Ferdinand Ries - Wer kennt den schon? - ein Beethoven Epigone

  • Es ist nun schon der vierte Thread, den ich über Ries starte - und eigentlich bin ich verwundert, daß nicht ein Aufschrei durch das Forum geht, wenn jemand eine seiner Sinfonien hört.


    Denn Niemand in der gesamte Musikgeschichte war - in Bezug auf Sinfonien - Beethoven näher als Ferdinand Ries.


    Ich habe jetzt nicht vor einen Streit darüber anzuzetteln ob die Riesschen Sinfonien qualitativ jenen Beethovens nahestehen oder nicht - stilistisch tun sies auf jeden Fall (was sogar Beethoven dereinst bekrittelt hatte, er fand, Ries ahme ihn nach, dennoch schätzte er ihn als Schüler und Mitarbeiter (Sekretär)


    Ich glaube, daß sich einfach etliche Leute scheuen, Sinfonien anzuhören, welche ein beethovensches Strickmuster aufweisen, aber nicht von Beethoven sind...


    aber ich glaube das Hauptproblem wurde schon im Titel treffend formuliert: Wer kennt den schon ????



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    veranlasst durch einen der zurückliegenden Threads kann ich den Finger heben. Bisher kenne ich allerdings nur eine Naxos-CD mit Klavierkonzerten, aber die finde ich wunderschön - quasi op. 15 und das Tripelkonzert fortgeführt.


    Die Sinfonien stehen ganz oben auf meiner Liste für die Zeit nach Ausbruch der Solvenz...


    LG,
    Florian

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Hallo Alfred,


    Schön das du auch immer wieder auf vergessene Komponisten hinweist!
    Ries habe ich leider noch nicht gehört. Im Radio kam schon mal eines seiner Klavierkonzerte - hat mir gut gefallen, dier Beethoven'sche Charakter war deulich durchzuhören!


    Ich plane schon lange mir folgende CDs zuzulegen.


    Wurden diese CDs schon in den anderen Ries-Threads besprochen? Wenn nicht, bitte ich Eigentümer dieser Pressungen sich zu Wort zu melden und hier mla einen Kommentar abzulassen.


    Neben Glasunow, Rubinstein, Bax, Vieuxtemps, Nielsen und Bruch wird Ries vielleicht zum nächsten, unbekannteren Komponisten, den ich intensiver sammeln werde!


    LG
    Raphael

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Wer kenn den schon ????


    Ich!


    Ich lernte Ries' d-moll-Sinfonie op. 112 zufällig durch meine Östman-Gier kennen. Ganz nett, vielleicht etwas langwierig [obschon Östman gerade der richtige wäre, dem entgegen zu treten].


    Von seinen Klavierkonzerten gefällt mir das 1806 komponierte in C-Dur [op. 123] sehr gut und viel, viel besser als das 20 Jahre jüngere A-Dur-Konzert op. 151 "Gruß an den Rhein" [manchmal bin ich echt froh, dass Schubert kein Klavierkonzert komponiert hat]. Allerdings ist die Interpretation nicht so mein Ding:



    Christopher Hinterhuber, Piano
    New Zealand Kangoroo Orchestra
    Uwe Grodd


    :no:


    Ries bzw. dessen Vater war ja sehr Bonn-verbunden - Beethoven lernte Ries sen. als Kind in Bonner Zeiten kennen und später drehte sich der Spieß um, als Ries jun. Beethovens Adlatus [sozusagen der Süßmayr Beethovens] wurde. Als Ries wohl Bonn [speziell Bad Godesberg] einen längeren Besuch abstattete, komponierte er sein A-Dur-Konzert. Sicher virtuos, aber m. E. inhaltlose Romantik.


    Das C-Dur-Konzert jedenfalls könnte man beinahe mit [zumindest] Beethovens 1. Sinfonie auf eine Stufe stellen. Ich mag es sehr gerne.


    Gibt es eigentlcih noch andere - bessere - Interpretationen?


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Alfred,


    ich habe mir, auch aufgrund einiger positiver Kommentare von Dir, letztes Jahr die Box von cpo mit den Symphonien von Ferdinand Ries zugelegt,



    und ich muss sagen, Ries war für mich 2006 (neben Robert Simpson) die Entdeckung des Jahres. Seine Nähe zu Beethoven stört mich da ganz und gar nicht. Seine Werke sind nicht zu schwer, aber trotzdem anspruchsvoll, und wenn mir mal nicht nach Mahler und Co ist, weil mir der in der jeweiligen Stimmung zu gewaltig wäre, dann greife ich gerne zu Ries. Kürzlich habe ich auch zwei seiner Klavierkonzerte kennengelernt, und die stehen m. E. in nichts seinen Symphonien nach - ich hoffe Naxos macht sein Versprechen wahr und bringt alle acht Klavierkonzerte raus.


