GAETANO MAJORANO (CAFFARELLI) 1710-1783
Gaetano Majorano wurde wahrscheinlich am 14. April 1710 im italienischen Bitonto geboren. Gesichert ist wieder mal nur das Taufdatum, der 16. April 1710. Er wurde schon früh im Kirchenchor der Stadt aufgenommen und fiel schnell auf, wegen seiner schönen Sopranstimme. Der Kapellenleiter, der Kastrat Signore Caffaro, nachdem sich Gaetano später nennen sollte, erzählte ihm als 8-jähriger vom Ruhm und vom Reichtum, den solche „Engelsstimmen“ ernten würden.
Gaetano, der von seiner Großmutter aufgezogen wurde, überredete sie ihn kastrieren zu lassen. Das war damals nicht so einfach, da die Kastration eigentlich verboten war. Doch im abgelegenen Bergdorf Norcia fand sich ein Arzt der den Eingriff durchführte.
Als 10-jähriger, im Jahre 1720, ging er nach Neapel ans Konservatorium, wo er bei Niccolo Porpora Gesangsunterricht nahm. Die Legende besagt, dass ihn Porpora 5 Jahre lang nur ein Notenblatt mit einfachen Tonleitern singen ließ und er ihn danach als „vollendeten“ Sänger aus dem Unterricht entließ.
Er lernt dort Farinelli und Johann Adolph Hasse kennen, die ihm später noch oft begegnen werden.
Im Jahre 1723 sieht Gaetano seine erste Oper. Es ist wahrscheinlich Francesco Feos „Siface“, die Titelpartie wird vom Kastraten Nicolini gesungen. Es ist sein größter Wunsch ebenfalls auf der Bühne zu stehen.
Im Jahre 1726 erfüllt sich dieser Wunsch. Er wird nach Rom engagiert. Er soll in Domenico Sarros Oper „Il Valdemaro“ als Alvida auf. Es war damals üblich, junge Kastraten für die Frauenrollen zu besetzen, um das Publikum rätseln zu lassen, ob denn nun ein Mann oder eine Frau singt. Mit ihm auf der Bühne steht der Kastrat Berenstadt. Er ermutigt ihn, sich einen Künstlernamen zuzulegen. Gaetano tut es und nennt sich, nach Maestro Caffaro, „Caffarellino“.
In den nächsten Jahren treffen wir Caffarelli in Turin an, wo er ua. in Sarros „Didone abbondonata“, Feos „ Arianna e Teseo“ auftritt. Er singt auch hier immer noch Frauenrollen, denn für Männerrollen ist er noch zu jung!
Im Jahre 1730 tritt der Schüler Porporas in einer Oper seines Lehrers „Siface“ auf. Es sollte eine triumphale Premiere werden, doch Porporas Konkurrent Leo Vinci, dessen Oper „Artaserse“ kurz vor der Premiere steht, sabotiert die Premiere, in dem er Berenstadt, dem Sänger des Artaserse überredet, Schnupftabak auf die Bühne zu schleudern, woraufhin die Sänger in den Arien zu niesen beginnen. Es gibt einen Eklat und die Anhänger der beiden Parteien bekämpfen sich öffentlich.
Zu dieser Zeit geht auch der Stern Gizziellos auf, von dem wir später noch hören werden!
Im Jahr 1732 tritt er das erste Mal mit der (Vittoria)Tesi , der „Callas“ der damaligen Zeit auf. Ebenso steht er mit Francesca Cuzzoni, der „Tebaldi“ der damaligen Zeit auf der Bühne. Er singt mit den größten Sängern seiner Zeit und wird zum absoluten Superstar der Opernszene.
