Die Bachkantate (092): BWV165: O heilges Geist- und Wasserbad

  • BWV 165: O heilges Geist- und Wasserbad
    Kantate zum Trinitatisfest (wahrscheinlich Weimar, 16. Juni 1715)




    Lesungen:
    Epistel: Röm. 11,33-36 (Welch eine Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis Gottes)
    Evangelium: Joh. 3,1-15 (Gespräch Jesu mit dem Pharisäer Nikodemus)



    Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 15 Minuten


    Textdichter: Salomon Franck (1659-1725), aus dessen „Evangelischem Andachts-Opffer“ für 1715
    Choral: Ludwig Helmbold (1575)



    Besetzung:
    Soli: Sopran, Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB; Violino I/II, Viola, Continuo





    1. Aria Sopran, Streicher, Continuo
    O heil’ges Geist- und Wasserbad,
    Das Gottes Reich uns einverleibet
    Und uns ins Buch des Lebens schreibet!
    O Flut! die alle Missetat
    Durch ihre Wunderkraft ertränket
    Und uns das neue Leben schenket.
    O heil’ges Geist- und Wasserbad!


    2. Recitativo Bass, Continuo
    Die sündige Geburt verdammter Adamserben
    Gebieret Gottes Zorn,
    Den Tod und das Verderben.
    Denn was vom Fleisch geboren ist,
    Ist nichts als Fleisch, von Sünden angestecket,
    Vergiftet und beflecket.
    Wie selig ist ein Christ!
    Er wird im Geist- und Wasserbade
    Ein Kind der Seligkeit und Gnade.
    Er ziehet Christum an
    Und seiner Unschuld weiße Seide!
    Er wird mit Christi Blut, der Ehren Purpurkleide,
    Im Taufbad angetan.


    3. Aria Alt, Continuo
    Jesu, der aus großer Liebe
    In der Taufe mit verschriebe
    Leben, Heil und Seligkeit,
    Hilf, dass ich mich dessen freue
    Und den Gnadenbund erneue
    In der ganzen Lebenszeit.


    4. Recitativo Bass, Streicher, Continuo
    Ich habe ja, mein Seelenbräutigam,
    Da du mich neu geboren,
    Dir ewig treu zu sein geschworen!
    Hochheil’ges Gotteslamm;
    Doch hab’ ich, ach! den Taufbund oft gebrochen
    Und nicht erfüllt, was ich versprochen!
    Erbarme, Jesu, dich
    Aus Gnaden über mich!
    Vergib mir die begang’ne Sünde,
    Du weißt, mein Gott, wie schmerzlich ich empfinde
    Der alten Schlangen Stich!
    Das Sündengift verderbt mir Leib und Seele!
    Hilf! dass ich gläubig dich erwähle,
    Blutrotes Schlangenbild,
    Das an dem Kreuz erhöhet,
    Das alle Schmerzen stillt
    Und mich erquickt, wenn alle Kraft vergehet.


    5. Aria Tenor, Violino I/II, Continuo
    Jesu, meines Todes Tod,
    Lass’ in meinem Leben
    Und in meiner letzten Not
    Mir für Augen schweben,
    Dass du mein Heilschlänglein seist
    Vor das Gift der Sünde!
    Heile, Jesu, Seel’ und Geist,
    Dass ich Leben finde!


    6. Choral SATB, Streicher, Continuo
    Sein Wort, sein Tauf’, sein Nachtmahl
    Dient wider allen Unfall,
    Der Heil’ge Geist im Glauben
    Lehr’ uns darauf vertrauen.






    Der heutige Sonntag nach Pfingsten ist der Trinitatis-Sonntag, also das Fest der Dreifaltigkeit. Wie ich finde, ist das ganz praktisch gelegt, denn nachdem in der vergangenen Woche zu Pfingsten der Aussendung des Heiligen Geistes gedacht wurde, widmet sich der heutige Sonntag nun der Feier der Trinität Vater-Sohn-Heiliger Geist, die ja miteinander verbunden sind, oder wie es Paul Gerhardt in einem seiner Choräle (den Bach in seiner Kantate BWV 176 auch erklingen lässt) so trefflich formuliert:


    "Hoch über alle Götter,
    Gott Vater, Sohn und Heil'ger Geist,
    Der Frommen Schutz und Retter,
    Ein Wesen, drei Personen."


    Mit diesem Sonntag endet das erste Halbjahr des Kirchenjahres, in dem sämtliche hohen Kirchenfeste (Weihnachten, Ostern, Pfingsten) liegen.
    Ab der kommenden Woche werden die verbleibenden Sonntage des Kirchenjahres nur noch ganz simpel (und ein bisschen einfallslos) durchgezählt:
    "1. Sonntag nach Trinitatis", "2. Sonntag nach Trinitatis", usw.
    Das geht - je nachdem, wie früh im Jahr Ostern liegt, denn von diesem Termin hängen die nachfolgenden Feste ja alle ab - bis maximal zum "27. Sonntag nach Trinitatis", der Ende November liegt.
    Dieser letzte Sonntag im Kirchenjahr wird heute Totensonntag oder Ewigkeitssonntag genannt und danach geht es wieder mit dem 1. Advent von vorne los ;)
    In diesem Jahr 2007 werden wir es immerhin bis zum 25. Sonntag nach Trinitatis bringen und in 2008, wo Ostern wirklich rekordverdächtig früh liegt (23. März!), sogar bis zum seltenen "27. Sonntag nach Trinitatis", der auch zu Bachs Leipziger Zeit nur zweimal vorkam (siehe Kantate BWV 140!).


    Aber soweit sind wir ja noch längst nicht - jetzt geht es hier erst einmal um das heutige Trinitatisfest:


    Die erste Kantate, die uns aus Bachs Feder für diesen Sonntag erhalten ist, ist die hier im Thread besprochene und stammt aus seiner Weimarer Zeit. Sie wurde wohl zum 16. Juni 1715 dort zum ersten Mal aufgeführt und möglicherweise auch ein weiteres Mal zum Trinitatisfest 1724, dem ersten Trintatisfest, das Bach in Leipzig als (im Vorjahr neugewählter) Thomaskantor musikalisch zu gestalten hatte.


    Aber bezüglich sämtlicher Aufführungsdaten muss bei dieser Kantate spekuliert werden, da hier zu diesem Thema leider nichts mit Sicherheit feststeht.


    Textdichter dieser Kantate ist, wie bei vielen Weimarer Kantaten Bachs, der zur damaligen Zeit am Weimarer Hof tätige Dichter Salomon Franck.


    Die Instrumentalbesetzung dieser Kantate besteht "lediglich" aus einem Streichensemble und natürlich der obligatorischen Continuo-Gruppe.
    Anscheinend standen Bach zu diesem Termin keine Blasinstrumente (bzw. deren Spieler) zur Verfügung...
    Auch der Chor wird nur für den kurzen Schlusschoral benötigt, so dass man auch für diesen Satz durchaus auf die immerhin eh in allen vier Stimmlagen erforderlichen Solisten zurückgreifen könnte.
    Vielleicht löst der ein oder andere Interpret diese Besetzungsfrage tatsächlich in dieser Weise?


    Besonders gefällt mir in dieser Kantate die Arie Nr. 3 in ihrem unverwechselbaren 12/8-Takt-Rhythmus. Ich glaube, ich bin ein ausgesprochener Fan dieser Taktart :] :hello:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)