Carlos Kleiber - sein Vermächtnis

  • Liebe Forianer,


    Soeben hat Real_Hendrik im Bereich "Neuigkeiten aus der Klassikwelt" die Nachricht vom Ableben des Dirigenten Carlos Kleiber gepostet. Ich hätte mir weiß Gott andere Neuigkeiten gewünscht, aber die Tatsache ist nun mal unabänderlich.


    Beim Tod eines großen Mannes, und das war er wohl, ist es üblich einen Nachruf zu halten, Resumé zu ziehen über sein Wirken und Schaffen, seine Leistungen. Es wäre nicht gut den Toten aus falsch verstandener Pietät auch noch totzuschweigen, der Vergessenheit preiszugeben.


    So denke ich, es wäre eine gute Idee, wenn jeder, dem dieser Musiker am Herzen lag, eine CD präsentiert, vielleicht mit ein paar erläuternden Worten.


    Mögen seine Tondokumente ihn unsterblich machen



    mit melancholischem Gruß
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Merkwürdig, schon vor ein paar Monaten machte das Gerücht die Runde, daß Carlos Kleiber gestorben sei.
    Dieses mal scheint es wohl leider zu stimmen, die Bestätigung durch die Medien erfolgte überall..,
    Deshalb hier noch einmal meine Lieblings-Beethoven-Sinfonie in meiner Lieblingsaufnahme:


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • BBB hat meine "liebste" Kleiber-Aufnahme schon vorweggenommen, aber Kleibers andere Aufnahmen sind mir kaum weniger lieb.


    Nach mehreren Jahren habe ich erst vor wenigen Wochen mal wieder die absolut unvergleichliche "Fledermaus" von Johann Strauss vorgenommen...



    ...und diese Aufnahme wieder "richtig liebgewonnen". Auch dem schrecklich falsettierenden Iwan Rebroff, der den Orlofsky singt, - meiner früheren Ansicht nach der einzige Schwachpunkt dieser Aufnahme - kann ich mittlerweile seine "Eigenwilligkeit" nachsehen und finde die Darstellung seiner Rolle gar nicht uninteressant.


    Gruss,


    Hendrik

  • Oft verschoben, ist diese Aufnahme nächstens dran
    (Auf LP hatte ich sie schon)





    Sollte die Tonqualität der LP verlustfrei auf CD transferiert worden sein, so erwartet mich nur Gutes.



    Gruß aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Traviata hatte ich nie als LP, nur als CD. Und mit der Tonqualität bin ich durchaus zufrieden! (Übrigens soll in Kürze die genannte Traviata als SACD herauskommen - wen's interessiert.)


    Gruss,


    Hendrik

  • Leider bin ich kein Opern-Liebhaber, sodass für mich als Fan der sinfonischen Musik noch viel weniger an Einspielungen dieses außergewöhnlichen Dirigenten zur Auswahl steht.
    Bis auf die 4.Beethoven bei Orfeo, die schon lange auf meiner Wunschliste steht, habe ich - glaube ich - fast alles. Am Liebsten ist mir seine 5.Beethoven auf DG mit den Wienern. Diese Mischung aus Lebendigkeit, Dynamik, Sinnlichkeit und doch gleichzeitig auch straffer "Orchester-Beherrschung"
    habe ich bei diesem Werk (und nicht nur bei diesem...) von keinem anderen Dirigenten erlebt - das erste Hören dieser Einspielung verschaffte mir eines der seltenen wirklichen "Aha-Erlebnisse".
    Sehr traurig, dass nun wohl keine weiteren dazukommen werden.
    Gruß
    Achim

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Hallo Taminoianer,


    eine sehr betrübliche Nachricht, das. Ich muß sagen, dieser Tod ist mir nahegegangen wie selten bei einem Künstler.


    Diese wurde zwar schon erwähnt - dennoch:


    Es ist nicht nur meine Kleiber-Lieblingsaufnahme - für mich auch die beste 5., die ich kenne.