    Um also die Threadfrage zu beantworten : ja, ich kenne Ferdinand Ries, und ich bin froh drüber :yes:


    rolo

    Es wird immer weitergehn, Musik als Träger von Ideen.

    Kraftwerk

  • Lieber Ulli,


    genau die CD ist es, die ich besitze - ich habe sie jetzt nicht hier zu Kontrollzwecken - aber was findest Du so schlimm daran?


    Eigentlich müsste ich HIP-Delirant doch laut heulend durch die Gegend rennen - aber ich mag diese CD sehr gerne, und weder der Pianist noch das Orchester geben mir groß Grund zur Klage...


    Ich mag übrigens beide Stücke sehr gerne, wobei das jüngere einfach mehr "Drive" hat...


    :hello:
    BBF

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Christopher Hinterhuber, Piano
    New Zealand Kangoroo Orchestra
    Uwe Grodd


    Hüpfen die beim Spielen ? :pfeif:

    Es wird immer weitergehn, Musik als Träger von Ideen.

    Kraftwerk

  • Zitat

    Original von Barockbassflo
    genau die CD ist es, die ich besitze - ich habe sie jetzt nicht hier zu Kontrollzwecken - aber was findest Du so schlimm daran?


    Salut,
    schwer zu beschreiben: Es ist mir zu "klimprig" und "starr" - mir fehlt trotz des von Dir erwähnten erkennbaren Drives beim C-Dur-Konzert [den ich bestätigen kann] an Leben in der Bude. Ich habe noch andere Einspielungen, welche von Grodd dirigiert sind. Irgendwie ist das alles lebensfern, lustlos und - naja :rolleyes: - groddenlangweilig. Ich werde diesen Interpreten mit seinen Beuteltieren künftig eher meiden, wenn es geht.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ich hatte vor einiger Zeit das Vergnügen (?) zwei Ries-Sinfonien zu hören und die klangliche Nähe zu Beethoven empfand ich schon als irritierend und amüsant, wobei es mir irgendwie an Melodien mangelte. Sicher sehr schöne Sinfonien um den Sonatensatz zu studieren, aber irgendwie staubtrocken. Ich kann mir vorstellen, dass Ries sich da sehr viel Mühe gemacht hat, aber leider meine ich das rauszuhören... Wo Beethoven mir das Gefühl verschafft, dass es "so" und nicht anders sein kann, er gleichsam die Töne aus dem Ärmel schüttelt, als gäbe es keine Alternativen, hinterlässt Ries bei mir jenes Gefühl, dass das Betrachten einer Schwarzweißkopie der Sixtinischen Kapelle auslöst...


    Oder um es noch schlimmer auszudrücken: Ries ist ganz nett...

  • Wobi wir wohl beim Punkt wären, warum viele Komponisten (bes. auch Glazunow und Rubinstein) vergessen werden - sie sind einfach nur nett...nicht mehr nicht weniger - sie haben nix großes und besonders individuelles geschaffen und sind in der regel Nachahmer. Ich habe mit soetwas keine Probleme, und höre es einfach gerne - bete sie aber auch nicht an.


    Auch leute wie Moscheles und Herz - Virtuosen, welche exzellentes Passaagenwerk zur Klavierliteratur beisteuerten... :pfeif: :D
    Hören tu ichs trozdem mal ganz gerne...


    LG
    Raphael

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo


    Mit manchem was ich hier lesen durfte bin ich einverstanden - mit anderem wieder überhaupt nicht.


    Ich finde Ries in keiner Weise "staubtrocken" - wobei ich glaube grade in dieser Weise sehr empfindlich zu sein, sondern sehr bethovennah - und ich glaube niemand wird Beethoven als trocken bezeichnen wollen ?


    Man könnte Ries als Epigonen abtun (was mich nicht stören würde, wäre er einer) - aber er bringt dennoch eigene Themen zum erklingen, die sich vom Vorbild lösen.....


