Johann Hermann Schein (1586-1630)

  • Johann Hermann Schein, ein Jahr nach Heinrich Schütz geboren und 42 Jahre vor ihm verstorben, war ab 1616 in Leipzig Thomaskantor.


    Mit Heinrich Schütz verband ihn neben persönlicher Freundschaft die Aufnahme italienischer Einflüsse und das Bestreben, deutschsprachige vokale Kirchenmusik zu schaffen.


    Ein Beispiel dieses Schaffen sind seine 26 Madrigale, meist fünfstimmig, herausgegeben unter dem Titel


    Israelis Brünnlein.


    Davon fiel mir vor ein paar Tagen die Einspielung mit dem Ensemble Vocal Européen unter Philippe Herreweghe



    in die Hände.


    An der Besetzung fällt besonders auf, dass das Continuo mit Laute, Orgel, Violoncello und Kontrabass (!) besetzt ist - Jonathan Cable bedient den letzteren zu sehr wohlklingendem Effekt, was dem Satz beträchtliche Fülle und Dynamik verleiht, ohne dick zu werden. Kein kleines Kunststück...


    Davon abgesehen kann ich die Aufnahme mangels Hörerfahrung in diesem Bereich nicht kompetent beurteilen, mir gefällt sie jedenfalls sehr gut. Sehr homogener, wohlgerundeter Gesang mit guter Textverständlichkeit und lebhafter Gestaltung.


    Die Musik als solche steht was die Komplexität angeht wohl deutlich unter dem Niveau von Heinrich Schütz' besten Werken, dafür ist sie auch mit größerer Heiterkeit gesegnet. Ich habe diesen Spontankauf jedenfalls bisher nicht bereut und kann nur hoffen, dass das Beispiel mit dem Kontrabass im Continuo Schule macht (sieht aber nicht so aus)...


    Parteiisch grüßt
    BBF

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Guten Tag


    nicht weniger reizvoll als das "Israelis Brünnlein" und ganz im Kontrast dazu ist diese



    CD mit den "Psalmen Davids saqmpt etlichen Moteten und dem Te Deum" von Schein.
    Groß besetzt und teils Vierchörig, exelent musiziert von der "Musica Fiata Köln" und der "Capella Ducale" :jubel: :jubel:


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Ich mag seine Musik sehr gerne, würde aber mich niemals dazu hinreißen lassen sie zu bewerten.


    Jedenfalls scheint er damals außerordentlich geschätzt worden zu sein - der Schein :D


    Hier in Kassel liegen jedenfall sehr viele seiner Werke im Originaldruck in der Murhardschen Bibliothek.
    Darunter eben auch das "Israelis Brünnlein" und seine sagenhafte Suitensammlung "Banchetto Musicale"


    Moritz von Hessen Kassel scheint seine Musik wohl sehr gemocht zu haben.


    Leider gibt es von dem Banchetto keine Gesamtaufnahme, aber ein Großteil der Suiten wurde eingespielt, z.B. von Jordi Savall und seinem Ensemble Hesperion XX oder der Accademia Ricercare (Busca).


    Ich meine ich hätte auch einige Liedsammlungen im Katalog der Bibliothek gesehen, denn Schein war auch ein Meister des Barockliedes.
    So gibt es z.B. ganze Liedzyklen wie "Venus Kränzlein" oder die "Waldliederlein"


    sein Repertoire reicht von einfachen Sauflieder bis zu hochexpressiven Arien.
    Schein ist vielleicht interessanter als man zuerst mal annehmen könnte, aber so richtig entdeckt scheint er immer noch nicht zu sein.



    :hello:

  • Hallo allerseits,


    von "Israels Brünnlein" gibt es auch die folgende Aufnahme:



    Ist diese Aufnahme empfehlenswert? Ich habe vom gleichen Ensemble einige Aufnahmen mit Werken von Schütz, die mir sehr zusagen - das legt die Vermutung nahe, dass hier ähnlich Hochwertiges geboten wird.


    Und noch eine Frage: Welche Texte sind hier vertont? Aufgrund des Titels würde ich vermuten, dass es sich um Psalmen handelt...


    :hello: Andreas

  • Lieber Andreas,


    vertont werden Psalmen, andere Bibelstellen und auch zumindest ein bibelfremder Text.