    Gruß aus Hamburg
    Uwe

  • <table border=1 width=95% align=center cellpadding=15 class=TAB2 ><tr ><td ><b >Achim</b > schrieb:<hr ><ul ><i >Bis auf die 4.Beethoven bei Orfeo, die schon lange auf meiner Wunschliste steht, habe ich - glaube ich - fast alles. Am Liebsten ist mir seine 5.Beethoven auf DG mit den Wienern.</i ></ul ></td ></tr ></table >


    Erstens: Die Vierte ist für einen Kleiber-Fan ein Muss! Sind die Fünfte und die Siebte mit den Wiener schon exzellent: Die Vierte mit dem Bayrischen Staatsorchester ist brillant! (Die leichten Einschränkungen in der Klangqualität sind problemlos hinzunehmen.


    Zweitens: Hört sich fast so an, als wenn Du Beethovens Sechste mit Kleiber auch nicht hast...


    Drittens: Alles zu haben von Kleiber, ist - offizielle Aufnahmen vorausgesetzt - relativ übersichtlich. (Btw.: Auch die Video-Aufnahmen sind ein Muss! Brahms' Zweite liegt nur in Form einer Live-Aufnahme auf Video vor. Und die konnte er, als wenn Brahms selbst dirigierte...) Interessant wird es, wenn man sich auch um das Sammeln von Rundfunk-Mitschnitten oder Bootlegs (die es zuhauf gibt, aber leider nicht in jedem Plattenladen) bemüht.


    Achim schrieb


    [Zitat]Sehr traurig, dass nun wohl keine weiteren dazukommen werden.
    [/Zitat]


    Oh... da wäre ich mir gar nicht so sicher. So habe ich zum Beispiel mal von einer fertig produzierten Aufnahme von Strauss' "Heldenleben" gehört, die erst posthum veröffentlicht werden soll. (Sony? Philips? DG?) Es wird wahrscheinlich so etwas Ähnliches entstehen wie bei Celibidache: Auf einmal tauchen aus den (Rundfunk-)Archiven etliche Aufnahmen auf, die jetzt veröffentlicht werden können...


    Gruss,


    Hendrik

  • Zu RealHendrick:
    Die 6. Beethoven habe ich, ebenso wie die 4.Brahm, die 3.+8. Schubert und das Strauß-Neujahrs-Konzert. Gibt's an offiziellen CDs außer der 4.Beethoven noch mehr an Nicht-Opern-Aufnahmen?
    Deine Vermutung, jetzt posthum ginge es erst richtig los mit den Veröffentlichungen, möge sich bestätigen!!!
    Gruß
    Achim

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Hi, Achim!


    An Nichtopernaufnahmen mit Carlos Kleiber fällt mir jetzt nur noch das Dvorak-Klavierkonzert ein, das in Deiner Nennung nicht vorkommt. Soweit ich das überblicke, wohl auch das einzige Konzert mit einem Solisten, dass auf Schallplatte festgehalten wurde. Svjatoslav Richter pianiert, und die Aufnahme ist bei EMI (in einer der beiden "Great..."-Reihen) erschienen.


    (Zum Thema Solokonzert fällt mir noch ein: Anne-Sophie Mutter hat einmal auf die Frage, mit wem als Dirigenten sie einmal spielen möchte, geantwortet: "Carlos Kleiber". Das ist ihr wohl nicht ganz ohne Grund verwehrt geblieben. - Naja, jetzt geigt sie ja bevorzugt mit André Previn (oder lässt sich geigen? Huh... jetzt werde ich indiskret! Bitte vergessen!)).)


    Hinweis: Auch als "Nicht-Opern-Freund" solltest Du Dich mal mit seinen Gesangsaufnahmen beschäftigen. Offiziell sind da erschienen: Weber Freischütz (wegen regietechnischer Mängel - die Sprechteile wurden nachträglich von Schauspielern gesprochen und hineingeschnitten - leider ingesamt nicht einheitlich wirkend, aber musikalisch brillant!), Strauss Fledermaus (besser kann man Strauss nicht dirigieren - höchstens besser singen...), Verdi Traviata (ohne jeden Zweifel die beste "vom Wege Abgekommene") und Wagner Tristan und Isolde (auch hochmusikalisch, aber leider nur mit einer "eins minus"-Besetzung bei den Sängern (Schulnotensystem)).