    Ich finde die Sinfonien am gelungensten. Bemerkungen zur 5. Ries findet man im entsprechenden Thread.....


    hier einige Links zu internen RIes-Themen....



    Der Lieblingsschüler von Beethoven - Ferdinand Ries und seine Klaviersonaten
    Ferdinand Ries: Sinfonie Nr 5 in d-moll op 112 -Epigonales Meisterwerk ?
    Doch kein Schüler von Beethoven? Ferdinand Ries [1784-1838] - seine Klavierkonzerte



    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    schockierend finde ich eher die Tatsache, daß Du über Ries bereits einen vierten thread startest :untertauch::D


    Ich finde seine Symphonien auch reizvoll und bei genauerem Hinhören ist das "Epigonale" nicht das Einzige, was übrig bleibt.


    Allerdings finde ich gibt es genug Komponisten in der Zeit, die IMO nicht minder bedeutend sind und zumindest EINEN thread verdient hätten.


    Wenn ich mich jetzt nicht arg täusche gibt es z.B. noch keinen über Kuhlau :yes:


    :hello:
    Wulf

  • Es gibt sehr wohl weitere Komponisten über die ich Threads plane - aber wenn ich etwas tue ist es stets straegisch untermauert.


    Ferdinans Ries ist aus ganz speziellen GRünden ein optimaler Thread Kandidat.


    1) Er ist der stilistisch Beethoven am nähestenen stehende Komponist -zumindest in bezug auf seine Sinfonien. - Das macht ihn a priori interessant, so denke ich jedenfalls.


    2)Es gibt nunmehr bereits über 10 CDs mi seinen Werken, d.H. sein Schaffen ist bereits einigermaßen dokumentiert.



    3) Dieser Komponist begeistert mich - und ich will einige von Euch mit meiner Begeisterung anstecken.



    Jeder der 4 Threads hat einen anderen strategischen Ansatz und Hintergrund. Ich habe vor die Sinfonien EINZELN zu behandeln - aber das kann ich nur. wenn zumindest einige diese Werke auch haben.
    DIESER THread dient dazu abzuklären wie groß das Interesse an Ries´Werken tatsächlich ist....


    mfg


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    DIESER THread dient dazu abzuklären wie groß das Interesse an Ries´Werken tatsächlich ist....


    Wie hört sich denn sein Streichqaurtett op. 130 an? ?(
    Nein doch... ich finde die Musik von Ries respektabel - wer außer ihm hat es noch geschafft? Ich werde mir bei Zeiten sicher noch die anderen Sinfonien anhören - vielleicht ist etwas dabei, das mich fasziniert.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Alfred,
    ich kann Deine - wenn ich so deuten darf - Begeisterung für Ries recht gut verstehen. Ich hab mir irgendwann im vergangenen Jahr die cpo-Box mit den acht Symphonien gekauft - und war wirklich sehr, sehr positiv überrascht. Ich finde Ries - bei aller Nähe zu Beethoven - keineswegs epigonal. Sicherlich: Das Klangbild seiner Symphonien konvergiert schon mit dem der Beethoven'schen und richtig ist auch, daß Ries dabei nicht nicht an die titanenhafte Größe des Herrn B. heranreicht - aber vieles klingt doch in meinen Ohren frischer und erfrischender (vielleicht auch einfach nur deshalb, weil nicht jede Amsel die Ries'schen Themen von den Dächern pfeift...). Damit will ich weder Beethovens Werk und Bedutung schmälern noch Herrn Ries über alle Gebühr über den Klee loben: aber ich finde er ist ein wirklich würdiger Zeitgenosse Beethovens und mit dem Symphoniker Spohr (der allerdings IMO eine doch deutlich weniger beethoveneske Tonsprache entwickelt hat) der einzige der in Beethovens gewaltigem Schatten ein wenig einiges Licht verbreiten kann (Schubert spielt - insbesondere mit den letzten symphonischen Werken - naklar in einer anderen Liga).
    Besonders gut gefallen mir persönlich Ries 1., die 2. (warum soll die eigentlich - wie in manchen Kritiken konstatiert - Ähnlichkeiten mit Beethovens 5. haben? Nur weil beide Symphonien in c-moll stehen? Mir ist jedenfalls keine Ähnlchkeit unangenehm aufgefallen. Spohrs 3. steht doch auch in c-moll und seine 5. steht nicht nur in c-moll sondern trägt eben auch noch die Nummer 5 - darin erschöpfen sich aber auch die Ähnlichkeiten zu Beethovens 5.), dann die 5., die 7. sowie die ohne Opuszahl gebliebene 8..
    Herzlichst,
    Medard

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Es ist nun schon der vierte Thread, den ich über Ries starte - und eigentlich bin ich verwundert, daß nicht ein Aufschrei durch das Forum geht, wenn jemand eine seiner Sinfonien hört.

