un- vor- hergesehen: die Musiktriennale Köln 2007

  • Dieses Festival miterleben zu dürfen ist ein großes Geschenk, mein Dank gilt vor allem Louwrens Langevoort für die Möglichkeit. Und daß er die Triennale, die m.W. Albin Hänseroth ins Leben gerufen hat, weiterführt.


    Ich wünsche mir, es gelingt einige Leute auch hier neugierig zu machen und sich zu beteiligen und kann mich nur Frau Piel anschließen: dem Festival wünsche ich einen rauschenden Erfolg!


    Samstag, 28. April 2007 ab 16.00 Uhr


    Eröffnung der interaktiven Video-Installation "From Inside" von Thierry De Mey im Lichthof im Rathaus Spanischer Bau.


    Im Innenhof befindet sich eine Black Box, zwei große Biergartenbänke dienen als Sitzgelegenheit zum zuschauen. Gefordert ist allerding Interaktion. Auf den 3 Leinwänden, im offenen Quadrat angeordnet, werden 3 unterschiedliche Filme gezeigt:
    Frankfurt, Thematic Variatons - William Forsythe
    Sicilia, Vie de Gibellina - Manuela Rastaldi: "getting lost in the labyrinth"
    Kinshasa, ville en mouvement: "following a guide"


    Davor befindet sich ein Lichtfeld. Durch betreten in eine Richtung der Leinwände sucht man den Film aus, den man auf allen 3 Leinwänden sehen möchte. Durch Bewegung in diesem Feld verändert sich der Film, ein Sensor überträgt die Bewegung auf die Tänzer, auf den Marktplatz, man geht in verschiedene Wege des Labyrinths usw. Jede Vorführung wird zu einem Unikat - hergesehen, ungesehen!


    Samstag, 28. April 2007 um 18.00 Uhr


    Im Filmforum NRW (das Kino im Museum Ludwig) wird der ca. einstündige Film "Leos Janácek" von János Darvas gezeigt. Besonders auffällig, daß es vor allem um die Opern geht: Jenufa, Kabanova, Aus einem Totenhaus, Füchslein. Zu Wort kommen Biografen, Musikwissenschaftler, Dirigent Gerd Albrecht und Regisseure deren Arbeiten mit Ausschnitten gezeigt werden: Decker, Lehnhoff, Kupfer. Ein Ausschnitt aus dem `schlauen Füchslein` in einer Inszenierung von Walter Felsenstein aus dem Jahr 1965 an der KOB wird gezeigt, schon die kleinen Ausschnitte entwickeln eine zauberhafte Poesie. Hergesehen!


    Samstag, 28. April 2007 ab 20.00 Uhr
    Offizielles Eröffnungskonzert in der Philharmonie Köln mit dem WDR Sinfonieorchester unter Jukka-Pekka Sarastre. Nachdem man die Grußworte von OB Schramma, Ministerpräsident Rüttgers, der Intendantin des WDR Monika Piel und dem Gesamtleiter der Triennale und Intendanten der Philharmonie Louwrens Langevoort hören durfte ging`s los mit


    den Tänzen aus Galanta von Zoltan Kodaly
    den Folks Songs von Luciano Berio
    der Sinfonietta von Leos Janacek


    Die größte Überraschung war freilich, sich auf ein Festival zu begeben in dem `hörbare` Musik entsteht. Ohne Vorurteil, ablehnende Haltung dem Unbekannten gegebenüber. Hinreißend vor allem Bernarda Fink mit den melancholischen Folk Songs. Unnütz zu erwähnen, daß die Frau ein wunderbares Kleid trug :D. Die Sinfonietta hat mir überhaupt nicht gefallen, ich fand die Komposition als Kunstwerk sogar eher überflüssig :stumm:. Gesehen!


    Sonntag, 29. April 2007 um 12.30 Uhr
    Jeden Tag der Triennale findet an den verschiedenen Spielstätten der Triennale der "MusiktriennaleLunch" statt. Ein 30minütiger kostenloser Musikgenuß, der neugierig und natürlich auch Lust auf das "richtige" Konzert machen soll. Im Stadtgarten war Jazzbrunch mit Mitgliedern des James Choice Orchestra. Klarinette, Saxophone, Cello, Trompete, Synthi, damit wurde Musik von 3 komponierenden Mitgliedern aufgeführt, teilweise improvisiert. Musik, die vor allem darin bestand lautlos zu sein. Auf die Instrumente wurde geschlagen, geblasen, geklopft. Dazu hatte die Vorführung durch Einbindung der Zuhörer / -schauer einen hohen Unterhaltungswert. Unvorhergesehen!

