Die (erste) Enttäuschung

  • hallo,


    sicherlich bin ich nicht der einzige, dem es wie folgt ergangen ist:


    man hat eine/einen interpretin/en, die/den man fast über alles liebt, deren/dessen cds man ungehört kauft, sich auf jede veröffentlichung riesig freut und dann .... erlebt man die erste enttäuschung.
    man fragt sich warum, was ist passiert, was soll das? und bleibt fast ratlos zurück.


    so ergangen vor ein paar tagen mit rene jacobs' einspielung der mozart-symphonien 38 und 41. so eine im wahrsten sinne des wortes merkwürdige, ver-rückte aufnahme habe ich noch nie gehört. vollkommen manieriert; mir kommt es vor, daß er nur bestrebt war, alles 'anders' zu machen: da gibt es willkürliche temporückungen, grauenhaft entstellende betonungen (man höre den beginn des 2. satzes der 41. ... ?( :wacky: ), alles scheint in einzelheiten zu zerfallen, der große bogen und die melodik scheinen abhanden gekommen zu sein...


    ich bin ratlos... ?(


    zur gewissen ehrenrettung will ich sagen, daß natürlich manche der (m.e. sinnlosen) eigenarten durchaus etwas haben und sogar faszinieren, auch die tempi gerade bei 38 oder dem 3. satz der 41. begeistern durch schnelligkeit.


    insgesamt jedoch nur als 4. oder 5. einspielung zu empfehlen.


    wie ist euer eindruck davon?


    oder - weiter gefragt - bei welchem eurer lieblinge habt ihr ähnliches erlebt?


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Nach Deiner Kritik wird die Aufnahme zusehens interessanter :D



    Aber ich sehe soetwas eher gelassen - ich habe auch schon Aufnahmen gekauft von denen ich weniger angetan war, Christie, Savall, Jacobs ... ich verlange das auch gar nicht, dass alles immer Perfekt wird - es sind ja auch nur Menschen.


    Aber soetwas kommt zum Glück selten vor, ich sehe dass dann auch nicht als "schlecht" an (da ist auch etwas anderes), sondern eher so dass es meinem Geschmack nicht entspricht.
    Aber ich lasse solchen Sachen dann meist etwas ruhen und irgendwann höre ich mir das dann nochmal an.




    Aber mal sehen, da die Aufnahme bei Fono Forum so gelobt wurde, bin ich jetzt wirklich sehr gespannt darauf.



    :hello:

  • Ich bin auch mal gespannt, da Jacobs seit seiner grandios schwerefreien und trotzdem
    glasklaren Einspielung der Motetten von Bach ein Hausgott für mich ist, den ich mir
    immer wieder anhören kann, ohne mich auch nur eine Sekunde zu langweilen.


    Aber vielleicht ist er ja von Gould inspiriert worden ... :O

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Hallo Klingsor,
    so merkwürdige Temporückungen und auch Betonungen können theoretisch leicht durch schlechten Schnitt entstehen, etwa wenn es nicht genügend gute Takes im "gültigen" Tempo gibt, behilft man sich halt mit einem Take im anderen Tempo etc.


    So etwas kann leider auch (sogar besonders leicht) bei sogenannten Live-Aufnahmen passieren.
    Ich bin da immer sehr skeptisch.
    Verdächtig zumal im Fall von R.Jacobs, denn durch seine eigentümliche Schlagtechnik gibt er praktisch gar nicht das Tempo vor, sondern es entsteht mehr oder weniger aus dem Ensemble heraus. Freilich denkbar daß das Ensemble bezüglich Tempo etwas instabil ist, aber dann muß man diese Instabilität als solche auch spüren können, was ja durchaus eine besondere Art von Spannung erzeugen kann.


    Was nur kalt oder mechanisch wirkt, ist es oft auch.
    War da etwa ein anderes Aufnahmeteam am Werk als die gewohnten Namen?


    Gruß, Khampan

  • Zitat

    Original von Khampan
    Verdächtig zumal im Fall von R.Jacobs, denn durch seine eigentümliche Schlagtechnik gibt er praktisch gar nicht das Tempo vor, sondern es entsteht mehr oder weniger aus dem Ensemble heraus.


    Lieber Khampan, kannst Du mir dies ein wenig genauer erklären?

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner

  • Hallo Joerg!


