"Der schönste Klang neben der Stille" - Das Label ECM

  • Hallo.


    Den meisten Klassikhörern dürfte ECM ein Begriff sein. Bevor sich diese Plattenfirma auch in diesem Bereich etablierte, prägte sie wie keine zweite die Aufnahmegeschichte des Jazz in den siebziger und achtziger Jahren - zumindest die europäische. 1969 gründete der Bassist Manfred Eicher in München ECM (Edition of Contemporary Music).


    Der Mann verfolgte ein Klangideal, das später einmal als "most beautiful sound next to silence" tituliert wurde. Der Wille zur Abkehr vom gängigen Jazz-Sound, der Wunsch nach einem transparenten, fast unterkühlten Klangbild und wohl auch die recht knapp bemessene Geldbörse veranlassten Eicher, sich nach jungen, hoffnungsvollen Talenten umzutun. Und was für ein Händchen er dabei hatte!


    Früh gewann er den Pianisten Keith Jarrett und den Saxophonisten Jan Garbarek für ECM, noch heute die großen Aushängeschilder der Firma. Er holte Pat Metheny, Gary Burton, Chick Corea, Dave Holland, Egberto Gismonti, Jack DeJohnette oder Ralph Towner ins Boot, die allesamt zu stilprägenden Instrumentalisten ihrer Generation heranreiften. Dabei verstand es Eicher, den Musikern großen Spielraum zu lassen, sie aber doch in das klangliche Gesamtkonzept des Labels zu integrieren.


    Beispiele der frühen Erfolge waren die sogenannten "Fjord-Jazzer" (neben Garbarek z.B. Gitarrist Terje Rypdal und Pianist Bobo Stenson - alle heute noch bei ECM!). die mit weitem, elegischen Klang ein neues Ideal prägten. Keith Jarrett machte mit seinen improvisierten Solo-Parforce-Konzerten Schalgzeilen (Köln Concert, Bremen/Lausanne) oder Akustik-Gitarristen loteten die Möglichkeiten zwischen Jazz, Folklore und Klassik aus (Towner, Gismonti).


    Aufgenommen wurde zumeist in den Rainbow Studios in Oslo oder im Tonstudio Bauer in Ludwigsburg, manchmal auch in der New Yorker Power Station. Haus-und-Hof-Toningenieur Jan-Erik Kongshaug sorgte für gleichbleibend hohe Produktionsergebnisse. Viele CDs waren aber auch Live-Mitschnitte - auch diese auf tontechnisch überragendem Niveau.


    Was Eicher finanziell nicht bieten konnte, glich er mit der Labelpolitik aus, alle Platten immer am Markt zu halten und nichts etwaigen Streichungen zu opfern. Bis auf einige wenige Ausnahmen, zumeist im Sampler-Bereich, gilt das bis heute. Gitarrist Pat Metheny erinnert sich, bei der Veröffentlichung seines Debuts "Bright Size Life" gerade mal eine dreistellige Anzahl an Tonträgern verkauft zu haben. Bis heute allerdings ist die Halbe-Million-Grenze erreicht.


    Bleiben wir beim Beispiel Metheny: Lebten sich die musikalischen Vorstellungen des Musikers von denen Eichers zu sehr auseinander, trennte man sich. Methenys immer dicker angerührte Klangsauce wollte nicht mehr recht zu ECMs klarem, puristischen Image passen. Finanzielle Gründe mögen aber auch eine Rolle gespielt haben. Das Gleiche galt für Chick Corea und Gary Burton. Erstaunlich war, dass all diese Musiker lange brauchten, um künstlerisch wieder an die ECM-Zeiten anzuknüpfen, wenn sie es denn überhaupt taten.


    Die Covergestaltung unterlag fast ausnahmslos einer Frau, was zu einem hohen Wiedererkennungseffekt führte, trotzdem sehr abwechlungsreich war. Was man heute kaum noch behaupten kann: Wer sich in den letzten zehn Jahren CDs von ECM gekauft hat, wird sie äußerlich kaum voneinander unterscheiden können: Die immer gleich anmutenden Schwarz-Weiß-Cover sind doch des Guten zuviel.