  • In der Tat, eine tolle Veranstaltung, die Musiktriennale.


    Zu dem Eröffnungskonzert ein Kommentar meinerseits: Das Program hat mir ausnehmend gut gefallen. Auch die Sinfonietta -sorry, Sophia, aber ich finde allein den Schluß des Stückes schon mitreißend :] :] :]


    Was mir weniger gefiel war der Dirigent. Jukka-Pekka Saraste ist in Köln nicht unbekannt. Im vergangenen Jahr hatte ich leicht mißvergnügt eine Aufführung von Bruckners 7. unter seiner Leitung gehört (zuvor Schumanns Cello-Konzert, auch ein Durchschnittsdirigat).


    Die Kodaly-Tänze hätte ich mir ein wenig rhytmischer gewünscht, musiziert waren sie aber sehr schön. Bei Berio hatte ich den Eindruck, daß Saraste die klangliche Balance zwischen Blech, Streichern und Stimme nicht immer glingt. Das geriet stellenweise zum Nachteil der hinreissend singenden Bernarda Fink.


    Diese Balance fehlte auch bei der Sinfonietta, zumal am Schluß, wo sich die wundervollen Streicherfiguren nur mühselig aus dem Blech herausarbeiten konnten.


    Dieses Genörgel soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Konzertabend einen Besuch absolut gelohnt hatte.


    Markus Schwering vom Kölner Stadt-Anzeiger hat das Konzert sehr schmeichlhaft kommentiert. Daß Saraste allerdings einmal Bychkov als Chef des WDR-Orchesters ablösen könnte, habe ich fast als Drohung empfunden.


    Zu den weiteren Veranstaltungen lässt sich dem von Sophia Geschriebenen nichts hinzufügen. Freuen wir uns auf weitere Konzerte (irgendwann in den nächsten Wochen stehen auch die "Formazioni" von Berio auf dem Programm :D :D :D .


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Mittwoch, 2. Mai 12.30 Uhr
    MusiktriennaleLunch in der Rotunde der Sparkasse Köln / Bonn
    Es spielten 4 Musiker des Ensembles Oni Wytars Musik aus dem Mittelalter aus osteuropäischen Ländern, u.a. aus der Türkei und Zypern. Verschiedene Trommeln, Schellen, etwas ähnliches wie eine Mundharmonika, eine Harfe. Und ein Instrument, das am Anfang aussah wie eine Gitarre (12 Saiten), hinten wie eine Geige und mittendrin eine Klaviatur hatte. Gespielt wurde mit einem Bogen und in der Hand gehalten wie eine Gitarre. Die 3 Auswahlstücke machten Lust auf mehr.


    Mittwoch, 2. Mai 18.00 Uhr
    Filmforum NRW im Museum Ludwig
    "Chick Corea und Friedrich Gulda: The Meeting"
    Eine Aufzeichnung eines Konzertes der beiden von 1982. Improvisiert urde an 2 Flügeln, ergänzt und zugespielt wurde sich die Musik durch Blicke, Mimik, Töne, Gestik, Sprache. Immer wieder flossen auch bekannte Melodien ein, so am Ende eine Erinnerung an den Sandmann "morgen früh wenn Gott will wirst du wieder geweckt": komisch, traumverloren, unvorhersehbar.


    Donnerstag, 3. Mai 12.30 Uhr
    MusiktriennaleLunch in der Kölner Philharmonie
    Das Gürzenich-Orchester unter Markus Stenz probt den 1., 3. und 4. Satz von Beethovens` 5. Sinfonie. Die Posaunen so breit das sie alles übertönen, das Auditorium ausfüllen. Sonst klingt das Orchester wunderbar durchhörbar, klar, ohne das scharren historischer Instrumente. Stenz mit ein paar Witzchen, ein paar Wiederholungen, das Orchester bestens disponiert und im Publikum viele Kleinkinder mit auffallend weniger Bronchitis als die
    Erwachsenen....


    Als kleines Schmankerl wurden an dem Tag Eintrittskarten für das Abschlußkonzert am 20.5. in der Philharmonie verlost. Ich gehörte zu den Glücklichen und da wir sowieso dahin wollten...


