Cheryl Studer - Vergangen und vergessen?



  • Als ich so um 1992 in die Welt der klassischen Musik eintauchte, kam man an Frau Studer nicht vorbei. Sie dominierte quasi das gesamte Sopranfach bei der DGG. (Diese Rolle schien nach Ihr dann Karita Mattila einzunehmen, ohne das jetzt werten zu wollen.) Kaum eine wesentliche Neuveröffentlichung unter den damaligen DGG-Kapellmeistern Abbado, Levine und Sinopoli kam ohne sie aus.
    Vor allem Verdi, Wagner und Strauss, aber auch Mozart, Brahms, Beethoven, Mahler und Bach. Hier in Berlin war sie auch quasi Stammgast, von Verdis Requiem über Mahlers zweite und Achte Sinfonie bis hin zur Silvestergala: überall Studer.
    Wenn man die regelmäßigen Auftritte an den internationalen Spitzenopernhäusern als Messlatte legt, erfolgte der ganz große Durchbruch gegen Ende der Achziger Jahre. Aber schon gegen Ende der neunziger Jahre wurde es still um sie. In Berlin hörte man sie nicht mehr singen, auch keine Neuveröffentlichungen bei der DGG mehr. An der Münchner Staatsoper gab es wohl einigen Aufruhr um sie, dessen Inhalt mir aber verborgen blieb. Das "Lexikon der Interpreten klassischer Musik im 20. Jahrhundert" von Alain Pâris bemerkt über die 1955 geborene: "Sie gilt als eine der besten lyrischen Sopranistinnen ihrer Generation".


    Auffällig nun, dass der Name z.B. in CD-Empfehlungen, Kritiken und auch Foren heutzutage kaum auftaucht. Ist Sie nur das kurzlebige Produkt guten Marketings und Dirigentengunst gewesen ?
    Ich habe Ihr Timbre als sehr charakteristisch in Erinnerung. Hörte sie auch damals z.B. als Elsa oder live im Verdi-Requiem gerne - wobei ich damals auch kaum andere Sängerinnen kannte aus den beschriebenen Gründen. :D
    Mittlerweile spielt Sie in meinem aktuellen Vokalmusikprogramm keine Rolle mehr. Eine späte Aufnahme als Violetta in Verdis Traviata (Levine, Pavarotti) steckte ich schnell mal wieder in die CD-Hülle. Spätestens da war die Stimme schon arg strapaziert und der Rolle nicht mehr gewachsen.


    Stellungnahmen ? Überschätzt oder einfach unbedacht verschlissen in den unbarmherzigen Mühlen des "Klassikbetriebs", wie das so vielen jungen Talenten leider passiert. ?


    Gruß
    Anti

  • Hi,


    nein, ein kurzlebiges Produkt guten Marketings war sie wohl nicht. Ihren Durchbruch feierte sie 1985, wo sie als Elisabeth in Beyreuth einen sensationellen Erfolg hatte. Danach folgte fast ein ganzes Jahrzehnt einer Weltkarriere (die du ja mitbekommen hast!). Wenn ich mich recht erinnere, hatte sie dann nach einer Kinderpause Probleme, an ihre früheren Leistungen und Erfolge nahtlos anzuschließen.


    Immerhin hat sie eigentlich ihr ganzes Repertoire eingespielt und ist auf zumindest drei empfehlenswerten Videos zu sehen. Außerdem ist sie jetzt in einem Alter, wo einige Rollen langsam aufgegeben werden müssen und dafür ein neues Fach hinzukommt. Sie singt schon die Marschallin, vielleicht wird es die einmal auf einer neuen Aufnahme geben...


