Mozart - kein Wunderkind!

  • Guten Morgen, alle zusammen...


    hat sich schon mal jemand darüber Gedanken gemacht, wie Wolfgang Mozarts Werdegang ausgesehen hätte, wenn Leopold Mozart FRÜHER klar gewesen wäre, dass Mozart kein geniales Tastaturklimperndes Wunderkind war sondern als Kind bereits ein genialer KOMPONIST? Mozart wären dann vermutlich all die anstrengenden Reisen, in denen er VORGEFÜHRT wurde, erspart worden. (Er war gerne auf Reisen, dass wissen wir – aber immer unter diesen Bedingungen?) Wie sollen wir jetzt genau erklären was wir meinen? ...
    Mozart wurde von seinem Vater als Musiktechnisches Wunder vorgeführt. Wenn wir uns die heutigen Virtuosen – egal ob Klavier, Geige oder sonst etwas – ansehen, steht hinter dem grandiosen Erfolg immer eines: Üben, üben, üben...
    Wann hatte Wolfgang Zeit irgendein Instrument wirklich zu erlernen und damit zu üben? Eigentlich keine. War es nicht viel eher so, dass Mozart zuerst die Musik begriff und sich somit jedes Instrument sozusagen „untertan“ gemacht hat. Bei ihm lief irgendwie alles anders. Er musste kein Instrument lernen um die Musik zu verstehen – Mozart verstand die Musik und damit auch jedes Instrument. Er war ein Erfinder, Neuerer der Musik, der sich ZU lange mit dem Image (es fällt uns gerade kein deutsches Wort dazu ein ... :D ) des Kindergenies herumschlagen musste, dass zufällig gerade mal genial mit einem Instrument umgehen konnte... Mozart war viel mehr.


    Soviel für heute, sind nach einem langen Arbeitstag und einem Kampfwochenende ziemlich müde...


    VIVAT Mozart!


    und liebe Grüße an alle Forianer


    Bettina und Wilfried

  • Also,
    ersteinmal ist der Begriff Wunderkind zwar sehr verbreitet, wird aber auch fast inflationär verwendet.
    Mag Mozart ein Wunderkind gewesen sein, so muß ich doch davon ausgehen, daß er in einer gewissen weise üben mußte.
    Ganz ohne Üben wird er auch nicht ausgekommen sein.
    NIEMAND nimmt ein Instrument einfach so in die Hand und kann damit umgehen. Neben dem Verständnis für die Musik ist Musizieren auch "Handwerk" und Technik.
    Musikverständnis alleine macht noch lange keine Beherrschung eines Instruments aus. Auch ein absolutes Gehör nicht.
    Alleine die Geschmeidigkeit der Finger bedarf Training.


    Außerdem denke ich das viele große Instrumentalisten erst die Musik verstanden haben bevor sie überhaupt ein Instrument gelernt haben.
    So gibt es von vielen Pianisten berichte wie sie auf Musik reagiert haben bevor sie überhaupt physisch in der Lage waren ein Instrument zu spielen. Von den geistigen Anforderungen ganz zu schweigen.


    Gruß

  • Hallo,


    Wir zitieren aus dem Buch „Mozart hat nie gelebt“ S. 253:


    „Leider verschwindet Mozarts Schwester Nannerl immer im Schatten ihres jüngeren Bruders, und doch ist sie es, die wirklich ein Wunderkind war. Wie Wolfgang wird sie schon ziemlich früh ihren ersten Unterricht vom Vater erhalten haben, und bei großer Begabung und mit außerordentlichem Fleiß gelang es ihr, mit elf Jahren eine perfekte Pianistin zu sein. Unter allen Instrumentalisten, die als Wunderkinder bekannt geworden sind, gehört Nannerl damit bereits zu den ganz wenigen, die schon mit zehn Jahren Aufsehen erregen. Diesem Ereignis gingen mehrere Jahre intensivster Arbeit voraus, und gerade so eine Rechnung geht bei Wolfgang nicht auf. Nach der Eintragungen Leopolds in das Notenbuch seiner Tochter hat Wolfgang wahrscheinlich Ende 1760 die ersten kleinen Klavierstücke gelernt. Der erste datierte Eintrag stammt vom 24. Januar 1761, und so lässt sich ablesen, auf welchem Stand der kleine Pianist an seinem fünften Geburtstag war. Um diese Zeit stand er am Anfang, und das Erstaunliche ist nun, dass sein erster Auftritt als Wunderkind genau ein Jahr später beim Kurfürsten in München stattfand.
    Selbstverständlich kann Leopold den Entschluss zu dieser Präsentation nicht erst am Tag der Abreise am 12. Januar 1762 gefasst haben. Daraus geht eindeutig hervor, dass Mozart weniger als zwölf Monate gebraucht hat, um eine gewisse Konzertreife zu erlangen...


    ... Das sechste Lebensjahr, in dem Mozart seine ersten gewaltigen Fortschritte machte, dürfte entscheidend gewesen sein, und es entschied auch über Leopolds Einfluss als Lehrer. Der Knabe muß seinem Vater ein methodisches Vorgehen geradezu unmöglich gemacht haben, denn innerhalb eines Jahres ist für das stundenlange Üben von Tonleitern, gebrochenen Akkorden, Terzen, Sexten und Trillern erschreckend wenig Zeit...


    ... Mozart war schneller. Er konnte bereits alles, bevor man es ihm beibrachte. Zu erklären ist das kaum, und es lässt sich höchstens ahnen durch das Genie des Komponisten Mozart. Offenbar hat sich Mozart nicht über die Technik dem Klavier genähert. Normalerweise ist es die Technik, welche die Musik ermöglicht. Erst wenn die Fähigkeit der Finger und die Anforderungen des Instrumentes zur Deckung kommen, ist der Weg zum Musikmachen geebnet. Mozarts Weg kann nur der umgekehrte gewesen sein. Nicht die Technik schuf bei ihm die Möglichkeit zum musizieren, sondern der Wille zur Musik schuf sich die Technik. Daraus erklärt sich teilweise der spätere Mozart als Kritiker anderer Musiker. Besonders wenn Mozart Pianisten kritisierte, bemängelte er immer die fehlende Leichtigkeit. Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, dass man nie hören darf, wie schwer ein Stück eigentlich ist....“


    Und zum Thema „Üben“ erzählt Marianne von Berchtold:


    „von exerciren auf dem Klavier wie er einmahl über 7 Jahre hatte weis ich gar nichts. da er immer vor dem leuten phantasiren, concerte und vom blat wek spielen muste, war diese sein ganzes exercicium“


    Wir sind auf Eure Antworten gespannt...


    Viele Grüße


    Bettina und Wilfried

  • Ich kenne jemanden der mit VIER Jahren das Große ein x eins perfekt beherrscht hat.
    Was hätten wohl seinerzeit die Leute in ihr Tagebuch geschrieben, die das Kind damals so erlebt hätten ?


    Wir sollten vielleicht einmal Wunderkind definieren ?!


    Und ohne ÜBEN geht dennoch nichts :D

  • Ohne jetzt prahlen zu wollen,


    ich konnte mit 3 Jahren fast und mit 4 Jahren ziemlich perfekt lesen.
    Dem Glücksrad sei Dank...