    Kein Aufschrei! :D

    Zitat

    Wer kennt den schon?

    Icke natürlich!!! :yes:
    Hab so ziemlich alles, was CPO herausgebracht hat. Angefangen hat es mit einer der Symphonien, die mal (ebenfalls aus der Reihe) im ARD-Nachtkonzert gespielt wurde. Hab mir daraufhin die Einzel-CDs gekauft, die damals schon raus waren (denke es waren gerade 2) und hab alle anderen Symphonien sofort bei Erscheinen in die Sammlung integriert.
    Können also ruhig über seine Symphonien plaudern... :pfeif:


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Für alle Rieslinge und solche, die es werden wollen eine [klitze-] kleine Anekdotensammlung, für die sich Manfred Herbig in "200 Jahre Kreuzersonate" verbürgt:


    I


    Nachdem Beethoven sein Quintett C-Dur op. 29 zunächst bei Breitkopf & Härtel verlegt hatte und alsdann an den Grafen Fries verkaufte, hatte letztgenannter nicht besseres zu tun, als das Werk dem Verlag Artaria anzubieten. Beethoven erhielt von Artaria die Korrekturabzüge und gab diese zur "Bearbeitung" ( :D ) an Ferdinand Ries weiter. Nachdem Artaria Beethovens op. 29 veröffentlicht hatte, verlautbarte Beethoven schriftlich in der Wiener Zeitung "An die Musikliebhaber", dass die Ausgabe Artaria höchst fehlerhaft, unrichtig und für den Spieler ganz unbrauchbar sei.


    Die Anzeige erschien am 22. Januar 1803.


    II


    Dreieinhalb Stunden vor der Uraufführung der "Kreuzersonate" op. 47 - das wäre also um halb fünf in der Frühe des 24.Mai 1803 gewesen - lies Beethoven Ferdinand Ries rufen, und verlangte von ihm die Abschrift wesentlicher Teile der Violinstimme. Ries wurde nicht ganz fertig, er berichtet: Die Clavierstimme war nur hier und da notiert. - Das so wunderschöne Thema mit Variationen aus F-dur hat Bridgetower aus Beethoven's eigener Handschrift im Concerte im Aaugarten [...] spielen müssen.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Ulli,


    :boese2:...was für ein schlechter Kopist...!!! :D


    Habe kürzlich auf WDR3 eine sehr schöne Bearbeitung der Eroica für Klaveirtquartett von Ries gehört. Es spielte wenn ich mich recht entsinne das Amadeus-Quartett.


    LG
    Raphael

  • Den Anregungen Alfreds an verschiedenen Stellen folgend, entdecke ich zur Zeit mit sehr viel Freude, Verblüffung, Kurzweil diesen spannenden Komponisten Ries. Zunächst mit seinen Cellosonaten opp. 21 und 125 mit Guido Larisch und Robert Hill am Hammerflügel (cpo).

    Langsam arbeite ich mich nach und nach in den acht Sinfonien voran, mit dem Zürcher Kammerorchester unter Howard Griffiths (cpo).

    Und daneben werfe ich einen Blick auf die Klavierkonzerte opp. 55, 123, 151 mit Christopher Hinterhuber und Uwe Grodd (Naxos).


    Nach all dem, was hier und anderenorts so geschrieben steht, bin ich natürlich zunächst die ganze Zeit angespannt in der Erwartung gewesen, dass beim nächsten Takt der Epigone aus dem Busch springt, allein: er will sich nicht so recht rühren.


    Immer wieder höre ich eine Wendung, eine Überleitung ein Motiv oder eine Begleitfigur, die so a bisserl nach Beethoven klingt. Gelegentlich zitiert er ja auch ganz offen den älteren Herrn, und das ist dann schon absolut witzig. Einigermaßen gewöhnungsbedürftig ist dann andererseits wieder das Tschingderassabumm im Finale der Sechsten - vielleicht wollte er da einfach auf der Wellington-Welle Erfolge einheimsen. Aber viel öfter höre ich Schumann heraus (z. B. 1. Satz der 6. Sinfonie), renovierten Haydn (z. B. 2. Satz derselben), öfter mal Weber, Anklänge an Schubert, und und und.


