Tristan und Isolde, Staatsoper Hamburg, 24.6.2007

  • Gestern hatten wir einen unvergeßlichen Opernabend: Tristan und Isolde in folgender Besetzung:


    • Tristan: John Treleaven
    • Marke: Franz-Josef Selig
    • Isolde: Janice Baird (als Ersatz für die erkrankte Deborah Polaski)
    • Kurwenal: Wolfgang Koch
    • Melot: Peter Gallaird
    • Brangäne: Katja Pieweck
    • Ein Hirt: Jürgen Sacher
    • Ein Steuermann: Hee-Saup Yoon
    • Seemann: Benjamin Hulett
    • Musikalische Leitung: Simone Young


    Meine Erwartungen ware nicht allzu hoch, da ich die DVD mit Treleaven und Polaski besitze und diese nicht besonders schätze. Insbesondere Treleaven hat dort mit argen Intonationsschwierigkeiten zu kämpfen, fast kein Ton sitzt sondern muß angesungen werden.


    Zunächst muss das wundervolle Dirigat von Simone Young hervorgehoben werden. Ich gehe nicht sehr oft in die Oper - das Orchester war nicht wiederzuerkennen. Wunderbar langsam aber spannungsvoll das Vorspiel. Hier gelang es den großen Bogen zu spannen, den ich beim Vorspiel so wichtig finde. Die gesamten drei Akte hindurch war das Dirigat wirklich zwingend, wunderbar auch in den lyrischen Passagen, sehr klangschön mit viel Sinn auch für Nebenstimmen. Besonders gefiel mir, wie im dritten Akt die Dissonanzen herausgestellt wurden.


    Ja und was soll ich zu dem Gesang sagen? Es war wunderbar! Nach dem ersten Akt saß ich wie betäubt da:
    "Pause? Welche Pause?".


    Es gab keine gesanglichen Schwachpunkte. Die Isolde von Janice Baird, die zudem noch eine attraktive Bühnenerscheinung ist, war toll gesungen. Eine schön klingende Stimme, in den tieferen Lagen auch sehr schön aber dann nicht sehr durchdringend. In der Höhe sicher. Für mich eine Überraschung. John Treleaven als Tristan hat mich umgehauen. Von den Intonationsschwierigkeiten keine Spur. Alles sicher getroffen und wunderbar ausgesungen. Ich fand auch nicht, dass er sich im 2. Akt sonderlich geschont hätte. Der dritte Akt war fantastisch, ich bekam eine Gänsehaut nach der anderen. So muss es sein!


    Besonders hevorheben muss man noch die wunderschön und kraftvolle Brangäne von Katja Pieweck.


    Zu der Inszenierung möchte ich lieber nichts weiter sagen, was da an sinnbefreiten Aktionen (Liegestuhl-Ballet, Schreittanz im 2. Akt ...) geboten wurde entzieht sich meinem Verständnis. Diese Oper, wo sich fast alles im Inneren vollzieht, hat solchen ablenkenden Firlefanz nicht nötig. Ich habe einfach oft die Augen geschlossen und dieser wirklich tollen Darbietung gelauscht.


    Das Publikum war sehr begeistert. Die größten Ovationen bekam Simone Young. Ja, wir Hamburger haben sie ins Herz geschlossen.


    Ich bin noch ganz ergriffen.


    War noch jemand in dieser Aufführung?


    Liebe Grüße,
    calaf


    ps. Nur die Husterei war nervend. Können die Leute sich nicht etwas zusammennehmen?

    Without deviation from the norm, progress is not possible.
    (Frank Zappa)

  • Zitat

    Original von calaf


    Zu der Inszenierung möchte ich lieber nichts weiter sagen, was da an sinnbefreiten Aktionen (Liegestuhl-Ballet, Schreittanz im 2. Akt ...) geboten wurde entzieht sich meinem Verständnis. Diese Oper, wo sich fast alles im Inneren vollzieht, hat solchen ablenkenden Firlefanz nicht nötig. Ich habe einfach oft die Augen geschlossen und dieser wirklich tollen Darbietung gelauscht.


    Hallo Calaf,


    ging mir genauso!!!!!