    Wo wir bei den Wehrmutstropfen sind: In den letzten Jahren habe ich das Interesse an ECM deutlich verloren. Das Durchschnittsalter der Künstler wächst anscheinend mit dem Eichers. Die alten Haudegen reproduzieren sich immer und immer wieder neu. Am schlimmsten ist dies bei Garbarek zu hören. ECM ist nicht mehr das Label, das in großem Maße junge, aufregende Musiker entdeckt und fördert. In dieser Hinsicht spielt die Musik heute bei ganz anderen Firmen. Der letzte große Clou war womöglich die CD "Khmer" von Nils Petter Molvaer, vielleicht noch die Entdeckung des polnischen Klaviertrios um Marcin Wasilewski. Sollte ich in dieser Hinsicht irren und mir ist entscheidendes entgangen, bitte ich um entprechende Hinweise. Meine favorisierten ECM-Produktionen werde ich zu einem späteren Zeitpunkt aufführen.


    Was ECMs Leistungen im Klassikbereich anbetrifft, so sollte dies in dem entprechenden Thread Platz finden.


    Gruß
    B.

  • Hier nun möchte ich im Anschluss an obige Einführung einige herausragende CDs von ECM empfehlen. Ich orientiere mich dabei an den wichtigten Künstlern, die bei Manfred Eicher unter Vertrag standen oder noch stehen. Wie ich oben schrieb, ließ mein Interesse an der Firma vor etwa 8 bis 10 Jahren deutlich nach. Über Empfehlungen aus der jüngeren Vergangenheit würde ich mich freuen.


    Keith Jarrett
    Ausnahmepianist mit wagnerianischer Attitüde, begann Mitte der 60er Jahre bei Charles Lloyd, wechselte dann zum großen Miles Davis, für den er eine einmalige Ausnahme machte und sich auch an elektronische Tasteninstrumente setzte. Ein Sonderfall - insofern, als dass er parallel in Europa bei ECM und in den USA bei Impulse aufnahm.
    Wichtigste Aufnahmen bei ECM waren die großen improvisierten Solo-Konzerte und ab 1983 die Arbeit mit seinem Trio, das sich seitdem zum beständigsten Trio der Jazzgeschichte entwickelt hat und auf dem Weg ist, eine nahezu komplette Werkschau des "Great American Songbook" zusammen zu stellen, sprich die Stücke Cole Porters, Jerome Kerns, Oscar Hammersteins u.v.a. aufzunehmen, seit einigen Jahren zumeist live. Stellvertretend für beide Bereiche folgende CDs:



    Köln Concert (1975), Bremen/Lausanne (1973), Still live (1986), At the Blue Note (1994)


    Jan Garbarek
    Norwegischer Saxophonist, zunächst Avantgardist reinsten Wassers und Tester freier Formen, seit vielen Jahren Verfechter eines entschlackten, minimalistischen Stils mit großem Bezug zur Folklore seines Landes. Melodiös, klangflächig, manchmal fast meditativ. Hat großen Erfolg mit seinen "Crossover"-Produktionen, z.B. mit dem Hilliard Ensemble oder der Bratscherin Kim Kashkashian. Produziert schon 20 Jahre lang mit halbwegs fester Besetzung, doch nur die ersten CDs mit dieser Band lohnen sich, getreu dem Motto: Kennste eine, kennste alle.



    Photo with blue sky...(1979), I took up the runes (1990), Twelve Moons (1993)


    Chick Corea
    Pianist, auch er aus der Miles Davis-Schule entsprungen. Hat große Platten jenseits von ECM aufgenommen, doch die bei den Münchnern können sich hören lassen! In den letzten Jahren huldigt er seinem Idol L. Ron Hubbard und macht auch dementprechende Platten ... zu vernachlässigen.



    Return to forever (1972), Crystal Silence (1973), Trio Music Live in Europe (1984)


    Gary Burton
    Der bedeutendste Vibraphonist der letzten Jahrzehnte. Emanzipierte das Instrument, das ursprünglich eher von Schlagzeug-Quereinsteigern gespielt wurde mit seiner pianistischen Herangehensweise und seinem 4- bzw 6-Schlägelspiel.



