, so finde ich die Interpretationen im Kontext der 1950er Jahre doch bemerkenswert: Scherchen wählt insgesamt recht rasche Tempi, geht die Symphonien sehr dynamisch und dramatisch an. Die 3. in der von JR angesprochenen Stereoeinspielung kenne ich nicht (dachte bisher es würde sich um dieselbe Aufnahme handeln :O ) - dennoch: auch in der alten Monoaufnahme legt Scherchen einen atemberaubenden Drive an, der den mir bekannten Vergleichsaufnahmen aus den 1950 und frühen 1960er Jahren (Fricsay, Klemperer, Karajan, Furtwängler) ganz schön die Rücklichter zeigt. Das gilt übrigens auch für die 5., die 7. und etwa auch die 9., die Scherchen allesamt ordentlich zügig nimmt - und zwar nicht nur was die schnöde Stopuhr angeht, sondern auch was innere Spannung und Dramatik anbetrifft.
    Da die Klangqualität, wie schon gesagt, eigentlich recht ansprechend ist, kann man für unter EURO 20,00 IMO wenig falsch machen. Im Gegenteil...
    Herzlichst,
    Medard

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