    :hello:


    Knuspi

  • Hallo Calaf und Knuspi,


    bekommt ihr denn Freikarten. Man besucht doch keine Opernaufführung


    um die Augen zu schließen, es sei denn, man ist sehr müde. :D



    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.


  • Lieber Herbert,


    das sehe ich anders. Ich schließe sowohl in der Oper als auch in Konzerten immer zeitweise die Augen um bar jeder Ablenkung das Gehörte aufzunehmen. Für mich sehr wichtig. Und bei dieser Tristan Inszenierung oft nötig, um den unsinnigen Ablenkungen zu entgehen.


    Liebe Grüße,
    calaf

    Without deviation from the norm, progress is not possible.
    (Frank Zappa)

  • Glaub mir, Herbert - ich hab's als völlig absurd empfunden. Normalerweiese stelle ich mich ja immer dem Regietheater, aber bei dem Krampf konnte ich wirklich nur noch die Augen schließen, weil's mir sonst die Musik verdorben hätte. Grausam!!


    OT: Hast Du jetzt das Buch über die Kölner Oper?


    LG,


    Knuspi

  • Moin,


    Zitat

    Original von calaf


    Zu der Inszenierung möchte ich lieber nichts weiter sagen, was da an sinnbefreiten Aktionen (Liegestuhl-Ballet, Schreittanz im 2. Akt ...) geboten wurde entzieht sich meinem Verständnis. Diese Oper, wo sich fast alles im Inneren vollzieht, hat solchen ablenkenden Firlefanz nicht nötig. Ich habe einfach oft die Augen geschlossen und dieser wirklich tollen Darbietung gelauscht.


    Wer hat denn das inszeniert ??

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

  • Es handelt sich um eine Wiederaufnahme einer Inszenierung von Ruth Berghaus 1987/88 (laut google-Recherche).


    Herzlicher Gruß
    Alexander

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • Zitat

    Original von Alexander_Kinsky
    Es handelt sich um eine Wiederaufnahme einer Inszenierung von Ruth Berghaus 1987/88 (laut google-Recherche).


    Herzlicher Gruß
    Alexander


    Ich habe ja nicht gewagt zu fragen, aber beim Liegestuhlbalet regte sich irgendetwas in einer Ecke im Gehirn.


    Diese Inszenierung hat niemanden, mich eingeschlossen, schon 1987 begeistert. :no: :no:


    Das die so etwas wieder ausgraben. :faint: :faint:

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

  • Zitat

    Original von Radagast
    Das die so etwas wieder ausgraben. :faint: :faint:


    Die Inszenierung ist einfach schlecht. Aber besser diese wird gezeigt und wir kriegen diese wunderbare Aufführung geboten als dass wir gar keinen Tristan haben. Na, wenigstens kann diese Dame kein weiteres Unheil mehr anrichten :stumm:

    Without deviation from the norm, progress is not possible.
    (Frank Zappa)

  • "Nicht so geeilt! Nicht jeder Eure Meinung teilt!" :rolleyes:


    Und schon gar nicht diese:


    Zitat

    Original von calaf
    Na, wenigstens kann diese Dame kein weiteres Unheil mehr anrichten :stumm:



    Oder diese:


    Zitat

    Original von Radagast
    Diese Inszenierung hat niemanden [...] schon 1987 begeistert. :no: :no:



    Ich äußere mich ja nur ungern über Inszenierungen, die ich (leider!) nicht gesehen habe (wie in diesem Fall den Hamburger "Tristan"). Aber erstens haben mich fast alle Berghaus-Arbeiten, die ich kenne, sehr überzeugt. Und zweitens kenne ich eine Reihe zuverlässiger Gewährsleute, die gerade den Berghaus-"Tristan" als eine der beeindruckendsten je erlebten Regiearbeiten bezeichnet haben.


    Um mal einen wirklich unverdächtigen Zeugen und sogar ausgewiesenen Kritiker des "Regietheaters" zu nennen: Christian Thielemann schrieb in einem ZEIT-Artikel (42/2006) folgendes:


    "Ruth Berghaus’ Tristan-Inszenierung habe ich stets mit Begeisterung dirigiert. Da wehte eine derart brachiale Eiseskälte von der Bühne in den Graben herab, dass man gar nicht anders konnte, als sich zur Wehr zu setzen. Das war das Programm der Inszenierung. Und dieses Programm provozierte eine ganz bestimmte Haltung. Ich werde nie vergessen, wie die Berghaus einmal zu uns sagte, ihr da unten, ihr müsst kochen bis zur Weißglut. Sie war eine hoch musikalische Frau. Das hilft."


