Die Bachkantate (076): BWV87: Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen

  • BWV 87: Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen
    Kantate zum Sonntag Rogate (Leipzig, 6. Mai 1725)




    Lesungen:
    Epistel: Jak. 1,22-27 (Seid Täter des Wortes und nicht Hörer allein)
    Evangelium: Joh. 16,23-30 (Abschiedsreden Jesu: So ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er’s euch geben)



    Sieben Sätze, Aufführungsdauer: ca. 22 Minuten


    Textdichter: Christiane Mariane von Ziegler (1695-1760)
    Choral: Heinrich Müller (1659)



    Besetzung:
    Soli: Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Oboe I + II, Oboe da caccia I + II, Violino I/II, Viola, Continuo





    1. Arioso Bass, Oboe I + II, Oboe da caccia, Streicher, Continuo
    Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen.


    2. Recitativo Alt, Continuo
    O Wort! das Geist und Seel’ erschreckt.
    Ihr Menschen, merkt den Zuruf, was dahinter steckt!
    Ihr habt Gesetz und Evangelium vorsätzlich übertreten,
    Und diesfalls möcht’ ihr ungesäumt in Buß und Andacht beten.


    3. Aria Alt, Oboe da caccia I + II, Continuo
    Vergib, o Vater! uns’re Schuld,
    Und habe noch mit uns Geduld,
    Wenn wir mit Andacht beten
    Und sagen, Herr, auf dein Geheiß:
    Ach rede nicht mehr sprüchwortsweis’
    Hilf uns vielmehr vertreten!


    4. Recitativo Tenor, Streicher, Continuo
    Wenn uns’re Schuld bis an den Himmel steigt,
    Du siehst und kennest ja mein Herz, das nichts vor dir verschweigt;
    Drum suche mich zu trösten!


    5. Arioso Bass, Continuo
    In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.


    6. Aria Tenor, Streicher, Continuo
    Ich will leiden, ich will schweigen,
    Jesus wird mir Hülf’ erzeigen,
    Denn er tröst’ mich nach dem Schmerz.
    Weicht, ihr Sorgen, Trauer, Klagen!
    Denn warum sollt’ ich verzagen?
    Fasse dich, betrübtes Herz!


    7. Choral SATB, Oboe d’amore I + II, Oboe da caccia, Streicher, Continuo
    Muss ich sein betrübet?
    So mich Jesus liebet,
    Ist mir aller Schmerz
    Über Honig süße,
    Tausend Zuckerküsse
    Drücket er ans Herz.
    Wenn die Pein sich stellet ein,
    Seine Liebe macht zur Freuden
    Auch das bitt’re Leiden.





    Wie die Kantate des Vorjahres (BWV 86) oder die Kantate, die Bach im Jahr 1725 eine Woche vor dieser hier komponiert hatte (BWV 108 – übrigens auch auf einen Text von Mariane von Ziegler) beginnt auch das hier besprochene Werk erneut mit einem Bass-Arioso, in dem die althergebrachte „Vox Christi“ ein Zitat aus dem Evangelium des heutigen Sonntags vorträgt (Joh. Kapitel 16 Vers 24).
    Diese Kantate enthält mit dem 5. Satz noch ein weiteres Bass-Arioso – auch dieses Zitat entstammt dem 16. Kapitel des Johannes-Evangeliums (Vers 33).


    Bach hat interessanterweise jedes Mal, wenn er einen Text von Frau von Ziegler vertont hat, irgendwelche Modifikationen an selbigem vorgenommen – seien es Kürzungen oder eigenhändige Textänderungen.
    In dieser Kantate dürfte der Text des Rezitativs Nr. 4 wohl von ihm selber stammen – in der gedruckten Ausgabe der Dichtungen von Mariane von Ziegler fehlt er an dieser Stelle jedenfalls. Diesen Hinweis gibt uns jedenfalls Alfred Dürr in seiner Einführung in diese Kantate.


    Ungewöhnlich ist die Instrumentierung der Arie Nr. 3 – Bach verwendet sehr selten ein Oboe da caccia-Paar (so z. B. in seiner prächtigen Epiphanias-Kantate BWV 65), sondern setzt dieses Instrument meist nur solistisch ein (im Gegensatz zu „normalen" Oboen oder Oboi d’amore). Daher auch der besondere Charakter dieser Arie, die sie durch die Wahl der Instrumente (und der Altstimme) bekommt.


    Ganz wunderbar und sehr ausdrucksvoll auch die Arie Nr. 6 im 12/8tel-Takt, der wiederum an ein pastorales Siciliano erinnert! Und wer denkt bei "Hirtenmusik" wie dieser nicht wiederum an den "guten Hirten", von dem in dieser Arie die Rede ist...?


    Der Schlusschoral erklingt auf die bekannte Melodie „Jesu, meine Freude“.

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)