    In Concert, Zürich (1979)


    Pat Metheny
    Mittlerweile der wohl erfolgreichste Jazz-Gitarrist aller Zeiten. Prägte wie kaum ein zweiter ein Millionenheer eifriger Nachahmer. Ab Mitte der siebziger waren weltweit ungezählte Metheny-Nachahmer zu hören. Wer sich mit der Gitarre beschäftigte kam an der Auseinandersetzung mit ihm kaum vorbei. Fischte nach seiner ECM-Zeit zeitweise in allzu seichtem Gewässer, ist aber auch heute noch immer wieder für spannende Produktionen gut.



    Brigth Size Life (1976), 80/81 (1980), Offramp (1981), Travels (1982)


    JackDeJohnette
    Schlagzeuger, ähnlich wie Metheny einer der stilbildenden Erneuerer seines Instruments. Stellte immer wieder neue Gruppen zusammen, mit denen er unterschiedliche musikalische Wege geht. Mitglied im erwähnten Trio Keith Jarretts. War als Bandleader eine Zeit lang ECM untreu, kehrte aber wieder zurück.



    Special Edition (1979), Tin Can Alley (1980)


    Ralph Towner
    Klassisch (in Wien!) ausgebildeter Gitarrist, der durch Solo-Projekte, oft mit zwölfsaitiger Gitarre überzeugte, besonderen Erfolg aber mit seiner Gruppe Oregon hatte, die mit ihren indischen, europäischen und südamerikanischen Einflüssen stellvertretend für den sogenannten "World-Jazz" steht.



    Solo Concert (1980), Crossing (1985), Ecotopia (1987)


    Dave Holland
    Kontrabassist, und noch ein Miles Davis-Zögling. Schon immer ein atemberaubender Virtuose, aber auch ein unglaublich guter Komponist und Arrangeur. Kam gerade in den letzten Jahren zu der verdienten Ehre, weltweit nahezu alles an Jazzpreisen abzuräumen, was es zu holen gibt. Und - wie ich selbst erfahren durfte - ein sehr symphatischer, bescheidener, kommunikativer Mensch.



    Triplicate (1988 ), Points of View (1997), What goes around (2001)


    Nils Petter Molvaer
    Norwegischer Trompeter. Verband vor etwa zehn Jahren vorbildlich elektronische Club-Sounds und Ambient Music mit dem Jazz. Integerer Vorreiter einer Bewegung, die leider im Anschluss viel Mittelmaß erzeugte.



    Khmer (1997)


    Dies ist nur eine kleine Auswahl an Musikern, die stellvertretend für die Klangideale des Manfred Eicher standen und stehen.


    Gruß
    B.

  • Zitat

    Original von Barbirolli


    Pat Metheny
    Mittlerweile der wohl erfolgreichste Jazz-Gitarrist aller Zeiten. Prägte wie kaum ein zweiter ein Millionenheer eifriger Nachahmer. Ab Mitte der siebziger waren weltweit ungezählte Metheny-Nachahmer zu hören. Wer sich mit der Gitarre beschäftigte kam an der Auseinandersetzung mit ihm kaum vorbei. Fischte nach seiner ECM-Zeit zeitweise in allzu seichtem Gewässer, ist aber auch heute noch immer wieder für spannende Produktionen gut.
    Gruß
    B.


    Metheny hat gerade eine neue Platte herausgebracht:


    hatetepe://wewewe.qrious.de/p/wp/?p=209


    Ich finde die gut im Sinne von "ich höre die gerne", kann mich mangels Ahnung vom Jazz aber nicht weitergehend (qualifiziert) dazu äußern. Soll nur ein Hinweis sein.


    Freundliche Grüße


    Heinz

  • Lieber Barbirolli,


    danke für diese würdige Vorstellung des Labels ECM.


    Als ich in den 70ern anfing, Jazz zu hören, führte kein Weg an ECM vorbei.
    Insbesondere als Kontrast zum von anderen Labels forcierten Rockjazz und Electric Jazz.
    In einem anderen thread hatte ich ja schon die Platte Return to foprever von Chick Corea als musthave genannt; du hast ja diverse Meilensteine vorgestellt.