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo,


    ein reines Marketing-Produkt war Cheryl Studer gewiß nicht. Jürgen Kesting hat sie in ihrer stupenden Vielseitigkeit (u.a. Lucia di Lammermoor, Semiramide, Aida, Salome, Eisabeth, Eva, Donna Anna) einmal eine veritable Nachfolgerin der legendären Lilli Lehmann genannt, gleichzeitig aber eine gewisse Gleichförmigkeit des Vortrages kritisiert (darin dem karrieremäßig viel langlebigeren Placido Domingo nicht unähnlich).


    Ihre Vielseitigkeit ist ihr aber m.E. auch zum Verhängnis geworden. Sie war eben die "Allzweckwaffe" der Deutschen Grammophon und Anfang der 90er Jahre wurden fast alle 2 bis 3 Monate neue Gesamtaufnahmen mit ihr auf den Markt geworfen. Trotz ihrer meist recht guten Leistungen waren es eben insgesamt oft künstlerisch überflüssige Einspielungen, die vor dem Hintergrund eines quantitativ wie qualitativ gut gefüllten Back-Kataloges verblaßten.


    Dazu kamen dann noch die Stimmprobleme und der Ärger in München Mitte der 90er. Die DG löste den Vertrag und nachdem C.S. in einigen Aufführungen ihre früheren Leistungen nicht mehr wiederholen konnte, wurde sie an den großen Bühnen kaum noch engagiert. An den Postings, die der berühmt-berüchtigte Studer-Fan, der schon so manches Forum mit seinem Fanatismus terrorisierte und noch terrorisiert, in englischsprachigen Newsgroups hinterläßt, sieht man, daß sie heute eher in der Provinz "tingelt". Vielleicht gibt es ja nochmal ein kleines Comeback.


    Grüße


    GiselherHH


    P.S.:


    m.E. lohnende Aufnahmen mit ihr: Tannhäuser (Sinopoli), Salome (Sinopoli), Lustige Witwe (Gardiner) und mit Einschränkungen Meistersinger (Sawallisch).

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hi!
    Ja schade, dass sie so einen Abgang hatte, dabei hatte ich 2000 wirklich große Hoffnung, sie kommt wierder. Ich war in einer fantastischen Rosenkavalier Aufführung unter Dietfried Bernet(leider auch sehr unterschätzt ..letztes Beispiel der fabelhafte FRoSch in Innsbruck) eine "urwienerische" Marschallin ..dazu Raimondi und Koch und der sehr bemühte Missenhardt als Ochs. Daneben gab es dann die Münchner Pleite(Seiffert entdeckte gerade seine Petra Maria)...da waren die Verträge aber schon längst abgeschlossen.
    Zufällig kam mir gerade wieder die Wiener Trovatore Premiere von 1993 in die Hände. Wirklich furchtbar es wurde einem kalt dabei(so hieß übrigensd damals der Manrico).
    Vielleicht hat sie damals zuviel gesungen und auch die Grenzen dabei überschritten(Salome, Elena..) ähnlich wie bei Frau Coelho...
    abewr sie hat uns natürlich viele schöne Momente hinterlassen.
    Wenn Du aber von der Lobby geschnitten wirst hast Du keine Chance mehr...nur die CD Lobby dürfte selbst am Ende sein.
    Alles hofft auf Pin-Up Covers mit Gheorghiu, Netrebko,Kozena...usw.
    Für die hätte ich einen heißen Tip ..Krasteva ein "Prachtweib"
    manrico

  • Zum ersten Mal wurde ich auf Cheryl Studer aufmerksam, als ich 1990 im Radio die Bayreuther Aufnahme des Lohengrins hörte.


    Welch lupenreiner Sopran, welch makelloses Deutsch, welch Unschuld im Vortrag!


    Ihretwegen kaufte ich mir später die Aufnahme, die sonst kaum aus dem Mittelmaß herausragt (Paul Frey als Lohengrin, Ekkehard Wlaschiha als Telramund, Gabriele Schnaut als Ortrud und Eike Wilm Schulte als Heerrufer).


