BWV 156: Ich steh mit einem Fuß im Grabe
Kantate zum 3. Sonntag nach Epiphanias (vermutlich Leipzig, 23. Januar 1729)
Lesungen:
Epistel: Röm. 12,17-21 (Christliche Lebensregeln)
Evangelium: Matth. 8,1-13 (Heilung eines Aussätzigen; der Hauptmann von Kapernaum)
Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 17 Minuten
Textdichter: Picander (Christian Friedrich Henrici [1700-64]), Dichtung von 1728
Choräle: Nr. 1: Johann Hermann Schein ( 1628 ); Nr. 6 Kaspar Bienemann (1582)
Besetzung:
Soli: Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Oboe, Violino I/II, Viola, Continuo
1. Sinfonia (in F-Dur) Oboe, Streicher, Continuo
2. Aria und Choral Tenor, (Chor-) Sopran, Streicher in unisono, Continuo
Ich steh’ mit einem Fuß im Grabe,
Mach’s mit mir, Gott, nach deiner Güt’,
Bald fällt der kranke Leib hinein,
Hilf mir in meinen Leiden,
Komm, lieber Gott, wenn dir’s gefällt,
Was ich dich bitt’, versag mir nicht.
Ich habe schon mein Haus bestellt.
Wenn sich mein Seel’ soll scheiden,
So nimm sie, Herr, in deine Händ’.
Nur lass mein Ende selig sein!
Ist alles gut, wenn gut das End’.
3. Recitativo Bass, Continuo
Mein’ Angst und Not,
Mein Leben und mein Tod
Steht, liebster Gott, in deinen Händen;
So wirst du auch auf mich
Dein gnädig Auge wenden.
Willst du mich meiner Sünden wegen
Ins Krankenbette legen,
Mein Gott, so bitt’ ich dich,
Lass deine Güte größer sein
Als die Gerechtigkeit;
Doch hast du mich darzu verseh’n,
Dass mich mein Leiden soll verzehren,
Ich bin bereit:
Dein Wille soll an mir gescheh’n;
Verschone nicht und fahre fort,
Lass meine Not nicht lange währen,
Je länger hier, je später dort.
4. Aria Alt, Oboe, Violini in unisono, Continuo
Herr, was du willt, soll mir gefallen,
Weil doch dein Rat am besten gilt.
In der Freude,
In dem Leide,
Im Sterben, in Bitten und Fleh’n
Lass mir allemal gescheh’n,
Herr, wie du willt.
5. Recitativo Bass, Continuo
Und willst du, dass ich nicht soll kranken,
So werd’ ich dir von Herzen danken.
Doch aber gib mir auch dabei,
Dass auch in meinem frischen Leibe
Die Seele sonder Krankheit sei
Und allezeit gesund verbleibe.
Nimm sie durch Geist und Wort in acht,
Denn dieses ist mein Heil,
Und wenn mir Leib und Seel’ verschmacht’,
So bist du, Gott, mein Trost und meines Herzens Teil!
6. Choral SATB, Oboe, Streicher, Continuo
Herr, wie du willt, so schick’s mit mir
Im Leben und im Sterben;
Allein zu dir steht mein Begier,
Herr, lass mich nicht verderben!
Erhalt mich nur in deiner Huld,
Sonst wie du willt, gib mir Geduld,
Dein Will’, der ist der beste.
"Herr, wie du willt" - diese Aussage gilt auch in dieser Kantate zum 3. Sonntag nach Epiphanias, diesmal von Picander gedichtet. Wie in der Erläuterung zu BWV 73 schon erwähnt, ist diese Bibelstelle des Sonntagsevangeliums für alle Textdichter der Kantaten für diesen Sonntag der inspirierende Zündfunke für ihre Dichtungen.
Da kein genaues Uraufführungsdatum für diese Kantate bekannt ist, Picanders Dichtung jedoch im Jahr 1728 angefertigt wurde, muss man folgerichtig davon ausgehen, dass Bach sie frühestens für den betreffenden Sonntag des Jahrers 1729 vertont haben dürfte.
Bach leitet diese Kantate mit einem herrlichen Adagio für Solo-Oboe ein. Er verwendet diesen Satz später nochmals als langsamen Satz seines f-Moll-Cembalokonzerts BWV 1056.
Die Kombination Arie mit Choral kommt bei Bach häufiger vor, z. B. in der Matthäus-Passion. Textdichter Picander hat diese Kombination offensichtlich sehr geschätzt.
Im vorliegenden 2. Satz der Kantate wird die Choralmelodie jedoch nicht vom gesamten Chor, sondern nur von der Sopranstimme gesungen, die sich mit dem die Arie vortragenden Tenor ergänzt. Man könnte sicherlich auch einen Solosopran für diesen Part einsetzen, so dass sich hier eine Art Duett beider Solostimmen ergäbe.
In der Arie Nr. 4 kommt auch die Solo-Oboe nochmals zum Einsatz.
Der Schlusschoral ist derselbe, mit dem Bach seine Kantate BWV 73 begonnen hat (dort in einer Kombination aus Choral plus Rezitativ) - diese Parallele zeigt die wieder einmal die enge Verwandtschaft, die unter den Kantaten, die demselben Sonntag im Kirchenjahr zugeordnet sind, herrscht. Einzeln betrachtet fällt dies oft gar nicht so auf. Aber diese Bezüge und Verklammerungen untereinander finde ich sehr spannend und aufschlussreich.