    Falls Du da "einsteigen" möchtest, beginne mit der Fledermaus - insbesondere, da Du ja auch die Neujahrskonzerte hast (und wohl auch mit Genuss hörst). Einige Stellen sind eigenwillig, aber - ich habe es ja schon geschrieben - man hat insgesamt viel Freude an der Aufnahme!


    Gruss,


    Hendrik

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  • wer die jetzige crescendo (magazin) gelesen hat,da steht ein grosser artikel über ihn.
    Er hat ja leider nicht viele Aufnahmen hinterlassen.
    Aber Karajan sagte mal so aus Spass (was sich aber bewahrheiten sollte),dass er nur dirigieren würde,wenn sein kühlschrank leer ist.


    Freischütz Aufnahme (DG) mit ihm hat bei mir einen Ehrenplatz.

  • ach so ...noch etwas...es gibt ja 2 freischütze...
    eine alte und eine neue (referenz) aufnahme von DG.
    Ich habe DG mal angemailt und die sagten mir die aufnahme der neuen referenz sei entschieden besser.


    Kann das jemand bestätigen?

  • Hallo Klassikliebhaber,


    Ich kenne keine Serie "Referenz" von Deutsche Grammophon, aber vielleicht meinst Du "The Originals " ???


    Gruß Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Dann kann ich dazu nuf folgendes Sagen:
    Vor einigen Jahren fiel mir der Artikel einer Fachzeitschrift (scala ?)
    die zweimonatlich erschien in die Hände. Das war über die neuen Remasterings der ´Serie "The Originals" die Rede, unter anderem auch über Kleibers "Freischütz".
    Man war AFAIK nicht ganz einverstanden mit der "Verbesserung",
    soweit ich mich erinnere, es ist lange her, wurde der Ton "fülliger" gemacht und nahm ein wenig von der metallischen Härte der ursprünglichen Abmischung.


    Gruß
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Klassikliebhaber
    ach so ...noch etwas...es gibt ja 2 freischütze...
    eine alte und eine neue (referenz) aufnahme von DG.
    Ich habe DG mal angemailt und die sagten mir die aufnahme der neuen referenz sei entschieden besser.


    Kann das jemand bestätigen?


    Naja, eigentlich gibt es da nur einen Freischütz. Die alte CD ist der LP klanglich etwa gleichwertig. Die neue CD ("Originals") ist in der Tat ein klein wenig "gefälliger", um nicht zu sagen, nicht mehr so hart. Ob das "besser" ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich finde, es kommt dem Stück sehr entgegen. - Aber wie gesagt: nur ein "klein wenig"...


    Gruss,


    Hendrik

  • ja..mein ich doch :)


    die alte Version wurde bearbeitet.


    Von der Verbesserung allerdings habe ich nicht viel mitbekommen. :(


    Dafür hab ich dann wohl doch eine zu schlechte Anlage?
    Für mich hören sich die alte und neue Version gleich an. :(

  • Real_Hendrik erwähnte sie zwar schon einmal in diesem Thread, aber hat die Aufnahme des Dvorak Klavierkonzerts vielleicht schon jemand gehört und kann was dazu sagen ?



    Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Sorry, bin gerade eben erst aus WIEN zurückgekommen (wohl wahr: die Welthauptstadt der Musik!)...


    Das Dvorak-Konzert mit Richter kenne ich natürlich: Referenz - was sonst? (Allerdings habe ich "noch" die alte Aufnahme im CD-Regal stehen. Inwiefern die aktuelle EMI-Ausgabe akustisch überarbeitet wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.)


    Was die Überarbeitung der DG-Originals angeht: Die Unterschiede sind hörbar im Vergleich zu den alten Versionen. Nach meiner Erfahrung mit einigen Aufnahmen klingen die "Image-Bit-Processing"-Versionen gefälliger oder besser gesagt: angenehmer als die alten Versionen. Die alten V. sind allerdings "näher an der LP". (Das habe ich jetzt nur von einer Handvoll Versionen feststellen können. Ob das allgemeingültig ist, kann ich nicht sagen.)


