Salü,
vielleicht geht es Euch auch so: Jahre lang hört man Bach, Händel, Beethoven, Mozart und die anderen großen Namen und plötzlich verschwinden sie von der Bild- oder vielmehr Hörfläche!? Man beschäftigt sich mit anderen interessanten Komponisten, bei mir waren dies Mozarts Zeitgenossen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich einiges dazulernen konnte und nun allmählich blühen die "großen" Komponisten wieder auf und sie erscheinen teils in ganz anderem Licht.
Meine diesbezüglichen Schwerpunkte sind in diesem Jahr Georg Friedrich Händel sowie Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven. "Schuld" an dieser persönlichen Renaissance sind weitestgehend HIP-Einspielungen der neueren Zeit, die mir eine Neuverkostung sehr schmackhaft gemacht haben, aber es sind durchaus auch Standardeinspielungen dabei:
Im "Fall Beethoven" kam ich zunächst durch diese Einspielung wieder auf den Geschmack:
Klavierquartette WoO 36 Nr. 1-3
Streichquartett in F [nach der Klaviersonate op. 14 Nr. 1]
Christoph Eschenbach
Amadeus Quartett
Die CD habe ich zufällig bei einem Bummel in Freiburg/Brg. mitgehen lassen und ich höre sie bis heute sehr, sehr gerne. Das machte Lust auf mehr und ich erwarb:
Streichquartett c-moll op. 18 Nr. 4
Streichquartett C-Dur op. 59 Nr. 3
Schuppanzigh-Quartett
auf Originalinstrumenten [leider z. Zt. vergriffen]
Die Streichquartette machten mich dermaßen an, dass ich mir noch folgende Platte zulegte:
Streichquartette Nr. 2 & 3
Quatuor Mosaiques
Die beiden anderen Platten werden sicher in Bälde folgen... Ein noch größerer Hammer war dann dieser Zufall:
Complete Violin Sonatas
Ryo Terakado, Violine von Carlo Ferdinando Landolfi, Milano 1772
Boyan Vodenitcharov, diverse Fortepiani*
* op. 24, opp. 12. Nr. 1 und 3: Christopher Clarke, 1986 nach Walter ~ 1793
* op. 12. Nr. 2, op. 23, 30 1-3, WoO 40, 41, 42: Rosenberger, Wien, ~1802
* op. 47, 96: Lagrassa, Wien, ~1806
Spätestens hier wurde mir klar, was mir bei Beethoven immer gefehlt hat... und jetzt der Mega-Hammer:
Klavierkonzerte Nos. 4 & 5
Arthur Schoonderwoerd
Ensemble Cristofori
Diese Platte macht immun gegen alles Übel der Welt... Ich bin eh z. Zt. etwas nah am Wasser gebaut und nach einem sehr gefühlsintensiven Wochenende ist meine Meinung zu dieser Einspielung nicht ganz unbeeinflusst von anderen Faktoren - ich habe das 4. Konzert heute Morgen wieder im Auto gehört und musste die Klimaanlage abstellen... die permanente Gänsehaut verschwand hingegen nicht.
Der "Fall Händel" löste bei mir ganz ähnliche Austicker aus. Es begann damit, dass mir Simone Kermes ihre damals neueste Produktion zukommen liess:
RODELINDA
in der Hauptrolle: Simone Kermes
Il Complesso Barocco
Alan Curtis
Das Ensemble spielte mir sehr mundgerecht, so dass ziemlich bald auch
FERNANDO
folgte. Meine Begeisterung gilt bei diesen beiden Platten neben Ensemble Il Complesso Barocco insbesondere Marijana Mijanovic und Lawrence Zazzo [neben Händel selbst versteht sich ]. Da wird sicherlich auch bald Floridante u.a. noch unaufhaltsam in meine Sammlung und meine Ohren wandern.
Zudem wollte es der Zufall offenbar so, dass ich in diesem Jahr Händels Oratorium La Resurrezione in einer szenischen Darbietung in Karlsruhe, sowie seine Oper Serse als sicherlich nicht zu überbietende Aufführung im Schloßtheater Drottningholm beiwohnte.
Auch Joseph Haydn ist in meinen Ohren wieder stark repräsentiert - nicht zuletzt durch die glanzvollen Interpretationen der Streichquartette durch das Quatuor festetics und Quatuor mosaiques. In meiner Sammlung finden sich trotz der teils wahnsinnigen Preise bereits die Quartette op. 9, 17, 20, 64/65 und 75-77 wieder. Ziemlich bald werden auch die "Sieben letzten Worte", die ich bis dato nur von den mosaiques kenne, folgen [ich verspreche mir dadurch allerdings keine "Verbesserung"].
Streichquartette Nr. 31-36 [op. 20 Nr. 1-6]
Quatuor festetics
Ich konnte sogar entgegen meiner Gewohnheit, Werke doppelt zu besitzen, nicht die Finger von der grandiosen 4-CD-Box des Ensemble The Lindsays lassen:
Streichquartette Nr. 32, 34, 35, 40, 43, 44, 47, 63, 70, 76, 77, 79
The Lindsays
Besonders sind hier die Schlußfuge aus op. 20 Nr. 5 f-moll sowie der langsame Satz aus op. 76 Nr. 5 zu empfehlen. Das ist für mich kaum zu toppen - allein dafür lohnt sich bereits der Einkauf!
Auch die Sinfonien Haydns werden allmnählich aufgestockt: Zunächst dachte ich an den Erwerb einer Complete-Edition z.B. von Antal Dorati [aus Gewohnheit]. Mittlerweile habe ich beschlossen, doch Interpretationen verschiedener Ensembles zu erwerben - darunter jüngst solche mit der Petite Bande oder dem Orchestra of the Age of Enlightenment [Kujiken].
* * *
So bin ich mehr als froh, diese drei Komponisten für mich "wiederentdeckt" zu haben. Bei Händel ist für mich mehr Neues dabei, als bei Beethoven und Haydn, grundsätzlich fand ich wohl die unpassenden Interpretationen, der ich damals habhaft werden konnte, nicht so prickelnd.
Daher ein großes Danke an die Produzenten der oben gezeigten Einspielungen: Mehr davon bitte!!
Wie stellen sich nun die persönlichen Glücksmomente der Taminos beim "Wiederentdecken" großer Komponisten dar? Es darf alles genannt werden, was im Allgemeinen als "großer Komponist" anerkannt zu sein scheint [ein paar epochal beschränkte Beispiele gab ich bereits]. Das Genre ist nicht begrenzt...
An die Tasten, fertig, LOS!!
Herzliche Grüße
Ulli