    Aber deswegen bin ich heute trotzdem ein normaler Mensch geworden und keiner hat mich je ernsthaft als Wunderkind bezeichnet.



    Gruß, Peter.

  • Hallo,


    Eigentlich hatte ich vor, diesen Thread auszulassen, aber nun hab ich mich doch aufgerafft.
    Wie immer werd ich die Sache ein wenig analytisch wissenschaftlich betrachten.
    Was ist ein "Wunderkind" ?
    Die Brockhauis Enzyklopädie hüllt sich trotz ihrer 24 Bände in Schweigen, woraus geschlossen werden kann, daß die Bezeichnung eine eher "schwammige", nicht klar Umrisene ist.


    Wir dürfen keinesfalls vergessen, daß wir hier über das 18. Jahrhundert reden, und daß Wunderkind damals nicht nur bedeutete, daß das junge Lebewesen über Kenntnisse oder Fertigkeiten verfügte, die für sein Alter unüblich waren, sonder auch, daß die "vermarktet" wurden, zumindest wurde das Wunderkind von Fürstenhof zu Fürstenhof zur Besichtigung weitergereicht. Inwieweit ein Wunderkind seine Kennntnise durch Übung oder durch Talent errang, interessierte damasl keinen Menschen und ich glaube das ist noch heute so.


    Mozart war jedenfalls solch ein Wunderkind, ein "normales" hötte Kauserin Maria Theresia von Österreich sicher nicht in Audienz empfangen, schon gar nicht für einen ganzen Nachmittag.


    Mozart musste sich aber auch , wie alle Wunderkinder, (zusammen mit seiner Schwester Nannerl) öffentlich produzieren:


    Aus der letzten Konzertanzeige London 11. Juli 1765:


    ...Das grösste Wiunder dessen Europa oder die Menschheit sich rühmen kann, ist ohne Zweifel der kleine deutsche* Knabe Wolfgang Mozart: ein Knabe der im Alter von 8 Jahren die bewunderung nicht nur der ausgezeichnetsten Männer Europas überhaupt, sondern auch der grössten Musiker Europas mit Recht erregt hat.............
    .............................................................................
    ...wird hiemit Gelegenheit gegben, diesen kleinen Komponisten und seine Schwester, deren beider musikalische Kenntnise keiner Bestätigung bedürfen, zu hören. Sie spielen jeden Tag der Woche von 12 - 3 Uhr in Großen Sall zum Schwan und Reifen, Cornhill.
    Eintritt jede Person 2 Shilling 6 Pence, die zwei Kinder werden auch zu vier Händen zugleich aud ein und demselben Klavier spielen und dasselbe mit einem Handtuch bedecken, so dass sie die Tasten nicht sehen können "


    ------------------------------------------------------------------


    Ich glaube, hier handelt es sich doch um die Vermarktung eines "Wunderkindes"


    Auch Mozart ist als er erwachsen war, ein normaler Mensch gewesen, das war ja sein Problem: Dem Wunderkind Mozart standen einst viele Türen des Adels offen, aber als Hofkomponisten wollt ihn keiner haben...


    Beste GRüße aus Wien


    Alfred






    *(schluchz, zeter-zeter)

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo liebe Forianer,


    Also, wir haben recherchiert:



    Ein hochbegabtes Kind ist seinem Alter geistig um Jahre voraus. Hochbegabung ist keine einseitige Begabung, wie z. B. die mathematische, sprachliche, musikalische, sportliche, praktische, soziale, künstlerische, kreative Begabung, sondern eine geistige Disposition, auf vielen Gebieten außergewöhnliche, oft überraschende Leistungen zu zeigen. Die Denkgeschwindigkeit und Denkmöglichkeit ist bei hochbegabten Menschen extrem erhöht. Als Kinder können sie bereits mit wenig gegebenen Fakten andere, unübliche Lösungswege finden. Hochbegabung beinhaltet bei angemessener Forderung ein gutes Gedächtnis, eine hohe Konzentrationsfähigkeit, ein schnelles Reaktionsvermögen und Ausdauer bei interessierenden Arbeiten. Das übergreifende Denken wird auch im sozialen Handeln früh sichtbar, jedoch häufig mißverstanden. Die analytische Denkfähigkeit fällt den Eltern sehr früh auf. Das Kind beschäftigt sich zu Kleinkindzeiten überwiegend mit intellektuellen Dingen. Hochbegabte Kinder antworten auf die Frage, was denkst du, überraschend logisch. Auf die Frage, was weißt du, reagieren sie eher verhalten und verweisen auf die Bücher.


    Das war das eine. Und jetzt nochmal speziell auf Mozart bezogen:


    "Im Gegensatz zu Mozart gab es viele Wunderkinder, die ihr "Kindheitsversprechen" im Erwachsenenalter nicht einlösten. Das Genie Mozart war also nicht die notwendige Folge des Wunderkindes, sondern das Wunderkind war - unter Auslassung des Zeitfaktors - eine Folge von Mozarts Genie"


    Na? Wie haben wir das gemacht? =) =) =)


    Liebe Grüße


    Bettina und Wilfried

  • Hallo,
    wenn ich mir die getätigten Aussagen zu diesem Thread, Mozart - kein Wunderkind! - durchlese,
    vermisse ich eine ganz eindeutige Aussage:


    Er war kein Wunderkind.. sondern von Natur aus so begabt, dass ihm das Kompositorische und die
    technische Fingerfertigkeit für die Instrumente, die er spielte, mit in die Wiege gelegt worden ist....!!!


    In einem dazu passenden Thread wollte ich in Zukunft dem Forum einmal darstellen... mit welch
    übermenschlichen Begabungen dieser junge Mann... Komponist... Instrumenten-Virtuose ausgestattet
    war...


    Für heute herzliche Grüße
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • @Alfred


    Hallo Alfred,


    so ganz stimmt es nicht, dass Mozart als Hofkomponist oder besser: als Erwachsener nicht mehr erwünscht war. Er konnte lange (zwar immer noch zu kurz) von seinen Kompositionen gut leben und ging beim Adel ein und aus. Das seine Beliebtheit dort abnahm, hat er auch teilweise selbst verschuldet.
    Mehr dazu später...


    Viele Grüße
    Bettina und Wilfried

  • Hallo,


    jaja das Stimmt.


    Aber ich meinte speziell die kritische Zeit, wo er eben kein "Wunderkind mehr " war, aber auch noch nicht "etabliert".


    Da versuchte er an etlichen deutschen Höfen Fuß zu fassen. Man hieß ihn willkommen, beschenkte ihn mit goldenen Uhren und Tabakdosen etc - aber eine Einladung, zu Bleiben, die gab es nicht.



    Best Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Salut,


    dazu will ich auch noch etwas loswerden:


    Der junge Wolfgang hatte natürlich Unterricht gehabt - und das nicht einmal bei dem schlechtesten Lehrer der damaligen Zeit: Nämlich bei Leopold Mozart, seinem Vater (ach...), der ihn früh in Klavier und Violine unterrichtet hat und - wie man weiß - auch eine Geigenschule mit dem Titel "Versuch, die wahre Art, die Violine zu spielen..." herausbrachte [Ist das nun der richtige Titel oder stammt dieses Buch von Bach (Sohn)?].