    In der noch erhältlichen Aufnahme



    kann sie ihre Glanzleistung aus Bayreuth nicht mehr ganz stimmlich wiederholen, ragt aber dennoch deutlich aus dem Stimmensemble hervor (was angesichts des Schmalspur Lohengrins, Siegfried Jerusalem, auch keine große Kunst ist ;) ).

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Zitat

    Original von Antracis
    Auffällig nun, dass der Name z.B. in CD-Empfehlungen, Kritiken und auch Foren heutzutage kaum auftaucht.


    Na, das halte ich aber für ein Gerücht sondersgleichen, zumindest in Bezug auf die Nennung in (inter)nationalen Klassik-Foren.


    Auch wenn mir persönlich die Stimme bzw. der stimmliche Ausdruck der Studer nicht gerade zusagt, hat sie es bei den bisherigen Leistungen bestimmt nicht verdient, von Kritik und Konzertgeschehen gemieden zu werden.


    Vor allem jedoch hat sie es nicht verdient, durch den "Einsatz" eines wohl geistesgestörten Fans inzwischen in den gesamten Foren als persona non grata gehandelt zu werden.
    Dieser Fan spamt penetrant durch alle Verzeichnisse jedwede Information über Auftritte, Kritiken, Radio-/TV-Ausstrahlungen etc., so dass hier zwischenzeitlich eine Kommission tätig wurde, diesen bekloppten Spammer habhaft zu werden.


    Unzählige Forenteilnehmer weltweit haben zwischenzeitlich sowohl den Namen (in jeder denkbaren Schreibweise) als auch das sog. Crossposting in ihren Newsreadern geblockt, so dass es nicht verwunderlich ist, hier "weniger" von ihr zu lesen.


    Eine google-Foren-Anfrage ergibt zur Zeit weit über 8000 Einträge !
    Siehe u.a. hier für weitere Infos und Stellungnahmen der Forums-Teilnehmer.

    Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann das Recht, den Menschen zu sagen, was sie nicht hören wollen. [frei nach George Orwell]

  • Hallo!


    Zitat

    Original von Norbert
    In der noch erhältlichen Aufnahme

    kann sie ihre Glanzleistung aus Bayreuth nicht mehr ganz stimmlich wiederholen, ragt aber dennoch deutlich aus dem Stimmensemble hervor (was angesichts des Schmalspur Lohengrins, Siegfried Jerusalem, auch keine große Kunst ist ;) ).


    Das ist mir völlig unbegreiflich! Ich hab schon öfters gehört, daß über diese Aufnahme etwas abfällig geredet wurde. Ich finde, sie ist eine Offenbarung! Jeder einzelne Solist ist hervorragend, es gibt daran einfach überhaupt nichts auszusetzen! :-)


    Was konkret gefällt dir an Jerusalems Gesang nicht???


    Ciao,
    Benjamin Bihler

  • Seine Stimme. ;)


    Jerusalem verfügt imo weder über eine attraktive Höhe noch über die notwendige Strahlkraft, um als Gralsritter einigermaßen glaubhaft zu erscheinen.
    Seine Aussprache ist in Ordnung, Jerusalem singt textverständlich, aber in der Höhe ist wenig Stimme zu hören, und zu oft wirkt sein Vortrag stimmlich brüchig, wenn's Richtung Durchsetzungsvermögen oder "Heldentum" geht. Seiner Stimme fehlt schlichtweg der Glanz und der "heldische Kern".


    Nicht nur, aber insbesondere Peter Seiffert gefällt mir da um Klassen besser.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Original von Norbert
    Jerusalem verfügt imo weder über eine attraktive Höhe noch über die notwendige Strahlkraft, um als Gralsritter einigermaßen glaubhaft zu erscheinen.


    Kann ich nicht nachvollziehen, aber sei's drum!


    Zitat

    Original von Norbert
    Nicht nur, aber insbesondere Peter Seiffert gefällt mir da um Klassen besser.