Er legt auch Züge der Arroganz, der Eitelkeit und er scheint zu wissen, dass er der größte Sänger seiner Zeit ist, so wie es Porpora ihm prophezeit hat. Er hat in allen Städten, in denen er auftrat zahlreiche Affären, den Kastraten sagte man einen schier unstillbaren Sexualtrieb nach. Und Caffarelli war sicher nicht unschuldig an dem Gerücht! : D
Am 2. Mai 1732 kommt es zu einem Ereignis, dem die ganze Welt mit Spannung entgegensieht. Hasses Oper „Siroe, re di Persia“ wird in Bologna uraufgeführt. Die Besetzung ist einfach unglaublich:
Siroe- Farinelli
Medarse-Caffarelli
weiters noch Vittoria Tesi
Das Publikum ist gespannt, wie es Caffarelli „Nur“ die zweite männliche Hauptrolle zu singen. Streitereien sind schon so gut wie eingeplant.
Doch bei der Premiere werden beide Kastraten von Jubel überhäuft und sie werden sogar Freunde.
In Venedig des nächsten Jahres treten Farinelli und Caffarelli wieder gemeinsam auf, diesmal in 3 Opern:
Merope von Giacomelli
Berenice von Araja
und Artaserse von Hasse
Die Vorstellungen werden zu Triumphen und Caffarelli befindet sich auf der Höhe seines Ruhmes. Im Oktober desselben Jahres singt er in Pergolesis Oper „Adriano in Siria“, in der Pause dieser Oper wird die „Serva padrona“ zum ersten Male gezeigt.
Im Jahre 1737 hört er von Cuzzoni wahre Schauergeschichten aus London. Ein Komponist namens Händel, der gegenüber den Sängern cholerisch und aggressiv sei, habe sie sogar aus dem Fenster werfen wollen. Caffarelli ist entsetzt von diesem Komponisten, nimmt aber trotzdem ein Angebot aus London an. Grund dafür dürfte gewesen sein, dass der so von sich überzeugte Caffarelli sich sicher ist, dass er auch das englische Publikum von sich überzeugen kann. Er kommt mit der Erwartung nach London, dass ihn das Publikum sowieso liegt und freut sich regelrecht auf die Streitigkeiten mit Händel. Er erfährt dann sogar, dass Farinelli bei Händels Konkurrenten unter Vertrag ist, woraufhin er noch lieber annimmt. Jeden Abend würde dann das Publikum entscheiden, wer der bessere sei.
Im Jänner 1738 geht seine Oper Faramondo mit Caffarelli zum Ersten Male über die Bühne, allerdings nur bedingt erfolgreich. Die Presse lobt Caffarelli und Händel in den Himmel, aber das Publikum will einfach nicht zahlreich genug kommen. Im April kommt es zum großen Streit mit Händel. Grund ist die Oper „Serse“ und „Ombra mai fu“. Händel will Caffarelli, den großen Star gleich zu Beginn auf die Bühne schicken. Ein Skandal, da damals noch gerade die letzten Zuschauer eintrudelten und es noch lange nicht ruhig war. (Es war damals Sitte, die Kastraten erst nach cirka 15 Minuten auftreten zu lassen.) Weiters kritisiert er die Einfachheit dieses Ariosos, das seiner großartigen Stimme nicht würdig wäre. Händel und Caffarelli schreien und brüllen sich einige Tage nur an, aber es gelingt dem Deutschen Caffarelli zum Singen zu bringen. Und diese Melodie ließ das Publikum, wie Caffarelli es vorausgesagt hatte, total kalt. Es wurde eine desaströse Premiere, aber der Kastrat triumphierte über Händel und das war ihm Genugtuung genug.
Alles in allem war der London-Exkurs eine totale Pleite und er fürchtete, dass sein Ruhm in Italien abgenommen hatte.
Karikatur von Caffarelli und Tesi!
Doch schon in der nächsten Saison wurde er wieder so frenetisch gefeiert, wie früher.
1739 finden wir ihn in Neapel wieder, wo er erneut einen Skandal auslöst, da er sich mit einem Kastraten bei einer Feier in der Kirche prügelt. Hier zerstreitet er sich endgültig mit Porpora, der wohl nie verkraftet hat, dass sich sein bester Schüler nicht „Porporino“ genannt hat!