    Gruss,


    Hendrik

  • ... unter diesem Titel veröffentlicht die DGG eine 5-DVD-Box mit Aufnahmen des genialen "Taktschlägers" - Mitbestandteil werden eine Mozart-Symphonie Nr. XXXVI sowie seine Brahms-II-Interpretation sein, die es auch einzeln gibt: (Release 02.11.2004):



    Und hier die Einzelveröffentlichung:



    Näheres zu den Veröffentlichungen hier und hier . Als eingefleischter C.K.-Fan werde ich mir die 5-DVD-Box natürlich von meiner Weihnachts-Sonderzuwendung gönnen :D

    Beste Grüße aus Bonn
    Matthias


    Ich tu', was meine Pflicht gebeut, doch hass' ich alle Grausamkeit (ROCCO)

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  • Hallo Taminos,


    im SWR 2 gibt es ab Freitag eine 15-teilige Sendereihe über Erich und Carlos Kleiber. Hier das genaue Programm.


    Grüß
    Uwe

  • Eine persönliche Anekdote zu Carlos Kleiber:
    Im Mai 1994 dirigierte er drei Vorstellungen von "Rosenkavalier" an der Wiener Staatsoper. (Es sollten seine letzten Auftritte dort sein. Danach kam nur mehr ein Japan-Gastspiel mit der Wiener Staatsoper.) Diese waren selbstverständlich sofort ausverkauft. Ich hatte aus beruflichen Gründen keine Zeit, mich für Sitz- oder Stehplätze anzustellen. (Abgesehen davon war die entsprechende "Mafia" fast undurchdringbar für "Normalsterbliche".) In der Mittagspause meiner damaligen Arbeit spazierte ich durch die Wollzeile in Wien und ging an einem Kartenbüro vorbei, das damals noch relativ neu war. Und da lag doch wirklich in der Auslage eine Karte für die (damals) heutige erste der drei Vorstellungen, erste Reihe Galerie, Originalpreis 400 Schilling, Verkaufspreis 2.400 Schilling. Es bedurfte eines Gesprächs mit der Dame im Geschäft, die Karte für zwei Stunden zurückzulegen, einiger Bemühungen, das Geld aufzutreiben - und dann hatte ich (Glückspilz) auf einmal eine Karte für den "Rosenkavalier". Als ich am Abend zur Oper kam, standen dort an den Eingängen Menschen (vorwiegend Japaner) mit Tausendschillingscheinen in der Hand. Einen Bruchteil einer Sekunde war ich versucht, Geld statt Kunstgenuß zu gewinnen - dann habe ich mich für die Oper entschieden. Dieses Liveerlebnis werde ich nie vergessen. Was Carlos Kleiber für Farben aus dem Orchester gezaubert hat - eine Sternstunde! (Es gibt ja auch eine DVD davon.)
    Mein zweites Kleiber-Liveerlebnis war ein Konzert im Wiener Musikverein mit Mozarts KV 425 und Brahms´ Zweiter Symphonie (Wiener Philharmoniker). Auch unvergeßlich!
    Ein Traum von mir ging leider nicht in Erfüllung: Irgendein Klavierkonzert (Mozart, Beethoven, egal) mit Friedrich Gulda, Carlos Kleiber und mit den Wiener Philharmonikern ...

    Freundlicher Gruß
    Alexander

    Einmal editiert, zuletzt von Alexander_Kinsky ()

  • Sagitt meint:


    Kleiber gehört ja zu den ganz wenigen, die eigentlich gar nicht umstritten sind ( ganz allgemein stimmt es nicht, ich erinnere, wie sehr sein Schubert 3 und 8 damals kritiisiiert wurde). Aber heute sind die Kritiken weitehend verstummt. Hört man irgendeine Aufnahme von ihm, ist sie Referenz oder zumindest unter den besten, ob es nun die wenigen Beethovensinfonien, Brahms, Freischütz, Tristan, Traviata sind.


    Aber,wie erzeugt dieser Mann diese Glut ?


    Es gibt ja einen Mitschnitt einer Probe Freischützouvertüre und dann natürlich die Beobachtung seiner Person bei den Konzerten. Er sieht extatisch aus. Das haben andere auch, sie bewegen sich oftmals intensiver- man denke an Bernstein. Die Probe ist auch nicht außergewöhnlich- er macht nicht den Eindruck, die Musiker unter Druck zu setzen- anders als Karajan und teilweise Celibidache.


