Liebe Klassikfreunde,
Dieser Thread hier befasst sich nur nebensächlich mit den Kompositionen von Joseph Haydn, da heben wir schon einige Spezialthreads, sondern hauptsächlich mit der Frage:
Wie haben wir uns Haydn wirklich vorzustellen ?
Angeregt wurde ich zu diesem Thread, wie so oft durch einen anderen, wo das Cliché "Papa Haydn" verwendet wurde, worauf reagiert wurde.
Erstaunen: Ja hat man denn nicht schon zu Haydns Lebzeiten "Papa Haydn" gesagt ?
Das hat man in der Tat, selbst nach seinem Tod.
Johann Elssler schrieb nach Haydns Ableben einen Brief an Griesinger, wo er vom Ableben seines "Papa Haydn" berichtete.
Warum also Einwände gegen diese Bezeichnung ?
Nun zum einen, weil ja heute auch niemand mehr "Schwammerl" sagt, wenn er von Franz Schubert spricht, zum andern, weil es ein falsches Bild von Haydn als Komponisten und Mensch zeichnet und weil es für seine "Reputation" kontraproduktiv ist. Wer will heute schjon Musik eines "Tattergreises" (das impliziert ja das "Papa" heute geradezu) hören ?
Dieses "Haydnbild" ist nicht neu, befand doch schon Robert Schumann,
"Haydn wäre zwar sehr sympathisch, hätte aber der gegenwärtigen (Schumanns !!) Generation nicht mehr viel zu sagen.
War Haydn also ein harmloser Gutmensch und liebenswerter Langweiler, der Kompositionen in der tiefsten Eisenstädter Provinz fabrizierte und dort belanglose Opern fabrizierte ? Ein Vielschreiber, der über 100 Sinfonien komponierte, die der "Laie " ja garnicht auseinanderhalten kann (vozugsweise dann nicht, wenn er noch nie eine gehört hat )
Jemand der zwar viel "Kammermusik" verfasst hat, wo aber ein Werk wie das andere klingt - Wer hört das heute noch ?
Genau jene Attribute sind es auch die so zum Bild des "Papa Haydn" passen, der im Auftrag der Fürsten Esterhazy fast wie ein Beamter agiert haben soll und seine Kompositionen (wie dankbar sind wir heute dafür) in ein "Entwurfsverzeichnis" eintragen musste, oder wollte. Auf jeden Fall war dieses Verzeichnis ursprünglich eine Art Rechenschaftsbericht, nachdem der Fürst Haydn einmal, milde aber doch, gerügt hatte.
In Wirklichkeit war Haydn ganz anders, einmal hat er einem Mitschüler in der Schule aus Spaß den Zopf abgeschnitten, was ein großer Skandal war (heute auch symbolisch: Verzopft für altmodisch). Humor war schon immer eine starke Seite Haydns, das merkt man auch etlichen Kompositionen an.
Als er als Stellvertreter von Kapellmeister Joseph Gregor Werner nach Esterhaza kam, nannte ihn dieser gehässig einen "Modehansl" (Geck, Dandy) Es ist in diesem Zusammenhang nich bedeutend ob sich dies auf ein besonders modisches Outfit Haydns bezog, oder um kompositorische Neuerungen.
Daß Haydn sehr experimentierfreudig war, daß er etliches ausprobierte, wieder verwarf und durch Neues ersetzte, wird jedem Klar der seine Streichquartette hört, aber auch seine Sinfonien. Haydn gilt zwar als der "Erfinder des Streichquartetts", das stimmt aber nicht ganz. Dieses Verdinenst teilt er sich zumindest mit Luigi Boccherini. Haydn hat auch nicht, wie manche behaupten, die Sinfonie erfunden, aber er hat sie grundlegend reformiert und so den Grundstein für Mozarts und Beethovens stil gelegt, wiewohl ich seine frühen, völlig anderes aufgebauten Sinfonien sehr schätze.
Ich könnte hier noch einiges ergänzen, aber wozu haben wir schließlich ein Forum mit fast 90 Mitgliedern ?
Ihr könntet Euch beispielsweise Gedanken machen, warum Haydn noch heute (oder schon wieder ?) im Ruf des braven, ein wenig farblosen Komponisten steht, obwohl seine Kompositionen ja tönend das Gegenteil beweisen.......
Beste Grüße aus Wien
Alfred