    Den Eindruck teile ich. Zumindest, was die Jupiter-Sinfonie anbelangt. Denn die 38. finde doch recht spannend interpretiert.


    Aber bei der vermeintlichen "Kroenung" des Mozartschen Symphonie-Schaffens scheint Jacobs aehnlich wie beim Don Giovanni etwas Muffensausen bekommen zu haben. Es ist irgendwie zu viel des Guten. Es wikt, als ob er sich jedem Moment des Gewichts des Werkes bewusst waere und staendig versucht, seinen Stempel aufzudruecken. Am meisten hat mich persoenlich das Menuett enttaeuscht. Es kommt als heiteres, fast hohl wirkender Tanz daher. Dabei steckt meines Erachtens in diesem Satz eine ganze Prise fast sarkastischer Humor, eine gewisse bittersuesse Sueffisanz. Bei Jacobs wirkt das IMO viel zu entspannt.
    Aber vielleicht ist das nur mein falscher Eindruck....


    :hello:
    Wulf.

  • Von den Lieblingen enttäuscht? Das ist mir bislang mit den Live-Aufnahmen von OSR unter Ernest Ansermet so gegangen. Anfang der 1990er ist einiges im Auftrage des Orchesters aus den schweizerischen Rundunkarchiven bei Cacavelle veröffentlicht worden. Gewiss nicht das Beste. Ansermet und Martinu, gut, das war musikalisch ansprechend, aber de Falla's "Nuits" mit Casadesus und Ansermet? Das wird auch nach wiederholtem Hören nicht besser. Mit dieser Veröffentlichung hat man beiden keinen Gefallen getan.


    Das gilt auch für einen Live-Mitschnitt von Brahms' 2. Sinfonie unter Jascha Horenstein. Ein Festival-Mitschnitt mit einem tschechischen Orchester; die Daten dieses Grauses habe ich mir gar nicht erst gemerkt (und in der im Web verfügbaren Horenstein-Diskographie taucht das Ding auch gar nicht auf). Die Orchesterleistung ist hier unter aller Würde. Was macht man mit so etwas? Genau, flugs wieder bei ebay eingestellt (woher die CD ja auch kam).


    Das waren bislang allerdings meine einzigen Pechkäufe bei Lieblingsinterpreten.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Hallo klingsor,


    ja, das kenne ich auch. Es wird wohl keinen Plattenjunkie geben, der soetwas noch nicht erlebt hat.


    Mein Beispiel ist die Eroica unter Jordi Savall. Die hat mir anfangs gar nicht gefallen - man kann´s im entsprechenden Thread nachlesen. Inzwischen hat sich das aber geändert und ich mag die Aufnahme ganz gerne. :]



    Ein zweites Beispiel ist diese CD:



    Wenn Engel musizieren - Instrumente im Freiberger Dom 1594
    Musica Freybergensis, Roland Wilson



    Die war (und ist) eine herbe Enttäuschung, ich war von Roland Wilson sehr viel besseres gewohnt.



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Jetzt endlich fällt mir mein radikales Negativerlebnis ein:
    Freiburger Barockorchester: vier Jahreszeiten (Vivaldi)


    Während ich die Freiburger wegen der stilistisch plausibel klingenden Noblesse einer Johann Christoph Bach-Aufnahme in Herz geschlassen hatte, und ich von ihnen einen moderaten nicht modisch fetzig gekratzten Vivaldi erhofft habe, hat es mich umso mehr schockiert, dass auch sie bei Vivaldi in die untere Lade greifen.


    Die Aufnahme ist bis jetzt von mir geächtet und ich habe Pinnock gekauft (noch nicht gehört).

  • Zitat

    Original von Masetto


    Lieber Khampan, kannst Du mir dies ein wenig genauer erklären?


    schon mal live gesehen?
    Ich muß zugeben, es ist mir nicht vollständig gelungen, seine Schlagtechnik zu analysieren. Nur eine grobe Annäherung:
    Nehmen wir ein Stück im 4/4 Takt.
    Jacobs Dirigierhand ist dann vielleicht jedes 3. Viertel unten. Wäre also theoretisch jeden 4. Takt wieder auf der Eins am Platz, aber: gegen Ende einer viertaktigen Phrase verdichten sich die Schlagbewegungen, so daß auf wundersame Weise mit der Eins des 5. Taktes (neue Phrase) Dirigierbewegung und Taktart wieder in Einklang sind.
    Eine höchst spannende Geschichte, aber das zieht sich so oder ähnlich durch ein ganzes Konzert. Ich konnte zuletzt nur noch meine Augen schließen.