    Hmmmm, grad den hab ich natürlich noch nicht als Lohengrin gehört. Also will ich nicht zu laut Einspruch erheben.


    Die zweite Aufnahme, die ich hab, ist mit Placido Domingo und Jessye Norman in den Hauptrollen. Und der Jerusalem macht IMHO seine Sache um Welten besser als der Domingo (obwohl ich letzteren als Tannhäuser umwerfend finde).


    Ach ja, hier wären wir wieder beim Thema: in der Aufnahme mit Placido Domingo als Tannhäuser singt Cheryl Studer die Elisabeth. Und kurz gesagt: sie singt sehr schön! ;-)


    Vieles ist halt doch Geschmackssache...!


    Ciao,
    Ben Bihler

  • Ja, ich denke auch, nach der lustigen Witwe war Schluss, jetzt macht sie sich einen gemütlichen Vorruhestand in Würzburg und verdient noch ein paar Cent als Professorin für Gesang.
    Es gibt sie also noch, nur nicht mehr so richtig aktiv.


    Gruß, Flo

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

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  • In Bayreuth lernte ich die sympathische Sängerin 1986 anläßlich ihres von Sinopoli geleiteten Tannhäuser-Engagements als Elisabeth kennen und ich war sofort fasziniert von ihrer schlanken,reinen Stmme,ihrer makellosen Textdeklamation und ihrer Ausstrahlung auf der Bühne.
    Später wurde sie öfters von schlechten Beratern in falsche Rollen gedrängt,was ihrem Ruf nicht gut tat.Schade dafür!
    Aber vergangen und vergessen? Nichts von beidem!!

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Nicht vergessen werden sollte ihre Darstellung der Eva in "Die Meistersinger von Nürnberg".



    Sie ist zwar kein unschuldiges, naives Mädchen wie etwa Helen Donath, sondern eher selbstbewußte junge Dame, die weiß, wen sie will und wen nicht ;) , aber ihr Rollenporträt gerät trotzdem sehr stimmig, eben weil die Stimme der Rolle angemessen war.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hi,


    Eva ist gewiss kein unschuldiges, naives Mädchen, sondern erprobt geschickt alle ihr gebotenen Möglichkeiten, um aus der von ihrem Vater eingebrockten Zwickmühle herauszukommen.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich besitze die Tannhäuser-Aufnahme mit Domingo.Umwerfend finde ich dabei nur,daß der Vielgerühmte seine Deutsch-Vokabeln immer noch nicht gelernt hat.
    Und die schöne lyrische Solostelle des Walther von der Vogelweide hat man einfach gestrichen.Das ist eine Vergewaltigung des Werkes und nimmt dem Sängerwettstreit ein wesentliches Element,worauf die gesamte dramatische Steigerung im 2.Akt beruht.
    Zur Verdeutlichung hier der Text:
    "Der Bronnen,den uns Wolfram nannte,ihn schaut auch meines Geistes Licht,
    doch der in Durst für ihn entbrannte,du Heinrich kennst ihn wahrlich nicht.
    Laß dir denn sagen,laß dich lehren: der Bronnen ist die Tugend wahr!
    Du sollst in Inbrunst ihn verehren und opfern seinem holden Klar.
    Legst du an seinen Quell die Lippen ,
    zu kühlen frevle Leidenschaft,
    ja,wolltest du am Rand nur nippen,
    wich ewig ihm die Wunderkraft!
    Willst du Erquickung aus dem Bronnen haben,
    Mußt du dein Herz-nicht deinen Gaumen laben."

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo Siegfried,


    ich müsste mich schwer täuschen, aber es ist kein "einfacher Strich" dieser Stelle, sondern beruht auf der Fassung - wenn ich mich nicht völlig irre, hat Wagner selbst diese Stelle in der Pariser Fassung, die Sinopoli eingespielt hat, gestrichen, um den zweiten Akt zu straffen.


