Salut,
ich meine, einst gab es einen solchen Thread - nun heißt ein ganzes Forum so. Dennoch glaube ich, es sollte so einen allgmeinen Thread geben - für kleinere Events.
Also: Gestern war ich zusammen mit Newcomerin Violoncellchen in Händels Oratorium "La Resurrezzione" [Originaltitel: Oratorio per la risurrettione di Nostro Signor Giesù Cristo]. Die Musik war vom Händel, das Libretto von Carlo Sigismondo Capece. Warum ich hier von einem Oratorium schreibe, ergibt sich im Verlauf...
Es sangen:
Kirsten Blaise als Angelo
Heidrun Kordes als Maddalena
Kai Wessel als Cleofe
Bernhard Berchtold als San Giovanni
Tobias Schnabel als Lucifero
Dazu spielten die Deutschen Händelsolisten mit dem Chor der Ludwigsburger Schloßfestspiele unter Leitung von Michael Hofstetter im Badischen Staatstheater in Karlsruhe.
Das Oratorium wurde analog der Uraufführung und der gewöhnlichen Handhabe im 17./18. Jahrhundert inszeniert dargeboten. Das Publikum quittierte dieses Neuland damit, dass es [aus Unverständnis? Befangenheit?] keinen Zwischenapplaus [wie bei Opern] gab, obschon dieser mehr als deutlich in der Luft lag.
Die Ouvertüre kannte ich noch nicht - gleich im Anschluß daran gab es eine Wahnsinnsarie, die auch Cecilia Bartoli in ihrem Album Opera proibita [passend zum Event, im Bartoli-Album N° 14] darbot: Disserratevi, o porte d'Averno, gesungen von Angelo [Kirsten Blaise]. Das ist schon eine stolze Leistung gewesen, obwohl mir Blaise im weiteren Verlauf der Darbietung nicht so gut gefiel. Stimmliches Highlight des Abends war ganz klar Heidrun Kordes als Maddalena, dicht gefolgt von Tobias Schnabel als Lucifero. Etwas mehr als akzeptabel war der Altus Kai Wessel als Cleofe und unauffällig - aber gut - der Tenor: Bernhard Berchtold als San Giovanni. Der Chor aus Ludwigsburg - mir bekannt duch Kraus Proserpin in Schwetzingen im vergangenen Jahr war privat, schön, gut [tolle, hörbare Tenöre!].
Völlig unbekannt waren mir bisher die Deutschen Händelsolisten - nach kurzen Anfangsschwierigkeiten waren sie voll in ihrem Element, wobei mich wundert, wie man zu einem Dirigat von Michael Hofstetter spielen kann [vermutlich mit verbundenen Augen]. Fakt ist: Es hat geklappt - und das ausserordentlich gut!
Die Inszenierung sollte an Händels Prunkinszenierung in Rom 1708 erinnern - ja, erinnern vielleicht, aber von Prunk kann da nicht die Rede gewesen sein. Mithin waren die Kostüme sehr exzellent nachempfunden und verhalten modernisiert [nennt man das Neo-Barock? - ist zumindest genauso unpraktisch... aber cool - da hätte Blacky wieder was zu Sägen...]. Es wurde viel mit Licht gearbeitet, die Geräuschgeheimnisse wurden erschütternder Weise offenbart [die Windmaschine wurde auf der Bühne gedreht ].
Das Oratorium selbst ist m. E. ein Werk, das tatsächlich auf die Bühne gehört - in einer kalten und schmucklosen Kirche hätte es mich definitiv gelangweilt. Aber durch die gute bis sehr gute Darbietung der Interpreten und die szenische Umsetzung war dies ein faszinierendes und nachdenkliches Schauspiel! Besonders der zweite Teil des Oratoriums spiegelt fast ausschliesslich die Zweifel an der Auferstehung und die Trauer um den Tod Jesu wieder: Wenn ich mir da zum Stativ verwandelte Darsteller im Anzug vorstelle vorstelle... neeeee, lieber nicht.
Faszinierend und mir bis gestern unbekannt war eine Szene im 2. Teil [oder Akt?], die musikalisch zunächst eine Arie im 6/8-Takt war. Sehr lyrisch: Flöten, Gamben, Violinen... zart besetzt und musikalisch sehr pastoral. Händel hat da aber offenbar sehr genial völlig gegen den Takt und die Tonart gebürstete Streicher-Tonleitern hineinkomponiert, die in etwa dem Mozartschen Geniestreich der Vielochesterei auf der Bühne im Don Giovanni entsprechen - nur halt im Barockstil.
Das Orchester selbst hatte ein sehr gutes Continuo, wenn auch dünn besetzt, mit immerhin einer Theorbe, Laute und einigen Gamben. Zumeist wurden die Rezitative von der Theorbe und Laute anstelle des Cembalo begleitet. Irgendwo musste sich auch ein quetschkomodenähnliches Harmonium versteckt haben, das Luzifers Prophezeihungen [die sich nicht bewahrheiteten] untermalte.
Insgesamt ein sehr erfreuliches Erlebnis!
Viele Grüße
Ulli
P.S. Vor der Darbietung gab es noch passend zum Komponisten mexikanische "Buffalo Wings", also Händl-Flügel.
P.P.S. Was ich vergessen habe, wird "mein" Kontrabääääßle sicher in Kürze ergänzen...