    Achtet man auf die Veröffentlichungsjahre deiner Beispiele, fällt auf, daß diese primär Ende der 70er, anfangs der 80er Jahre liegen.
    Danach sind die Highlights mE nicht mehr so gestreut, vielleicht auch, weil mit dem Aufkommen des Retro-Stils (Beispiele von vielen: Wynton Marsalis, Dewey Redman) der von ECM gepflegte intellektuelle, europäische Jazz als zu wenig eingängig wahrgenommen wurde.


    Egal: ECM gehört dazu !

  • In die Riege der Liebhaber dieses Labels reihe auch ich mich ein.


    Es ist schon toll, dass es das Label erreicht hat, einen "ECM-Sound" zu entwickeln.


    Ich finde wahrlich nicht alles gut, was hier produziert wurde. Mehrere Alben sind inhaltsleer und langweilig. Aber es gibt auch Sternstunden. Einige wurden oben bereits genannt. Für mich gehören zwei CDs, beide vom wunderbaren Quartett mit Keith Jarrett (Klavier), Jan Garbarek (Saxophone), Palle Danielsson (Bass) und Jon Christensen (Schlagzeug) eingespielt, zum Besten:



    Die Musiker sind ausgezeichnete Individualisten, spielen aber besonders homogen zusammen. Tolle Kompositionen, tolle Stimmung.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Schöne Beiträge, denen ich mich inhaltlich zu großen Teilen anschließen kann.


    Bzgl. Qualitätsabfall oder Langeweile bei ECM:
    Es ist wohl trotzdem festzuhalten, dass es einige Veröffentlichungen der letzten Jahre bei Kritik und Publikum zu "Ruhm und Anerkennung" gebracht haben, auch wenn sie nicht immer mit dem Anspruch des Neuen und Innovativen unterwegs sind.


    Ich besziehe mich beispielsweise auf das Tord Gustavsen Trio und ganz bestimmt auf eine meiner absoluten Lieblingsplatten der neueren Zeit.
    "Neighbourhood", hier hat der bekannte Schlagzeuger Manu Katché ein paar Musiker zusammengetrommelt, die mir in ihren eigenen Projekten teilweise nicht mehr so gefallen, aber in dieser "Combo" ganz groß zusammen aufspielen.Hier das Cover, das auch die Besetzung liefert:



    Die Platte ist sehr "laid back". Hier achtet man auf feinste Nuancen, ähnlich wie bei Tord Gustavsen und es wird eine Stimmung ausgearbeitet, die mehr sehr gefällt. Eine wunderschöne Platte. Nebenbei noch in absolut überragender Klangqualität, wobei es eine wahre Freude ist, die räumliche Darstellung von Katchés Schlagzeug zu verfolgen.


    Wie ist eure Meinung zu angesprochenen Veröffentlichungen?

    2 Mal editiert, zuletzt von Blue Note ()

  • Ich habe eine Radiorezension zur Platte vom Tord Gustavsen Trio auf Deutschlandradio Kultur gehört und die war durchweg positiv. Es wurden auch zwei Musikbeispiele gebracht, die mir sehr gut gefielen.
    Strukturiert, filigran und gut anhörbar. Relaxte Musik mit gewissem Anspruch.


    Manu Katché kenne ich nur von einzelnen Aufnahmen, die ich auch im Radio gehört habe, kann also zu dieser Platte nichts sagen.
    Die Stücke, die ich gehört habe, sind mir aber in guter Erinnerung geblieben.

  • Da ich arabische Musik mag, bzw. Musik, die in meinen Ohren einen solchen Bezug herstellt, habe ich natürlich alle Alben von Anouar Brahem, die auf ECM erschienen sind.


    u.a. diese:



    und als Fan des Hilliard-Ensembles, hab ich da auch einiges, nur nicht das Album-das-man-nicht-beim-Namen-nennen-darf... *grusel* :D