    Unstrittig ist wohl die Begabung des Kleinen, denn in einem Alter von 4 Jahren ist das Interesse an solchen Dingen sehr dünn gesät. Nun: Wie bzw. wann hat Wolfgang geübt? Bei dem strengen Vater blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als es konsequent jeden Tag mehrfach zu tun; und die Grundlagen bei den Instrumenten Klavier dürften im Schnitt bei täglichem Üben nach spätestens 2 Jahren gelegt sein, je nach Begabung und Interesse. Die Vielzahl an Auf- und Vorführungen Wolfgang's sind natürlich gleichfalls auch eine Art Übung, denn auch durch Aufführungen wird man besser... Dazu kommt, daß - früher noch eher als heute - Kinder irgendwie gerne beim Unterricht Ihrer Eltern zuschauen und auch dadurch lernt man gar nicht so wenig. Und dann noch die "große" Konkurrenz der ebenfalls musizierenden Schwester, das heizt an! Ich denke, so lässt es sich auf den Punkt bringen, oder?


    Und: Wolfgnag hat das Ganze irgendwie "gefressen"... weil: er fängt gleich an, selbst zu komponieren, hat also gleich "geschnallt", wie das mit der Musik funktioniert, wie man das macht, herstellt, umsetzt und spielt. Einfach klasse!


    Liebe Grüße

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    "Versuch, die wahre Art, die Violine zu spielen..."


    Da hast du jetzt was durcheinandergewürfelt: "Versuch , die wahre Art das Clavier zu spielen" (so oder so ähnlich) ist von CPh E. Bach . Leopold Mozarts Violinschule heißt: "Versuch einer gründlichen Violinschule" und stammt von 1756 (1.Auflage). Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Mozart sehr viel geübt hat. Darunter verstehe ich etliche Stunden am Tag, auch schon mit 5 Jahren. Er war ein verbürgter Stubenhocker und man musste ihn geradezu hinauspeitschen. Es war eine Strafe für ihn, hinausgehen zu müssen. So hab ich eine biografische Schilderung in Erinnerung. Seine Mutter kochte und versorgte den Haushalt, er saß, zuerst neben Nannerl, die übte, und hörte zu. Danach, wenn diese fertig war, begab er sich ans Pianoforte und fing an rumzuprobieren. Natürlich hatte er ein phänomenales Gedächtnis, natürlich hatte er eine manuelle Motorik, die sich nur einer unter 10 000 aufweist. Aber er hat selbst viel für sein Können getan. Davon bin ich überzeugt. Auf den Reisen, die endlos mit der Kutsche gedauert haben, hat er dann Sprachen gelernt. Er hat sich kaum an den Ausblicken in die Natur erfreut, sondern Vokabeln in sich hineingefressen. Schließlich lernte er im Nu Italienisch, Französisch, Latein konnte er von seinen heimatlichen Salzburger Einsätzten in der Kirche. Er hat gesungen, Geige gelern so wie alle es lernen. Nur hat er sich von allein dahintergeklemmt, weil er es lernen wollte. Das hat einen riesigen, nich zu unterschätzenden Einfluss!

  • Hallo alle Zusammen,


    natürlich hatte Mozart in seinem Vater einen sehr guten Lehrer, der ihm viel Wissen vermitteln konnte. Dennoch glauben wir, dass selbst Leopold sich nicht ganz im Klaren war, was das Talent seines Sohnes betraf. Hätte er ihn sehr viel früher auch als Komponist und nicht ausschließlich als Wunderkind am Pianoforte präsentiert, hätte Wolfgang Mozarts Leben eventuell anders verlaufen können.


    - Und wenn Ulli schreibt, „in zwei Jahren“ hat man die Grundbegriffe des Klavierspiels inne, dann müssen wir wiederum sagen: Mozart HATTE die zwei Jahre nicht. Und bei seinen ersten Auftritten im Alter von sechs Jahren spielte er nicht „leidlich gut“, sondern eben schon virtuos. Sonst hätte der ehrgeizige Leopold nicht weitere Konzerte ins Visier genommen.


    - Und um auf Fuchsbuhl zurückzukommen (eines noch nebenher am Rande. Wie kommt man auf diesen Namen???) Du hast selbst gesagt, Mozart war lange Zeit mittels Postkutsche unterwegs – und das Reisen damals war mit Sicherheit kein Zuckerschlecken. Ob er sich wirklich seine Sprachkenntnisse während dieser Aufenthalte in der Postkutsche angeeignet hat? Viel eher hat er sich die im Land selber angeeignet.
    Zum Üben blieb ihm trotzdem verdammt wenig Zeit. In so kurzer Zeit sich Instrumente wie die Violine und das Klavier eigen zu machen, und gleichzeitig erste Schritte im Bereich der Komposition zu unternehmen, Konzerte veranstalten und auf Reisen sein UND UND UND ...da reicht im Prinzip nicht einmal mehr die Bezeichnung „Genie“. Mozart war, was die Musik betraf schon fast medial veranlagt – einfach überirdisch


    VIVAT Mozart!
    und
    Viele Grüße
    Bettina und Wilfried

  • Hallo,


    Viel Stoff für Widerspruch gibt es hier.


    Um der Sache näher zu kommen ist es manchmal ganz nützlich, wenn man radikal anders denkt.


    Zunächst mal: Fragen wir uns nicht, wie viele Stunden Mozart täglich üben musste, sondern wieviele Stunden er täglich spielen wollte


    Prinzipiell kommt es zur gleichen Aussage, lediglich der Betrachtungswinkel ist ein anderer.


    Natürlich wuißte Leopold Mozart um das Talent seines Sohne Bescheid, es gibt da die berühmte Geschichte, wo der Winzig kleine Wolfgang, der noch keinen Federkiel benutzen konnte ohne zu patzen (er war 4 oder 5 Jahre alt) etwas vor sich hinkritzelte.


    Leopold: Was machst Du da ?


    Wolfgang: Ein Konzert fürs Calwier, der erste Theil ist bald fertig


    Leopold: Laß sehen


    Wolfgang: Ist noch nicht fertig


    Leopold: Laß sehen, das muß was sauberes seyn


    Er nahm dem Knaben das Papier weg, total verschmiert, weil Wolfgang die Feder zu weit in die Tinte getaucht hatte.


    Als der Vater abr genauer hinsieht, beginnt er vor Rührung zu weinen, weil alles "richtig" gesetzt ist. Allerdings sei es unbrauchbar, weil so schwer, daß kein Mensch es Spielen kann.


    Wolfgang: Drum ists ein Concert, man muß so lange exerzieren (=üben)
    Bis man es treffen kann.



    Der kleine Mozart versuchtr das geschrieben vorzuspiele, ´was aber nur andeutungsweise gelingt, er hat ja noch nicht geübt.



    Diese kleine Geschichte, sie stammt aus den Erimmerungen von Johann Andreas Schachtner, schriftlich festgehalten in einem Brief an Mozarts Schwester nach Mozarts Tod, vom 24. 4. 1792, sagt doch schon einiges über das "Wunderkind " Mozart aus, nicht wahr ??


    Leopold Mozart, offenbar ein hervorragender Pädagoge (nach Maßstäben des 18. Jahrhunderts, nicht nach heutigen, mir persönlich liegen die jedochj näher) führt auch Buch über Wolfgangs Fortschritte.