    Leider dürfte die Inszenierung inzwischen ziemlich auf den Hund gekommen sein (gerade weil die Berghaus immer mit den Sängern, von denen in diesem Fall ja keiner mehr dabei ist, sehr intensiv gearbeitet hat). Trotzdem ist jedes Opernhaus zu loben, das die Arbeiten einer der bedeutendsten Opernregisseurinnen der letzten Jahrzehnte am Leben erhält - wie etwa die Berliner Staatsoper nächste Saison mit "Pelléas et Melisande".


    Viele Grüße


    Bernd

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  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Trotzdem ist jedes Opernhaus zu loben, das die Arbeiten einer der bedeutendsten Opernregisseurinnen der letzten Jahrzehnte am Leben erhält - wie etwa die Berliner Staatsoper nächste Saison mit "Pelléas et Melisande".


    Das teile ich uneingeschränkt. Auf diese Weise habe ich wenigstens noch die Stuttgarter "Traviata" sehen können, die seit der letzten Spielzeit dort wieder auf dem Programm steht.


    Ruth Berghaus ist eine der ganz grossen ihrer Zeit gewesen - und es ist lobenswert, die Erinnerung an sie auch so lange nach ihrem Tod noch durch ihre Regie-Arbeiten am Leben zu erhalten.

  • Ich kenne den Hamburger "Tristan" auch nicht, aber ich habe in Wien seinerzeit Schuberts "Fierrabras", von Ruth Berghaus inszeniert, zuerst im Theater an der Wien und dann in der Wiener Staatsoper gesehen, und es war auch optisch eines der unvergeßlichsten Opernerlebnisse meines Lebens. Ruth Berghaus machte aus dieser Maurenkriegsliebesgeschichte ganz berückende, poetische Bilder, und vor allem auch durch das phantastische Engagement des Arnold Schönberg Chores ergaben sich mir auch heute noch im Gedächtnis abrufbare Ensemblesequenzen von eindringlicher inszenatorischer Kraft. Dirigiert hat damals Claudio Abbado.


    Vielleicht hat Ruth Berghaus beim Hamburger "Tristan" im Sinne Wagners "danebengegriffen", bei Schubert - finde ich - ging das Regietheaterkonzept auf.


    Herzlicher Gruß
    Alexander

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • An der Staatsoper UdL gibt es auch noch 2 gelungene Berghaus-Produktionen: Barbier (1968) und Pelléas, glücklicherweise doch nicht verschrottet und für Rattle in den Spielplan genommen.

  • Das ist ja gründlich daneben gegangen. Wollte eigentlich keinen Thread über die Inszenierung geschweige denn über Ruth Berghaus starten, konnte mir lediglich eine Bemerkung über die in meinen Augen komplett mißlungene, unmusikalische Inszenierung nicht verkneifen. Ich stelle aber fest, die Inszenierung wird von Leuten verteidigt, die sie nicht erlitten haben. :D


    Mich hätten vielmehr Meinungen zu den Sängern interessiert, insbesondere ob jemand z.B. Janice Baird mal gehört hat.

    Without deviation from the norm, progress is not possible.
    (Frank Zappa)

  • Die Inszenierungen der Ruth Berghaus sind aber doch ein dankbares Thema. Ich bin sicher, dass die Bühnenarbeiten der Berghaus, jenseits von Geschmacksfragen, zu jenen Produktionen gehören, die auch in 10 oder 20 Jahren noch Erwähnung finden. Vergleichbar vielleicht mit Regisseuren wie Reinhardt, Oscar F. Schuh oder W. Felsenstein.