  • KEITH JARRETT: FACING YOU



    Im November 1971 ging der 27jährige Pianist aus Allentown (Pennsylvania) ins Arne Bendiksen Studio in Oslo und nahm dort seine erste Klavier-Soloplatte auf. Acht Improvisationen, zwischen drei und zehn Minuten lang, sind zu hören. Jarrett, Band-erfahren durch die Zusammenarbeiten mit Art Blakey, Charles Lloyd, Charlie Haden, Paul Motian und Miles Davis, liefert ein kraftvolles Solodebüt. Impulsiv treibendes Klavierspiel überfällt den Hörer, dann großteils richtig rockig groovend, komplexe Phrasen, jeweils klassisch kurz auskadenziert: Das erste und längste Stück der CD (ECM 1017, 827 132-2) nennt sich „In Front“. Der Sog von Jarretts Klavierspiel ist stark, die Stimmungswechsel lassen den Hörer eintauchen und „abdriften“ in diese musikalische Welt. Im zweiten Stück „Ritooria“ (und in den meisten anderen auch) „philosophiert“ die rechte Hand virtuos bis träumend vor sich hin. Man hört bald auf, Strukturen zu suchen, die Musik entzieht sich noch mehr als viele andere Musik einer Beschreibung. Im dritten Stück „Lalene“ träumt man im sanften Rhythmus mit. „In Front“ und „Lalene“ sind auch gute Anspieltipps für diese CD. Der Schreiber war eine Zeitlang geneigt, nur die Solo-Konzertplatten von Jarrett zu sammeln, wusste aber um die Qualität von „Facing You“. Sie würde fehlen, stünde sie nicht im Regal.


    Herzlicher Gruß
    Alexander

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • Die läuft immer noch ab und zu:



    :jubel:


    und eine ganze Menge andere ECM-LPs



    Zitat

    [i]Original von Barbirolli[i]
    Wo wir bei den Wehrmutstropfen sind: In den letzten Jahren habe ich das Interesse an ECM deutlich verloren. Das Durchschnittsalter der Künstler wächst anscheinend mit dem Eichers. Die alten Haudegen reproduzieren sich immer und immer wieder neu. Am schlimmsten ist dies bei Garbarek zu hören. ECM ist nicht mehr das Label, das in großem Maße junge, aufregende Musiker entdeckt und fördert...


    Finde ich auch. Wobei ich bei dem Getröte im Wasserspeicher ausgestiegen bin.



    Schöne Grüße
    Hildebrandt

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  • ECM betreffend, gefällt mir neben "The Köln Concert" von Keith Jarrett besonders das Klangbild von Jan Garbareks "Twelve Moons". Hier geht kein Ton verloren. Die ganze Einspielung kennzeichnet eine im internationalen Musikbetrieb eher ungewöhnliche Präsenz, welche auch dann nichts von ihrer Authentizität verliert, wenn man sie einige Dutzend Mal gehört hat. Wer schon einmal durch die Weiten Norwegens gereist ist, wird mir darin zustimmen, dass diese CD gleichsam ein akustisches Spiegelbild dieser unvergleichlichen Landschaften ist, denen schon Edvard Grieg seine Peer-Gynt-Suiten entlehnt hat.


    Viele der Stücke auf "Twelve Moons" gehören zu Garbareks Live-Repertoire. Ich habe ihn im vergangenen Jahr in der Bremer "Glocke" gehört und war sehr angesprochen von seinem ruhigen, souveränen Auftreten und seinem ausgesucht besonnenem Spiel. Ein unvergessliches Erlebnis! Jan Garbarek und seine Begleiter verstanden sich grandios auf die farbenreichen Kontraste sich wechselseitig kommentierender Linien. Die Beteiligten harmonierten sehr aufeinander abgestimmt und spielten sehr verinnerlicht und konzentriert. So vermittelte sich selbst in den dunklen Tonfolgen ein gewisses Gefühl von Schwerelosigkeit, die im zeitgenössischen Jazz bei allem Vergleichbaren - man denke etwa an David Sanborns getragene Virtuosität - etwas völlig Einzigartiges hat. "Twelve Moons" fängt diese Stimmung sehr gut ein und hat nichts von ihrer Bedeutung verloren. Eine wahrhaft phänomenale Aufnahmetechnik veredelt die sehr atmosphärische Intensität dieser CD zu einem musikalischen Glanzlicht.

  • Erst jetzt fällt mir auf, dass ich bei meiner einführenden Vorstellung der ECM-Künstler einen ganz wichtigen Mann vergessen habe, der seit nunmehr etwa 18 Jahren fast ebenso viele Alben für Manfred Eicher eingespielt hat.


