BWV 66: Erfreut euch, ihr Herzen
Kantate zum Ostermontag (Leipzig, 10. April 1724)
Lesungen:
Epistel: Apg. 10,34-43 (Petruspredigt über Christus)
Evangelium: Luk. 24,13-35 (Der Gang der Jünger nach Emmaus)
Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 32 Minuten
Textdichter: unbekannt
Choral: 3. Strophe des mittelalterlichen Osterlieds „Christ ist erstanden“ (um 1200)
Besetzung:
Soli: Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Oboe I +II, Tromba, Fagott, Solo-Violine, Violino I/II, Viola I/II, Continuo
1. Chor SATB, Oboe I + II, Tromba, Fagott, Streicher, Continuo
Erfreut euch, ihr Herzen,
Entweichet, ihr Schmerzen,
Es lebet der Heiland und herrschet in euch.
Ihr könnet verjagen
Das Trauren, das Fürchten, das ängstliche Zagen,
Der Heiland erquicket sein geistliches Reich.
2. Recitativo Bass, Streicher, Continuo
Es bricht das Grab und damit uns’re Not,
Der Mund verkündigt Gottes Taten;
Der Heiland lebt, so ist in Not und Tod
Den Gläubigen vollkommen wohl geraten.
3. Aria Bass, Oboe I + II, Fagott, Streicher, Continuo
Lasset dem Höchsten ein Danklied erschallen
Vor sein Erbarmen und ewige Treu.
Jesus erscheinet, uns Friede zu geben,
Jesus berufet uns, mit ihm zu leben,
Täglich wird seine Barmherzigkeit neu.
4. Recitativo à 2 Alt, Tenor, Continuo
Hoffnung
Bei Jesu Leben freudig sein
Ist uns’rer Brust ein heller Sonnenschein.
Mit Trost erfüllt auf seinen Heiland schauen
Und in sich selbst ein Himmelreich erbauen,
Ist wahrer Christen Eigentum.
Doch! weil ich hier ein himmlisch Labsal habe,
So sucht mein Geist hier seine Lust und Ruh’,
Mein Heiland ruft mir kräftig zu:
„Mein Grab und Sterben bringt euch Leben,
Mein Aufersteh’n ist euer Trost.“
Mein Mund will zwar ein Opfer geben,
Mein Heiland! doch wie klein,
Wie wenig, wie so gar geringe
Wird es vor dir, o großer Sieger, sein,
Wenn ich vor dich ein Sieg- und Danklied bringe?
Furcht
Kein Auge sieht den Heiland auferweckt,
Es hält ihn noch der Tod in Banden.
Hoffnung
Mein Auge sieht den Heiland auferweckt,
Es hält ihn nicht der Tod in Banden.
Wie? darf noch Furcht in einer Brust entsteh’n?
Furcht
Lässt wohl das Grab die Toten aus?
Hoffnung
Wenn Gott in einem Grabe lieget,
So halten Grab und Tod ihn nicht.
Furcht
Ach Gott! der du den Tod besieget,
Dir weicht des Grabes Stein, das Siegel bricht,
Ich glaube, aber hilf mir Schwachen,
Du kannst mich stärker machen.
Besiege mich und meinen Zweifelmut,
Der Gott, der Wunder tut,
Hat meinen Geist durch Trostes Kraft gestärket,
Dass er den auferstand’nen Jesum merket.
5. Aria Alt, Tenor, Violino solo, Continuo
Furcht
Ich furchte zwar des Grabes Finsternissen
Und klagete, mein Heil sei nun entrissen.
Hoffnung
Ich furchte nicht des Grabes Finsternissen
Und hoffete, mein Heil sei nicht entrissen.
à 2
Nun ist mein Herze voller Trost,
Und wenn sich auch ein Feind erbost,
Will ich in Gott zu siegen wissen.
6. Choral SATB, Oboe I + II, Tromba, Fagott, Streicher, Continuo
Alleluja! Alleluja! Alleluja!
Des soll’n wir alle froh sein,
Christus will unser Trost sein.
Kyrie eleis.
Diese Kantate, deren zweiter Teil einen zur Barockzeit beliebten "Dialogus" zweier allegorischer Figuren enthält, hat sich - dank den Nachforschungen und Erkenntnissen des Musikwissenschaftlers Friedrich Smend - als die Parodie einer (weltlichen) Köthener Glückwunschkantate aus dem Jahr 1718 herausgestellt.
Bach hat die erste geistliche Version dieser Kantate zu Ostern 1724 erstmals aufgeführt (zu Karfreitag 1724 erklang auch die Johannes-Passion zum ersten Mal!) und diese später nochmals (textlich wie musikalisch) überarbeitet. Die heute überlieferte Fassung ist jedenfalls mit Sicherheit nicht mehr die von 1724.
So ist z. B. die Trompetenstimme, die im Eingangschor meist die Melodiestimme verstärkt, ein Zusatz Bachs für eine spätere Fassung dieser Kantate (z. B. für eine belegte Aufführung am 26. März 1731).
Die allegorischen Figuren Furcht und Hoffnung werden von Alt und Tenor übernommen.
Das Rezitativ Nr. 4 ist nicht nur ein solches, sondern streckenweise auch ausdrucksvolles Arioso, bzw. regelrechtes Duett beider Stimmen.
Das als "Aria" betitelte Duett Nr. 5 zwischen beiden Stimmen (unter Hinzunahme einer konzertierenden Solo-Violine) ist mein persönlicher Lieblingssatz in dieser Kantate - schade, dass es von Bach nicht deutlich mehr solcher schönen Ensemblesätze gibt! In seinen Kantaten (und Oratorien/ Passionen) dominieren ja - typisch für die Barockzeit - eher die Solo-Arien.