    Janice Baird habe ich in Stuttgart als "Götterdämmerungs"-Brünnhilde gehört - eine Sängerin, die sich auf ihre grosse Stimme verlassen kann und die die Partie wenigstens durchhält, da gibt es wesentlich schlechtere Interpretinnen. Allerdings bleibt sie gestalterisch an der Oberfläche, vieles wird eher mit grossem Strich, als mit feinem Pinsel gezeichnet und sängerisch fehlt es etwas an Genauigkeit, aber das ist heute, gerade bei Wagner, eher die Regel, als die Ausnahme.


    Kleiner Nachsatz (und gehört hier nicht so wirklich hin): den Bernstein-"Tristan" finde ich auch absolut grottig. Peter Hofmann und Hildegard Behrens - das ist schon ein berkenswerter Tiefpunkt. Wenn Du magst, kannst Du mal bei "Tristan und Isolde - gibt es eine Idealaufnahme?" nachlesen.

  • Hallo,


    nachdem ich nun versehentlich die erste Stunde meiner Antwort gelöscht habe, hier der zweite Versuch:


    Erstmal, gemäß Etikette, etwas zu meiner Person als Neuling hier in diesem Forum, und entschuldigt, wenn ich es mir einfach mache:


    http://www.pfuetzner.de/matthias


    Und zu Musik:


    http://blogs.sun.com/pfuetz/category/Music


    Nun zu diesem Thema: Hier wurden Menschen gesucht, die dieser Aufführung beigewohnt haben.


    Ich melde mich!


    Wir waren am 17. Juni in der 39. Vorstellung seit der Premiere am 13. März 1988. Dies war die Vorstellung, in der Deborah Polaski nicht auftreten konnte, weil sie in der Nacht zuvor erkrankt war. Sie hatte Simone Young um 9:30 telefonisch davon in Kenntnis gesetzt, und die Hamburgische Staatsoper suchte dann an diesem Sonntag Ersatz bis 17:00 (Beginn der Aufführung!), und fand ihn in Person von Sabine Hogrefe, die zwei Tage zuvor die Isolde in Bremen aufgeführt hatte. Es blieb daher sogar noch genug Zeit, um Sabine Hogrefe nicht nur vom Rande singen zu lassen, sondern sie auch in die szenische Darstellung einzuweisen, so daß wir wirklich eine "vollständige" Aufführung erleben konnten. Wie Simone Young auch vor der Aufführung sagte: Es war notwendig! So wird mir das Schlußbild dieser grandiosen Inszenierung für immer als unvergesslich in Erinnerung bleiben (mehr weiter unten!).


    Und diese Aufführung, für die wir einen Kurzurlaub in Hamburg einlegten, hatte mich bewegt, mich bei Wikipedia anzumelden, um meinen ersten Beitrag dort zu leisten, denn diese Aufführung fehlte im Beitrag zu Ruth Berghaus!


    Wie calaf und knuspi schon sagten: Zur musikalischen Qualität ist nichts hinzuzufügen, einfach wunderbar! Es ist unschwer zu erkennen, warum Simone Young zur Dirigentin des Jahres 2006 gewählt wurde. Zu Sabine Hogrefe: In den ersten beiden Aufzügen war sie etwas zu leise (Bremen ist nun mal kleiner, da muß man nicht so laut singen, oder hat sie sich vielleicht nur geschont?), im dritten Aufzug war sie aber voll präsent!


    Nachdem wir nun also alle von der Qualität der musikalischen Darbietung überzeugt sind, nun zu der Inszenierung. Hier muß ich sagen, daß ich von calaf und knuspi vollständig abweiche, und denke, dies gehört zum Besten, was zur Zeit zu sehen ist (und in den letzten 20 Jahren zu sehen war!). Meine Aussage, als wir die Oper verlassen hatten: "So etwas wird heute leider nicht mehr gemacht!" Ich bin schon mal gespannt, was denn das Ring-Projekt in Hamburg geben wird, vielleicht sollten sie in Frankfurt nachfragen, ob sie die 85-87er Berghaus (Jahrhundert!)-Inszenierung ausleihen können? Ich habe die damals (ja, vor zwanzig Jahren!) gesehen, und Siegfried's Schmiedeszene ist mir heute noch ganz klar vor Augen.


    calaf, knuspi, vielleicht solltet ihr mal das Programmheft, das übrigens noch den Inhalt "von damals" beinhaltet, durchlesen, um zu sehen, daß auch hier schon mehr Gedanken zur Aufführung drinstecken, als sich heute bei vielen Inszenierungen gemacht werden. Texte von Heiner Müller, Ingeborg Bachmann, Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, Aleksandr Blok, Charles Baudelaire, Arnold Schönberg, und anderen, sowie natürlich Richard Wagner zeigen, warum das, was wir auf der Bühne sehen, sinnvoll ist!