    Da es ja genügend Kleiber-Fans in diesem Forum gibt, bin ich für eine Diskussion darüber dankbar. Ich sehe, dass selbst ausgekochteste Profis bei ihm auf der vorderen Stuhlkante sitzen- aber warum ?

  • Sagitt fragte zur Wirkung der Interpretationen von Carlos Kleiber:


    [zitat]Da es ja genügend Kleiber-Fans in diesem Forum gibt, bin ich für eine Diskussion darüber dankbar. Ich sehe, dass selbst ausgekochteste Profis bei ihm auf der vorderen Stuhlkante sitzen- aber warum ? [/zitat]


    Die Antwort, zumindest eine mögliche Antwort finden wir bei der Tante Jolesch von Friedrich Thorberg:


    Die Tante Jolesch, die immer die besten Krautfleckerln in der ganzen österreichischen kuk Monarchie gekocht hat, liegt im Sterben. Die gesamte Familie ist an ihrem Totenbett versammelt. Bei aller Pietät wird sie nun duch nach dem Geheimnis des Rezeptes, das so erfolgreich war gefragt, auf daß sie es nicht für immer mit ins Grab nehme.


    Die Tante spricht schon schwer, es wird vermutlich ihr letzter Satz sein- wird sie das Geheimnis noch enthüllen ?
    Dann schließlich mit letzter Kraft: "Weil ich nie genug gemacht hab´ ..."


    Was hier wie eine geschmacklose Parabel anmutet ist in Wirklichkeit eine tiefere Weisheit.


    Celibidache kannte sie ebenso wie Kleiber und S.Richter. um nur einige zu nennen.


    Welchen Nachruf hätte heute beispielsweise Karajan, wären von ihm lediglich 12 CDs erhalten, die Hälfte jedoch nicht mal regulär veröffentlicht ?? Ich glaube das wäre unvorstellbar.....



    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich betrachte den Streit um Carlos Kleiber als eine selbstproduzierende Legende.


    Er ist ein sehr guter Dirigent, aber keinesfalls die Referenz. Bitte nicht übertreiben und nicht untertreiben.


    Gerade die schon erwähnten Probenaufnahmen zeigen es sehr deutlich, wo seine entzückende Vorteile liegen und wo seine offensichtliche Grenzen sind. Ein sehr schönes und aufschlussreiches Dokument!

  • Es ist viel Wahres an dem, was Alfred und peet schreiben. Legenden werden gemacht und erhalten sich selbst am Leben. Und davon haben ja beide profitiert, die Branche und der Kleiber. Mit Begriffen wie Genie oder Referenz bin ich auch eher vorsichtig. Eine Genie war er für mich nicht, weil er zu wenig polarisiert hat und zu wenig Einfluss hatte oder haben wird. Für mich fangen weder Beethovens Fünfte noch der Freischütz mit Kleiber an oder hören mit ihm auf. Wagners Tristan schon gar nicht. Da hat es in den Jahrzehnten vor Kleiber schon andere schöne, spektakuläre, fessenlde, glühende Einspielungen gegeben und es wird sie, wenn die Branche überlebt, auch in Zukunft geben.

    Gruß,
    Gerrit

  • Sagitt meint:


    So wenig, wie ich Krautfleckern kenne, kann ich der Pointe folgen. Ich denke nicht, es ist die Zahl der Aufnahmen, die Kleiber so herausheben. Was er selbst an Kult um sich insceniert hat, interessiert mich wenig. Ich höre seine Aufnahmen und sehe ihn arbeiten, schaue auf die Musiker und stelle bei ihnen fest, wie elektrisiert diese sind. Und frage mich, warum ist das so ?
    Diese Frage gebe ich weiter.


    Ich will Kleiber nicht hochschreiben- braucht der Mann gar nicht. Ich finde seine Interpretationen immer wieder herausragend. Wie er das Neujahrskonzert dirigiert- wer macht ihm das nach ? Wie er im Freischütz agiert- und nicht nur in Wolfsschluchtscene, schon gleich die Chorpartien zu Beginn- wer kann das sonst ?