    Charles Llyod


    Der Tenorsaxophonist verfügt über eine der einzigartigsten Stimmen auf seinem Instrument. Sein Ton ist leicht, luftig, fast schon gläsern und lässt jedwede Schwere der Beherrschung dieses Instruments vergessen. Lloyd ist Schwarzer mit indianischen Wurzeln, ausübender Zen-Buddhist, der vor seinen Konzerten ausgiebig meditiert und in verschiedenen musikalischen Winkeln der Erde forscht. Was glücklicherweise jedoch nicht dazu führt, dass er einen ungenießbaren Multi-Kulti-Cocktail mit esoterischem Touch anrührt. Vielmehr absorbiert er die vielfältigen Einflüsse seiner beeindruckenden Biographie und lässt am Ende seine ureigene, in aller Ruhe reflektierende, immer transparente Musik sprechen, die fernab aller World Music-Klischees Welten öffnet. Ein idealer Musiker also für das Label ECM, dem stilistische Vielfalt ein Anliegen ist, ohne dabei in Beliebigkeit zu verfallen. Und das mit seinem tontschnischen Klangideal Charles Lloyds Musik erst recht zu ihrer Magie verhilft.


    Ich komme erst jetzt darauf, da JPC Charles Lloyds Backkaktalog reduziert hat. Allzu oft kommt es ja nicht vor, dass man CDs von ECM günstig erstehen kann...


    Meine Favoriten sind folgende:



    Fish out of Water (1989) *Charles Lloyd, Bobo Stenson, Palle Danielsson, Jon Christensen
    Canto (1996) *Charles Lloyd, Bobo Stenson, Anders Jormin, Billy Hart
    The Water is Wide (1999) *Charles Lloyd, Brad Mehldau, John Abercrombie, Larry Grenadier, Billy Higgins


    LG
    B.

  • An diesem Wochenende lief der Dokumentarfilm "Sounds and Silence" (ein Film, der vor kurzem noch in Programmkinos gezeigt wurde) erstmals im Fernsehen. Selbstredend auf 3Sat, dem einzig ernstzunehmenden Sender neben Arte und einigen dritten Programmen.



    Ein wunderbares Porträt des ECM-Gründers Manfred Eicher. Wer von Euch hat diesen gigantisch guten Film gesehen? War es nicht hinreißend, wie Arvo Pärt mit Manfred Eicher ein Tänzchen zu seiner sakralen Musik wagte? Und war es nicht faszinierend, was Dino Saluzzi sagte und spielte? Dieser ganz kurze Blick von Dino Saluzzi zu Anja Lechner nach ihrem Cello-Solo muss für sie ein Adelsprädikat gewesen sein - dass sie es exakt so empfand, merkte man ihrer Reaktion an: sie strahlte über das ganze Gesicht.


    Highly recommended!

  • Ich lese Dich, mein lieber Swjatoslaw, wie immer. Ich will Dir mal einen Tip geben, in der Hoffnung, daß es funktioniert. Ich muß aber gleich zugeben, ich bin nicht der große Computer- Experte, habe es aber inzwischen selbst schon geschafft evtl. aufgetretene Fehler in meinen Beiträgen zu löschen, bzw. zu korrigieren:
    Wenn Du einen Beitrag abgeschickt hast, gehe auf Bearbeiten, Dein Posting erscheint oben nochmal, mit der gedrückten linken Maustaste blau markieren, was Du editieren willst, mit der rechten draufgehen, auf löschen gehen und mit links löschen. Danach unten erneut auf Absenden klicken. Ich hoffe, ich konnte Dir jetzt oder für zukünftige Sachen helfen. Würde mich freuen, wenn es gelingt. Schreib mir hier, wenn es geklappt hat. Viel Erfolg.
    Gruß
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Hallo chrissy,
    danke für Deinen Hinweis - leider gibt es die "Bearbeiten"-Schaltfläche immer nur 120 Minuten nach Absenden des Postings. Müssen danach noch Korrekturen vorgenommen werden - wie hier, weil das gestern noch korrekt abgebildete Filmplakat sich zwischenzeitlich in etwas ganz anderes verwandelt hat -, dann helfen nur noch die Moderatoren.
    Beste Grüße
    Swjatoslaw