    :hello:
    BBF

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

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  • Bei Scheins "israels Brünnlein" möchte ich unbedingt (und einmal mehr)auf die Einspielung mit "Cantus Cölln" und Konrad Junghänel hinweisen. Wortbehandlung, Homogenität im Zusammenklang, optimale Wirkung bei kleinen dynamischen Veränderungen - das ist unglaublich, was die können!

  • Zitat

    Die Musik als solche steht was die Komplexität angeht wohl deutlich unter dem Niveau von Heinrich Schütz' besten Werken,


    Nur weil Schein seine geistlichen Madrigale "madrigalesquer" angeht als Schütz, stehen diese durchaus NICHT unter dem Niveau von Schützens besten Werken. Wenn man Stücke wie etwa "Zion spricht" oder das von schmerzlicher Chromatik erfüllte "Da Jakob" hört, darf man sie wahrlich zu den großartigsten Eingebungen eines an Genies nicht eben armen Zeitalters zählen !


    Scheins spezielle Form der "Madrigal-Motette" oder des "Geistlichen Madrigals"
    (siehe hier die vergleichbaren "Cantiones sacrae" von Schütz, verlangt ob ihrer reichen Koloristik eher nach einem kleinen, denn einem großen Gestaltungsapparat. Die Einspielung Herreweghes ist wie fast immer bei diesem Künstler mit großer Sorgfalt entstanden, doch scheint mir die zu starke Besetzung hier leider NICHT angemessen.


    Die hier erwähnte Einspielung mit "Weser-Renaissance" jedoch bleibt diesen erstaunlichen Werken nichts schuldig;sie wäre für diese Wekgruppe meine "1.Wahl".


    "Cantus Cölln" mit seinen ZU individuellen Einzelstimmen überzeugt mich diesmal nicht.


    Obwohl bekanntlich Schütz es war, der in Italien studierte, ist das Werk Scheins in Gänze voller italianità, was mit Recht schon die Bewunderung seiner
    Zeitgenossen hervorrief. Vor Vergleichen sei jedoch auch hier gewarnt, der Werkbestand Scheins mit seinem für die Zeit vegleichweise hohem Anteil an Instrumentalmusik gestaltet sich gänzlich anders als der Schützens, der bekanntlich von Instrumentalmusik garnichts hielt und überhaupt "Weltliches" nur dann komponierte, wenn für ihn keine Möglichkeit bestand, sic dem zu entziehen.


    Mit aller gebotenn Vorsicht würde ich sagen könnte man Schütz eher mit Bach, Schein jedoch mit Händel vergleichen.


    Doch Vergleiche hinken nun mal... :pfeif:

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Lieber BBB,


    das mit Herreweghes Besetzung musst Du mir jetzt bitte erklären:


    Er hat 2 Soprane, 1 Alt, 1 bzw. 2 für die Sechsstimmigkeit Tenöre und 1 Bass plus eben Laute, Orgel, Cello und Bass.


    Was ist daran "groß" besetzt?


    Der Bass?


    :hello:
    BBF

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • :D nee, aber gemessen an der grösser besetzten "Weser-Renaissance" klingts bei ihm üppiger, wobei ich nicht sagen kann, liegts an der Aufnahmetechnik ode an den Stimmen. Der Bass ist allerdings wirklich sehr deutlich zu hören ! =)

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von Bernhard


    CD mit den "Psalmen Davids saqmpt etlichen Moteten und dem Te Deum" von Schein.
    Groß besetzt und teils Vierchörig, exelent musiziert von der "Musica Fiata Köln" und der "Capella Ducale" :jubel: :jubel:



    Dieser Empfehlung kann ich mich vorbehaltlos anschließen! :jubel: :jubel:



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

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  • Vielen Dank - ich war mir einfach nicht sicher, was Du meinst.


    Und die Frage nach dem Kontrabass/Violone im continuo ist ja heiß umstritten, deswegen die Nachfrage. Leider leider leider sind ja viele Vertreter der Bassistenzunft eher undifferenzierte Gesellen, die den schlechten Ruf des Instruments immer wieder neu begründen. Jonathan Cable zeigt hier, dass es nicht am Instrument liegt...


    Aber zum Thema marodierende Bässe muss man Dir als Ohrenzeuge der letzten Jahre der Karajan-Ära in Berlin ja nun wirklich nichts erzählen.


