BWV 68: Also hat Gott die Welt geliebt
Kantate zum Pfingstmontag (Leipzig, 21. Mai 1725)
Lesungen:
Epistel: Apg. 10,42-48 (Schluss der Petrus-Predigt vor Cornelius; der Heilige Geist kommt auch auf die Heiden; Taufe der Heiden)
Evangelium: Joh. 3,16-21 (Also hat Gott die Welt geliebt)
Fünf Sätze, Aufführungsdauer: ca. 20 Minuten
Textdichter: Christiane Mariane von Ziegler (1695-1760)
Choral: Salomo Liscow (1675)
Besetzung:
Soli: Sopran, Bass; Coro: SATB; Oboe I + II, Oboe da caccia, Horn, Zink, Posaune I-III, Solo-Violine, Violoncello piccolo, Violino I/II, Viola, Continuo
1. Choral SATB, Oboe I + II, Oboe da caccia, Horn, Streicher, Continuo
Also hat Gott die Welt geliebt,
Dass er uns seinen Sohn gegeben.
Wer sich im Glauben ihm ergibt,
Der soll dort ewig bei ihm leben.
Wer glaubt, dass Jesus ihm geboren,
Der bleibet ewig unverloren,
Und ist kein Leid, das den betrübt,
Den Gott und auch sein Jesus liebt.
2. Aria + Ritornello Sopran, Violoncello piccolo, Oboe I, Solo-Violine, Continuo
Mein gläubiges Herze,
Frohlocke, sing’, scherze,
Dein Jesus ist da!
Weg Jammer, weg Klagen,
Ich will euch nur sagen:
Mein Jesus ist nah.
3. Recitativo Bass, Continuo
Ich bin mit Petro nicht vermessen,
Was mich getrost und freudig macht,
Dass mich mein Jesus nicht vergessen.
Er kam nicht nur, die Welt zu richten,
Nein, nein, er wollte Sünd’ und Schuld
Als Mittler zwischen Gott und Mensch vor diesmal schlichten.
4. Aria Bass, Oboe I + II, Oboe da caccia, Continuo
Du bist geboren mir zugute,
Das glaub’ ich, mir ist wohl zumute,
Weil du vor mich genung getan.
Das Rund der Erden mag gleich brechen,
Will mir der Satan widersprechen,
So bet’ ich dich, mein Heiland, an.
6. Chorus SATB, Oboe I + II, Oboe da caccia, Zink, Posaune I-III, Streicher, Continuo
Wer an ihn gläubet, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht gläubet, der ist schon gerichtet; denn er gläubet nicht an den Namen des eingebor’nen Sohnes Gottes.
Ich war etwas überrascht, als ich feststellen musste, dass die berühmte und vielfach vertonte Stelle aus dem Johannes-Evangelium "Also hat Gott die Welt geliebt" als Evangeliumstext dem heutigen Pfingstmontag zugeordnet ist. Irgendwie hatte ich diesen Text von seiner Aussage her immer mehr der Weihnachtszeit zugeordnet. Aber da ja thematisch sowieso alles zusammenhängt, passt die Aussage natürlich auch zu Pfingsten.
Der Text dieser Kantate aus dem Frühjahr 1725 ist, wie bei sämtlichen Bach-Kantaten der vorangegangenen Wochen dieses Jahrgangs, von der Leipziger Dichterin Mariane von Ziegler verfasst worden.
Am Tag zuvor (also am 20. Mai 1725) war die Kantate BWV 74 erstmals erklungen.
Bach hat diese Kantate später seinem Choralkantaten-Jahrgang zugeordnet, obwohl diese (genau wie die ebenfalls von Frau von Ziegler gedichtete Himmelfahrts-Kantate BWV 128) strenggenommen keine Choralkantate darstellt: Zwar beginnt sie mit einer umfangreichen und aufwendig gearbeiteten Choralbearbeitung, die folgenden Sätze beziehen sich jedoch weder wörtlich noch dichterisch auf weitere Strophen der im ersten Satz zitierten Choraldichtung von Salomo Liscow. Dabei wäre genau dieser ausschließliche Bezug auf einen Choral charakteristisch für eine Choralkantate.
Die erwähnte Choralbearbeitung im ersten Satz zitiert die eigentliche Choralmelodie typischerweise zeilenweise im Sopran (hier jedoch reichlich ausgeziert), während die anderen Stimmen, instrumentale wie vokale, diesen Cantus firmus unterbrechen, umspielen und variieren.
Die Arie Nr. 2 ist eine Umarbeitung der Arie Nr. 13 aus der Jagdkantate BWV 208 aus dem Jahr 1713: "Weil die wollenreichen Herden": Ein selten eingesetztes Violoncello piccolo konzertiert mit dem Solo-Sopran. Überdies enthält die Arie ein längeres Instrumentalritornell (entsprechend einer Vorlage aus der Jagdkantate), in dem nun neben dem Violoncello piccolo eine Solo-Violine und eine Oboe einen wirkungsvollen Auftritt haben - ein ganz wunderbares Stück!
Auch die Arie Nr. 4 stammt musikalisch aus der erwähnten Jagdkantate - ihr pastoraler Charakter (der durch den Einsatz gleich dreier Oboen betont wird) ist nach wie vor unverkennbar.
Interessanterweise hat Bach auch beim Parodieverfahren für die beiden Sätze dieser Kantate - genau wie in der Kantate des Vortages (also BWV 74) - offenbar keinerlei Textanpassungswünsche an die Textdichterin herangetragen. Ein Verfahren, dass er mit seinem Librettisten Picander ja gerne und erfolgreich praktiziert hat.
Im Gegenteil: Da Bach den ursprünglichen Text unverändert beibehält, muss er nun die musikalische Vorlage aus der Jagdkantate entsprechend abändern, damit Wort und Melodieverlauf zusammenpassen.
Damit wird das "Parodieverfahren" zur Abwechslung einmal anders herum praktiziert... :wacky:
Keine Ahnung, warum Bach über solche "technischen" Dinge nicht mit Madame von Ziegler gesprochen hat. Ebenso hat er ja selber immer wieder ihre Texte abgeändert, bzw. gekürzt, wo es ihm passend erschien. Mochten sich die beiden am Ende nicht und haben überhaupt nicht miteinander kommuniziert? Ich habe manchmal den Eindruck, dass dies durchaus so gewesen sein könnte...
Am Ende dieser Kantate folgt nun noch ein Bibelwort-Chor, in dem Bach in gewohnt mottetischer Form ein Zitat aus dem Evangelium des heutigen Feiertags (Johannes, Kapitel 3 Vers 18) musikalisch in Form einer Doppelfuge umsetzt.
Als zusätzlichen Effekt setzt Bach in diesem Satz noch einen dreistimmigen Posaunenchor plus einem Zink (als dessen Sopranstimme) ein und lässt diesen Satz schließlich wirkungsvoll im piano ausklingen, wie er extra in der Partitur vorgeschrieben hat (ausdrückliche Dynamikvorgaben Bachs sind sehr selten).