"Unhöhen" - Himalajas und olympische Disziplinen

  • Tastenwolf hat im Teneusenthread geschrieben:


    Zitat

    Original von tastenwolf


    für mich führen solche Chorstellen ebenso wie die absurd tiefen bei Schütz unweigerlich zur Debatte um die Stimmtonhöhe.
    (IMO bei Beethoven mindestens einen Halbton tiefer, bei Schütz mindestens einen Ganzton höher...)


    weitere Beispiele sind die Königin der Nacht oder manche Donizetti Partien, die in musikalische Himalajahöhen vorstoßen - es macht IMO keinen Sinn, daraus olympische Disziplinen zu machen.


    Nachdem wir ja schon einen Thread über die tiefsten Partien haben, wollte ich fragen: Wie siehts denn in der Höhe aus? Welche Komponisten haben besonders sadistisch hohe Passagen in welchen Werken geschrieben? Und das kann man nicht nur auf Soprane beziehen - es gibt ja auch unmenschlich hohe Tenorpartien, ja sogar Baritonpartien, die in der Höhe einiges abverlangen.


    Dennoch zum Einstand eine gefürchtete Sopranpartie: Esclarmonde von Jules Massenet, für die Ausnahmesängerin Sybil Sanderson komponiert, geht bis zum g''', benötigt gleichzeitig aber auch Volumen und Tiefe eines dramatischen Soprans. Wegen dieser Anforderungen wird das Werk, obwohl es imo einen Gipfelpunkt in Massenets Schaffen oder sogar in der damaligen französischen Opernproduktion darstellt, auch höchst selten aufgeführt. Joan Sutherland war die einzige, die sich an eine Studioaufnahme wagte - optimal ist aber auch sie nicht.


  • hatte vor kurzem I Puritani vor mir... der Tenor sollte ein hohes f'' krähen - anders kann man die Tonerzeugung nicht mehr bezeichnen.



    Offenbach verlangt in irgendeiner Operette das es'' vom Tenor


    sonst sind gängige Himalaja Stücke - Postillon von Lonjumeau - d''


    sonst: die 8 hohen c'' in der Regimentstochter...



    das g''' für Sopran gibts auch in einer Mozart-Konzertarie... da weiß Ulli wahrscheinlich genauer Bescheid.


    Ich hab ein einziges Mal bei einem Vorsingen von einem Tenor das es'' am Schluß einer Rossini Arie (?) gehört. - scheußlich...

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Hallo


    Es dürfte einigermaßen bekannt sein, dass die große Szene der Zerbinetta ("Großmächtige Prinzessin") zu den "Gipfeln" der Gesangskunst im Repertoire-Betrieb zählt. Weniger bekannt dürfte sein, dass wir heute in der Fassung von 1916 eine "entschärfte" Version hören - falls wir überhaupt eine hören, denn Zerbinettas zählen zu den stark bedrohten Arten. ;)


    In der zweiten Version der Ariadne reagierte Richard Strauss auf Beschwerden von Sängerinnen, die mit den Anforderungen der Urversion (1912) nicht zurechtkamen. Strauss kürzte darauf die Szene indem er einige extrem schwierige Koloraturpassagen herausnahm und setzte die heikelsten Passagen um einen ganzen Ton herab.


    In den letzten Jahrzehnten weiß ich nur von Beverly Sills und Edita Gruberova, dass sie gelegentlich die Urversion zum Besten gegeben haben (Edita Gruberova hat sie auf einer LP mit Koloratur-Arien verewigt; außerdem gibt es auf YouTube einen Konzertmitschnitt mit eben dieser Arie; ebenso dort findet sich diese Szene auch aus einem Mitschnitt aus der WSO 1982 in der "üblichen" Version; es ist das vollendetste, was ich an Darstellung und Gesang auf der Opernbühne kenne!!! Absolut unbeschreiblich!!!)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von tastenwolf
    das g''' für Sopran gibts auch in einer Mozart-Konzertarie... da weiß Ulli wahrscheinlich genauer Bescheid.


    rechte dixisti, Lupo!