    Bernd, es ist schade, daß Du es nicht in eine der leider nur drei Aufführungen geschafft hast, Deine Meinung hierzu hätte mich schon sehr interessiert! Und ich denke, Du hast Recht, wenn Du sagst, daß es lobenswert ist, daß diese (solche!) Inszenierungen am Leben erhalten werden. Und ich muß Dir widersprechen, sie ist nicht auf den Hund gekommen. Ich denke, es leben noch genug Leute, die "damals" dabei waren, und somit sicherstellen, daß es in Ruth Berghaus' Sinne bleibt, und ich denke ebenfalls, daß sich die Hamburgische Staatsoper darum bemüht hat, die Authentizität der Aufführung, auch mit "neuen" Sängern zu bewahren. Ich jedenfalls war total (und bin es noch! Schade, daß es keine einzige Videoaufzeichnung von einer Berghaus Inszenierung gibt! Wir könnten alle etwas davon lernen!) begeistert! Und zu Alexander: Nein, sie hat nicht danebengegriffen!


    Und zu calaf: Ich habe nichts "erlitten", ich habe massiv "genossen" (nicht von niesen (heute würde man da ja auch "geniest" sagen... ;) ), sondern von geniesen).


    Was ist denn das nun überhaupt, worüber wir uns hier so "streiten"?


    Zuerst einmal zu den Dingen, die man sofort bemerkt:


    1.) Farbe kommt auf der Bühne nicht vor (sie kommt nur durch Beleuchtung "vom Himmel" ;) ).
    2.) Der Mond spielt eine zentrale Rolle (vor der Aufführung schon, auf dem Vorhang, im zweiten Aufzug (Gesang) und im dritten Aufzug zentral als Objekt auf der Bühne).
    3.) Die Szenerie ist "außer-irdisch", manche sprachen auch von "Raum"-Schiffen im ersten Aufzug.
    4.) Tristan und Isolde kommen sich körperlich nicht nahe, sondern nur "in Gedanken" (calaf nannte es "Schreittanz" ;) ).
    5.) Der Tod wird nicht gezeigt, er kommt nur symbolisch vor.


    Was sind dann die Dinge, die einem erst später auffallen?


    a.) Es ist keine Hektik zu merken (das ist das, was Thielemann (http://www.zeit.de/2006/42/Sch…ett_der_Partitur?page=all) als "Kälte" beschreibt, und was calaf und knuspi vielleicht "abgeschreckt" hat?).
    b.) Die Handlung wird "abstrahiert" (hier kommen wir zum Liegestuhlballett, was Euch abgestoßen hat: Zu Anfang befinden wird uns auf einem "Luxus-Kreuzfahrt" (raum?) schiff auf dem Oberdeck, wo sich zusammengefaltete Liegestühle befinden (die uns aber nicht auffallen, bemerken tun wir sie erst, wenn sie zum Text von: "Westwärts schweift der Blick: ostwärts streicht das Schiff. Frisch weht der Wind der Heimat zu: mein irisch Kind, wo weilest du? Sind's deiner Seufzer Wehen, die mir die Segel blähen? Wehe, wehe, du Wind! Weh, ach wehe, mein Kind! Irische Maid, du wilde, minnige Maid!" anfangen, sich zu bewegen). Dadurch wird der Bezug zur "Traumhaftigkeit" der gesamten Vorstellung (Liebe bis in den Tod!), oder "Absurdität" des gesamten Inhalts schon frühzeitig hergestellt.
    c.) Wir entfernen uns immer mehr von der Erde: (Raum)-Schiff, "Ventilator", Mond.
    d.) Dadurch entfernen wir uns auch immer mehr von der "Körperlichkeit", denn nur so ist ja die "Liebe über den Tod hinaus" vorstellbar.
    e.) Bekämpfung des Liebes-Schmerzes durch Entkörperlichung, und damit "Erlebbarkeit" der Liebe über den Tod hinaus.