    Da wir heute - etwa in der Barenboim-Aufnahme, die ich recht gut finde - oft Mischfassungen präsentiert bekommen, ist es nicht immer einfach, den Überblick zu behalten. In Sinopolis Aufnahme der reinen Pariser Fassung ist der Strich jedenfalls "von ganz oben" vorgenommen und keine Idee des Dirigenten oder des Produzenten.


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

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  • Ich habe sie in der Elektra-Premiere (Chrysothemis) von 1989 in Wien zum ersten Mal gehört. Toll!

  • Hallo,


    der sog. Studer-Fan hat in diversen Internet-Foren zumindest erreicht, daß sich sogleich bei der Nennung dieses Namens je nach Temperament Ablehnung oder Gleichgültigkeit einstellt (vielleicht wollte er genau dies erreichen, ist also eher ein Studer-Hasser?). Ich denke, beides hat Cheryl Studer nicht verdient. Man sollte sie aus einer gewissen Rückschau als eine seriöse Künstlerin betrachten, an der sich jedoch die Mechanismen des Marktes mit seiner Ex und hopp-Mentalität gut ablesen läßt. Ich bin weit davon entfernt, die Studer verteidigen zu wollen. Schließlich gehören zum Verheizt-Werden zwei Parteien : jemand, der verheizt, und jemand, der sich verheizen läßt.


    Ich hörte Cheryl Studer erstmalig bei ihrer Bayreuther Tannhäuser-Elisabeth unter Sinopoli und war begeistert von der schlackenfreien Jugendlichkeit ihres Gesanges. Obwohl ich dachte, daß die Elsa ihr ebenso liegen müßte, überzeugte sie mich weniger. Aber kurze Zeit später war ich sehr angetan, mit welcher Leichtigkeit Studer bei ihrer Salzburger Idomeneo-Elettra die Schwierigkeiten dieser Partie meisterte. Die Höhenlage schien mir ihre Stärke zu sein, die sie in der relativ tief liegenden Sieglinde nicht so zur Geltung bringen konnte. Dies waren alles Live-Erlebnisse, die die Studer im Fach des jugendlich-dramatischen Soprans als eine gute bis sehr gute Sängerin auswiesen.


    Eine Stimme ist jedoch nicht für alles geeignet, und hier hätte die Studer bzw. ihr Management (oder ihr Mann) besser die Grenzen einschätzen sollen. Eine Vespri-Elena (weniger) oder eine Trovatore-Leonora (mehr) konnte sie vielleicht bewältigen, aber sie war es vom Timbre her nicht. Die Elena zur Scala-Eröffnung zu singen, zeugte von Mut, aber auch von Selbstüberschätzung.


    Ich hoffe, daß dieselben Marktmechanismen, die der Studer letztendlich zum Verhängnis wurden, bei der Netrebko nicht greifen werden (obwohl beide exklusiv bei derselben Firma waren bzw. sind). Hier habe ich zumindest zur Zeit das Gefühl, daß Künstlerin und Management sich durchaus der Möglichkeiten und Grenzen dieser Stimme bewußt sind.


    Von den Höhen ehemaligen Ruhms nun zu einem der gelegentlichen Auftritte (mit dem Nürnberger Opernhaus Sieglinde in Peking!) - dies war bei Cheryl Studer leider nur ein kurzer Weg.