    Einige Orchestermusiker, mit denen ich hinterher noch zusammengesessen bin, haben mir bestätigt, daß diese Schlagtechnik sehr gewöhnungsbedürftig und eigentlich nicht zur Tempovorgabe geeignet ist. Es wird halt das Tempo gespielt das geprobt wurde. Aber gerade diese so mysteriösen Dirigierbewegungen würden eine eigentümliche Art von Spannung erzeugen, ohne die die beabsichtigte Interpretation wohl nicht zustandekommen würde.


    Gruß, Khampan

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Khampan
    so merkwürdige Temporückungen und auch Betonungen können theoretisch leicht durch schlechten Schnitt entstehen, etwa wenn es nicht genügend gute Takes im "gültigen" Tempo gibt, behilft man sich halt mit einem Take im anderen Tempo etc.


    Salut,


    das verstehe ich aber überhaupt nicht, wo man doch das Tempo seit einiger Zeit ohne Tonhöhenveränderung problemlos am heimischen PC [sogar!] anpassen kann...


    ?(


    Um zum eigentlichen Thema zurückzukehren:


    Zitat


    oder - weiter gefragt - bei welchem eurer lieblinge habt ihr ähnliches erlebt?


    So einen Extremfall hatte ich noch nicht erlebt: Ich bedenke dabei ohnehin stets, dass die Schnittmenge aus dem Denken der Ausführenden und meinen Erwartungen in der Regel eher klein ist. Zudem besteht die Möglichkeit, in Neuerwerbungen in spe vorab hineinzuhören... [Nur gelegentlich kommt es vor, dass ich spontan eine CD aus Interesse erwerbe und diese nicht einmal ganz zu Ende höre].


    Das jacobinische oder harnoncourtensische "Vorlesen" der Partitur kotzt mich eh an... es mag ja interessant sein für jene, die keine Partituren lesen können, aber mit Musik und dem Kunstwerk als solchem hat dies für mich weniger als nichts zu tun. Vielleicht ist es aber auch wieder ein eigenes Kunstwerk... wer weiß?


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli
    das verstehe ich aber überhaupt nicht, wo man doch das Tempo seit einiger Zeit ohne Tonhöhenveränderung problemlos am heimischen PC [sogar!] anpassen kann...


    das klangliche Resultat genügt aber ambitionierten Ansprüchen nur in sehr engen Grenzen, das gilt selbst für teure professionelle pitch control / time stretch Programme (mehrspurfähige Versionen mit hoher Auflösung gibt es zudem noch gar nicht lange). Genaugenommen funktioniert es sicher nur für eine Einzelstimme. Schon eine zweite wird - weil das Programm nur einer Wellenform optimal folgen kann - rigoros zerbröselt. Probier's mal mit zwei Bläserstimmen.


    Gruß, Khampan

  • Salut,


    also ich habe nur das gelesen und nutze das Programm selbst [allerdings nur zum Schneiden].


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Eigenartigerweise dachte ich SOFORT als ich diese Aufnahme in den Klassikläden sah: "Hände weg"


    Wie das ?
    Ich hatte sie doch noch gar nicht gehört ??


    Nun meine Erklärung ist simpel - und daß meine Annahme zu trifft ist "Wasser auf meine Mühlen":
    Rene Jacobs hat zuletzt einige sehr gewagte - aber gelungene Deutingen von Mozarts Da-Ponte-Opern abgeliefert.


    Dementsprechend groß war die Erwartungshaltung, der Leistungsdruck, neues um jeden Preis vollbringen zu müssen.


    Das habe ich erwartet - und so kingt es auch.
    Als Nebeneffekt zeigt die Aufnahme (ich kenne nur wenige Sekunden aus dem Internet, aber die genügen IMO, um sie beurteilen zu können) welche Verballhornung Mozarts Musik in den letzten Jahrzehnten erfahren hat.
    Bei Mozart ist der Schaden gering, aber man stelle sich vor, es wäre die einzige Aufnahme eines Werks eines unbekannten Komponisten !!!!


    Das Todesurteil der Mehrheit des Konzertpublikums wäre ihm sicher.