    Dieser Schmerz soll uns ja nicht in "hübschen Bildern" gezeigt werden, sondern wir sollen ihn ja auch sehen, und nicht bloß in musikalischer Form erleben. Wenn es Euch also auch optisch "geschmerzt" hat (so sehr, daß ihr die Augen schliessen mußtet), so hat Ruth Berghaus sicherlich auch bei Euch ihre Wirkung erlangt oder erzielt!


    Dies erstmal als Denkanstoß, warum hier große Inszenierung vorliegt.


    Schade, daß die Web-Seite der Hamburgischen Staatsoper keine Verweise auf zurückliegende Ereignisse erlaubt (und auch die Suche dort intern nichts findet, so entgehen uns die Bilder der Inszenierung, die dort zu finden waren), und auch die Suche bei Google die Infos, die dort standen, leider nicht mehr findet! Ein Bischen was findet sich auf Seite 19 von: http://www.hamburgische-staats…ce/pdf/journal_6_2007.pdf


    Kulminieren tut das Ganze dann im Liebestod:


    Isolde tritt an den Bühnenrand, der Vorhang mit dem Mond (dem Begleiter der Liebe!) kommt herunter, Isolde tritt zu dem Mondbild auf dem Vorhang, wendet sich dem Mond zu, und umarmt ihn (wir sehen sie sozusgagen in ägyptischer Pose, von der Seite, die Arme als Halbrund um den Mond gelegt), Blick auf den Vorhang, weg vom Publikum.


    Das läßt sich kaum in Worte fassen, man muß es gesehen haben!


    Hierbei wird deutlich, daß auch im Tode ein Verlangen nach dem Festhalten des "Geliebten" besteht, und man es nur durch das Festhalten der Symbole oder "Gefährten" erlangen kann.


    Wie gesagt: Grandios!


    Ich hoffe, ich habe Euch beiden, calaf und knuspi, etwas "erklären" können, was ihr als "einfach schlecht" bezeichnet habt, und hoffe, ihr überlegt es Euch noch einmal. Ruth Berghaus hat immer versucht, einen neuen (vielleicht auch "radikalen" ;) Blick auf die Dinge zu werfen (um uns damit zu "er-schrecken", und zum Nachdenken anzuregen), und calaf, in Deiner Signature steht: "Man muß etwas Neues machen, um etwas Neues zu sehen." Denk mal darüber nach, warum Du es "schlecht" gefunden hast, und begründe es uns! Dazu hast Du ja leider noch überhaupt kein Wort verloren... :-(


    Gespannt auf eine längere, fruchtbare Diskussion.


    Matthias

  • Zitat

    Original von pfuetz
    nachdem ich nun versehentlich die erste Stunde meiner Antwort gelöscht habe, hier der zweite Versuch:


    Lieber Matthias,


    wie viel Stunden hast Du denn daran geschrieben? :D


    Wie gesagt ich wollte eigentlich lieber über die musikalische Qualität „reden“ als über die Inszenierung. Trotzdem – auf Deinen Wunsch hin – eine kurze Erläuterung.


    Zunächst einmal fand ich die Bühnenbilder gar nicht schlecht. Ich finde auch alles legitim, was Du in den Punkten 1-5 sowie c-e beschreibst. Beim Punkt b solltest Du erwähnen, dass in jedem Liegestuhl eine maskierte Person steckte, die Liegestühle ständig auf- und abgebaut wurden und diese Personen ziemlich seltsame Posen aufführten, die vom eigentlichen Geschehen ablenkten.


    Und das genau ist der Punkt, der mich so sehr gestört hat, dieser sinnlose Aktionismus auf der Bühne und die dadurch produzierte Hektik, die Deiner Meinung nach ja gar nicht vorhandenen ist (a.).
    Mich hat dieses Liegestuhlballet, das Auf- und Abbauen des Bettes, das Gespiele mit dem Boot, das Gerudere, das ständige Hoch- und Runtergekletter im 3. Aufzug gestört, weil es m.E. vom Geschehen und vor allem von der Musik ablenkt. Mit Schreittanz meinte ich übrigens dieses seltsame Hin und Her der Dreiergruppen im 2. Aufzug. Ansonsten fand ich auch die Personenführung an vielen Stellen sehr von Geschehen ablenkend. Und das meine ich mit unmusikalisch. Diese ganzen Ablenkungen haben teilweise zuviel von meiner Aufmerksamkeit gestohlen, so dass ich wirklich die Augen schließen musste um die Musik dieser ganz fantastischen Darbietung – man kann es nicht oft genug sagen – genießen zu können.


