Wer weiß etwas über Heinz Kruse?

  • Eben habe ich mit wachsender Begeisterung die "Götterdämmerung" in der Aufführung der Niederländischen Oper Amsterdam zu Ende gesehen und gehört (auf DVD). Eine gigantische Aufführung mit ein paar bemerkenswerten Leistungen in Sachen Wagnergesang. Allen voran zu nennen Heinz Kruse als darstellerisch und stimmlich überragender Siegfried. (Und da heißt's, heute gäbe es für diese Rolle keine Stimmen mehr...!)
    Nun wollte ich mich eben schlau machen über diesen Sänger - fand aber im Internet bloß ein paar Aufnahmen (Zemlinsky, Weill, Schreker etc.), sonst aber keine Daten. Weiß jemand von Euch mehr über diesen Sänger?


    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin,
    ich habe drei Seiten über ihn im digitale Sängerlexikon.
    Die könnte ich Dir natürlich mit der Post zuschicken,
    wenn Du mir Deine Adresse per PN mitteilst.
    Hier schon soviel. Kruse ist 1940 geboren.Er hat lange
    Zeit als Buffo gesungen, und ich habe ihn vor ca.20
    Jahren als Florestan gehört.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Er wurde am 29.8.1940 in Schleswig geboren. Singt seit 1970 an der Hamburger Staatsoper (Kammersänger), daneben aber auch viele Gastspiele. Zuerst überwiegend Tenorpartien im Buffo-Fach (Monostatos in der Karajan-Zauberflöte :stumm: ), aber auch den Max in einer TV-Aufzeichnung 1978, seit ca. 1987 singt er das heldische Fach. 1996 auch Stolzing an der WSO, 2000 den Siegfried ebendort (unter Runnicles)....


    Hat auch eine singende Tochter (Svenja Kruse; Sopranistin)


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Edwin,


    ich habe ihn 1992 bei seinem "Siegfried"-Debut in Hamburg gesehen. Hier war er als zuverlässiger Ensemblesänger geschätzt und hat sich langsam vom Buffo ins schwere deutsche Fach emporgesungen. Sein "Siegfried"-Debut hat damals einigen überregionalen Wirbel im Blätterwald verursacht, er sang dann überall in Europa auch noch Tannhäuser und Tristan, bis er einen Schlaganfall erlitt (ich glaube im Jahre 2001) und seine Karriere beenden musste. Kurz vor dem Schlaganfall hat der NDR ein größeres Portrait über ihn gemacht, wo auch Probenausschnitte aus Amsterdam zu sehen waren (er hatte sich da auf der waghalsigen Konstruktion einen Fuß gebrochen).


    :hello:


    GiselherHH


    P.S.: Er singt auch noch in der Decca-Aufnahme von "Johnny spielt auf" und in der Albrecht-Aufnahme von Hindemiths "Mathis".

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo Freunde,


    in Tschaikowskijs "Pique Dame" unter Rostropowitsch singt er den Tschaplitskij und den Festordner.


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

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  • Herzlichen Dank für all die Info.


    Zitat

    Zitat Theophilus
    1996 auch Stolzing an der WSO, 2000 den Siegfried ebendort (unter Runnicles)....


    Das erklärt wohl, warum ich ihn nicht gehört habe... :stumm:




    Zitat

    Zitat Giselher
    P.S.: Er singt auch noch in der Decca-Aufnahme von "Johnny spielt auf" und in der Albrecht-Aufnahme von Hindemiths "Mathis".


    Habe mir die Aufnahmen eben stichprobenartig angehört (was man doch alles mit der Zeit auf Lager hat, ohne es bis in die Details zu registrieren) - "Jonny" ist akzeptabel gesungen (aber das ist unglücklich geschrieben, da klingt wohl jeder Tenor forciert) - im "Mathis" jedoch ist er so fabelhaft wie als Siegfried auf der Amsterdamer DVD.


    :hello:

    ...

  • "Hier war er als zuverlässiger Ensemblesänger geschätzt", schreibt GiselherHH. Micht stört an dieser Feststellung der leicht abwertende Beigeschmack des "als ... Ensemblesänger". Wahrscheinlich war es nicht abwertend gemeint. Dennoch:


    Das Hamburger Publikum hat Kruses Entwicklung vom Buffo zum Heldentenor mit regem Interesse und großer Zuneigung verfolgt. Angesichts seiner persönlichen Tragödie dürften die allermeisten regelmäßigen Besucher der Hamburgischen Staatsoper noch heute feuchte Augen bekommen, wenn Kruses Name fällt. Viele schöne Erinnerungen verdanke ich diesem Tenor, beispielsweise den besten Erik, den ich live gehört habe.


    Viel, sehr viel hätte er noch erreichen können. Furchtbar war dieser Schlaganfall.


    Fairerweise sei jedoch angemerkt, dass Kruses Stimme nicht wirklich groß war und damals oft die Frage diskutiert worden ist, ob Kruse als Heldentenor in großen Sälen auf Dauer wird bestehen können. Nun ja, diese Frage gehört der Vergangenheit an.


    In folgenden weiteren Opernaufnahmen hat er mitgewirkt: Undine (Lortzing) unter Eichhorn, Die Gezeichneten (Schreker) unter Zagrosek, Das kalte Herz (Schulze) unter Walter, Die drei Pintos (Weber, bearb.: Mahler) unter Bertini, Zar lässt sich photographieren (Weill) unter Kaiser, Der Traumgörge (Zemlinsky) unter Albrecht.


    Leider muss ich feststellen: Wirklich große Rollen sind von ihm auf CD leider nicht festgehalten. Um so mehr freut mich Edwins Begeisterung.