    Sune

  • Ich glaube weniger, dass die Studer Opfer der Vermarktung geworden ist als der wohl widerlichsten Intrige, die es in der Opernwelt gegeben hat. Ob Mehta mit seiner "Freischütz"-Sänger-Manipulation den ersten Stein warf, weiss ich nicht. Jedenfalls hat man bei ihr nicht eine Sekunde auch gewisse hormonelle Probleme bedacht, die weibliche Sängerinnen eben zuweilen befallen und die sie stets durch ihre hohe Musikalität kompensieren konnte, wenn man sie dann ließ. Welche Rücksicht nimmt man nicht ständig auf Frau Gruberova (die ich nun wirklich nicht Grubsi nennen mag), die uns ohne jede Italianità beständig mit Partien außerhalb ihres Fachgebiets nervt. Schlimm, wenn sie den Kopf nach hinten wirft und dann statt einer Vollhöhe nur heiße Luft verströmt. Aber sie ist nun mal eine Säulenheilige, und Frau Studer leider nicht. Hoffentlich kann man Frau Studer bald wieder auf einer großen Bühne erleben; ich wäre dabei und würde jubeln.

  • Am 20. Juli 2009 sollte überraschenderweise von Cheryl Studer ein Abend mit Liedern von Richard Strauss und Operetten-Melodien in der Berliner Gedächtniskirche gegeben werden.
    Laut Tagesspiegel Berlin waren wohl nur 20 Karten verkauft worden und das Konzert fand nicht statt.


    Ich bedauere zutiefst, dass die Karriere von Cheryl Studer damals so schnell zu Ende gegangen ist.


    Die erste Bekanntschaft mit ihrer Stimme machte ich mit einer CD, die einen Livemitschnitt beeinhaltet, aufgenommen im Londoner Opernhaus 1988. Weitere Mitwirkende waren Domingo, Thomas Allen und Eva Randova. Ihre Stimme hat mich damals unglaublich begeistert. Das Cover habe ich leider nicht gefunden.

    Natürlich besitze ich noch einige andere Aufnahmen von ihr, z.B. auch den bereits genannten Tannhäuser und eine Traviata



    Da war schon deutlich zu merken, dass ihre Stimme geschädigt war.


    LG
    Jolanthe

  • Ich habe Cheryl Studer nur ein einziges Mal live erlebt, und zwar in Bayreuth, 1998 oder 1999 oder 2000 (ich hab's verdrängt, der Hügel wird mich wohl nicht wieder sehen)- da sang sie Senta und patzte in der Arie zweimal so grauselig, daß sich selbst das schon damals Sängerkummer gewöhnte Publikum sehr befremdet ansah.


    Es gibt einige ganz ordentliche Scala-DVDs mit ihr (Vespri, Attila) und ich kenne auch die von Jolanthe erwähnte CD (Domingo - Live from Covent Garden, eine EMI-Produktion) , aber begeistern konnte ich mich für sie eigentlich nie - für mich hatte ihre Stimme kein Gesicht, das nun gerade mich angeschaut hätte.


    Aber, um der Gerechtigkeit die Ehre zu geben: das haben andere auch nicht, die besser gefahren sind mit Fachüberschreitungen, Stress mit dem Management und dem ALTER, das manche eben früher packt als andere: Frau Studer hat mglw. einfach ein bißchen viel Pech gehabt. Wenn sie es schafft, das zu akzeptieren und aus ihrem reichen Erfahrungsschatz etwas an Studenten weiterzugeben, wäre aber immerhin nicht alles vergebens - aus Niederlagen, und sei es aus denen anderer, lernt man vielleicht besonders viel.


    Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon

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  • Also, was mich betrifft, ist Frau Studer weder vergangen noch vergessen, sondern hat in meinem musikalischen Universum einen festen Platz.


    Von daher an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch und alles Gute zum Geburtstag!


    Ich hatte das Glück, sie einmal in Saarbrücken zu erleben, wo ich sie nicht als Opernsängerin, sondern als einfühlsame Liedinterpretin erleben konnte. Ihre Bandbreite ist in der Tat staunenswert, was sie nicht alles in relativ kurzer Zeit gesungen und eingespielt hat, wobei sie in einem kürzlich geführten Interview überraschenderweise erzählt, dass sie viel öfter "nein" gesagt und Dinge abgelehnt hat, als dass sie Angebote angenommen hat:


    "Auch wenn man es mir bei all den vielen Auftritten und Platteneinspielungen nicht glaubt: Ich habe öfter Nein als Ja gesagt, was mir so mancher Dirigent übelgenommen hat und mich das dann auch spüren ließ. Aber man sollte ehrlich zu sich sein und wissen, was man leisten kann. Und mit dieser Entscheidung muss man eben leben."


