BWV 67: Halt im Gedächtnis Jesum Christ
Kantate zum Sonntag Quasimodogeniti (Leipzig, 16. April 1724)
Lesungen:
Epistel: 1. Joh. 5,4-10 (Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat)
Evangelium: Joh. 20,19-31 (Jesus erscheint den Jüngern; der ungläubige Thomas)
Sieben Sätze, Aufführungsdauer: ca. 17 Minuten
Textdichter: unbekannt
Choräle: Nr. 4 Nikolaus Herman (1560); Nr. 7 Jakob Ebert (1601)
Besetzung:
Soli: Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Traversflöte, Oboe d’amore I + II, Corno da tirarsi (Zugtrompete), Violino I/II, Viola, Continuo
1. Chor SATB, Traversflöte, Oboe d’amore I + II, Corno da tirarsi, Streicher, Continuo
Halt im Gedächtnis Jesum Christ, der auferstanden ist von den Toten.
2. Aria Tenor, Traversflöte, Oboe d’amore I, Streicher, Continuo
Mein Jesus ist erstanden!
Allein, was schreckt mich noch?
Mein Glaube kennt des Heilands Sieg,
Doch fühlt mein Herze Streit und Krieg,
Mein Heil, erscheine doch!
3. Recitativo Alt, Continuo
Mein Jesu, heißest du des Todes Gift
Und eine Pestilenz der Hölle,
Ach, dass mich noch Gefahr und Schrecken trifft?
Du legtest selbst auf uns’re Zungen
Ein Loblied, welches wir gesungen:
4. Choral SATB, Traversflöte, Oboe d’amore I + II, Corno da tirarsi, Streicher, Continuo
Erschienen ist der herrlich’ Tag,
D’ran sich niemand g’nug freuen mag:
Christ, unser Herr, heut’ triumphiert,
All’ sein’ Feind’ er gefangen führt.
Alleluja!
5. Recitativo Alt, Continuo
Doch scheinet fast,
Dass mich der Feinde Rest,
Den ich zu groß und allzu schrecklich finde,
Nicht ruhig bleiben lässt,
Doch, wenn du mir den Sieg erworben hast,
So streite selbst mit mir,
Mit deinem Kinde:
Ja, ja, wir spüren schon im Glauben,
Dass du, o Friedefürst,
Dein Wort und Werk an uns erfüllen wirst.
6. Aria + Chor Bass, SAT, Traversflöte, Oboe d’amore I + II, Streicher, Continuo
Bass
Friede sei mit euch!
Sopran, Alt, Tenor
Wohl uns! Jesus hilft uns kämpfen
Und die Wut der Feinde dämpfen,
Hölle, Satan, weich’!
Bass
Friede sei mit euch!
Sopran, Alt, Tenor
Jesus holet uns zum Frieden
Und erquicket in uns Müden
Geist und Leib zugleich.
Bass
Friede sei mit euch!
Sopran, Alt, Tenor
O! Herr, hilf und lass gelingen,
Durch den Tod hindurchzudringen
In dein Ehrenreich!
Bass
Friede sei mit euch!
7. Choral SATB, Traversflöte, Oboe d’amore I + II, Corno da tirarsi, Streicher, Continuo
Du Friedefürst, Herr Jesu Christ,
Wahr’ Mensch und wahrer Gott,
Ein starker Nothelfer du bist
Im Leben und im Tod:
D’rum wir allein
Im Namen dein
Zu deinem Vater schreien.
Der heutige Sontag nach Ostern (auch "Weißer Sonntag" genannt) heißt "offiziell" etwas sperrig Quasimodogeniti nach dem althergebrachten Introitus des Gottesdienstes am heutigen Tag.
Dessen Anfang lautet nach dem (auf lateinisch vorgetragenen) 1. Petrusbrief, Kapitel 2 Vers 2: "Wie die eben geborenen (Kinder)".
Und das erste lateinische Wort aus diesem Bibelzitat hat dem heutigen Sonntag seinen Namen gegeben (eine Praxis, die auf mehrere Sonntage des Kirchenjahres, gerade die in den jetzt kommenden Wochen, zutrifft).
Die hier besprochene Bachkantate beginnt mit einem der zahlreichen Bibelwort-Chöre Bachs, in der der Bibeltext ( hier die erste Hälfte von 2. Tim. 2, 8 ) unverändert vom Komponisten mit dessen unvergleichlichem Geschick für musikalische Wort- und Textausdeutung in einer motettenartigen Form dem Hörer nahegebracht wird.
In dieser Kantate schafft Bach es obendrein noch, eine Fuge in das gesamte Gefüge einzubauen - der ganze Eingangssatz ist ein Meisterwerk, das Bachs ganze Meisterschaft als Vokalkomponist zeigt!
Zum hier verwendeten, selten anzutreffenden Instrument, dem "Corno da tirarsi", habe ich die Übersetzung als "Zugtrompete" gefunden, obwohl mir diese Bezeichnung etwas irreführend scheint: Denn das so beschriebene Instrument bleibt unverkennbar ein Horn und keine Trompete
Die Arie + Chor Nr. 6 ist eine originelle Mischung aus einem holzbläserbegleiteteten Bass-Arioso als "Vox Christi" (mit dem Friedensgruß des den Jüngern erscheinenden Jesus, wie es im heutigen Sonntagsevangelium beschrieben wird) und den dieses Arioso mehrfach unterbrechenden Chorstimmen (ohne den Bass!).
Die Bitte um Frieden und Schutz vor den nach wie vor überall witternden Bedrohungen durchzieht die gesamte Kantate und endet eindrucksvoll (und konsequent) im abschließenden Choral mit der Anrufung des Friedefürsten Jesus Christus.