    Ich glaube auch, daß Leopold keinen Fehler gemacht hatte, Wolfgang als klavierspielendes Wunderkind zu präsentieren, das war eben PR des 18. Jahrhunderts Mozart selbst hatt sich jedenfalls nie darüber beschwert, und er war beileibe nicht unkritisch.
    Tatsache ist, daß schon in London, wo Wolfgang als klavierspielendes Wunderkind (nebst seiner Schwester Nannerl) präsentiert wird, die damalige Presse immer wieder vom "kleinen Komponisten" schreibt.


    Man kann ja auch nicht sagen, daß Mozart zu Lebzeiten als Komponist gescheitert wäre oder "nicht anderkannt". Er war aussergewöhnlich erfolgreich und anerkannt. Auch das Märchen, daß Mozarts Stern gegen Ende seines Lebens im Sinken begriffen war stimmt nicht: Es gab eine mündliche Vereinbarung mit Peter Salomon, wen Haydns Gastspiel in London erfolgreich absolviert wäre, für die nächste Saison einen ähnlichen Vertrag mit Mozart abzuschließen. Dazu kam es aber nicht mehr.....


    Genies, so meine ich, entpuppen sich, wen man ihnen nahe kommt, üblicherweise als ganz "normale" Menschen, die halt eine Sache etwas radikaler verfolgen als andere, of Scheitern sie trotzdem.


    Mozart starb nicht vergessen und verlassen, sondern durchaus anerkannt:


    "In der Nacht vom 4. zum 5. d.M. verstarb allhier der K.K. Hofkammerkompositor Wolfgang Mozart. Von seiner Kindheit an durch das seltenste musikalische Talent schon in ganz Europa bekannt, hatte er durch die glückliche Entwickelung seiner ausgezeichneten Naturgaben und durch die beharrlichste Verwendung die Stufe der größten Meister erstiegen; davon zeugen seine allgemein beliebten und bewunderten Werke, und diese geben das Maß des unersetzlichen Verlustes, den die edle Tonkunst durch seinen Tod erleidet"


    "Wiener Zeitung" im Dezember 1791


    Schon zwei Tage später folgte ein ähnlicher Nachruf in Londen und wahrscheinlich in ganz Europa



    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Guten Morgen,


    Bettina und Wilfried: Ich meine natürlich, dass "normale" Klavierschüler mit einem "normalen" Klavierunterricht, d.h. ein bis maximal zwei Lektionen pro Woche, nach zwei Jahren einigermassen vernünftig Klavier spielen können. Diese Spezies übt dann täglich, nachdem Dr. Prügelpeitsch vorgesprochen hat, maximal eine halbe Stunde, wenn nicht die Reitstunde, Judo, Ballett oder irgendetwas dazwischen kommt... Das sollte nur andeuten: Was ist, wenn jemand täglich mehrere Stunden ununterbrochen freiwillig sich mit der Materie auseinandersetzt und diese aufsaugt bzw. trinkt? Da kommt eben genau das raus, was sich Wolfgang Amadeus Mozart nennt.


    Alfred: Sorry, wegen der Verwechslung (ich hatte es ja geahnt...), nur eben keine Lust, jetzt nach unten zu laufen und die Bücher anzusehen. Natürlich ist es der "Versuch einer gründlichen Violinschule".


    Nochmal zum Thema "Wunderkind" - Mozart war eines, auf jeden Fall. Zumindest in den Augen der damaligen Zeit. Heute - glaube ich - sind die gummibärchenlutschenden Klimperer und Fiedler in ihrer Anzahl so weit überlegen, dass das kein Aufsehen mehr erregt, weil es "normal" geworden ist, dass 4 bis 6 Jährige auf der Bühne stehen und Paganini fideln (übrigens geigerisch gesehen um ein Vielfaches technisch schwerer, als Mozart bzw. dessen Zeitgenossen).


    Genau deswegen, denke ich, war auch der Film "Wunderkind Tate" (ist irgendwo in den 90ern anzusiedeln) ein relativer Flop, weil das heute niemanden mehr interessiert.


    Wie sähe denn ein Wunderkind der heutigen Zeit aus? Ein 14 Monate altes Baby, das Autofahren kann, oder so ähnlich...


    Liebe Grüße

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • @ ulli


    Übrigens habe ich "fuchsbuhl", nicht Alfred, die Bemerkung gemacht, dass es "Versuch einer gründlichen Violinschule" heißen muss, aber das nur am Rande.


    @Bettina & Wilfried

    Zitat

    Hätte er ihn sehr viel früher auch als Komponist und nicht ausschließlich als Wunderkind am Pianoforte präsentiert, hätte Wolfgang Mozarts Leben eventuell anders verlaufen können.


    Sicher wäre sein Leben dann anders verlaufen, nur wäre er dann nicht der geworden, der er geworden ist. Meiner Überzeugung nach prägte ihn und seine Komponierkunst das Reisen. Aus den Begegnungen mit Persönlichkeiten wie Kaiserin Maria Theresia 1762, Kurfürst Karl Theodor in Mannheim 1763, König Ludwig XV in Versailles 1764, oder befruchteneden Musikern wie Michael & Joseph Haydn, Padre Martini oder später C.Ph. E. Bach.


    M.a.W. wenn Mozart nicht dieses Leben als ausübender Künstler kennengelernt hätte, nicht diese Mühle der Reisen durchlaufen hätte, die ihm die internationale politische - & Musikwelt vor Augen geführt hat, wäre er vermutlich als Hofkapellmeister in Salzburg sang- und klanglos hängengeblieben. Der Aufbruch in die Welt ließ ihm als Konsequenz daraus seine Heimat zu eng werden und er wagte den Sprung in die Metropole Wien. Nur von dort aus und dort gelang ihm das Leben als freischaffender Komponist. Eine für damalige Zeit unerhörte Tatsache.


    @ ulli


    Zitat

    weil es "normal" geworden ist, dass 4 bis 6 Jährige auf der Bühne stehen und Paganini fideln


    Ich weiß, dass es nicht normal ist , dass 4-6 Jährige Paganini fideln. Ich stelle in der Gegenwart eine erhebliche Leistungsspanne zwischen dem "normalen" Musikschulniveau und den "Hochbegabten" fest. Während das Niveau in der Musikschule, nicht zuletzt wegen verfehlter Bildungspolitik unseres Staates, der Unterricht an Musikschulen kaum effizient gestaltet und schon gar nicht richtig finanziell unterstützt, da in Deutschland die Kommunen, die pleite sind, die Musikschulen betreiben, absinkt, steigt es bei Wettbewerben wie "Jugend musiziert" in den letzten zwei Jahrzehnen stetig an. Die Anforderungen werden ständig nach oben korrigiert, was dann zu dem Zwang führt, dass 10-Jährige Paganini oder Tschaikowsky spielen müssen, um einen vorderen Platz zu belegen. Die Reife bleibt in Deutschland völlig auf der Strecke. Das sieht man auch an dem Zwang, das Abi in 12 Jahren durchzupeitschen. Mit 17 ist eigentlich noch niemand Abi-reif. Außerdem bleibt für Musik wieder keine Zeit übrig in den Schulen. Alles muss schnell gehen heute... Bei Mozart ging es irgendwie mit großer Selbstverständlichkeit. Alledings war Mozart zu Kinderzeiten oft krank, mehrere Male nahe dem Tod. Und er wurde nur 35. Ein Indiz für Raubbau an seinem Körper, den er, wie Schiller oder manch anderer "Frühbegabter" nicht geschont hat,. Er hat aus sich herausgolt, was möglich war. Dann war es zu Ende. Davor stehen wir noch heute staunend.