    Ich wundere mich ein wenig, dass sich vor allem diejenigen zu Wort melden, die Kleiber mehr oder weniger relativieren. Mit meiner Meinung über ihn stehe ich ja wahrlich nicht alleine- man lese man die Kritiken im Rondomagazin und anderswo...


    Ich möchte nicht die Behauptung aufstellen, er sei einzigartig, aber er schafft es, Musiker in Extase zu versetzen, die offensichtlich in ihm steckt, aber wie ?

  • Hallo Sagitt,


    bezüglich Kleiber kann ich Alfreds "Tante-Jolesch-Krautfleckerln-Gleichnis" durchaus folgen. ( bei Richter hinkt es hingegen, weil der erstens in Repertoirebreite und Aufnahmenanzahl Kleiber deutlich übertrifft und sich zweitens die spärliche, oft spontane Konzertaktivität vor allem auf die Altersphase des Interpreten beschränkte ;) ).
    Weiterhin mag ich Krautfleckerln, wenn ich Sie auch mit Wirsing zubereite, was Tante Jolesch vermutlich nicht tat. :stumm:


    Kleiber hat sich sehr rar gemacht, sowohl im Konzert als auch auf Tonträgern. Dies allein ist natürlich ebenso wie Exzentrik keine Voraussetzung, eine derartige Anerkennung in der Fachwelt zu finden, wie er Sie genießt. Wie Joachim Kaiser mal so schön im Bezug auf Glenn Gould sagte: Vor Beethovens Zweiunddreißigsteln sind alle gleich.
    Doch einiges darf aus meiner Sicht nicht außer Acht gelassen werden:


    Kleiber hat sich als Musiker zumindest nach außen hin auf ein sehr geringes Repertoire beschränkt. Es gibt im Vergleich zu anderen großen Dirigenten nur sehr wenige Aufnahmen von Ihm, die sich noch dazu auf sehr ausgewählte Epochen beschränken. Und obwohl viele dieser Aufnahmen für mich einen herausragenden Stellenwert haben, ist es mir problemlos möglich von anderen großen Dirigenten sogar zahlenmäßig noch mehr Aufnahmen zu finden, die ich als mindestens ebenso herausragend bewerte.


    Kleiber hat sich nie fest an ein Orchester gebunden, hat sich somit nie mit den Problemen der Repertoirepflege abfinden müssen. D.h., ein großes Programm außerhalb des ihm vertrauten Stammrepertoires abliefern, Proben unter extremen Zeitdruck. Die Niederungen des Konzertalltags eben, deren klingende Dokumentation auf Tonträgern darüberhinaus von Chefdirigenten großer Orchester in der Regel pflicht- und vertragsgemäß in ganzer Breite gefordert wird.


    Im Gegenteil konnte er oft eine große Probenanzahl fordern und hatte in der Tat den nicht zu unterschätzenden "Ereignischarakter" des Moments auf seiner Seite. Das motiviert Musiker, Zuhörer und Kritiker (!) in der Tat des öfteren mehr, als das 44. Saisonkonzert des Chefdirigenten. Merke: Der Größte Feind der Kunst ist die Routine, und der Kampf dagegen fällt umso schwerer, je stoischer die Mühlen des Konzertalltags arbeiten.


    Trotz allem will ich Kleiber herausragendes Können nicht absprechen. Die wenigen Aufnahmen die ich von Ihm kenne, sind durchaus großartig und wollen auch erstmal gemacht sein.
    Aber sie rechtfertigen für mich nicht den Ausnahmestatus, der ihm oft zugeschrieben wird.
    Folglich ist es für mich eigentlich auch immer eine Fragestellung, wie große Dirigenten aus einem Orchester extreme Leistungen herausholen, und andere nicht.


    Abschließend: Warum hier mehr kritisiert als gelobt wird ? Nun, vielleicht weil wie gesagt der Status von Kleiber derartig zementiert erscheint, dass er dazu herausfordert. Das wiederum kann man ihm aber sicher nicht als kalkulierte Absicht anlasten. Ich halte ihn trotz allem für einen aufrichtigen Künstler, nicht für einen Marketingstrategen. ;)


    Gruß
    Anti

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