Ravel Streichquartett F-Dur

  • Hallo Taminos,


    hier geht es um das einzige Streichquartett Maurice Ravels (F-Dur). Es ist sein erstes kammermusikalisches Werk, entstanden 1902/1903.


    Für mich war Ravels Quartett damals mein 1. Streichquartett, das ich im Konzert erlebt habe, und war ziemlich angetan. Das hält bis heute an, denn noch immer höre ich es sehr gern.
    Meine favorisierte Aufnahme ist die mit dem ABQ (die ich auch schon in die Liste der great recordings of century eintragen wollte).




    Für mich kommen sie dem (meinem) Klangideal Ravels näher als das Hagen-Quartett oder das Melos-Quartett. Oder?


    Grüße aus Hamburg (sauwetter hier)
    Uwe

  • Ich kann auf Ravel und Debussy in diesem Genre nicht verzichten. Ich schließe mich der ABQ-Empfehlung, werfe aber noch eine nicht ganz so alte, aber schon vergriffene Aufnahme in den Ring: LaSalle Quartett auf DG, die (ihre Einspielung der 2. Wiener Schule lässt grüßen) die zukunftsweisenden Aspekte der beiden Kompositionen hervorstreiche. Hat das Emerson String Quartet die Werke schon eingespielt? Das wäre eine Aufnahme, die mich reizen würde.

    Gruß,
    Gerrit

  • Morgen,


    als Schallplatte hatte ich die Aufnahme mit dem Alban Berg-Quartett sZt gekauft, es gab irgend keine Katalog-Alternativen, sagte die Verkäuferin. Das ist doch die zu sehr verhallte Produktion, nicht wahr? Im Rundfunk war es, die Verhallung, auch schon zu hören, was die Verkäufern mit Kopfschütteln quittierte. Ich finde noch immer, fast alle Aufnahmen des Quartettes sind unästhetisch verhallt. Leider, vielleicht.


    Im Kammermusiksaal der Hamburger Musikhalle klangen die Herren jedenfalls nicht hallig. Das war besser.


    MfG
    Albus

  • Hallo Thorsten,


    Zitat

    Original von Thorsten_Mueller
    Hat das Emerson String Quartet die Werke schon eingespielt? Das wäre eine Aufnahme, die mich reizen würde.


    ...ja, haben sie. Kenne ich allerdings auch nicht (gibt's z.Zt. günstig bei amazon - wäre eine Überlegung wert :D ).



    Gruß
    Uwe

  • Ich habe einige Hintergrundinformationen aus dem Textheft meiner Aufnahme gescannt.



    "Im Jahre 1903 komponierte Maurice Ravel sein Streichquartett (in der heute bekannten Gestalt datiert das Werk allerdings aus einer 1910 abgeschlossenen Revision). Man kann mit einiger Sicherheit behaupten, daß es nicht ohne die Kenntnis von Debussys Quartett hätte geschrieben werden können. Doch die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Werken waren für die Zeitgenossen weit auffälliger als für uns, die wir mit unserem zeitlichen Abstand die Unterschiede zwischen den beiden Komponisten stärker wahrnehmen als die Gemeinsamkeiten.


    Debussy war im wesentlichen ein freier Künstler und Neuerer, Ravel dagegen der vollendete Techniker und eigentlich traditionsverbunden. Ravel widmete sein Quartett seinem Lehrer Gabriel Faure.


    Folgerichtig beginnt der erste Satz (Allegro moderato) denn auch mit jener Art einer lyrischen Eingebung von trügerischer Einfachheit, wie Faure selbst sie häufig verwendete. Bald schon verändern sich Textur und Stimmung, doch der Charakter des gesamten Satzes ist vorgegeben durch die Bezeichnung des seltsam verhaltenen, nostalgisch klingenden zweiten Themas: pianissimo, tres expressif. Dies verhindert nicht, daß es am Ende der Durchführung zu einem eindrucksvollen Höhepunkt kommt, der jedoch nur wenige Takte lang währt und die grundsätzlich zarte und heitere Stimmung des Satzes unbeeinträchtigt läßt.


    Der zweite Satz (Assez vif - tres rhythme) stellt den simultanen Gebrauch zweier verschiedener Metren (6/8 und 3/4) in den Mittelpunkt; ein Wesenszug, der durch den Wechsel von gestrichenen und gezupften Saiten noch betont wird. Immer wieder aber wird das cantabile der Streicher - ihre sangliche Qualität - betont. Der gesamte, sordinierte Mittelteil (Lent) wendet sich zurück zum expressivo des ersten Satzes. Der Satz kulminiert in einem harfenartigen Klimax vor der Wiederkehr des Einleitungteils.


    Im dritten Satz (Tres lent) spielen die Streicher wieder mit Dämpfer, und der Komponist meditiert über Material Fragmenten aus den vorausgegangenen Sätzen. All seine Vorstellungskraft und sein technisches Können setzt er ein, um neue "Bilder" oder Arten der Präsentation zu erfinden. Wenn Ravels Herz, wie das seines Uhrmachers Torquemada, tatsächlich in seiner Werkstatt beheimatet war, so offenbart dieser Satz uns mehr über den Komponisten als jeder andere des Quartetts.