  • - leider gibt es die "Bearbeiten"-Schaltfläche immer nur 120 Minuten nach Absenden des Postings


    Siehst Du, Swjatoslaw, so ist das. Da wollte ich Dir einen Tip geben und nun hast Du mir geholfen. Das habe ich nicht gewußt. Vielen Dank und noch einen schönen Abend.
    Gruß
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Mein Dank an das wie immer aufmerksam arbeitende Moderatorenteam! Und da nun das beanstandete Filmplakat in meinem Beitrag entfernt ist, würde ich vorschlagen, dass nun auch chrissys und meine nachfolgenden Beiträge - chrissys Einverständnis einmal unterstellt - ebenfalls entfernt werden, da sie nichts mit dem Thema "ECM" zu tun haben. Dann würde dieser Thread (vorerst) mit meinem Beitrag zum Film über den ECM-Gründer Manfred Eicher abschließen.

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  • Hallo,


    Nik Bärtsch gehört auch zu ECM - 2 hörenswerte CDs



    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler



  • Auch dies eine EMC-CD - und wieder die Klangbalance zwischen Klavier und Percussion super!


    Nr. 1 "Telepathy" hat Anklänge an Minimalmusik - zumindest was die Percussion betrifft.


    Nr. 2 "Rruga" - eine schöne Variation im Klavier


    Nr. 3 "Home" - ein sehr behutsamer Einstieg, der ohne "Hauptteil" (und Nachteil) im Ausstieg mündet.


    Nr. 4 "Polygonia" - ein feingliedriges Stück, sehr meditativ

    Nr. 5 "Eyjafjallajökull" - meine Assoziation: Zu zweit allein in der Stille vor dem Abbruch eines riesigen Gletschers


    Nr. 8 "Noreia" - über einem Ostinato eine passende und gut variierte Melodie mit einer "vornehnem zurückhaltenden" Perccusion


    Nr. 10 "Fjord" - "über Allem (allen Gipfeln) ist Ruh' "


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo,


    ja, ich mag diesen Kammer-Jazz - sehr transparent - und besonders Nik Bärtsch


    Modul 48 – ein bezaubernder Polyrhythmus, der Sax-Klang mit viel „Neben-Luft“ ist nicht so meine Sache


    Modul 52 - Percussion super - Thema langweilig - oder ist das an eine Passacaglia angelehnt?


    Modul 55 – Bass-Klarinette, das ist ein Sound! – wieder „Neben-Luft“, ich mag mehr den unverfälschten Klang – da kommt sowas von Entspannung auf


    Modul 47 – Glockenspiel? – Beatwechsel, sehr abwechslungsreich – Schlagzeugsolo mit Bass hervorragend – prima „Glockenspiel“-Einlagen – „Ende ohne Schluss“


    Modul 53 – wie sich der Rhythmus (mit den Besen) so langsam „einschleicht“ – mit dem Piano kommt dann eine Andeutung von Schwung – verebbt wieder – kommt aber wieder – spannend – legt sich dann endgültig zur Ruhe


    Modul 51 – wieder Passacaglia? – dann geht’s aber ab – viel Synkopen und mächtig Beat - Wachrüttler nach Modul 53


    Modul 49_44 – verträumt, introvertiert – das Thema bleibt verträumt – aber Percussion, Schlagzeug und Bass fahren dazwischen – und dann hört auch das Piano auf zu träumen


    Super Klangbalance – wie von ECM nicht anders zu erwarten.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Die Zeitschrift Jazzthing & blue rhythm gibt jährlich die Besten-Liste des Jahres heraus. Diesmal waren es 23 Kritiker, die je 10 Aufnahmen kürten. Aus diesen 230 Aufnahmen werden die Top-Ten ermittelt.


    Das Label ECM ist mit drei CDs vertreten.


    2. Platz


    Vijay Iyer, Linda May Han Oh, Tyshawn Sorey: Uneasy




    4. Platz


    Andrew Cyrille, Bill Frisell, David Virelles, Ben Street: The News




    9. Platz


    Marc Johnson: Overpass




    Die Wertung der Experten ist das eine, meine persönliche eine andere. Nur Marc Johnson gefällt mir von den dreien.

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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928