BWV 85: Ich bin ein guter Hirt
Kantate zum Sonntag Misericordias Domini (Leipzig, 15. April 1725)
Lesungen:
Epistel: 1. Petr. 2,21-25 (Christus als Vorbild; ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen)
Evangelium: Joh. 10,11-16 („Ich bin der gute Hirte“)
Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 20 Minuten
Textdichter: unbekannt
Choräle: Nr. 3 Cornelius Becker - nach Psalm 23 ( 1598 ); Nr. 6 Ernst Christoph Homburg ( 1658 )
Besetzung:
Soli: Sopran, Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Oboe I + II, Violoncello piccolo, Violino I/II, Viola, Continuo
1. Arioso Bass, Oboe, Streicher, Continuo
Ich bin ein guter Hirt, ein guter Hirt lässt sein Leben für die Schafe.
2. Aria Alt, Violoncello piccolo, Continuo
Jesus ist ein guter Hirt;
Denn er hat bereits sein Leben
Für die Schafe hingegeben,
Die ihm niemand rauben wird.
Jesus ist ein guter Hirt.
3. Choral Sopran, Oboe I + II, Continuo
Der Herr ist mein getreuer Hirt’,
Dem ich mich ganz vertraue,
Zur Weid’ er mich, sein Schäflein, führt,
Auf schöner grünen Aue,
Zum frischen Wasser leit’ er mich,
Mein’ Seel’ zu laben kräftiglich
Durch’s selig’ Wort der Gnaden.
4. Recitativo Tenor, Streicher, Continuo
Wann die Mietlinge schlafen,
Da wachet dieser Hirt bei seinen Schafen,
So dass ein jedes in gewünschter Ruh’
Die Trüft und Weide kann genießen,
In welcher Lebensströme fließen.
Denn sucht der Höllenwolf gleich einzudringen,
Die Schafe zu verschlingen,
So hält ihm dieser Hirt doch seinen Rachen zu.
5. Aria Tenor, Streicher, Continuo
Seht, was die Liebe tut.
Mein Jesus hält in guter Hut
Sie Seinen feste eingeschlossen
Und hat am Kreuzesstamm vergossen
Für sie sein teures Blut.
6. Choral SATB, Oboe I + II, Streicher, Continuo
Ist Gott mein Schutz und treuer Hirt,
Kein Unglück mich berühren wird:
Weicht, alle meine Feinde,
Die ihr mir stiftet Angst und Pein,
Es wird zu eurem Schaden sein,
Ich habe Gott zum Freunde.
Wie in der Kantate, die Bach im Jahr zuvor komponiert hatte (BWV 104), dreht sich auch in der hier besprochenen Kantate alles um die Thematik: "Jesus als guter Hirte".
Die Kantate beginnt denn auch mit dem wörtlichen Zitat des Beginns des Evangeliums für den heutigen Sonntag (Joh. Kapitel 10, Vers 11) - interessanterweise diesmal nicht vom Chor, sondern vom Solo-Bass in seiner Funktion als traditioneller "Vox Christi" vorgetragen. Dieses Arioso ist ein für Bach typischer, sehr ausdrucksvoll die einzelnen Worte ausmusizierender Satz.
Der Choral Nr. 3 ist textlich dieselbe Strophe, die die Kantate des Vorjahres (BWV 104) abgeschlossen hatte. Hier hat Bach allerdings eine seiner Choralbearbeitungen daraus gemacht: Der Solo-Sopran trägt die Liedzeilen vor, die beiden Oboenstimmen umrahmen und verzieren dies.
Die Arie Nr. 5 (im 9/8tel-Takt stehend) erinnert in dieser Kantate musikalisch am ehesten an die zur Hirtenthematik passende Pastoral-Musik.