  • Hallo


    Mein Mozartbild ist da ganz anders, und das obwohl ich ein großer Anhänger von ihm bin, vielleicht gerade darum.


    Mozart war ein hervortragender Komponist, weitgereist, mit vielen Freunden und Feinden (wobei der Unterschied oft fließend war) unter seine Berufskollegen. Aber-Sicher kein "Wunder". Ein Mann it Geschmack, Phantasie und dem technischen Rüstzeug, beides entsprechend zu verarbeiten.


    An seiner Seite standen viele Zeitgenossen , die er persönlich auch als Komponisten sehr schätzte (j.Chr. Bach, Schröter, Cannabich,Joseph und Michael Haydn, Pleyel) und solche die er als Konkurrenten fürchtete (Kozeluch und Salieri). Dabei ist die Aufzählung gar nicht komplett. Zudem hat er gar nicht alle gekannt.


    Die Frage ist, wie Mozart heute eingestuft würde, hätte er 40 Jahre länger gelebt. Als "Vielschreiber" , als (gegenüber Beethoven) "altmodischer" Komponist von "gestern" ?
    Als "Modeerscheuinung" , "gestrandetes Wunderkind", das den Anschluß ans Erwachsensein verpasst hat?


    So ketzerisch diese Frage klingt, so berechtigt ist sie.
    Mozart war nicht so einzigartig und konkurrenzlos, wie oft dargestellt.
    Als Beweis möchte ich die gar nicht zu geringe Anzahl von Werken anderer Komponisten ins Treffen führen, die von der Musikwissenschaft jahrzehntelang und länger ohne Bedenken Mozart zugeschrieben wurden, die aber, wie sich später herausgestellt hat, von sogenannten "Kleinmeistern" stammen (ein Begriff, den ich stets mit Hohn im Mund führe)
    Wer von euch hat schon eine Oper von dem vielgeprügelten Salieri
    (der ein Ehrenmann war, selbst Mozart würde das bestätigen) je gehört?
    Manches klingt da verdammt nach (eigenwilligem) späten Mozart.
    ZU Popularität Mozarts trug sicher nicht nur seine Musik bei, sondern die auch die vielen Legenden um seine Person, etwas, das Haydn nicht aufweisen kann, und Haydns "Spätruhm" erheblich drückt.


    Wer kennt die Geschichter von "Mozarts Sinfonie Nr 37 ?


    Wer weiß, wessen Werke alle für "echten Mozart" gehalten wurden ?


    (Eberl freute sich wie ein kleines Kind darüber, daß man seine Werke für jene Mozarts hielt)
    Auch Werke von Francois Devienne, heute in einem Thread erwähnt, von der Musikgeschichte fast vergessen (Brockhaus Enzyklopädie 19. Auflage erwähnt ihn nicht) wurden Mozart zugeschrieben.


    Noch heute sind manche Zuschreibungen zweifelhaft, wovon ene eigene CD-Serie aus dem Hause MDG (Musikproduktion Dabringhaus und Grimm) mit Namen "Mozart ??!" Zeugnis ablegt.


    Mozarts früher Tod, und die (angedichteten) "mysterösen" Umstände
    trugen zur Legendenbildung erheblich bei. So zynisch es klingen mag:
    Mozarts früher Tod zementierte seine Ruhm endgültig , soll heissen er ist festgemauert in der Musikgeschichte für die Ewigkeit.


    "Wenn die Götter lieben, den holen sie früh zu sich", sagt ein Sprichwort. Ich möchte den Satz umdrehen.
    "Jene Großartigen, die früh "zu den Göttern geholt" wurden, werden der Menscheit in ihrer Großartigkeit eher bewußt.


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Salut, fuchsbuhl und alle anderen,


    sorry, wegen der doppelten Verwechslung... ich habe gerade eine Phase, wo Zeit ein unbekanntes Wort ist, ich viel zu Sagen resp. zu Schreiben habe, aber eben dieses Zaubermittel nicht parat habe. Vielmals Entschuldigung, fuchsbuhl, ich kann es nicht dulden, Fehler zu machen.


    Natürlich stimmen Deine Ausführungen betreffend des Leistungsdrucks und -anspruchs in Deutschland mehr, als uns allen lieb ist, aber dennoch finde ich diese jungen Wunderkinder nicht beneidenswert. Ich möchte gar nicht wissen, ob die dies alles freiwillig machen oder wie ein W.A.M. aus reinem Interesse, Glück und Zufriedenheit...


    Wie sieht es eigentlich mit Beethoven aus? Eigentlich auch ein Wunderkind, der Vater Nachahmer von Leopold Mozart, aber es hat eben nicht so geklappt, wie er es sich vorgestellt hat (soweit zumindest meine Erinnerungen an irgendeine Hörspielkassette aus den 80ern). Trotzdem ist aus Beethoven etwas geworden, oder?


    Alfred muss ich auch Recht geben bezüglich seiner Meinung: Was wäre aus Mozart geworden, wenn er eben nicht so früh und unter diesen mysteriösen Umständen gestorben wäre...? Ich glaube auch, dass die Aktion dem Ganzen noch die Kone aufgesetzt hat. Ich meine aber, dass es "Mozart" gewesen wäre, er hätte sich dennoch weiterhin durchgesetzt! Denn auch er war mehr als Lernfähig...


    Interessant ist jedenfalls in diesem Zusammenhang, dass Mozart (der junge Wolferl) ganz genau das komponiert hat, was das Volk und die höfischen Anspruchsteller benötigten: Gefällige, harmonische, liebliche Musik (verflixte g-moll Sinfonie Nr. 25 z.B.). Erst später, so ab etwa 1780 beginnt Mozart, eigene Wege in der Musik zu gehen, nachdem er Zeitgenossen wie Joh. Chr. Bach hinreichend imitiert hat (z.B. Mithridate, Lucio Silla) kommt plötzlich eine "Entführung aus dem Serail" dahergeschwirrt. Ich denke, er hätte es nach 1791 durchaus mit einem Haydn oder Beethoven aufnehmen können.


    Viele Grüße

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Entweder ich hab's nicht gesehen, oder keiner hat zwei m.E. wichtige Punkte erwähnt.


    1. Mozart war 3 oder 4 jahre alt. Bei ihm zu Hause wurde ein Trio (oder Quartett??) gespielt. Mit seiner kleine Geige wollte Mozart sich auch beteiligen. Der Vater verbot es, aber der zweiten Violinespieler sagte "Versuch's mal". (Also, vermutlich Trio). M. spielte sofort - ohne je dieses Stück geübt zu haben - seine Partie. Der zweite Violonist hielt an und ließ M. diese Partie weiter spielen. Vater Leopold fing an zu weinen. So stolz und gerührt war er. Diese Geschichte ist belegt. Vielleicht vom Vater, jedenfalls vom 2. Violinespieler selber.
    Er spielte also "prima vista"! Und er spielte damals bereits (ziemlich) gut.