    Aber vor allem anderen eben ganz viel Ries :yes: - schlicht und einfach eine wirklich gut gemachte, ideenreiche, niemals langweilige, stets lohnende Musik. "Staubtrocken"? Ganz bestimmt nicht und nirgends. Und deshalb schäme ich mich inzwischen schon, dass ich am Anfang wie der Geier ständig auf Ausschau nach dem Epigonenbeweis war. Ich bin auch schon viel entspannter beim Hören :D .


    Vielleicht haben sich ja beide Meister vertan: der Ältere hat die individuellen Kompositionsfähigkeiten seines Klavierschülers unterschätzt und der Jüngere seine wachsende Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von seinem offensichtlichen Vorbild ebenso. Vielleicht auch kommen die gelegentlichen Parallelen vom gemeinsamen Lehrer beider, nämlich von Ries' Vater?


    Ich freue mich jedenfalls auf weiteren Ries und habe Lust bekommen, die weitere Zeit um und kurz nach Beethoven abzugrasen, als nächstes vielleicht mit einem Griff auf Onslow.


    Liebe Grüße, Ulrich

  • Hallo Ulrich,

    genauso isses! Deinem Posting ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.


    Zu den Aufnahmen von Howard Griffiths habe ich nur eine obligatorische Anmerkung zu machen bezüglich kopierter Wiederholungen, nach denen ich die 5. und die 6. Sinfonie untersucht habe.


    1. Satz der 5. Sinfonie: 100 % kopiert (an alle Nachahmer: Khampan is watching you!)
    1. Satz der 6. Sinfonie: 0 % kopiert (warum nicht gleich so...)


    Das mag vielleicht dem einen oder anderen eine Erklärung sein, warum die 5. einen etwas weniger aufregenden Eindruck macht, trotz des dramatischen Habitus.
    Hier fehlt eindeutig noch eine seriös durchgeführte gute Aufnahme.


    Gruß,
    Khampan

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Ich freue mich daß im Laufe der jahre aus eimem meiner unbekannten Lieblingskomponisten allmählich einer wird, der bekannt - und was noch viel wichtiger ist - gemocht wird.


    Nicht alles was ausgegraben wird ist in der Tat lohnenswert, ich errinnere mich an dieser Stelle an die CD mit Werken eines gewissen McFarren - die zeitgleich mit der ersten Ries-Veröffentlichung von cpo auf den Markt gebracht wurde: Es folgte - meiner Meinung nach zu Recht - keine weitere.
    Ries Werke jedoch freuen sich (allmählich) immer grösserer Beliebtheit - nicht nur bei den Höreren - sondern auch bei den Tonträgergesellschaften (Klassik-Industrie klingt ja in diesem Zusammenhang entsetzlich)


    Nach Cpo entdeckte Naxos den Komponisten für sich - und spielte dankenswerter - und klugerweise noch unveröffentlichtes Repertoire ein - die Klavierkonzerte. Ich halte den Qualitätsabstand zu Beethoven bei den Klavierkonzerten für signifikanter als bei den äusserst gelungenen Sinfonien.


    Auch Hungaroton (leider keine Mithörmöglichkeit vorhanden) und Thorofon hat Werke von Ries in ihrem Programm


    Zitat

    Vielleicht haben sich ja beide Meister vertan: der Ältere hat die individuellen Kompositionsfähigkeiten seines Klavierschülers unterschätzt .....


    Ich glaube nicht, daß Beethoven Ries unterschätzt hat, er erlaubte ihm sogar eigene Kadenzen zu seinen Werken zu schreiben und aufzuführen.
    Aber - heute kaum vorstellbar - er sah in im auch einen Konkurrenten - beide bewarben sich einst um die gleiche Stelle - die letztlich ein dritter bekam. Dies führte zu einer (kurzzeitigen) Verstimmung zwischen Beethoven und Ries.


    Der Ausspruch "Ries ahmt mich zu sehr nach" kann vielfach gedeutet werden, unter anderem als Ablehnung, oder Herabsetzung eines vermutlich minderbegabten.


    Ganz anders aber ist der Ausspruch auszulegen, wenn man weiß, daß Beethoven Ries aufforderte ihm ein Werk zu widmen - und 6 Jahre später erneut urgierte, noch kein Widmungsexemplar der ihm inzwischen gewidmeten 2. Sinfonie erhalten zu haben (die im 19. Jahrhundert Die beliebteste Sinfonie aus der Feder Ries`war)..........


