Hallo liebe TaminoanerInnen
Der Komponist und Lehrer Sándor Veress wäre in diesen Tagen 100 Jahre alt geworden.
Sandor Veress ist am 1. Februar 1907 im transsylvanischen Klausenburg ( dem heutigen rumänischen Cluj) geboren. Er wuchs ungetrübt und behütet in einer bildungsbürgerlichen Familie auf, geprägt von Intellektuellen und Künstlern, hörte er klassische Musik. Während den ausgedehnten Sommerferien am Plattensee begegnete er fasziniert der „Bauernmusik“.
Früh erhielt Veress Musikunterricht, der nach der Übersiedlung 1916 nach Budapest intensiviert wurde und schliesslich zu solch angesehenen Lehrern wie Bartok (Klavier) und seit 1925 Kodaly (Theorie, Komposition) führte. Durch die Prägungen der Volksmusik bildete sich künstlerisch in ihm das, was er sein unerschütterliches „Granitfundament“ nannte, auf welchem solide aufzubauen war.
Wie schon Kodaly oder Barok beschäftigte auch Veress sich eingehend mit dem Sammeln und Auswerten von Volksliedern. 1934 erhielt er denn auch eine Assistenzstelle an der wissenschaftlichen Akademie bei Bartok.
Daneben entstanden seine ersten bedeutenden Kompositionen, wie das erste Streichquartett 1930/31, das zweisätzige Violinkonzert 1938/39 und andere. Nach einer Romreise erhielt er 1943 als Nachfolger von Kodaly eine Professur für Komposition an der Musikhochschule. Schüler von Veress waren unter anderem Ligeti und Kurtag. Durch die deutsche Besetzung im März 1944 und den russischen Einmarsch der Russen niedergeschmettert, verliess er 1949 Ungarn.
Wie durch ein Wunder erhielt er im gleichen Jahr aus Bern eine Gastprofessur. Im Folgejahr wurde er ans Konservatorium der gleichen Stadt berufen. Bis zu seinem Tod blieb er in Bern. Ende 1991 erhielt er endlich die Schweizer Staatsbürgerschaft.
Hier im Westen erwachte auch sein Interesse an der Zwölftontechnik, die er im Konzert für Klavier, Streicher und Schlagzeug von 1952 entstanden war, erstmals intensiver einsetzte. 1968 wurde er an die Universität von Bern berufen, wo er Musikethnologie und Musik des 20. Jahrhunderts zu unterrichten hatte. Zu den wichtigsten Komponisten die von Veress unterrichtet wurden möchte ich Heinz Holliger, Jürg Wyttenbach, Heinz Marti, Roland Moser wie auch Urs Peter Schneider nennen.
Veress blieb trotz der langem Emigration in Bern ein Fremder, der seinen ungarischen Akzent sowohl beim Sprechen wie beim Komponieren nie ablegen konnte und wollte. Er war ziemlich schüchtern und unzugänglich. György Kurtag vergleicht ihn mit Prospero, dem einsamen traurigen Zauberer auf der Insel.
Veress war ein skeptischer Mensch mit einem umfassenden, auch philosophisch untermeuerten Kulturpessimismus, genährt durch die Geschehnisse in Ungarn mit den hautnah erlebten Kriegserfahrungen und verstärkt durch das „Trauma des Exils“.
Das betraf auch seine musikalische Entwicklung nach 1945. Er war der ungarischen Tradition verpflichtet, aber auch beeinflusst von Stravinsky, Hindemith oder Webern. Den Darmstädter Aufbruch nach dem zweiten Weltkrieg empfand er als künstlerisch wie moralisch fragwürdig. Ihm waren prädeterminierende oder auf Zufall beruhende Prinzipien künstlerisch schwer denkbar. Er empfand für jeden auch dodekaphon gesetzten Ton die volle gehörsmässige Verantwortung.
Seine wichtigsten Werke sind vielleicht das herbe, streng kontrollierte zwölftonige Streichtrio von 1954. Heinz Holliger sagte bei einem Gespräch über dieses Werk: „Ein unglaublicher Wurf, weil alle Kräfte aufeinander einwirken und sich gegenseitig steigern.“ Erwähnen möchten wir auch das grossformal gestaltete „Musica concertante“ für zwölf Solostreicher aus den Jahren 1965/66 mit einem weitgespannten meditativen Ablauf des zweiten Satzes von grosser Intimität und Intensität. Stark verdichtet sich sein Kompositionsstil im 1982 uraufgeführten zweisätzigen Klarinettenkonzert. Die Klarinette sowohl eingesetzt in der Volksmusik wie auch in der Kunstmusik mit seinem sonoren, etwas eingeduckelten Gesangston wird hier eingesetzt mit aufglühenden Klängen mit ungarischen Akzenten durchzogen.
Leider wurde er viel zu selten aufgeführt, Dirigenten wie Erich Schmid, Victor Desarzens oder Hermann Müller mit dem Berner Kammerorchester hatten sich für ihn eingesetzt. Heute wird Veress von Musikern wie Andras Schiff, Miklos Perényi, Gabor Takacs, Ivan Fischer, Alexander Lonquich, Thomas Zehetmair, Jean-Guihen Queyras oder Tabea Zimmermann ins Programm aufgenommen.
Herzliche Grüsse
romeo&julia