    Offensichtlich ist sie als Dozentin immer noch viel gefragt und oft unterwegs. Im selben Interview gibt sie, unterhaltsam, zu Protokoll:


    "Rosenknipsen im Garten ist ja ganz schön, aber mir nicht genug. Nichts ist langweiliger als sich zu langweilen."


    Quelle:


    http://www.die-glocke.de/lokal…4c64-a08f-c3e66ae346a6-ds



    Langweilig ging es in ihrer Karriere jedenfalls nie zu; man lese nur in diesem Spiegel - Artikel nach, welche Höhen und Tiefen, Rückschläge, Einbrüche und Konflikte es da immer wieder gegeben hat. Der Autor resümiert:


    "Daß Opernhäuser jene Stars, mit denen sie ihre Besetzungslisten so gerne zieren, schon Jahre vor dem Auftritt engagieren müssen, ist eine Farce: Sie buchen blanko. Denn Stimmbänder sind bekanntlich keine Fließbänder, sie können schneller verschleißen, die Qualität ihrer Produktion schwankt. Auch dafür ist die Studer ein warnendes Beispiel."


    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8029104.html


    Unabhängig von der Tatsache, dass sie dem immensen Pensum, das sie absolviert hat, sicherlich Tribut zollen musste, ist sie eine Sängerin, die ich sehr schätze und die auf ihrem Zenit sehr hörenswerte Aufnahmen geschaffen hat.


    Ich möchte als Massenet - Fan auf diese Einspielung hinweisen, als pars pro toto für die vielen, wunderschönen Aufnahmen mit ihr:


  • Ich besitze eine ganze Reihe von Aufnahmen mit Cheryl Studer auf Platte, CD und DVD. Ich mag ihre Stimme sehr. In einer Gesamtaufnahme von 1991 der Oper ATTILA singt sie die schwierige Partie der Odabella. Da gibt es weder Verschleiß noch irgendwelche Schlacken in der Stimme. Auch von mir herzliche Glückwünsche zum Geburtstag!


    W.S.

  • Anlässlich der heutigen "Wiederhochholung" dieser Rubrik habe ich gerade die komplette Rubrik gelesen und musste bei einem Beitrag sehr lachen, nämlich dem, der Richard Wagner vorwarf, seine eigene Oper TANNHÄUSER "vergewaltigt" zu haben... :D


    Meine Meinung zu Frau Studer: Sicherlich war sie eine sehr gute Sängerin, aber eine Überfliegerin??? Zu einer wirklichen Lieblingssängerin von mir wurde sie nie. (Live hatte ich sie freilich in einer Opernpartie nie, nur in zwei Philharmoniker-Konzerten unter Abbado in Berlin)
    Wenn ich mich nicht irre, hat sie noch im letzten Jahr als Mutter in "Hänsel und Gretel" auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper gestanden. (Oder ist es doch schon zwei Jahre her?)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Hallo, Stimmenliebhaber!


    Wie ich schon schrieb, besitze ich auch einige Aufnahmen auf CD und in Vinyl. So höre ich sie beispielsweise mit der Arie der Puppe Olympia aus "Hoffmanns Erzählungen" sehr oft. Da gibt es nicht viel Bessere. Auch habe ich generell an ihrer Stimme (die Aufnahmen der letzten Jahre kenne ich nicht) nichts auszusetzen. Aber diese Diskussionen kenn wir doch alle. (Maria Callas, Mario delMonaco, Hans Hopf, Ernst Kozub usw.) "Dem Ehn sin Uhl ist dem Andern sin Nachtigall". :hello:



    Gruß Wolfgang

    W.S.