    Ich sehe hierin den Zwiespalt des Meisters, der die Werke des Schülers so hoch einschätzte, daß sie ihm damals bereits bedenklich nahe kamen.


    Daß das 20/21. Jahrhundert darüber anders urteilen würrde - das konnte Beethoven damals noch nicht wissen.
    Wem dies allzu unwahrscheinlich anmuten mag, den erinnere ich Joseph Haydn, der in einem Brief aus London sich beklagte, wie gefährlich nahe der Schüler (Pleyel) dem Meister (Haydn) schon gekommen sei.
    Haydn antwortete auf die "Attacke" mit einem Feuerwerk von Einfällen - die er vielleicht nie gehabt hätte - wäre hier nicht ein gewisser Konkurrenzdruck gewesen.......


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Is schon ne Weile her, aber war's anstelle des Amadeus- nicht das Mozart-Piano-Quartett?


    Doppelpunkt:



    :jubel: :jubel: :jubel:


    Wurde jedenfalls am 25.05.2007 veröffentlicht, was zu Deinem Post vom 31.05.2007 passt.


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Also mal grundsätzlich: Es ist Alfred's Forum, also kann er so viele Threads über einen Komponisten eröffnen, wie er möchte! (Hier werden über viel bekanntere Namen weitaus weniger spektakuläre Bemerkungen gemacht.)


    Ich kenne bisher wenig von Ries, aber was ich gehört habe, z.B. die Hornsonate, fand ich überzeugend, vor allem wenn man sie direkt im Vergleich mit Beethovens Hornsonate hört. (Es gab mal eine CD von Claude Maury und Guy Penson auf Ricercar, da konnte man das tun, eine Danzi-Hornsonate war auch dabei.)


    Erstklassig fand ich sein Klavierquintett, das man auf dieser CD ausgezeichnet und preiswert geniessen kann:



    Die Box mit den Sinfonien kommt auf meine Anschaffungsliste! Ich finde es sehr erfrischend, Beethovens Zeitgenossen zu hören, und habe nicht immer Vergleiche im Kopf ...

  • Ries' Hornsonate höre ich gerade - ein ausgezeichnetes Stück, das Beethovens leicht das Wasser reichen kann!


    Es gibt gute Aufnahmen mit Naturhorn und Fortepiano:




    Von der Aufnahme mit Claude Maury und Guy Penson kann ich leider kein Bild finden ... die beiden spielen fantastisch: der dritte Satz kommt heiter-verspielt daher, mit einem volksliedartigen Thema à la "wir versaufen der Oma Ihr klein Häuschen", bis dann plötzlich eine gewaschene fugierte Passage kommt. Klasse!

  • Die Sinfonien gibt es bei jpc nun endlich einzeln für 7,99 pro CD!



    Mit welcher CD sollte man beginnen?
    (Die Hörbeispiele sind leider größtenteils extrem kurz...)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo JR,


    ich hatte beim damaligen Hören die Sonfonien Nrn. 4 und 6 als Favoriten erkoren.


    Welch Zufall: Sie sind beide auf einer CD enthalten... ;)


    Begründung folgt, wenn ich die CD einmal wieder gehört habe.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Johannes,


    ich habe, ganz intuitiv, als erstes zur Siebten Sinfonie gegriffen, das ist seine letzte (nicht die achte) und, wie ich finde, seine beste, vielleicht sogar "der meiste Ries" in den Sinfonien. Ries schrieb sie 1835, 12 Jahre nach der Sechsten und der Achten, also mit 51 Jahren und zwei Jahre vor seinem Ableben. Es steckt seine lebenslange Kompositionspraxis darin, und ich habe das Gefühl, dass man es hört. Ich finde, der Beginn mit der Siebten war für mich der richtige.


    Aber, ganz ehrlich: Ich bin von jeder dieser Sinfonien wieder von Neuem überrascht worden, und zwar positiv. Schon die Erste ist absolut hörenswert. Letztlich und unterm Strich kannst Du eigentlich überall einsteigen :pfeif: :D .


    Liebe Grüße, Ulrich

  • Hallo JR,


    ich denke, Ulrichs Fazit kann man sich bedenkenlos anschließen. Ich empfinde ebenfalls alee Aufnahmen als hörenswert.