    Von mir aus kann man viele kluge Sätze ins Programmheft schreiben, ich bin der Meinung, eine Inszenierung muss aus sich heraus wirken. Wagner hat immer allergrößten Wert darauf gelegt, alles verständlich darzulegen, da muss man dann nicht in Rätseln sprechen.


    Der Herr Thielemann ist mir egal ... ich kenne sein Tristan-Dirigat sowie noch einige andere Äußerungen.


    Klar bin ich für Neues aber gefallen muss es mir auch. Und im Falle des Ringprojektes sollte es wirklich etwas Neues sein. Von Deinem Vorschlag bitte ich abzusehen.


    Ich kann bestens damit leben, dass Dir die Inszenierung gut gefallen hat.


    Liebe Grüße,
    calaf

    Without deviation from the norm, progress is not possible.
    (Frank Zappa)

  • ... ich wollte noch hinzufügen, dass ich das Schlussbild, den Liebestod vor dem sich schließenden Vorhang zu singen, auch für ausgesprochen gelungen halte.


    LG,
    calaf

    Without deviation from the norm, progress is not possible.
    (Frank Zappa)

  • Zitat

    Original von pfuetz


    Dieser Schmerz soll uns ja nicht in "hübschen Bildern" gezeigt werden, sondern wir sollen ihn ja auch sehen, und nicht bloß in musikalischer Form erleben. Wenn es Euch also auch optisch "geschmerzt" hat (so sehr, daß ihr die Augen schliessen mußtet), so hat Ruth Berghaus sicherlich auch bei Euch ihre Wirkung erlangt oder erzielt!


    Lieber Matthias,


    vielen Dank für Deine Ausführungen. Schön, dass es Dir so gut gefallen hat! Von Theaterabenden, die einen begeistern, zehrt man lange. Mir hat's leider wirklich ganz und gar nicht zugesagt, da ich diese Bildersprache ablehne. Das hat gar nichts mit der Berghaus als solche zu tun, sondern mit meiner Auffassung von Theater. Das Programmheft habe ich im Nachhinein gelesen und leider nicht wesentlich Neues aus der Lektüre ziehen können. Will sagen, dass mir während der Vorstellung zu 90% klar war, welche optischen Brücken da auf der Bühne gebaut wurden. Dennoch: Das ist so ganz und gar nicht meine Ästhetik, wird es auch nie sein. Ich hab's halt mehr mit 1:1 -Umsetzungen. Aber, jedem das Seine - wobei's ja für mich immer weniger gibt. Snöff.


    Freundliche Grüße,


    Knuspi

  • Hallo,


    Calaf: ich hatte beim ersten Mal in aller Ruhe, mit Essen und Waschmaschine und Spülmaschine etc. eine Stunde gesessen... ;-)


    Beim nochmals schreiben waren es dann 30 Minuten oder so... ;-)


    Zum Liegestuhlballett: Wir saßen im 2. Rang, erste Reihe Mitte, und hatten damit vielleicht einen größen Abstand, der uns deswegen dieses Auf und Ab, was Du als störend empfandst, nicht so hat wahrnehmen lassen... (vielleicht auch in der "Draufsicht" weniger prägnant?) Das gilt dann auch für den 2. Aufzug, und das Geklettere im 3. Aufzug.


    Ja, ich bin bei Dir, der Ring sollte neu sein, in dem Sinne, daß er all das, was wir in den letzten Jahrzehnten sehen durften (angefangen bei Chereau/Boulez (leider nur auf Video), über Berghaus in Frankfurt, hin zu der Stuttgarter Ring Zusammensetzung (habe ich auch leider nicht live geschafft, die DVDs liegen noch ungesehen bei mir) reflektiert, und daraus etwas Neues entstehen läßt.