    Das Werk ist das Rezitativ Popoli di Tessaglia mit anschliessender Arie Io non chiedo, eterni Dei KV 316, ein Ersatzstück für die entsprechende Arie Alcestes in der italienischen Originalfassung von Chr. W. Gluck. Hier gibt es wirklich unglaubliche Coloraturen, die höchste Note ist - kurz vor Schluß der Arie - das g''' in T. 173. Das ist bei Mozart absolut einmalig.


    Man muß sich dabei Vorstellen, dass zunächst allein die Notation [damals im C-Schlüssel] bereits Schwierigkeiten bereitete: es sind fünf Hilfslinien [also ein komplettes Notensystem] notwenig für die Notation.


    Aber es gibt weitere Arien von Komponisten der Mozartzeit, welche die Marternarie und jene der Königin der Nacht in der Höhe um einen Ton übertreffen:


    Zunächst ist Leopold Kozeluch zu nennen: In seinem Oratorium Moisé in Egitto wird von der Sopranistin ebenfalls das g''' [jeweils als "Krönung"] abverlangt. In Grétrys Zémire et Azor wird das g''' in der Kadenz sogar "colorativ" umsungen [Air de la fauvette] - ein wahrer Zweikampf gegen die Soloflöte...


    Alle von mir genannten Arien wurden seinerzeit von der hochlöblichen Aloysia Lange geb. Weber gesungen.


    Hierzu bedarf es natürlich entsprechender Sangeskunst :D Empfehlenswert sind diesbezüglich Simone Kermes und Mandy Mesplé - beide Stimmen haben einen [für mich] ganz hervorragenden Eigencharakter, der nicht nur auf Höhe abzielt. Beide Stimmen umfassen insgesamt [ohne Probleme!] 3 Oktaven.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Ich kenne übrigens einen Sänger, der behauptet, bis zum g''' zu kommen. Gehört habe ich ihn leider noch nicht. In einem mir bekannten Chor singt er Bass ?(

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Vielleicht hat ihm jemand wohin getreten... dann könnte das ausnahmsweise mal klappen...


    :D


    Castraten hatten übrigens damals zum Teil diese Stimmlage.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Kennt ihr die französische Kolorateuse Natalie Dessay? Die singt in der Olympia-Arie, die ja eigentlich "nur" bis d3 geht (also nichts besonderes für einen Koloratur-Sopran) ein lang ausgehaltenes gis3 in einer persönlichen Kadenz, die nicht notiert ist! Zuerst hätte ich das garnicht für möglich gehalten, dass das ein so hoher Ton ist, weil er garnicht so klang, es war ein schöner Ton mit ordentlich Körperklang und ein leichtes Vibrato dabei (Irgendwer hat behauptet, dass man die Töne des Pfeifregisters nicht mit Vibrato singen kann, Dessay liefert also den Gegenbeweis!)


    Es gab doch auch schon Nachtigallen, die eine Kadenz bis c4 gesungen haben... ich würde sagen, Kadenzen kann man (wenn man die Stimmliche Vorraussetzung dafür erfüllt) fast unbegrenzt ausweiten, oder?
    Allerdings sollte man noch im Unterricht/beim Einsingen mindestens ne kleine Terz drüber haben, sonst wirkts eng!


    LG, Blondchen

  • Hallo


    Natürlich. Natalie Dessay startete ihre Karriere vor 15 Jahren und wurde sehr schnell zu einer herausragenden Koloratursopranistin. Bis zur Jahrtausendwende hatte sie sich zur legitimen Nachfolgerin von Edita Gruberova emporgearbeitet. Dann kam leider eine Stimmbandoperation. Sie hat nach einer Pause ihre Karriere wieder aufgenommen, ist aber seither medial nicht mehr so präsent wie vorher (zumindest in meinen Sphären).

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Davon wusste ich nun wieder nichts... ;), ist ja interessant... ich habe irgendwann mal auf youtube ein interview mit ihr verfolgt, da ging es um ihrere "nouvelle voix" und ich habe mich schon gefragt, warum sie eine neue stimme hat! Sie ist wohl etwas tiefer geworden durch die OP und singt jetzt eher lyrischere Rollen (la Sonnambula z.b.)!



    LG, Blondchen

  • Viscardos Anfangsarie in "Il Giuramento" von Mercadante. Da kommt plötzlich völlig unerwartet vom Boden einen Sprung nach Es'' (nichtwahr, Ulli).


    UNd wie hoch kam Yma Sumac??


    LG, Paul

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