    Viele Grüße
    Thomas

  • Hallo Thomas,

    Zitat

    Fairerweise sei jedoch angemerkt, dass Kruses Stimme nicht wirklich groß war und damals oft die Frage diskutiert worden ist, ob Kruse als Heldentenor in großen Sälen auf Dauer wird bestehen können.


    Ich gebe jetzt einmal meinen Eindruck vom Amsterdamer "Ring" wieder: Bei diesem "Ring" ist das Orchester nicht nur nicht überdeckt, sondern auf halber Höhe platziert, also so klangstark als möglich. Der Bühnenbildner (George Tsypin) baut seine Bühne weitgehend kreisförmig um das Orchester herum, was den Sängern ermöglicht, fallweise vor dem Orchester zu stehen - aber nicht immer. Bei der Aufnahme handelt es sich um einen Live-Mitschnitt mit keineswegs nur sängerfreundlich aufgestellten Mikrophonen, Jeannine Altmeyer etwa hat als Brünnhilde allergrößte Mühe, über das Orchester drüberzukommen, hier wird nichts studiotechnisch beschönigt.


    Kruse hat vom ersten Moment an keinerlei Mühe, das Orchester zu übersingen, nicht einmal in den Schmelz- und den Schmiedeliedern. Er singt mit präziser Intonation unter genauester Beachtung der Rhythmik und mit extremer Wortdeutlichkeit. Die Stimme klingt metallisch mit leuchtender Höhe, in den Lyrismen sehr zart und innig. Die Waldvogel-Reminiszenz in seiner Erzählung in der "Götterdämmerung" habe ich noch nie so präzise und gleichsam schwerelos gleitend gehört.


    Kruse begeistert mich außerdem durch die Darstellung der Wandlung dieses Siegfried vom Haudrauf zum fühlenden Menschen, zur herumgeschobenen Schachfigur und dann wieder zum fühlenden Menschen unbedingt glaubhaft. Das ist keineswegs nur die hinreißende Regie (Pierre Audi), da steckt auch sehr viel Verständnis für diese Gestalt seitens des Sängers dahinter.


    Ewig schade also, daß nicht mehr Aufnahmen vorhanden sind, die Kruse in großen Rollen zeigen.


    :hello:

    ...

  • Hallo Thomas,


    es war in der Tat nicht abwertend gemeint, es sollte lediglich verdeutlichen, dass Kruse, ein auch privat sehr sympathischer und bescheidener Mann, im Ensemble keine besondere Starrolle spielte, sondern sich still und leise immer weiter entwickelt hat. Und der internationale Durchbruch kam ja auch erst mit dem Siegfried im Krämer-Ring (wo er auch noch den Loge gesungen hat). Er gehörte eben als "Haustenor" einfach fast zum Inventar der Staatsoper.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo,


    Heinz Kruse hörte ich an zwei mittelgrossen deutschen Buehnen : in Kiel als Tristan und in Braunschweig als Parisfal. Was an Positivem ueber ihn gesagt wurde, kann ich nur bestätigen. Natuerlich kann ich von einem Tristan in Kiel nicht darauf schliessen, wie er ihn in Hamburg gesungen hätte, aber in Kiel war Heinz Kruse grossartig, ich wurde sagen : der bestgesungene Tristan, den ich je hörte. Damit möchte ich Edwins Eindruck grosser musikalischer Präzision unterstreichen, aber auch, dass er per se kein begnadeter Darsteller war. Wer ihn als Spieltenor kannte, wird wahrscheinlich Schwieigkeiten haben, sich ihn als Helden vorzustellen.


    Mikko

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  • Gerd Albrecht hat für den NDR eine TV-Klassik-Reihe namens "Musikkontakte" für Kinder und Jugendliche gemacht. Da wurden unter andern auch in vier Sendungen der Ring vorgestellt (also besser: jeweils eine Szene daraus) in der damaligen Inszenierung der Hamburgischen Staatsoper. Kruse ist da auch dabei.
    Das nur als kleine "Rarität".


    Gruß
    Karsten

  • Hallo Karsten,


    diese Sendung habe ich auch gesehen. Albrecht erklärt lang und breit, derweil Kruse wie ein Schulbub daneben steht und artig wartet, bis er etwas vorsingen darf. Ein Star verhält sich anders, habe ich mir damals gedacht. Wohl ein Beleg für die oben genannte Bescheidenheit.


    @Giselher: Alles klar!


    :hello:


    Thomas

  • Moin,


    auch ich kenne Kruse als sehr, sehr soliden Tenor aus meiner Zeit in HH. Er war immer eine Bank und sehr angesehen beim Publikum. Allerdings habe ich ihn in HH auch fast nur als Buffo gehört.


    Seine Professionalität und sein Einsatz waren grossartig. In Schreckers Schatzgräber sang er eine Partie (muss mal raussuchen, was das war), bei der er ziemlich viel auf der Bühne "rumtoben" musste. Ich glaube dabei brach er sich mindestens einen Arm. In der nächsten Aufführung stand er auf der Bühne an der Seite eingegipst, sang seine Rolle grossartig, während der Spielleiter die Rolle stumm spielte. Ein wunderbarer Abend!


    Nach diesem Abend habe ich ihn dann erst wieder an der Deutschen Oper Berlin als Stolzing gehört. Das hat mich sehr positiv überrascht.

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

  • Ich habe diesen alten Thread wieder herausgesucht, um auf eine Fernsehsendung im Neuen Jahr hinzuweisen:


    13. Januar 2008 - 8.00h NDR Fernsehen


    Von Beruf Held - der Tenor Heinz Kruse


    Interessierte sollten sich diesen Termin schon mal vormerken!


    LG
    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)