    2. Als M. als 5- oder 6-jähriger Bub seinem Klavierspiel zeigen mußte, wurde oft ein Tuch über die Tasten gelegt. Und er spielte was man fragte. Das kann doch nicht ohne Übung, was?

  • Zitat

    Original von musicophil
    1. Mozart war 3 oder 4 jahre alt. Bei ihm zu Hause wurde ein Trio (oder Quartett??) gespielt. Mit seiner kleine Geige wollte Mozart sich auch beteiligen. Der Vater verbot es, aber der zweiten Violinespieler sagte "Versuch's mal". (Also, vermutlich Trio). M. spielte sofort - ohne je dieses Stück geübt zu haben - seine Partie. Der zweite Violonist hielt an und ließ M. diese Partie weiter spielen. Vater Leopold fing an zu weinen. So stolz und gerührt war er. Diese Geschichte ist belegt. Vielleicht vom Vater, jedenfalls vom 2. Violinespieler selber.
    Er spielte also "prima vista"! Und er spielte damals bereits (ziemlich) gut.


    Salut,


    klingt wie ein Rätsel. Die Lösung:


    Der erste Geige war Herr Wenzl [Wenzel, Wentzl]
    Die zweite Geige Johann Andreas Schachtner
    Die Viola war Leopold Mozart


    [...] Um ein 2tes Violin zu spielen braucht es ja wohl nicht erst gelernt zu haben [...] :stumm: [W. A. Mozart]


    Der Bürge ist Johann Andreas Schachtner, Bericht an Maria Anna Reichsfreiin von Berchtold zu Sonnenberg [ = Nannerl], Salzburg den 24. April 1792. Sie spielten neue Trios von Wentzel.


    Zitat


    2. Als M. als 5- oder 6-jähriger Bub seinem Klavierspiel zeigen mußte, wurde oft ein Tuch über die Tasten gelegt. Und er spielte was man fragte. Das kann doch nicht ohne Übung, was?


    Ohne Übung sicher nicht. Aber ansonsten hat das mit Hexerei, Verzeihung - Genie - nichts zu tun.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Zitat

    Original von Ulli


    Ohne Übung sicher nicht. Aber ansonsten hat das mit Hexerei, Verzeihung - Genie - nichts zu tun.


    Die Frage war: Wunderkind hinsichtlich Klavier/Violine spielen oder genialer Komponist.


    Paul

  • Zitat

    Original von musicophil


    Die Frage war: Wunderkind hinsichtlich Klavier/Violine spielen oder genialer Komponist.


    Salut,


    die Antwort ist auch hier: Nein.


    Außergewöhnlich begabt: Ja.


    :hello:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von musicophil
    Hallo Ulli,


    Ich will nicht langweilig sein, aber welches Kind kann bereits am 4. Jahr "prima vista" spielen?
    Doch Wunderkind?


    Gruß, Paul


    Salut,


    ich will es mal übertrieben darstellen: Hätte er mit 4 Jahren die Zauberflöte komponiert - dann würde ich das "Wunder" gelten lassen.


    Es gibt frühentwickelte Kinder und sogenannte Spätzünder. Es gab damals kein Fernsehen, kein Nintendo - mit irgendetwas musste man sich wohl beschäftigen. Ich kenne das von meinem Sohnemann: Wenn der einmal Feuer und Flamme von irgendetwas ist, dann wird es bin zum Exzess getrieben [was die Eltern unendlich nervt]. Das aber ist der Vorteil der Kinder - dieses freiwillige und unkontrollierte Durchhaltevermögen, wer hat das schon [noch] als Erwachsener?


    Ihm hat das Geigen- und Klavierspiel ebenso Spaß gemacht, wie das Komponieren. Man weiß aus Überliefuerungen, dass er nicht mehr davon wegzubringen war - er war fasziniert davon. Der "Effekt" ist eben dadurch die sich automatisch einstellende "Übrung" bis hin zur Perfektion. Für Außenstehende mag das wie ein Wunder erscheinen.


    Als "Wunder" bezeichnet man ja das [zunächst] unerklärbare Phänomen [mit Seltenheitscharakter], man "bewundert" eine Fähigkeit. Mit dem Sprachgebrauch dieser Begrifflichkeit bin ich prinzipiell einverstanden, jeder weiß, was gemeint ist.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Alfred,


    das ist wie Wasser auf meine Mühlen! Dass Du eine ehrliche und kritische Betrachtung anstellst, obwohl (oder vielleicht gerade deswegen, wie Du sagst) Mozart Dein Lieblingskomponist ist , ehrt Dich! Selbstverständlich habe ich nicht vor an Mozarts Thron zu rütteln, oder ihn gar umzustossen, aber die Fragen, die Du auffwirfst bzw. die Feststellungen, welche Du triffst, sind genau dieselben, die ich eigentlich in diesem Zusammenhang auch gebracht hätte -
    Zur vermeintlichen Konkurrenzlosigkeit hast Du ja bereits einige Namen genannt - auch ich bin sehr kritisch mit der Bezeichnung "Kleinmeister".
    Wenn Musikwissenschaft ein dermaßen hohes Maß an Objektivität aufweisen würde, wie sie sie gerne propagiert, wären falsche Werkzuweisungen nicht möglich (Wie kann ein Werk, welches Mozart zugeschrieben wurde, aus der Feder eines anderen stammen, wenn Mozart ein unüberbrückbares Genie wäre??). Ich möchte nicht die zweifelsfrei hohe Qualität der Mozartschen Werke in Abrede stellen - und Mozarts Werke sind voll davon und wie gesagt möchte ich Mozart auf seinen Thron belassen - doch ihm gesellen sich ein paar Kollegen bei, die seinem Thron nicht sooo weit entfernt waren, wie uns das der Geniekult unserer Gesellschaft immer glauben machen möchte.
    Mozart war ein Wunderkind, ja. Doch sollte man bei der Wahrheit bleiben: Das nachlassende Interesse in Mozarts Jugend bzw. Jungerwachsenenalter hatte definitiv auch etwas mit seinen Kompositionen zu tun - sie waren einfach - nun ja.....(ich wage es nicht auszusprechen!!). Dies ändert wiederum nichts an den etlichen Meisterwerken (vor allem in der Oper und der sakralen Musik) die Mozarts Reifestil begründen - Don Giovanni ist mit Sicherheit den meisten, wenn nicht sogar allen Opern seiner Zeit überlegen - doch vergessen wir nicht Paisiello, er war Mozart in musikalischer Hinsicht(!)häufig zum Verwechseln ähnlich. Daß Mozart einen Zugewinn durch seine ganz neue Behandlung der Dramaturgie und der Eigenständigkeit seiner Figuren bringt, bleibt unangefochten.....
    Fazit: Mozart war ein Wunderkind, ok, aber seine Jugenkompositionen sind wahrlich keine Geniestreiche..
    Ganz im Gegensatz zu Mendelsohn-Bartholdy, dessen Sommernachtstraum im zarten Alter von 16 Jahren entstand!!