    Trotzdem lege ich weiterhin die Sinfonien Nr. 4 und 6 ans Herz. Bei der 4. hört man einige Anleihen an Beethoven, aber den (imo geglückten) Versuch,eine eigene Tonsprache zu entwickeln. In einer zeitgenössischen Kritik heißt es, das Werk "verräth den Meister im Schüler und im Schüler den Meister".


    Die 6. kann man als Abgrenzung von Beethoven verstehen, denn die Satzreihenfolge lautet 1. Larghetto con moto - Allegro, 2. Menuetto. Moderato, 3. Larghetto con moto und 4. Finale. Allegro con brio.
    Zum Finale schreibt Ries: "Ich habe... zum Finale Türkische Musik gesetzt, deren Effekt ganz außerordentlich ist."

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo JR,


    Ich hatte ja schon weiter oben meine Favoriten unter den Ries-Sinfonien genannt. Um das noch etwas enger zu fassen: Besonders gern mag ich die drei Moll-Sinfonien (Nrn. 2., 5. und 7.) sowie die unveröffentlichte Es-Dur-Sinfonie (Nr. 8 ).


    Alle vier wären IMO als Einstigessinfonien geeignet. Die c-moll-Sinfonie (Nr. 2) ist vielleicht insofern interessant, weil sie einerseits wohl am deutlichsten Ries‘ Nähe zu Beethoven offenbart (sie wird ja auch häufig als Beleg für sein »Epigonentum« ins Feld geführt), andererseits aber zugleich seine explizite Distanz zum »Titanischen« sichtbar resp. hörbar wird. Sie zeigt IMO sehr schön, wie trittsicher und souverän Ries sich in dem durch Beethovens Symphonik abgesteckten Feld zu bewegen und dabei doch einen eigenen Ton zu finden weiß.


    Wenn man sich hier die Liste der Empfehlungen so anschaut, scheint sich aber die a-moll-Sinfonie (Nr. 7) als Einstiegsfavorit durchzusetzen. Eine Empfehlung die ich durchaus auch unterstützen kann.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Zitat

    Original von Norbert
    Die 6. ... Finale. Allegro con brio.
    Zum Finale schreibt Ries: "Ich habe... zum Finale Türkische Musik gesetzt, deren Effekt ganz außerordentlich ist."


    Das mit dem Effekt stimmt! Es ist, als habe Ries hellseherisch das internationale Treffen am bevorstehenden Mittwoch in Basel vorausgesehen und unseren türkischen Mitbürgern einen Beweis gelungener Integration von westeuropäischer und türkischer Musik an die Hand geben wollen, geeignet zum immerwährenden Abspielen im Public-viewing-Bereich anlässlich eines jeden Treffers mitten ins deutsche Tor. Eine rechte Janitscharen-/Mihterchanemusik.


    Von der zweiten Belagerung Wiens durch die Türken wird berichtet, welchen Schrecken allein die Musik der Mihterchane auslösen konnte: "In der belagerten Stadt war die lärmende kriegerische Musik deutlich zu hören und ihre in den Ohren der eingekreisten Wiener schrecklich mißtönenden Klänge trugen - wie verschiedene Chronisten zu berichten wissen - zur Krisenstimmung innerhalb der Stadt bei." (1) Wenn also die türkische Mannschaft oder ihre Anhänger diesen Effekt durch Abspielen des Finales aus der sechsten Sinfonie Ries' nutzen sollten, sieht es schlecht aus für die deutsche Mannschaft. Und es wäre vermutlich nicht mal ein Verstoß gegen irgendwelche Regeln. :baeh01: Das "Lärmende", "Kriegerische" kommt jedenfalls sehr schön heraus, die Beurteilung, ob dies durch "schrecklich misstönende Klänge" geschieht, mag ein jeder selbst für sich treffen und gegebenfalls an der Intensität seiner momentanen Krisenstimmung ablesen.


    Liebe Grüße, Ulrich


    (1) (Peter Gradenwitz, Musik zwischen Orient und Okzident, Wilhelmshaven 1977, S. 178, zitiert bei Memo G. Schachiner, Die osmanische Feldmusikkapelle und das Habsburgerreich, Oktober 2005, Abfragestand: 24.06.2008,
    hatetepe://musicalconfrontations.com/MC5/wlc/mcb/cul/mim/mfl/mtm/foc/NKF/XNKF/nkf1613410002.htm)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose