Die Bachkantate (094): BWV129: Gelobet sei der Herr, mein Gott

  • BWV 129: Gelobet sei der Herr, mein Gott
    Kantate zum Trinitatisfest (wahrscheinlich Leipzig, 16. Juni 1726)




    Lesungen:
    Epistel: Röm. 11,33-36 (Welch eine Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis Gottes)
    Evangelium: Joh. 3,1-15 (Gespräch Jesu mit dem Pharisäer Nikodemus)



    Fünf Sätze, Aufführungsdauer: ca. 24 Minuten


    Textdichter: Johann Olearius (1611-1684), Choraldichtung aus dem Jahr 1665



    Besetzung:
    Soli: Sopran, Alt, Bass; Coro: SATB; Traversflöte, Oboe I + II, Oboe d’amore, Trompete I-III, Pauken, Solo-Violine, Violino I/II, Viola, Continuo





    1. Chorus. Versus 1 SATB, Traversflöte, Oboe I + II, Trompete I-III, Pauken, Streicher, Continuo
    Gelobet sei der Herr,
    Mein Gott, mein Licht, mein Leben,
    Mein Schöpfer, der mir hat
    Mein’ Leib und Seel’ gegeben,
    Mein Vater, der mich schützt
    Von Mutterleibe an,
    Der alle Augenblick’
    Viel Gut’s an mir getan.


    2. Aria. Versus 2 Bass, Continuo
    Gelobet sei der Herr,
    Mein Gott, mein Heil, mein Leben,
    Des Vaters liebster Sohn,
    Der sich für mich gegeben,
    Der mich erlöset hat
    Mit seinem teuren Blut,
    Der mir im Glauben schenkt
    Sich selbst, das höchste Gut.


    3. Aria. Versus 3 Sopran, Traversflöte, Solo-Violine, Continuo
    Gelobet sei der Herr,
    Mein Gott, mein Trost, mein Leben,
    Des Vaters werter Geist,
    Den mir der Sohn gegeben,
    Der mir mein Herz erquickt,
    Der mir gibt neue Kraft,
    Der mir in aller Not
    Rat, Trost und Hülfe schafft.


    4. Aria. Versus 4 Alt, Oboe d’amore, Continuo
    Gelobet sei der Herr,
    Mein Gott, der ewig lebet,
    Den alles lobet, was
    In allen Lüften schwebet;
    Gelobet sei der Herr,
    Des Name heilig heißt,
    Gott Vater, Gott der Sohn
    Und Gott der Heil’ge Geist.


    5. Chorale. Versus 5 SATB, Traversflöte, Oboe I + II, Trompete I-III, Pauken, Streicher, Continuo
    Dem wir das Heilig itzt
    Mit Freuden lassen klingen
    Und mit der Engel Schar
    Das Heilig, Heilig singen,
    Den herzlich lobt und preist
    Die ganze Christenheit:
    Gelobet sei mein Gott
    In alle Ewigkeit!





    Im Rahmen seines ehrgeizigen Projekts, einen kompletten Kantatenjahrgang zu komponieren, in dem jede darin enthaltene Kantate einen bestimmten, zum jeweiligen Sonntags-/ Feiertagsevangelium passenden Choral sowohl textlich wie musikalisch zum Thema hat, konnte Bach bereits während der Komposition seines 2. Leipziger Jahrgangs (1724/25) die meisten dieser Kantaten in der von ihm angestrebten Form kreieren.


    Gerade gegen Ende des erwähnten Jahrgangs 1724/25 (diese Jahrgangseinteilung endet für Bach zu dessen Leipziger Zeit immer am heutigen Trinitatis-Sonntag, da er 1723 sein Amt offiziell am 1. Sonntag nach Trinitatis antrat) hatte er jedoch einige Kantaten vertont, die nicht den Formvorstellungen einer "richtigen" Choralkantate entsprachen.
    Um seinen Choralkantaten-Jahrgang zu vervollständigen, komponierte er in den Folgejahren gezielt die noch fehlenden Kantaten hinzu.


    Die hier besprochene Kantate ist eine solche, sie "ersetzt" die Trinitatis-Kantate BWV 176 des Jahrgangs 1724/25, die zwar einen schönen Schlusschoral von Paul Gerhardt besitzt, deren restliche Dichtung (und Musik) sich jedoch nicht an diesem orientiert und somit in keinem näheren Zusammenhang zu ihm steht (außer natürlich der Tatsache, dass das zu feiernde Trinitatisfest Choral wie Rest-Kantate verbindet).


    Wahrscheinlich entstand die Kantate BWV 129 zum 16. Juni 1726, es kann aber auch sein, dass der eigentliche Entstehungsanlass ein anderer als das Trinitatisfest war.


    Während sich die Texte der meisten der Choralkantaten Bachs an dem ihr zugrundeliegenden Choral lediglich orientieren und seinen eigentlichen Text bis auf wenige im Original vorgetragene Strophen frei nachdichten, gibt es wiederum einige wenige Choralkantaten, deren Text sich komplett aus den unveränderten Choralstrophen zusammensetzt (z. B. in BWV 112).
    Die hier besprochene Kantate zählt nun auch zu diesem "Typus" - der ihr zugrundeliegende Choral stammt von Johann Olearius aus dem Jahr 1665.


    Während die anderen uns erhaltenen Trinitatis-Kantaten Bachs (BWV 165 und BWV 176) sich bezüglich der Instrumentalbesetzung eher bescheiden geben, fährt Bach für diese Kantate hier mit dreifacher Trompetenbesetzung (plus die quasi obligatorisch dazugehörigen Pauken), sowie einem dreistimmigen Oboenensemble und einer Traversflöte eine wahrlich üppig-festliche Besetzung auf - dem Anlass der Feier der göttlichen Trinität durchaus angemessen, wie ich finde!


    Der Eingangschor ist wieder einmal eine typische Choralbearbeitung Bachs, in der die Sopranstimme die eigentliche Choralmelodie vorträgt und dabei immer wieder nach jeder Zeile vom restlichen Ensemble unterbrochen wird, das die Melodie des Chorals aufgreift und umspielt, variiert, verziert, usw.
    Ein äußerst wirkungsvolles Stück! :jubel:


    Es folgen drei Arien, wobei die erste (= Arie Nr. 2) sich wirkungsvoll gegensätzlich zum festlichen Pomp des Eingangschor präsentiert, indem die Solostimme des Basses hier lediglich von Continuo begleitet wird.


    Die Arie Nr. 3 ist besonders reizvoll, da der Solo-Sopran hier quasi mit der Traversflöte und der Solo-Violine konzertiert - diese drei hohen Stimmen passen sehr gut als Ensemble zusammen.


    Ebensogut gewählt ist die Kombination der Altstimme mit der Oboe d'amore in der Arie Nr. 4 - ein fröhlich-heiteres Stück im 6/8tel-Takt.


    Während am Ende der meisten Bach-Kantaten ein relativ schlichter, vierstimmiger Schlusschoral steht, lässt Bach diese Kantate mit einem wiederum sehr konzertanten, prächtig instrumentierten Chorsatz enden und setzt diesen als klanglich ebenbürtiges Gegenstück des Eingangschors ein.
    Erneut dürfen die Trompeten schmettern und die vom Chor gesungene Choralmelodie wirkungsvoll umspielen.


    Alfred Dürr vergleicht in seinem Kantatenführer diesen Schlusschoral nicht ohne Grund mit denen des Himmelfahrts-Oratoriums oder des Weihnachtsoratoriums ("Nun seid ihr wohl gerochen") - sehr treffend, wie ich finde! :jubel:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Hallo,


    die Aria No. 4, Alt-Arie, habe ich schon sehr of gesungen, sie hat einige kleine Koloraturen, die man aber leicht und beschwingt singen kann.


    Sie erinnert mich an eine Mezzo Arie aus der H-moll Messe, Laudamus te, die sich auch schwingend in die Höhe jubelt.


    Liebe Grüsse