    Allerdings muß man relativieren und sich die Frage stellen was man überhapt will ? Das Werk in seiner ursprünglichen Form hören oder wenigstens in einer Deutung die dem Geist der Komposition nicht zuwiderläuft. (?)


    Oder um jeden Preis Neues aus den Noten herauskitzeln - Dinge die gar nicht da sind. (?)


    Letzters ist die derzeitige Linie und ich halte sie für gefährlich weil:


    a) der eigentliche Mozartliebhaber vergrault wird.


    b) derjenige der gern schräge schrille und aggressive Töne hören will - auch nicht wirklich zufriedengestellt wird.......


    So wird Mozart (und Zeitgenossen) langsam aber sicher unattraktiv gemacht - der Weg ist frei für heutige "Komponisten" und ihre Werke...



    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Rene Jacobs hat zuletzt einige sehr gewagte - aber gelungene Deutingen von Mozarts Da-Ponte-Opern abgeliefert.


    Hallo Alfred,


    habe ich da ich etwas verpasst!? Falls du auf "den" Jacosbs-DG anspielst, der in Innsbruck und zuletzt in Baden-Baden gegeben wurde, so ist da sicher nicht von einer "Deutung" zu sprechen, die anders gewesen wäre, als vor 200 Jahren. Er war aber - davon abgesehen - nicht sonderlich gelungen.


    Jacobs und Mozart vertragen sich so gut wie Hähnchenschlegel mit Schlagsahne. Ich mag beides sehr gerne, allerdings als Trennkost.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Banner Trailer Gelbe Rose

  • Hallo,


    der positive Eindruck überwog bei der Einspielung von Jacobs, zumal er etwas neues zu diesen Sinfonien sagen kann. Alles ist sehr fein ausgearbeitet, die Tempoveränderungen wirken durchdacht und überhaupt nicht willkürlich oder gegen den Strich gebürstet. Allerdings ist das aber auch keine Interpretation zum "mitschunkeln"; und hier nun der Kritikpunkt, es ist etwas/ziemlich kopflastig. Jacobs scheint sich viele Gedanken bei den Vorbereitungen gemacht zu haben. Nichts wird irgendwie dem Zufall überlassen, alles wirkt sehr kontrolliert und berechnet (berechnend). Ist das überhaupt noch Mozart!? Interessant ist die Aufnahme in jedem Fall.



    Zu Nachdenklich wirkt auf mich auch der letzte Satz der Jupiter-Sinfonie. Da muss mehr Feuer rein. Eindrucksvoll beweißt das Marc Minkowski in seiner neuen Aufnahme



    Das Finale reißt einen förmlich mit (wobei ich mich allerdings frage: Wo hört Molto allegro auf und wo beginnt Presto!). Man hört woher die Musik herkommt (vom Barock) und wo sie hingeht (Klassik/Romantik). Die restlichen Sätze dieser CD sind wesentlich konventioneller.


    Die schlüssigsten und einheitlichsten Interpretationen in Sachen Mozart-Sinfonien bieten für mich immer noch die zu unrecht unbekannten Aufnahmen von Gardiner. Nach längerer Abstinenz sind sie wieder erhältlich(und günstig noch dazu). Wie in den wunderbaren Klavierkonzerten mit Bilson, hatte der kühle Engländer wieder mal ein glückliches Händchen bei WAM.



    Gruß
    Jörg

  • Zitat

    Original von Santoliquido
    Von den Lieblingen enttäuscht? Das ist mir bislang mit den Live-Aufnahmen von OSR unter Ernest Ansermet so gegangen.


    Hallo Thomas.


    Auch ich bin ein großer Anhänger vieler Ansermet-Aufnahmen. Dann aber Debussys La Mer! Gerne bade ich in diesem Stück, doch beim guten alten Ansermet mochte ich nicht einmal den Fuß ins Wasser halten.


    Was zu zwei Folgerungen führen könnte:


    Erstens haut jeder Dirigent/Interpret mal kräftig daneben. Das muss seine anderen guten Taten ja nicht schmälern. Zum Beispiel gibt es ja ein allgemeines Barenboim-Bashing. Und in der Tat finde ich viele seiner Aufnahmen unangemessen, oder - schlimmer noch - lau und indifferent. Dann aber wieder packt er mich doch, z.B. ausgerechnet bei La Mer.