Farinelli lädt im selben Jahr Caffarelli nach Madrid ein, wo er erneut Triumphe feiert (ua mit Corsellis Oper Farnace, die mit Vittoria Tesi und ihm ein echtes Operntraumpaar aufwarten kann!)
In den nächsten 8 Jahren singt er in Neapel, wo er sich eine große Villa bauen lässt. Dort gestaltet er die Uraufführungen von (ua)
Sarros Ezio
Leos Demofoonte
Hasses Issipile, Didone Abbondonata und
Glucks Ipermestra mit.
Er trifft hier Gluck zum ersten Mal und er ist ihm herzlich Unsympathisch. Er ist sehr froh, dass Gluck sich nach Kopenhagen verzieht.
1747 bekommt er seinen größten Rivalen, nachdem Farinelli in Madrid am Kaiserhof beschäftigt ist, zur Seite gestellt. Es ist der Kastrat Gizziello.
Gizziello, Tesi und Caffarelli (das neue magische Trio) tritt im November 1747 in zwei Hasse-Oper unter gigantischem Applaus auf.
Doch schon im Jänner 1748 tritt die Tesi ein Engagement in Wien an.
Ein Jahr später kommt nun auch Caffarelli nach Wien. Nach 23 Jahren Bühnenkarriere das erste Mal Wien.
Allein die Ankündigung, dass er kommt, löst Hysterien aus. Die Erwartungen sind gigantisch und damit steigt auch der Druck auf Caffarelli.
Am 16. April wird die Oper seines Studienfreundes Niccolo Jommelli „Catone in Utica“ gegeben. Er wird die Hauptrolle, den Cesare singen. Die Tesi an seiner Seite. Also beinahe schon eine Garantie für einen großen Abend.
An diesem Abend findet man sogar Kaiser Franz Stephan und seine Frau Maria Theresia in der Königsloge. Auch sie sind auf Caffarelli gespannt.
Und der Abend wird zu einer Sternstunde der Oper. Aber nicht durch Caffarelli!!
Der Sänger des Cato, der junge deutsche Tenor, Anton Raaff stellt alle in den Schatten. Das Publikum liegt ihm zu Füßen und nicht Caffarelli.
Am 16. April 1749 muss Caffarelli die größte Niederlage seines Lebens einstecken, besiegt von einem TENOR! Eine Sensation und eine Schande.
Er möchte das Fiasko natürlich wettmachen, und er beschert den Wienern unvergessliche Opernerlebnisse ua in Wagenseils Olimpiade, in Jommellis Achille in Sciro und seiner Didone. Jeweils an seiner Seite die Tesi und Raaff.
Aber das Wiener Publikum vergisst schwer und der erste Eindruck war eben nicht der beste. Enttäuscht und niedergeschlagen verlässt er Anfang 1750 Wien. Er sollte es nie mehr betreten. Denn hier, so meint er, sei sein Stern endgültig gesunken und der Stern des Tenors Raaff aufgegangen. Caffarelli freundet sich in Wien mit Metastasio an, was sehr fruchtbar für die Arbeit der beiden werden sollte. Zu Beginn 1750 muss er in Turin singen, bei einer Hochzeit. Er trifft dort auf
1. Anton Raaff
2. Die Primadonna Astrua, die er vor ein paar Jahren mit unschönen Mitteln austricksen wollte und
3. Buranello, den neuen Wunderkastraten
Also nur Kollegen, gegen die er etwas hat. Er versagt auch hier und es scheint, als sei seine Stimme am Ende.
Doch schon im Winter triumphiert er wieder, diesmal in Venedig (San Cristotomo). Das Opernhaus war schon ziemlich heruntergekommen und mit ihm kehrt die große Oper noch mal in das Haus zurück. Die Leute strömen nur wegen ihm in die Oper. Und sobald er seine letzte Arie gesungen hat, gehen die Leute auch wieder. Ganz Venedig liegt ihm zu Füßen.