    Knuspi: Hast Du Dich mal nach Barcelona begeben, und dort im Picasso Museum gestanden (oder besser: bist dort durch Picassos Entwicklung gewandert)? Dann und dort wird ganz handgreiflich, warum Picasso (weil er sich nicht langweilen wollte!), so gemalt hat, wie er gemalt hat...


    Gleiches gilt (oder sollte gelten) für alle Kunstformen (OK, wenn wir die Oper in ihrer Aufführung betrachten, die Oper per se könnte man mit dem gleichen Argument als tot bezeichnen!), und damit auch auf die Aufführung von Oper (Reflektion dessen, was vorher in der Rezeption schon mal war).


    Ich finde es spannend, wie zum Beispiel Tosca in Darmstadt (meiner Heimatstadt) in den Junta-Krieg in Argentinien verlegt wird. Andererseits ist Il Trovatore im Orientexpress nur "albern" (ebenfalls Darmstadt, OK, hier begründe ich es mal nicht)...


    Dann aber waren Antigonae und Ödipus (auch wenn ich Carl Orff überhaupt nicht mag) grandios. Der fliegende Holländer in Darmstadt war so-la-la...


    Knuspi: Wie wäre es denn dann mit http://www.klassik-im-kino.de/ ? Hier gibt es gute ältere Aufzeichnungen (aber auch Neues), von denen es zum Teil auch KEINE DVDs oder Videos käuflich gibt, zu sehen, immer am ersten Sonntag im Monat... Der Tannhäuser im März (Bayreuth 1978 ) war sehr schön!


    Liebe Grüße,
    Matthias

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  • Zitat

    Original von pfuetz
    Knuspi: Hast Du Dich mal nach Barcelona begeben, und dort im Picasso Museum gestanden (oder besser: bist dort durch Picassos Entwicklung gewandert)? Dann und dort wird ganz handgreiflich, warum Picasso (weil er sich nicht langweilen wollte!), so gemalt hat, wie er gemalt hat...


    Gleiches gilt (oder sollte gelten) für alle Kunstformen (OK, wenn wir die Oper in ihrer Aufführung betrachten, die Oper per se könnte man mit dem gleichen Argument als tot bezeichnen!), und damit auch auf die Aufführung von Oper (Reflektion dessen, was vorher in der Rezeption schon mal war).



    Lieber Matthias,


    oh, ich bin sehr an Kunst interessiert, war Hauptbestandteil meiner beiden Studien. Bezüglich Oper empfinde ich genau konträr zu Dir: Mich langweilt das Regietheater zum Umfallen.


    Zitat

    Original von pfuetz
    Knuspi: Wie wäre es denn dann mit http://www.klassik-im-kino.de/ ? Hier gibt es gute ältere Aufzeichnungen (aber auch Neues), von denen es zum Teil auch KEINE DVDs oder Videos käuflich gibt, zu sehen, immer am ersten Sonntag im Monat... Der Tannhäuser im März (Bayreuth 1978 ) war sehr schön!


    Danke für den Tipp. Ich fände es nur schön, wenn ich solche Inszenierungen mal wieder live auf der Bühne sehen könnte.


    Freundliche Grüße,


    Knuspi

  • Hallo, Knuspi,


    vor etwa 3 Jahren habe ich eine Simon Boccanegra Inszenierung in Lüttich (Liege) gesehen, die Deiner Vorstellung wohl entgegenkommen könnte. Evtl. sind ja wirklich etwas kleinere Opernhäuser geneigt, traditionellere Inszenierungen zu machen. Ich finde solche Inszenierungen eher "langweilig", aber, wie Du selbst schon sagst: Das sind Geschmacksfragen.


    Liebe Grüße,
    Matthias

  • Lieber Harald,


    na, das war jetzt aber echt ein guter Tipp! Mich hat ja fast der Schlag getroffen, als ich auf die Seite der Lütticher Oper clickte: Lauter Inszenierungen nach meinem Geschmack. Das ist ja fast zu schön um wahr zu sein!!!!!!!! Vielen Dank für den Hinweis. Und vor allem: In knapp einer Stunde bin ich von Köln in Lüttich! =)


    Merci bien,


    Knuspi