    Zweitens sind es meine Hörvorlieben, die ich für mich zum Maßstab mache. Um beim Beispiel Debussy zu bleiben: Man kann sich förmlich besoffen hören an diesem Schwall aus Klangfarben, Instrumentierung und Dynamik. Oder man liebt die großartige Konstruktion, die alles zusammenhält. Diese ist bei Ansermet durchaus hörbar. Da ich aber gerade in diesem Fall zu erstgenannten Hörern gehöre, liegt mir das Schwelgen im Klang näher als die kühle Analytik. Oder im Idealfall beides miteinander gepaart. Deshalb: Martinon.


    Aber schockieren werden mich sogenannte Fehlgriffe deshalb nicht. Welchen Musiker sollte man denn nennen, bei dem es dieses "erste Mal" nicht schon gab? Mehr erschrecken würde ich mich, wenn mich jemand plötzlich ein erstes Mal überraschen würde, der es noch nie getan hat. Wenn zum Beispiel der "weltbeste Pianist" (T. Gottschalk) Lang Lang mit einem Mal überzeugend pianiereren würde....


    Gruß
    B.


  • Passt zwar nicht ganz, weil ich kein "Anhänger" von Anne-Sophie Mutter bin, aber dennoch: Nachdem ich 2002 Mutters m. E. famose neue Einspielung von Vivaldis vier Jahreszeiten gehört hatte, habe ich mir voller Erwartung gleich noch die ebenfalls noch frische Einspielung von Beethovens Violinkonzert gegönnt. Die entsprach den hohen Erwartungen dann aber in keiner Weise. Mir war allerdings auch erst nach dem Kauf aufgefallen, dass Schnarchnase Masur dirigiert. Jedenfalls eine völlig unspektakuläre Aufnahme, die zumindest noch gut wäre, wenn nicht die leisen Passagen so extrem leise wären, dass man am Lautstärkeregler drehen muss.

  • Mir reicht es schon, zu sehen, daß A.S.M. Name weitaus größer dargestellt wird(natürlich mit Vor und Nachname) als der Name des Komponisten( wie hieß der noch gleich mit Vornamen....? )


    Es gab da mal ein Plattencover mit HvK am Steuer eines Rennwagens, welches genau denselben Aussagewert hatte bezüglich des Inhaltes wie Anne-Sophie Mutter's Bild, nämlich genau diesen: :kotz:

    Zitat

    Schnarchnase Masur


    Na ja, aber immerhin sollte das Orchester doch trotzdem eine ziemlich hochwertige Leistung bringen.
    Ich kann nur nicht entziffern, um welches Orchester es sich handelt, da dessen Namen NOCH kleiner gedruckt wurde. :untertauch:
    Genau diese Art von CD-Cover macht mich regelrecht wütend :motz:
    Und natürlich würde ich schon aus diesem Grunde so etwas nicht kaufen.. :stumm:

  • Hallo Michael,


    Du hast schon Recht - nur wie sieht Dein ideales Cover aus?
    Hättest Du gegen das was?


    Ludwig von Beethoven


    Violinkonzert


    XY-Orchester


    Z-Dirigent


    Orchestra containing Cello-Sound played by Michael Schlechtriem


    Wärst Du da auch so böse? ;):stumm:


    Gute Nacht!
    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose
  • Wichtig ist für den Interpreten einfach, auf dem Cover fett ein künstlerisches Credo zu veröffentlichen:


    "Ich trete jederzeit hinter jedes Werk und jeden Komponisten zurück, stelle mich nie in den Mittelpunkt und bin deshalb der Idealtypus des uneitlen, vergeistigten Interpreten. Ich sehe nicht gut aus, trage keine Turnschuhe, kann mir keine Segeljacht leisten, habe aber mehr Bücher gelesen, als Alfred Brendel. Kaufen sie mich trotzdem, bitte, bitte."


    Vorzugsweise als gelber Warnaufkleber...

  • Hallo Barbirolli,


    Zitat

    Auch ich bin ein großer Anhänger vieler Ansermet-Aufnahmen. Dann aber Debussys La Mer!


    Da bin ich aber sehr verwundert über deine Aussage.