    Vivat Mozart!!!!!! :D

  • Salut,


    Zitat

    Original von Wulf
    Wenn Musikwissenschaft ein dermaßen hohes Maß an Objektivität aufweisen würde, wie sie sie gerne propagiert, wären falsche Werkzuweisungen nicht möglich (Wie kann ein Werk, welches Mozart zugeschrieben wurde, aus der Feder eines anderen stammen, wenn Mozart ein unüberbrückbares Genie wäre??).


    Bravo!


    Was wäre z.B. mit Mozarts Requiem, hätten sich F. X. Süßmayr und Constance Mozart nicht geoutet - die beiden hätten das Original vernichten können, Süßmayrs Reinschrift ist der von Mozart ziemlich ähnlich, wie man heute weiß. C u. S haben ja nur die Abschrift verkauft und das Original mit Ergänzung behalten, um den finanzielle Bonus voll auszureizen. Wäre C nicht "geldgierig" gewesen, sondern hätte lediglich auf der "vollständigen Komposition" durch ihren Mann bestanden, hätte sie die Originale vernichtet.


    Ohne den Gedanken an eine "Vollendung" durch Süßmayr, hätte man die Unterschiede der Schrift vermutlich niemals festgestellt. Dann wäre die stets angegriffene Osanna-Wiederholung in B-Dur anstelle in D-Dur plötzlich ein "Geniestreich"? Und das "Agnus Dei", welches Süßmayr nach eigenen Angaben "völlig neu verfertigt" hat, gehört für mich zu den schönsten Teilen des Requiem. Man mutmasst natürlich zur Erretung des Wunders, dass Süßmayr hier Skizzen Mozart verbraten hat. Und wo sind diese? Hat er sie vernichtet, um sich zu schmücken? Dann hätte er weitere gandiose Teile ebenfalls vernichtet.


    Zitat


    Das nachlassende Interesse in Mozarts Jugend bzw. Jungerwachsenenalter hatte definitiv auch etwas mit seinen Kompositionen zu tun - sie waren einfach - nun ja.....(ich wage es nicht auszusprechen!!).


    Besonders schwer ist die Zuordnung "namenloser" - wiederentdeckter - kompositionen, die dann Mozart untergejubelt werden: Im vergangenen Jahr war es eine Sinfonie. Mozart war um 1770 sicher noch nicht als "typisch Mozart ausgereift", so ist eine Zuordnung ohne Anhaltspunkte sicher nicht eindeutig möglich.


    Mozarts Sinfonien und Violinkonzerte aus dieser Zeit [bis 1779] sind vielleicht "gehobene Mittelklasse" und sind neben jenen von Rosetti, Kraus, Dittersdorf, Kozeluch usw. zu sehen. Sie sind schön, aber nichts weiter.


    Zitat

    Vivat Mozart!!!!!!


    Genau!


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Wulf
    Zur vermeintlichen Konkurrenzlosigkeit hast Du ja bereits einige Namen genannt - auch ich bin sehr kritisch mit der Bezeichnung "Kleinmeister".
    Wenn Musikwissenschaft ein dermaßen hohes Maß an Objektivität aufweisen würde, wie sie sie gerne propagiert, wären falsche Werkzuweisungen nicht möglich


    Nicht die Musikwissenschaft (die gab es 1800 im modernen Sinne höchstens in Ansätzen) entscheidet, wer als "Kleinmeister" vergessen oder wer wieder hervorgekramt wird, sondern die Zeitgenossen oder die unmittelbar nachfolgende Komponistengeneration. Und hier ist es nunmal so, dass kurz nach Mozarts Tod der überragende Rang von Mozart und Haydn in der Instrumentalmusik kaum bestritten wurde. Graf Waldstein schreibt Beethoven nichts von "Kozeluchs Geist aus Salieris Händen" inst Stammbuch, sondern eben von Haydn und Mozart. Um 1810 läßt E.T.A. Hoffmann nur Haydn, Mozart und Gluck als Meister der "romantischen" Musik und Beethoven als ihren genuinen Nachfolger gelten.
    Der Einfluß des Publikums wird hierbei (ebenso wie der der Musikwissenschaft) meistens überschätzt. Ein Komponist wie J.S. Bach war dem Publikum in der 2. Hälfte des 18. Jhds. weitgehend unbekannt, nicht aber den aktiven Komponisten. Und kein Impresario hat die großen Chorwerke wieder für ein breites Publikum zugänglich gemacht, sondern Mendelssohn u.a. Musiker. Musiker, Komponisten und vielleicht manchmal auch einflußreiche Schriftsteller wie Hoffmann (der ja selbst Musiker war) sind die entscheidenden Faktoren, spätestens, wenn ein Komponist nicht mehr lebt.


    Zitat


    (Wie kann ein Werk, welches Mozart zugeschrieben wurde, aus der Feder eines anderen stammen, wenn Mozart ein unüberbrückbares Genie wäre??). Ich möchte nicht die zweifelsfrei hohe Qualität der Mozartschen Werke in Abrede stellen -


    Wobei hier m.E. das einzige kritische Werk das Requiem ist. Die "Lambacher" Sinfonie, die von Leopold stammt, wäre eh ein sehr frühes Werk gewesen und die strittige Sinfonia concertante für Bläser basiert zumindest auf Material von Mozart; ihre Autroschaft war zudem immer umstritten. Wiederum scheint mir eher die Ausnahme zu sein, dass ernsthafte Musikwissenschaftler sich hier zu weit aus dem Fenster lehnen, aber in ebendiesem Forum wird man Äußerungen finden, dass dei Toccata &Fuge d-moll von Bach stammen müsse, weil es doch sonst keinen Komponisten gegeben habe, der gut genug gewesen sei, so etwas zu komponieren :rolleyes:


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Wobei hier m.E. das einzige kritische Werk das Requiem ist. Die "Lambacher" Sinfonie, die von Leopold stammt, wäre eh ein sehr frühes Werk gewesen und die strittige Sinfonia concertante für Bläser basiert zumindest auf Material von Mozart; ihre Autroschaft war zudem immer umstritten. Wiederum scheint mir eher die Ausnahme zu sein, dass ernsthafte Musikwissenschaftler sich hier zu weit aus dem Fenster lehnen, aber in ebendiesem Forum wird man Äußerungen finden, dass dei Toccata &Fuge d-moll von Bach stammen müsse, weil es doch sonst keinen Komponisten gegeben habe, der gut genug gewesen sei, so etwas zu komponieren :rolleyes:


    Salut,


    da gibt es noch zwei urkomische Beispiele: In Anhang des KV sind unter C die definitiv als unterschoben geltenden Werke verzeichnet. Darunter befindet sich


    1. ein Offertorium "Huc, huc, gentes venite" KV Anh. C 3.21
    2. ein Offertorium "Ad festum huc venite" KV Anh. C 3.26


    Sicher, die Werke sind so nicht von Mozart. :rolleyes:


    Hier hat ein Spaßvogel lediglich den Text in Fall 1 von ursprünglich "Trema, trema scelerato" und in Fall 2 von ursprünglich "Questo è il fin, chi di fa mai..." aus dem Meisterwerk Don Giovanni unterlegt und das ganze als Offertorium verkauft.


    An den Instrumental- und Singstimmen wurde definitiv nichts verändert.


    Böse Falle!