    Freitag, 4. Mai
    Ausflug ins Opernhaus nach Frankfurt/Main zu Zemlinsky ;)

  • Hallo Sophia,


    wenn wir das gewußt hätten:


    Zitat

    Original von S.Kirch
    Freitag, 4. Mai
    Ausflug ins Opernhaus nach Frankfurt/Main zu Zemlinsky ;)


    Da Markus / TB und ich gerstern ebenfalls die beiden Zemlinsky-Opern besucht haben, hätten wir ein kleines Tamino-Treffen veranstalten können. :D
    Wie fandest Du die Vorstellungen? - Wir waren sehr begeistert! :]


    :hello:
    Johannes

  • Eine Auswahl der Auswahl der letzten Tage:


    Sonntag, 6. Mai 2007 12.30 Uhr MusiktriennaleLunch
    Im Stadtgarten ist wieder das James Choice Orchestra zu Gast. 3 Kompositionen werden vorgestellt. Ein Stück, das "Brettspiel", wurde am Aufführungsort improvisiert. Zahlen von 1 - 9 (für die Anzahl der Instrumente die gleichzeitig spielen dürfen) waren notiert, die man im Spiel hin- und herschieben konnte. Jede Sequenz dauerte 30 sec. das leere Feld stand für 30 sec. Pause. Unvorhersehbare und bislang ungehörte Improvisationen galt es zu entdecken.


    Sonntag, 6. Mai 2007 18.00 Uhr
    m Konzertsaal der Musikhochschule Köln spielt das Ensemble S und das Schlagzeugensemble der Musikhochschule u.a. "Ionisation" von Edgar Varèse. Am Pult steht Stefan Asbury. Das Stück verwendet 36 Instrumente, die von 13 Spielern bedient werden. Seine Vorliebe für das Schlagzeug begründete Varèse so: "Das Schlagzeug kann keine Geschichten erzählen." Der Puls des Stückes vermittelt sich wie ein zweiter Herzschlag. Leider wie viel zu oft bei der Triennale ist auch dieses Konzert nur mäßig besucht.


    Montag, 7. Mai 2007 20.00 Uhr
    In der Philharmonie findet das 11.Sinfoniekonzert des Gürzenich-Orchesters unter Markus Stenz statt. Auf dem Programm stehen Blacher, Berio und Beethoven. Im 3. Akt weiß ich dann endlich, warum sich der Besuch des Konzertes doch noch lohnt: der Posaunist Christian Lindberg spielt das für ihn komponierte Stück des schwedischen Komponisten Jan Sandström "Motorbike Odyssey". Stenz hatte bereits in seiner Ansage gesagt, daß es `keine gemütliche Überlandfahrt wird`. Das leider viel zu kurze Stück wird inszeniert wie eine Show, nicht zuletzt durch die expressive Gestaltung von Lindberg beim Auftritt im Lichtkegel, seiner Kleidung, wenn er mit seiner Posaune Umrisse ganzer Erdteile in die Luft zeichnet. Das Stück beschreibt einen fiktiven Reisenden, der von Amerika über Frankreich nach Australien führt. Wenn die Posaune klingt versinken die Töne des Orchesters ganz und gar (und das war an dem Abend ein Segen....), man hört dem Klang wie einem Motorrad nach. Faszinierend, und der Saal tobte zu Recht!


    Mittwoch, 9. Mai 2007 12.30 Uhr
    In der Rotunde der Sparkasse Köln findet zum zweiten Mal das Lunchkonzert statt. Christohe Deslignes spielt Improvisationen aus dem 14. Jahrhundert auf einem Organetto (= mittelalterliche Tragorgel). Da die instrumentale Musik zu dem Zeitpunkt noch nicht aufgezeichnet wurde wird die Musik auch improvisiert. Wieder ein völlig unbekanntes Instrument kennenlernen mit Musik die für unsere westlichen Ohren fremd ist. Leider ist die Rotunde nicht so besonders gut geeignet für den eher kleinen Klang des Organetto, schade. Das Konzert am Abend im Schnütgen-Museum und der Kunststation St. Peter hat den Titel "Wunderbare Maschinen".


    NS: Jetzt ist es wohl offiziell:
    die Musiktriennale 2010 hat mindestens ein Thema: Gustav Mahler.
    http://www.ksta.de/html/artikel/1176113401411.shtml

  • Freitag, 11. Mai


    Die Bamberger Symphoniker gastieren in der Philharmonie unter ihrem Dirigenten Jonathan Nott. Auf dem Programm:


    La Mer von Claude Debussy, 9 fürhe Lieder von Gustav Mahler für Bariton und Orchester in der Orchestrierung von Luciano Berio und, im zweiten Teil, die Sinfonie von Berio.