    Das Finale (Vif et agite) eilt dahin und kommt nur zeitweilig zur Ruhe in einer neuen, rhythmischen Version des zweiten Themas aus dem ersten Satz. Die musikalische Szenerie verändert sich unablässig und mit einer Geschwindigkeit, die uns bekannte Ideen erst dann erkennen läßt, wenn sie sich schon wieder in einer neuen Facette des Kaleidoskopes aufgelöst haben. Hinter dieser fantasmagorischen Anlage jedoch steht der Geist des Komponisten, der niemals aufhört, sich logisch zu bewegen, auswählend und abwägend, gegenüberstellend und überdenkend, und wahrhaft schwelgend in jenem "reinen Spiel", das einer der grundlegenden Wesenszüge der gesamten Kunst ist."


    Aus dem Textheft von Martin Cooper

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

  • Hallo,


    ich möchte eine Lanze brechen für das Quartetto Italiano (Philips, 1965), für mich die unerreichte Version Ravels und Debussys. Aber das ABQ ist auch toll, keine Frage!


    Gruß
    B.

  • die schönste aufnahme ist für mich die mit dem fine arts quartett auf lodia...leider sowohl die interpreten wie die schweizer firma viel zu unbekannt.


    ravels quartett (wie z.t. auch das von debussy) war übrigend dasjenige, welches mir das tor zu diesem genre ganz weit aufstieß. mit ihm assoziiere ich immer einen herrlichen tag im sommer ... problemlos, sans souci, einfach herrlich französisch ...


    einfach unvergeßlich :jubel::jubel::jubel: :jubel: :jubel:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Was mich etwas nervt, vom Standpunkt der Sortierung in der Sammlung, ist der Umstand, daß es so oft mit dem Quartett von Debussy gekoppelt ist. Da muß man glatt zwei CDs kaufen ;)


    Unübertroffen ist IMHO das klassische Quatuor Pro Arte in der Besetzung von 1912-1944, zu haben in der Andante-Box mit 4 CDs.

  • Heute habe ich zum ersten Mal das Ravel-Quartett in der Einspielung des Hagen Quartetts gehört. Ich finde die Einspielung ziemlich weich, nicht so kraftvoll. Da dieses Werk ohnehin eher leichtfüßig ist, fehlt mir hier etwas der Halt. Wer es allerdings eher etwas lockerer und weicher mag, der sollte hier zugreifen; die Hagens sind natürlich sehr gut.


    Die oben vermisste kraftvollere Interpretation bin ich z.B. vom Melos Quartett gewohnt. Die folgende Einspielung ist wirklich stark und mit vollem Ton. So mag ich Ravel und Debussy eigentlich ganz gerne, obwohl oder gerade weil die Kompositionen doch eher locker und farbig sind. Das Cover meiner vor mehr als 15 Jahren erworbenen CD derselben Aufnahme zeigt allerdings die vier Melosmusiker jeweils unter einem Regenschirm, den Geigenkoffer in der Hand.



    In jüngeren Jahren mochte ich das Ravelquartett sehr (allerdings das Debussyquartett noch mehr). Heute höre ich das Ravelfrühwerk nur noch gelegentlich, eher zur Abwechslung; einige Orchesterwerke dieses Komponisten schätze ich heute mehr. Man kann, wie ich meine, den Einfluss des Debussyquartetts auf das Ravelquartett nicht überhören. Beide Stücke habe ich schon häufig in Konzerten erlebt; besonders im Sommer wirken sie im Konzertsaal sehr.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Auch ich möchte eine Lanze brechen für das Quartetto Italiano aber nicht wie Barbirolli oben für die bei Philips, sondern die bei der EMI, für mich die unerreichte Version Ravels und Debussys!
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:



    Wie Gieseking am Klavier gelingt es den Musikern, die verschiedenen Lichtblitze „objektiv“ und durchsichtig ganz aus dem Moment heraus aufleuchten zu lassen. Da wird keine willkürliche Linie gezogen und kein subjektiver Ausdruck untergejubelt. Impressionismus im eigentlichen Wortsinn. Ein Interpretationswunder, und eine Klangperle mit diesem großartigen Klangkonzept der 50er Jahre!
    Das ist eine dieser Aufnahmen, die ich unter meine Top Ten der Streichquartettaufnahmen überhaupt einreihen möchte. (– schon allein deshalb, weil kein anderes Quartett, soviel ich bislang hören konnte, auch nur annähernd einen solches einzigartiges Konzept verfolgt hat. Leider haben sie bislang noch keine Nachahmer gefunden.)


    Es ist kaum zu glauben, wie sehr sich die Auffassung bei der späteren Philips-Aufnahme (ich dachte, die wäre aus Anfang der 70er - oder gibt es gar zwei bei Philips??!) geändert hat!

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich hatte das französische Quatour Ebène in einem Konzert ganz in der Nähe meines Wohnortes gehört. Die Eintrittspreise für ein Konzert dieses Spitzenensembles waren tief. Einige Tage später spielten sie in Zürich das gleiche Programm. Dieses Mal konnte man eine Null hinter den Preis setzen, den ich einige Tage zuvor für ein Ticket bezahlt hatte.


    Hier spielen die vier Herren das einzige Streichquartett von Maurice Ravel.



    Auf der CD spielt das Quatour Ebéne Ravels F-Dur Quartett, das Streichquartetten von Gabriel Fauré e-Moll op. 121 und Claude Debussy Streichquartett g-Moll op. 10. (Matthieu Herzog, der Bratschist, gehörte 2008 in dieser Aufnahme noch zum Ensemble.)


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928