Die Bachkantate (074): BWV108: Es ist euch gut, dass ich hingehe

  • BWV 108: Es ist euch gut, dass ich hingehe
    Kantate zum Sonntag Cantate (Leipzig, 29. April 1725)




    Lesungen:
    Epistel: Jak. 1,17-21 (Alle gute Gabe kommt von dem Vater des Lichts)
    Evangelium: Joh. 16,5-15 (Abschiedsreden Jesu: So ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch)



    Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 20 Minuten


    Textdichter: Christiane Mariane von Ziegler (1695-1760)
    Choral: Paul Gerhardt (1653)



    Besetzung:
    Soli: Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Oboe d’amore I + II, Solo-Violine, Violino I/II, Viola, Continuo





    1. Arioso Bass, Oboe d’amore I, Streicher, Continuo
    Es ist euch gut, dass ich hingehe; denn so ich nicht hingehe, kömmt der Tröster nicht zu euch.
    So ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.


    2. Aria Tenor, Solo-Violine, Continuo
    Mich kann kein Zweifel stören,
    Auf dein Wort, Herr, zu hören.
    Ich glaube, gehst du fort,
    So kann ich mich getrösten,
    Dass ich zu den Erlösten
    Komm’ an den gewünschten Port.


    3. Recitativo Tenor, Continuo
    Dein Geist wird mich also regieren,
    Dass ich auf rechter Bahne geh’;
    Durch deinen Hingang kommt er ja zu mir,
    Ich frage sorgensvoll: Ach, ist er nicht schon hier?


    4. Chorus SATB, Oboe d’amore I + II, Streicher, Continuo
    Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten.
    Denn er wird nicht von ihm selber reden, sondern was er hören wird, das wird er reden;
    und was zukünftig ist, wird er verkündigen.


    5. Aria Alt, Solo-Violine, Streicher, Continuo
    Was mein Herz von dir begehrt,
    Ach! das wird mir wohl gewährt.
    Überschütte mich mit Segen,
    Führe mich auf deinen Wegen,
    Dass ich in der Ewigkeit
    Schaue deine Herrlichkeit!


    6. Choral SATB, Oboe d’amore I + II, Streicher, Continuo
    Dein Geist, den Gott vom Himmel gibt,
    Der leitet alles, was ihn liebt,
    Auf wohl gebähntem Wege.
    Er setzt und richtet uns’ren Fuß,
    Dass er nicht anders treten muss,
    Als wo man find’t den Segen.




    Wie schon in der Kantate des Vorjahres (BWV 166) spielt der dem Sonntags-Evangelium entnommene Aspekt des "Weggehens" Jesu' aus seinem irdischen Dasein eine Rolle in der Kantatendichtung, die diesmal erneut von der Leipziger Dichterin Christiane Mariane von Ziegler verfertigt wurde, genau wie die Kantate BWV 103, die Bach eine Woche zuvor, am 22. April 1725, vertont und erstmalig aufgeführt hatte.
    Es fällt auf, das Bach keine Kantatendichtung dieser Dame im Originalwortlaut vertont hat - er hat jedesmal kleinere Änderungen oder Kürzungen angebracht, in diesem konkreten Fall hat er z. B. den Rezitativtext gekürzt.


    Inhaltlich legt die Dichterin den Schwerpunkt auf die Ankündigung des Kommens des Heiligen Geistes - ein Hinweis auf das nahende Pfingstfest, den nächsten "Höhepunkt" im Kirchenjahr!


    Zwei Bibelwort-Sätze, die beide aus dem Sonntagsevangelium Johannes Kapitel 16 stammen, prägen diese Kantate:
    Das Bass-Arioso zu Beginn (mit einem ebensolchen hatte auch die Kantate des Vorjahres bereits begonnen) stellt mit der wörtlichen Wiedergabe des 7. Verses ein Jesus-Wort zur Eröffnung der Kantate voran. Als "Vox Christi" wird hier wiederum der Solo-Bass eingesetzt. Der Satz in punktiertem, feierlichen Rhythmus erinnert an eine französische Ouvertüre: Auch hier ging der König während deren Erklingen an seinen Platz (im Theater) - eine von Bach sicher bewusst gewählte Assoziation.


    Im Chor Nr. 4 wird das recht umfangreiche Jesuswort aus Vers 13 jedoch nun dem Chor überlassen (der ja auch einmal etwas zu tun haben möchte, nachdem diese Kantate schon keinen Eingangschor hatte ;) ) und musikalisch in drei Abschnitte aufgeteilt - drei meisterhafte Fugen, von denen die erste und die dritte thematisch einander ähneln.


    Nach dem Einsatz der Solo-Oboe im Eröffnungssatz sollte noch die virtuose Solo-Violin-Partie in den Arien erwähnt werden - dieses doch recht starke konzertante Element, das hier im Vergleich zu anderen Kantaten besonders hervorsticht, lässt evtl. doch einen kleinen Gedanken Bachs an den Namen des heutigen Sonntags, "Cantate", aufkommen: Gerade heute sollte besonders schön musiziert und gesungen werden: "Soli Deo gloria!" :angel:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)