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  • Auch habe ich generell an ihrer Stimme (die Aufnahmen der letzten Jahre kenne ich nicht) nichts auszusetzen. Aber diese Diskussionen kenn wir doch alle. (Maria Callas, Mario delMonaco, Hans Hopf, Ernst Kozub usw.) "Dem Ehn sin Uhl ist dem Andern sin Nachtigall". :hello:

    Lieber Wolfgang,


    ich habe doch auch generell nichts auszusetzen und sie ist auch nicht mein "Uhl", auch wenn ich andere "Nachtigallen" habe. :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • So höre ich sie beispielsweise mit der Arie der Puppe Olympia aus "Hoffmanns Erzählungen" sehr oft.


    Wann hat Studer denn Olympia gesungen? Ich weiß nicht mal, ob sie jemals eine Antonia gesungen hat. Die Giulietta hat sie gesungen, da gibt es, glaube ich, auch eine Aufnahme davon.


    Frau Studer ist übrigens lange nicht so unttätig wie viele meinen. Sie steht immer noch auf Opernbühnen. So hat sie dieses Jahr an der Oper Hamburg erstmalig die Adelaide in Arabella gesungen und nächstes Jahr macht sie Dialog der Karmeliterinnen.
    In zwei YT-Videos sieht man sie bei einem Auftritt vom letzten Jahr.







    Sie sitzt in Gesangswettbewerben, gibt zudem Meisterkurse. So auch letzten Sommer in Wien.
    Und sie möchte sich mehr der Opern-Regie zuwenden.


    Gregor

  • Wenn Du, lieber Stimmenliebhaber, in Deinem Posting 23 diesen Text meinst, dann will ich darauf hinweisen, dass Siegfried in dem Beitrag "man" schreibt, was für mich bedeutet, dass er die Produzenten für diesen Strich verantwortlich gemacht hat. Die Erklärung im Beitrag 15 für diesen Strich war für mich neu - wenn sie denn stimmt, denn C. Huth ist wohl auch nicht ganz sicher:


    Hallo Siegfried,
    ich müsste mich schwer täuschen, aber es ist kein "einfacher Strich" dieser Stelle, sondern beruht auf der Fassung - wenn ich mich nicht völlig irre, hat Wagner selbst diese Stelle in der Pariser Fassung, die Sinopoli eingespielt hat, gestrichen, um den zweiten Akt zu straffen. (...)

    Aber "man" -jedweder - kann nicht alles wissen...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Hallo, Gregor!


    Ich hatte aus Versehen hier die falsche Aufnahme eingestellt. Die Arie der Puppe Olympia habe ich wohl nur in Vinyl.






    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Kehren wir zur Ausgangsfrage zurück. Cheryl Studer ist m. E. nicht vergangen und nicht vergessen. Dazu war ihre Karriere über mehr als ein Jahrzehnt viel zu spektakulär und die Aufnahmen, die sie hinterließ, zu wichtig und ihre Interpretationen zu bedeutend. Diese fabelhafte Sopranistin hat wahrscheinlich mit den großen Partien zu früh aufgehört. In einem Interview erklärte sie, dass sie Leistungen auf ihrem persönlichen Anspruchsniveau nicht mehr ständig garantieren könnte und deshalb wolle sie auf dem Gipfel ihres Könnens gewisse Partien nicht mehr singen. Eine Entscheidung, die man akzeptieren muss. Heute gibt sie als geschätzte Gesangspädagogin ihr Wissen und ihre Erfahrung an den Sängernachwuchs weiter.
    Es wäre sehr verdienstvoll, wenn unsere Diskussionen hier im Forum diese Sängerin wieder mehr ins Blickfeld rücken und den etwas despektierlichen Titel des Threads
    "Cheryl Studer - Vergangen und vergessen" ad ab surdum führen würde.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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