    :baeh01:


    Cordialement
    Ulli


    P.S. Passt eher in den Thread: Typisch Mozart? ;)

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Salut,


    ich finde, es passt hier in diesen Thread - zumal ich ja auch noch immer die Meinung vertrete, Mozart war kein Wunderkind!


    Da schreibt die Hilary Hahn ganz plötzlich das, was ich schon lange in Gedanken mit mir herumtrage:


    Zitat


    Gehört es nicht zu jeder Kindheit, sich intensiv in irgendetwas versenken zu können und dabei alles um sich herum vollkommen zu vergessen?


    Genau das passiert nämlich - ich möchte nur das "jeder" etwas relativiert wissen. Kinder sind nun mal schnell von irgenetwas so gepackt, dass sie beinahme nervtötend nicht mehr aufhören, diese Dinge zu tun oder darüber zu berichten. Und bei der Musik im Speziellen kommt ja noch hinzu, dass man etwas "schafft": egal, ob man ein Musikstück spielt oder etwas Komponiert. Hier haben Kinder Gelegenheit, sich zu produzieren und zwar auch so, dass es den Erwachsenen gefällt und das ist ja nicht so oft der Fall. Logisch, dass man da auch in gewisser Weise süchtig von werden kann...


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ausgerechnet im Thread über Schuberts "Unvollendete" hat sich eine kleine Diskussion über die Bewertung von Mozarts Frühwerk entsponnen. Ausgangspunkt waren verschiedene Aussagen Harnoncourts, die ich als Mystifikationen kritisiert habe. Dazu gehörte folgende Äußerung, die ich nur sinngemäß wiedergegeben habe: "Jede Note des ganz jungen Mozart ist ebenso genial wie die großen Spätwerke".
    Folgende Beiträge haben sich darauf bezogen:




    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ich weiß ja nicht, wann "jung" und "ganz spät" sein soll. Aber im Zweifel würde ich die Werke aus den Jahren 1784/85 oder 1786/87 denen aus 1790/91 vorziehen...zwar nicht mehr ganz jung, aber auch nicht ganz spät.
    (abgesehen davon, dass das eine der wenigen Diskussionen ist, die fast ncoh sinnloser als das "Programm" der Unvollendeten sind... :D )



    Zitat

    Original von Zwielicht
    Diese Diskussion hat ja Harnoncourt gewissermaßen losgetreten, indem er sie mehrfach in Wortbeiträgen und Interviews verbreitet hat. Ich erinnere mich noch deutlich an ein Interview mit ihm in der Süddeutschen Zeitung (Januar 2006), in dem er darauf beharrt hat, dass z.B. die ganz frühen Symphonien - also KV 16ff. - auf ihre Art den späten gleichwertig seien. Das Ganze begründet mit einer Genieästhetik, die direkt aus dem 19. Jahrhundert zu stammen schien.



    Zitat

    Original von Theophilus
    Entschuldigung, aber das hat bereits Karl Böhm jedem erzählt, der ihn auf Mozart angesprochen hat. Er hat sogar auf Details in den frühen Symphonien hingewiesen, die fast identisch in den letzten wieder auftauchen. Auch für Böhm war Mozart ein frühvollendeter, der "nur" mehr handwerklich besser wurde. Auf keinen Fall ist diese Einschätzung eine Erfindung Harnoncourts, er ist ein weiterer gewichtiger Befürworter dieser These.



    Eben: diese Einschätzung ist keine Erfindung Harnoncourts. Deshalb habe ich ja auch von einem Rollback gesprochen, das ausgerechnet von einem Musiker losgetreten wird, der einmal als "Aufklärer" angetreten war und jetzt noch hinter den Erkenntnisstand von Karl Böhm zurückfällt.


    Wohlgemerkt: niemand bestreitet, dass schon in den frühesten Symphonien Dinge angelegt waren, die später von Mozart ausgebaut wurden - in KV 16 ist das mit dem "Vorgriff" auf die Jupitersymphonie ja ohrenfällig. Das wusste vor Karl Böhm auch schon Alfred Einstein, der vermutlich auch nicht der erste war. Mir geht es um etwas anderes. Dafür zitiere ich Auszüge aus einem Interview Axel Brüggemanns mit Harnoncourt, das auf der Homepage der Grazer Styriarte veröffentlicht worden ist (auf das Interview in der SZ habe ich keinen Zugriff mehr):


    "Lange wurde Mozarts Frühwerk belächelt. Ihre Neueinspielung lässt nun eine unglaubliche harmonische Tiefe hören.


    Diese Musik ist ein Wunder und für mich schlichtweg unerklärbar. Als ich das Orchester erinnert habe, dass Mozart acht Jahre alt war, als er seine erste Sinfonie komponierte, haben wir alle eine Gänsehaut bekommen. Was uns erschreckt, ist, dass ein Kind rein philosophisch gar nicht so weit sein kann, um Einsichten zu vermitteln, die Mozarts Musik geben. Woher hat er die zärtlichen Liebesszenen aus Bastien und Bastienne? Solche Musik schreibt man nicht, wenn man am Schlüsselloch des elterlichen Schlafzimmers gelauscht hat.


    Also reden wir von einem Genie?


    Mich erinnert Mozarts Reife an den kleinen Pascal, der als Kind die häretischen Sätze gefunden hat. Mein Freund, der Regisseur Jean-Pierre Ponelle, glaubt, dass es möglich sein muss, ohne rationale Denkvorgänge, quasi im Blindflug auf wichtige Ergebnisse zu kommen. Dieser nicht nachvollziehbare Denkvorgang macht Mozart zu einem so unerklärbaren Phänomen. Wenn man seine Kompositionen mit Werken erwachsener Komponisten seiner Zeit vergleicht, hört man, dass er mit der gleichen mächtigen Klaue geschrieben hat, dabei aber nie klang, als hätte er sich die Kunst angelernt. Sie war einfach da.


    Wie ist diese Reife in den frühen Sinfonien greifbar?


    Nehmen wir die letzten Sätze. Sie waren meist Jagdmotive. Aber: Bei den Mozarts hat niemand gejagt. Mozart hat das Jagen als Bild verarbeitet. In seiner Musik geht es um das Scheitern und um das Leid des Gejagten. [...]"



    "Wunder", "schlichtweg unerklärbar", "Gänsehaut", "unerklärbares Phänomen", "sie [die Kunst] war einfach da", "in seiner Musik geht es um das Scheitern und um das Leid des Gejagten" - das sind eindeutig Mystifikationen. Man mag Mozarts Frühwerk für erstaunlich, sogar für genial halten - "unerklärbar" ist es nicht, die Lernprozesse und Einflüsse sind ja u.a. in diesem Forum schon oft aufgezeigt worden. Vom "Leid des Gejagten" mal ganz zu schweigen. Ich würde mich nicht so ärgern, wenn diese Aussagen nicht ausgerechnet von dem von mir sonst hochgechätzten Harnoncourt stammen würden, der so viel für rational nachvollziehbare musikhistorische und aufführungspraktische Erkenntnisse geleistet hat. Und Bruckner, auf den eine solche Genieästhetik bis in die 50er und 60er Jahre (+ Celibidache) oft angewandt worden ist, wird von Harnoncourt ja inzwischen verbal auf ganz ähnliche Art und Weise traktiert.


    Viele Grüße


    Bernd

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