    Herzlicher Gruß,
    BBF

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Zitat

    Aber zum Thema marodierende Bässe muss man Dir als Ohrenzeuge der letzten Jahre der Karajan-Ära in Berlin ja nun wirklich nichts erzählen.


    ja, sowas traumatisiert ein Leben lang ! :motz:

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Die hier erwähnte Einspielung mit "Weser-Renaissance" jedoch bleibt diesen erstaunlichen Werken nichts schuldig;sie wäre für diese Wekgruppe meine "1.Wahl".


    Womit meine Frage beantwortet wäre - die Aufnahme kommt gleich auf die Merkliste :)


    :hello: Andreas

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    "Cantus Cölln" mit seinen ZU individuellen Einzelstimmen überzeugt mich diesmal nicht.


    Hallo BBB,


    sagst Du da nochmal einen Satz zu? Ich habe die Aufnahme vorhin mal wieder gehört - und habe so eine leise Ahnung, was Du meinen könntest.


    Für mich ist dieser Klang von "Cantus Cölln" absolut süchtigmachend, ich steh da total drauf.

  • Zitat

    und habe so eine leise Ahnung, was Du meinen könntest.


    Hm, ich schein wohl doch alt zu werden und es nicht mehr zu schaffen, mich klar und präzise auszudrücken ! 8)



    Grundsätzlich ist "Cantus Cölln" eine hervorragende Adresse, speziell wenn es dabei um Musik aus dieser Epoche handelt. Nun ist zum einen der individuelle Geschmack des Hörenden ein nicht zu unterschätzender Faktor, aber speziell im Falle von Schein "können es die von mir favorisierten Musiker einfach besser" ! Da hilft wirklich nur eines: reinhören in die andere Aufnahme !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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  • Hallo BBB,


    schönen Dank für die Antwort - mir gehts da ganz ähnlich: ich finde zum Beispiel Herreweghe sehr neutral, mir ist da der eher subjektiv gefärbte Sound der Gruppe aus Brühl näher.


    Ansonsten: älter werden wir alle, ganz automatisch - und ob der eine sich dann möglicherweise unpräziser ausdrückt oder der andere einfach begriffsstutziger wird, macht doch eigentlich nix... :wacky:


    Schöne Grüsse nach B


  • Hallo,


    das „Musical Banquet“ umfasst 20 Suiten Tafelmusik - Scheins einzige Instrumentalmusiksammlung - davon sind auf der CD 4 zu hören. Jede der Suiten ist aus je zwei gepaarten Tänzen zusammengesetzt, sodass sich aus dem Rhythmus keine besondere Abwechslung ergibt. Die zum Einsatz kommenden Instrumente variieren jedoch, dabei ist besonders der Einsatz von Zinken hervorzuheben, wobei hier das Aufnahmedatum eine Rolle spielt. Heutige Zinkisten machen viel mehr Gebrauch davon Verzierungen einzufügen, soweit es ihnen angemessen erscheint.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Johann Hermann Schein ist Schütz absolut ebenbürtig - sie haben sich auch gegenseitig sehr geschätzt. Schütz hat eine wunderbare und ergreifende Motette auf seinen frühen Tod geschrieben, die ich schon gesungen habe (ich glaube, es ist "Es ist erschienen"). "Israelis Brünnlein" ist ein Motettenwerk, das der "Geistlichen Chormusik" von Heinrich Schütz durchaus ebenbürtig ist.
    Seine Motette "Das ist mir lieb" gehört zu meinen liebsten Chorstücke überhaupt. Leider hat er nur halb so lange gelebt wie Heinrich Schütz.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)


  • Johann Hermann Schein, der am 20. Januar 1586 in Grünhain geboren wurde, starb am 19. November 1630 in Leipzig. Er war als Thomaskanton einer der Vorgänger von Johann Sebastian Bach.


    Heute ist die 429. Wiederkehr seines Geburtstages.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber dr.pingel,
    hätte ich da was für deinen Wunschzettel zu Weihnachten gefunden? Weltliches von Schein. Der Text - von Schein selbst - soll durchaus deftig sein.


    Musica boscareccia - "Wald-Liederlein auff Italian-Villanellische Invention" (1621/1626/1628)

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