BWV 134: Ein Herz, dass seinen Jesum lebend weiß
Kantate zum Osterdienstag (Leipzig, 11. April 1724)
Lesungen:
Epistel: Apg. 13,26-33 (Paulus predigt in Antiochia)
Evangelium: Luk. 24,36-47 (Jesus erscheint den Jüngern in Jerusalem)
Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 20 Minuten
Textdichter: unbekannt
Besetzung:
Soli: Alt, Tenor; Coro: SATB; Oboe I + II, Violino I/II, Viola, Continuo
1. Recitativo Alt, Tenor, Continuo
Tenor
Ein Herz, dass seinen Jesum lebend weiß,
Empfindet Jesu’ neue Güte
Und dichtet nur auf seines Heilands Preis.
Alt
Wie freuet sich ein gläubiges Gemüte?
2. Aria Tenor, Oboe I + II, Streicher, Continuo
Auf! Gläubige, singet die lieblichen Lieder,
Euch scheinet ein herrlich verneuetes Licht.
Der lebende Heiland gibt selige Zeiten,
Auf! Seelen, ihr müsset ein Opfer bereiten,
Bezahlet dem Höchsten mit Danken die Pflicht.
3. Recitativo Alt, Tenor, Continuo
Tenor
Wohl dir! Gott hat an dich gedacht,
O Gott geweihtes Eigentum!
Der Heiland lebt und siegt mit Macht.
Zu deinem Heil, zu seinem Ruhm
Muss hier der Satan furchtsam zittern
Und sich die Hölle selbst erschüttern.
Es stirbt der Heiland dir zugut
Und fähret vor dich zu der Höllen,
Sogar vergießet er sein kostbar Blut,
Dass du in seinem Blute siegst,
Denn dieses kann die Feinde fällen,
Und wenn der Streit dir an die Seele dringt,
Dass du alsdann nicht überwunden liegst.
Alt
Der Liebe Kraft ist vor mich ein Panier
Zum Heldenmut, zur Stärke in den Streiten:
Mir Siegeskronen zu bereiten,
Nahmst du die Dornenkrone dir,
Mein Herr, mein Gott, mein auferstand’nes Heil,
So hat kein Feind an mir zum Schaden teil.
Tenor
Die Feinde zwar sind nicht zu zählen.
Alt
Gott schützt die ihm getreuen Seelen.
Tenor
Der letzte Feind ist Grab und Tod.
Alt
Gott macht auch den zum Ende uns’rer Not.
4. Aria Alt, Tenor, Streicher, Continuo
Wir danken und preisen dein brünstiges Lieben
Und bringen ein Opfer der Lippen vor dich.
Der Sieger erwecket die freudigen Lieder,
Der Heiland erscheinet und tröstet uns wieder
Und stärket die streitende Kirche durch sich.
5. Recitativo Alt, Tenor, Continuo
Tenor
Doch würke selbst den Dank in unser’m Munde,
Indem er allzu irdisch ist;
Ja schaffe, dass zu keiner Stunde
Dich und dein Werk kein menschlich Herz vergisst;
Ja, lass in dir das Labsal uns’rer Brust
Und aller Herzen Trost und Lust,
Die unter deiner Gnade trauen,
Vollkommen und unendlich sein.
Es schließe deine Hand uns ein,
Dass wir die Würkung kräftig schauen,
Was uns dein Tod und Sieg erwirbt,
Und dass man nun nach deinem Auferstehen
Nicht stirbt, wenn man gleich zeitlich stirbt,
Und wir dadurch zu deiner Herrlichkeit eingehen.
Alt
Was in uns ist, erhebt dich, großer Gott,
Und preiset deine Huld und Treu’.
Dein Auferstehen macht sie wieder neu,
Dein großer Sieg macht uns von Feinden los
Und bringet uns zum Leben;
Drum sei dir Preis und Dank gegeben.
6. Chorus SATB, Oboe I + II, Streicher, Continuo
Erschallet, ihr Himmel, erfreue dich, Erde,
Lobsinge dem Höchsten, du glaubende Schar!
Es schauet und schmecket ein jedes Gemüte
Des lebenden Heilands unendliche Güte,
Er tröstet und stellet als Sieger sich dar.
Wie auch zu Weihnachten gab es zu Bachs Zeit auch an Ostern 3 Feiertage! Daher haben wir für den heutigen 3. Osterfeiertag, den Osterdienstag, selbstverständlich auch ein paar interessante Bach-Kantaten im Gepäck. :]
Wie die Ostermontags-Kantate BWV 66 ist auch diese Kantate in ihrer weltlichen „Ur-Form“ zu Bachs Köthener Zeit entstanden und zwar als Neujahrskantate zum 01. Januar 1719 („Die Zeit, die Tag und Jahre macht“ BWV 134 a) – eine Huldigung für Fürst Leopold von Anhalt-Köthen.
Die nicht näher bezeichneten „Rollen“ von Alt und Tenor, die der hier besprochenen Kantate auftreten, waren in der Neujahrs-Glückwunsch-Kantate noch die allegorischen Figuren „Göttliche Vorsehung“ und „Zeit“, die hier dem Fürsten huldigten.
Für die Leipziger Aufführung des Jahres 1724 war zunächst nur eine bloße Umtextierung und Anpassung an örtliche Gegebenheiten vorgenommen worden (die Sätze 5 und 6 des Originals fielen dabei weg), für spätere Wiederaufführungen dieser Kantate (z. B. im Jahre 1731) wurden jedoch zusätzlich die Rezitative neu geschrieben und dann auch noch die Arien und der Schlusschor überarbeitet.
Durch diese „weltliche“ Herkunft dieser Kantate ist zu erklären, warum sie ungewöhnlicherweise keinen Choral enthält und auch „nur“ mit einem „bloßen“ Rezitativ beginnt. Auch der Bezug der Kantatendichtung zu den Lesungen für den heutigen Feiertag fehlt völlig – es geht ganz allgemein um die Auferstehung Christi und ihre Bedeutung für jeden einzelnen Christen.