    Ich hatte mir damals zu meiner Studentenzeit bei SATURN Köln die Debussy-Decca-Ansermet-3LP-Box zugelegt und war total begeistert - auch von LaMer.
    Die von Dir favorisierte Martinon-Aufnahme auf EMI war dann auf CD die Nächste --- ich finde nach wie vor Ansermet besser.
    Es folgten dann viele wietere Aufnahmen (das Stück word einem ja überall im Zusammenhang mit Debussy, quasi mitgeliefert):
    Solti/Chicago SO (Decca) - TOP-Aufnahme
    Karajan/ Berliner PH (DG) - gefällt mir auch sehr gut - Karajangener :P :hahahaha:


    Meine Lieblingsaufnahme von LaMer heute ist aber
    Ashkenazy / Cleveland Orchestra (Decca)


    Was gefällt Dir an der Ansermet - Aufnahme nicht ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Fein, daß sich hier mehrere Freunde von Ernest Ansermet eingefunden haben. Vielleicht debattieren wir hier weiter?


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Bezüglich der Minkowski- und Jacobs-Einspielungen der spät(er)en Mozart-Sinfonien kann ich eine gewissen Enttäuschung ebenfalls nicht verbergen. Das hat aber in meinem Fall eher mit meiner Erwartungshaltung, bzw. der Veröffentlichungspolitik zu tun. Ich hätte gerne eine Doppel-CD oder Dreier-CD mit allen wichtigen Sinfonien erwartet (gerne noch mehr). Dann hätte man vielleicht auch konzeptionellere Schlüsse ziehen können. Ich fühle mich von beiden am langen Arm verhungert, weil sie nur jeweils zwei Sinfonien aufgenommen haben. Das hat so was von "Zum Mozart-Jahr schnell noch was Sinfonisches raushauen". Und das haben beide nun wirklich nicht nötig...

  • In der Regel vermeide ich solche Enttäuschungen bei CD-Käufen, weil ich vorher in die Aufnahmen reinhöre, soweit es möglich ist.


    ;) Oder es ergeben sich keine Enttäuschungen, weil man den Ratschlägen in Tamino folgt.


    Aber es ergeben sich auch trotz Lobeshymnen Enttäuschungen, an der zum Beispiel auch die Klangtechnik ihren Anteil hat:
    So letztes Jahr geschehen beim Schostakowitsch-Sinfonien-Zyklus mit Maxim Schostakowitsch auf Supraphon.


    Von Maxim Schostakowitsch wurde ich bisher nie enttäuscht:
    Die Schostakowitsch Sinfonie Nr.15 (Eurodisc-LP) gehört zu den besten Aufnahmen;
    die Schostakowitsch: Violinkonzerte Nr.1 und 2 mit Igor Oistarch (Eurodisc)sind "erste Sahne";
    Filmmusiken von D.Sch. sind autentisch gelugen (wiedre Eurodisc);
    mehrere Live-Konzerte in der Beethovenhalle Bonn waren einmalige Erlebnissse mit Maxim Schostakowitsch.


    Es waren zuerst in einigen wenigen Schostakowitsch-Sinfonien - Threads positive Worte über Maxims Schostakowitsch-Sinfonien -GA geäußert worden.
    Als Sohn des Komponisten traut man ihm auch nichts anderes zu.


    Maxim Schostakowitsch´s Schostakowitsch-Sinfonien auf Supraphon:
    Das Ergebnis auf Supraphon hat mich dann doch sehr enttäuscht.
    1. Es wurde vorab nicht erwähnt, das es sich um Liveaufnahmen handelt.
    2. Die Klangtechnik ist derart stumpf und die Spannung ausmachende Orchestergruppen der Schlaginstrumente sind weit in den Hintergrund gerückt, teilweise nicht hörbar. Letztendlich ist diese "verschobene, verschrobene" Klangtechnik wohl auch schuld an meiner Enttäuschung.
    3. Die Interpretation ist gut (nicht mehr und nicht weniger). Aber das reicht nicht, denn sie hat mit den großen GA von
    Roshdestwensky, Kondraschin und Barshai leider nur wenig gemein.