Nur die Gondoliere hassen ihn. Ihnen standen nämlich die freigebliebenen Plätze umsonst zu. Aber da das Theater immer total ausverkauft war, mussten sie draussen bleiben!
1751 reist er nach Neapel, wo er Tommaso Traetta zu seinem ersten Erfolg verhilft!
Im Jahre 1752 trifft er in Neapel auf Metastasio und dem von ihm protegierten Gluck. Gluck schreibt ihm die Partie des Sesto in der „Clemenza di Tito“ auf den Leib. Nach anfänglichen Streitigkeiten wird die eigenwillige Musik Glucks doch zum großen Erfolg und Caffarelli erlebt seinen zweiten Frühling.
Ende 1753 erhält er ein Angebot aus Paris. Er reist nach Paris, um die Franzosen vom schönen Klang der Kastraten zu überzeugen. Die Franzosen können damit bekanntlich nichts anfangen. Er präsentiert im Concert Spirituel und vor dem König in Versailles einige seiner Bravourarien. Er erhält zwar Beifall, aber trotzalledem wird Paris kein Erfolg. Caffarelli schiebt es auf die „Unwissenheit der Franzosen in Sachen guter Musik!“
Im Jahre 1755 wird in Lissabon das modernste Opernhaus der damaligen Zeit eröffnet. Davide Perez´ Oper Alessandro in Indie wird mit Caffarelli, Gizziello, Guadagni (Glucks erster Orpheus), Manzuoli (Mozarts erster Ascanio) und Raaff (Mozarts erster Idomeneo) dort gezeigt. Mit dieser Besetzung kann nichts schief gehen, und das tut es auch nicht. Ein gigantischer Triumph.
Das Ensemble bleibt noch einige Monate in Lissabon, bis es ein großes Erdbeben miterlebt, dass Lissabon stark zerstört. Caffarelli reist schnell ab und beschließt sich rar zu machen.
Er zieht sich in seine Villa in Neapel zurück und tritt nur mehr selten auf, z.B:
1763- Hasse- Il trionfo di Clelia
1764- Traetta- Didone abbondonata
Im Jahre 1768 gibt er seinen Bühnenabschied. Am 20. Jänner 1768 erklingt seine Engelsstimme in Paisiellos „Alceste in Ebuda“ zum letzten Male auf der Bühne.
Im Jahre 1770 besuchen ihn WA Mozart und sein Vater in Neapel, die er nicht besonders herzlich empfängt.
1779, Caffarelli ist schon längst aus Neapel geflohen, da er Angst vor einem Vulkanausbruch hat, kehrt er noch einmal zurück, da eine Tochter aus reichem Hause, nur dann ins Kloster eintreten wollte, wenn er bei der Eintrittszeremonie singt. Der Vater gibt ihm eine Menge Geld und deshalb ist das letzte, was der größte der Kastraten singt, ein Salve Regina. Er bleibt nun in Neapel und nimmt seinen Neffen zu sich.
Am 30. Jänner 1783 stirbt Caffarelli einsam in seinem Palais in Neapel.
Caffarelli war der größte Sänger der damaligen Zeit, allerdings auch der Skandalumwittertste. Aber sein Ruhm war in ganz Europa verbreitet. In Wien wurde 1783, nach seinem Tod, sogar eine Messe für ihn gelesen und Mozart schreibt seinem Vater die Nachricht von Caffarellis Tode ziemlich bedrückt.
Alles was noch an Caffarelli erinnert ist eine Zeile aus Rossinis Oper „Der Barbier in Sevilla“
Bartolo: Zu meiner Zeit gab es eine andere Musik. Ach wenn zum Beispiel Caffarelli diese wunderbare Arie gesungen hat…“
BUCHEMPFEHLUNG:
Hubert Ortkemper- Caffarelli
Insel Taschenbuch ISBN: 3-458-34299-0