    Star des Abends war der dänische Bariton Bo Skovus, der Interpret der Mahler Lieder. Skovus sang absolut textverständlch und auch perfekt abgestimmt mit dem Orchester, das die Stimme an keiner Stelle zukleisterte. Vor allem aber brachte er jeder dieser frühen Mahler-Preziosen die nötige Empathie entgegen. Von dem runden, warmen Wohlklang dieser Stimme kan man sich auf diversen CD's einen Eindruck verschaffen, diesen Hünen live zu erleben war schon ein Highlight.


    Fabelhaft auch die Sinfonia von Berio. Hier assistierten die Neuen Vocalsilisten Stuttgart" den Bambergern.


    Leider hatten sich die Reihen nach der Pause ein wenig gelichtet; fast konnte man den Eindruck gewinnen, daß es den Kölnern ein Zuviel des Angebotenen sei, denn das Konzert war nicht gerade ausverkauft. Immerhin: weniger Besucher, weniger Huster ;) .


    Doch kurz nachgefragt: Hier bei Tamino gibt es ja einige Rheinländer. Sind Sophia und ich die einzigen, die Veranstaltungen der Triennale besuchen? Falls nicht, wie sind Eure Eindrücke?


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:


    PS: Das Konzert wurde für TV mitgeschnitten. WDR 3 sendet es im Rundfunk am 19.5. um 20:00 Uhr. Ein TV-Sendetermin ist mir nicht bekannt.

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Samstag, 12. Mai 12.30 Uhr MusiktriennaleLunch
    Im Ostasiatischen Museum spielt das Teehaus Ensemble Shanghai. 8 Männer und eine Frau, zwischen 60 und 80 Jahre alt, der am Hackbrett ist der älteste und bestimmt was gespielt wird. Sonst benutzen sie noch Bambusflöten, ein Instrument schaut aus wie eine Wasserpfeife, und Geigen mit 2 seidenbespannten Saiten. Die Musik klingt leider nach einiger Zeit monoton, für so eine kurze Zeit ist es kaum möglich sich in die Musik einer fremden Kultur einzuhören.


    Samstag, 12. Mai 21.00 Uhr Philharmonie Köln
    Höhepunkt des dritten Wochenendes der Musiktriennale, an dem das China-Wochenende statt fand, war die Peking-Oper. Der Abend im Saal begann mit einer Einführung/Ansage. Beschrieben wurde z.B., daß es die Aufgabe der Darsteller sei die Aufmerksamkeit des Publikums zu erlangen. Im Publikum würde sonst geredet, telefoniert, gegessen, die Leute kämen und gehen wie sie wollen usw. Vorgestellt wurde auch das musikalische Ensemble, 11 Musiker am Bühnenrand des Podiums, die kurze musikalische Erklärungen gaben. Das Ensemble spielt ohne Dirigent, der Musiker mit der kleinsten Trommel gibt jedoch den Ton an.


    Aufgeführt wurde "Die Rache des Prinzen". Adaptiert von Feng Gang nach Zhu Shenghaos chinesischer Übersetzung von Shakespeares "Hamlet". Die Chorempore war frei geblieben, dort hing eine große Leinwand worauf die Übertitel projeziert wurden. Das Stück besteht aus 7 Akten, die Handlung wurde auf ca. 2 Stunden gekürzt.


    Lt. Programmheft und auch der vorhergehenden Ansage wird in der Peking-Oper vieles durch Akrobatik, angedeutete Bewegung, Kostüme, Masken etc. ausgedrückt. D. h. die inneren Konflikte der Figuren finden sich in der Peking-Oper durch äußere Gestaltung wieder. Dieser Gegensatz bei diesem Stück war enorm, dazu kommt, daß man die Sprache nicht versteht und die Übertitel zwar den Text verständlich machen aber ein Sprachrhythmus wie wir ihn kennen oder wie er sich in der Musik wiederfindet nicht zu erkennen ist. Die Geschichte wurde über lange Strecken als Schauspiel erzählt, die Trommeln der Musiker hielten vor allem mit den Trommeln über gesprochenem und hin und wieder gesungenen Arien(?) die Spannung.


    Das Haus war leider mäßig besucht, in der Pause gab es viel Kritik und im zweiten Teil der Aufführung hatten sich die Reihen merklich geleert. Nervöses Lachen hörte man hin und wieder im Publikum, besonders bei den Auftritten der Königin (Gertrude), die mit Kopfstimme sang.
    Es war ein bewegender und auch, wegen der Fremdheit, anstrengender Abend.