    :hello: Der Theadstarter hat diesen Umstand wohl auch erkannt, denn von ihm hört man nichts mehr zu dieser Schostakowitsch - Supraphon - Box, die er von mir kaufte :D 8) :untertauch:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Ich kenne die besagten Aufnahmen von Jacobs nicht, da ich gerade nach dem Mozart-Jahr nicht noch mehr Alternativ-Aufnahmen seiner Sinfonien benötige.
    Ich bin eher selten enttäuscht, zum einen, weil ich nicht soviel erwarte und wenige Interpreten als garantiert sichere Bank sehe, zum andern, weil mich oft gerade Interpreten interessieren, die eigenwillige, risikobereite und enstprechend nicht immer unproblematische Deutungen liefern. Jacobs, Minkowski und Harnoncourt hauen auch mal daneben, aber ihre Höhpunkte sind m.E. soviel spannender als Pinnock oder Gardiner, dass ich dieses Risiko eingehe.
    Als wirkliche Enttäuschung hier kann ich nur die einzige mir bekannte, wirklich miserable Aufnahme Harnoncourts nennen: Schuberts 8. mit den Wiener Symphonikern
    Enttäuscht war ich häufiger von diversen hochgelobten oder als klassisch gehandelten Aufnahmen. Entweder weil das Lob derart überschwenglich gewesen ist, dass eigentlich nur Enttäuschung folgen konnte oder überhaupt.
    Ein solcher Fall, wobei ich inzwischen die Interpretationen sogar teilweise sehr schätze, aber anfangs nicht begeistert war, sind Gilels' Beethovensonaten bei DG.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Hallo Jörg,


    jetzt musste ich doch mal in die Aufnahme(nhörschnipsel) hineinhören und muss sagen, dass ich extrem enttäuscht bin. Sie wurde in der Kritik eigentlich sehr gelobt (z.B., auch in der Zeit ) und dann so was - das klingt alles extrem schräg, willkürlich, nach "Ich mach alles noch extrem anders als die anderen, die es schon ganz anders gemacht haben, denn mir ist noch was verrückteres eingefallen, wie man die Werke gegen jeden Strich bürsten könnte")
    Der Beginn der Jupitersymphonie ist IMO eine Kapitulation - was soll denn das bitte sehr? ?( Hört sich an wie Handwerker in Action (gepflegter Baulärm)...
    Der Beginn der Prager: auch indiskutabel!
    Die "langsamen" Sätze - wat is denn da passiert? :no:
    Überhaupt die Tempi à la: "Ich hab ein Orchester gefunden, das noch schneller und extremer spielen kann als Du, so dass ich in die Zeitung komm! :baeh01: " - das Finale der Prager... :motz:
    Er spielt auch scheinbar willkürlich mit den Tempi mit einer Vorliebe für Vollbremsungen und Kavalierstarts...


    Na ja, vielleicht gilt die Einspielung in einigen Jahren ja als Referenz und Maßstab und der Schreiberling, dem sie bis dahin ebenso zusagt, muss sich dann für die hier verewigten Bemerkungen in Grund und Boden schämen; momentan bin ich jedenfalls eher verschreckt 8o und irritiert ?(
    (Denn um ehrlich zu sein: auch die Teile aus seinem DG, die ich sehen konnte als das Kabelfernsehen nicht gesponnen hat, haben mich nicht so wirklich überzeugt :stumm: )


    :hello:
    Stefan


    PS: Zu anderen "ersten" Enttäuschungen:
    Die hat man wohl immer. Von Bernstein, meiner Nr.1 habe ich auch so viel (IMO) Müll zu Hause (z.B. DGG-Schostakowitsch), auch von Harnoncourt (1. Einspielung des Mozart-Requiems etc.pp.), dessen frühere Aufnahmen mich oft begeistern (als er noch nicht die absolute Erkenntnis hatte, wie man Mozart wirklich [nieder]spielen muss)
    Irren ist menschlich - dafür haben diese Künstler immer wieder etwas riskiert und damit oft neue herrliche Sichtweisen vermittelt.

    Viva la libertà!

  • Da ich jetzt wieder Schnipsel hören kann :D habe ich mal die jeweils erste Minute gehört (natürlich sinnlos im Kopfsatz der Prager...)
    Offensiv übertrieben finde ich nur 551,ii mit den extrem abgesetzten Akzenten. Das Menuett ist endlich mal in einem angemessenen Tempo, andante und presto der Prager scheinen mir auch nur geringfügig zügiger als sonst zu sein. Die Aggressivität des Beginns von 551,i gefält mir, aber die Balance ist schrottig, was jedoch teils an dem Klangschnipsel liegen mag, man hört ja praktisch nur die Pauken :rolleyes:


    Aber überraschend finde ich das nicht. Harnoncourt hat schon vor 25 Jahren eher "kurzatmige" rhetorische Phrasierung an die Stelle von "romantischen Bögen" gesetzt. Es kommt halt immer aufs Stück an, was besser funktioniert. Beides zusammen geht nur sehr schwer (ich wüßte auf Anhieb niemandem, dem es gelingt).
    Kopflastig würde ich das aber nicht nennen. Der rhetorische Charakter der Phrasen wird extrem herausgearbeitet, mitunter übertrieben, das ist in gewissem Sinne emotionaler als romantische zäsurlose Linie. Letzteres erzeugt ein Stimmungsbild, während der Harnoncourt/Jacobs-Ansatz eher sprachlichen Duktus besitzt.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes,


    also die Concertgebouw-Aufnahmen von Harnoncourt finde ich ja sehr gut; und Jacobs jetzt irgendwie in der gleichen Richtung überzogen... :rolleyes:


    Aber wie gesagt: wer weiß - vielleicht hört man sie ja in Zukunft in voller Länge mehrmals im Radio etc. und lernt sie dann schätzen; der erste Eindruck ist halt jetzt nicht so doll...


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Ein kleiner Trost für alle "Enttäuschten":
    Das schöne an Klassikeinspielungen ist, daß sich viele "Flopkäufe von gestern" als "veritable Entdeckungen von heute" erwiesen haben.
    Fehlentscheidungen von einst haben sich zu "Weiser Voraussicht" gemausert.
    Soll heissen, vieles was nach enttäuschten "Ersthören" für immer ins Archiv wanderte bekam nach Jahren - oft angeregt durch unser Forum - eine zweite Chance - und siehe da - der Funke sprang über.


    Als ich erstmals mit Harnoncourts Haydn und Hogwoods Mozart konfrontiert wurde war ich entsetzt !! Heute kann ich zumindest Harnocourt akzeptieren, ziehe aber Norrington vor.


    Karl Böhms Mozart hatte ich (wegen Übersättigung - ich hatte einerseits zu viel uns zu oft davon genossen) einige Jahre nicht mehr gehört. Der Wiedereinstieg erfolgte mit der Jupitersinfonie (die WIENER Aufnahme)


    Der Anfang erschien mir dröge und fade. Sollten alle jene recht behalten haben, die ihn als "hamlos und hausbacken " bezeichneten ???
    Es dauerte knappe 3 Minuten und die alte Begeisterung war wieder da - Allerdings hatte ich erstmals einige von Böhms "Tricks" durchschaut: Scheinbar harmlos zu beginnen und die Spannung fast unmerklich aufzubauen, immer den Eindruck vermittelnd, das Tempo würde sich andauernd steigern, und der Höhepunkt wäre fast errreicht - aber eben nur fast, ... aber das ist ja hier nicht das Thema...


    Eine wichtige Erkenntnis an diesem Tag war, daß es wichtig ist, sich dem Interpreten "auszuliefern, ein Stück Weges mit ihm zu gehen, wobei es völlig gleichgültig ist inwieweit die Interpretation "werktreu" ist oder nicht- Man hat Interpreten als "Genie" bejubelt weil sie das Tabu "Werktreue" kühn (oder frech ??) brachen - andere hat man aus den gleichen Gründen in die Wüste geschickt.
    Enttäuschung - und das ist wichtig - hat selten etwas mit der "Qualität" des Gebotenen zu tun - eher mit der Erwartungshaltung des Hörers oder Rezensenten. Es ist schon eine Riesenunterschied, ob ich bei Beethoven an einen "Titanen", einen "Revoluzzer" oder an einen "Vertreter der Wiener Klassik" denke, dies nur als grobe Einteilung es gäbe hunderte Nuancen....


    Es wurde also eine ERWARTUNG enttäuscht - der Hörer, der sich einer Meinung mit SEINEM Lieblingsinterpreten WÄHNTE, hat erkennen müssen, daß die vermutete oder erhoffte bzw bisher erfahrene Übereinstimmung der Auffassung nur eine PARTIELLE war......es wurde etwas ANDERES geboten als erwartet, in Enttäuschung ist versteckt das Wort Tausch enthalten...


    Es gibt aber auch POSITIVE Enttäuschungen: Harnoncourts Haydn erscheint mir heute weniger schroff als vor 20 Jahren. Entweder bin ich mürbe geworden oder abgehärtet, bzw habe ich mir beim Umgang mit Musik des 20. Jahrhunderts die Ohren verdorben :P


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Tamino Beethoven_Moedling Banner